Vorsprung Bayern – Flüchtlingsintegration erfolgreich gestalten Donnerstag, 07.07.2016 um 18:30 Uhr Hotel Le Méridien München, Raum Elysée, Bayerstraße 41, 80335 München Flüchtlingsintegration – eine Zwischenbilanz aus Sicht der Wirtschaft Bertram Brossardt Hauptgeschäftsführer vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Es gilt das gesprochene Wort. 1 Sehr geehrte Damen und Herren, herzlich willkommen zu unserer heutigen Vorsprung Bayern-Veranstaltung zum Thema Flüchtlingsintegration. Herausforderung Flüchtlingsintegration Im Oktober 2015 haben wir die gemeinsame Vereinbarung „IdA – Integration durch Ausbildung und Arbeit“ unterzeichnet. Die Pakt-Partner sind die Bayerische Staatsregierung, die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit und die Kammern. Ich freue mich, dass unsere Partner heute durch Staatssekretär Franz Josef Pschierer vom Bayerischen Wirtschaftsministerium und Dr. Markus Schmitz, Geschäftsführer der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit vertreten sind, um darüber zu berichten, was sich aus ihrer Sicht in der Flüchtlingsintegration seither getan hat. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 2 Ich möchte Ihnen ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit im Rahmen von „IdA – Integration durch Ausbildung und Arbeit“ danken. Mein Dank gilt auch dem Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft für die operative Umsetzung der Projekte, die Ihnen heute noch näher vorgestellt werden. Gemeinsam haben wir uns das Ziel gesetzt, bis Ende 2016 20.000 Flüchtlingen einen Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anzubieten und bis Ende 2019 60.000 Asylbewerber in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das sind ambitionierte Ziele, wenn man berücksichtigt, dass allein 2015 rund 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, davon rund 165.000 nach Bayern. Selbst wenn die Zahlen aktuell zurückgehen, stehen wir vor einer immensen Herausforderung. Wir müssen die Asylbewerber, die langfristig bei uns bleiben, in unsere Gesellschaft integrieren. Eines möchte ich aber klar sagen: VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 3 Die Wirtschaft trägt ihren Teil zur Flüchtlingsintegration bei. Integration bleibt aber eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Chancen für die Flüchtlingsintegration Es ist unser aller Ziel, möglichst schnell möglichst viele Asylbewerber in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt zu integrieren. Wir müssen die Chancen dafür allerdings realistisch betrachten. Die Flüchtlinge werden voraussichtlich erst nach Jahren des Aufenthalts in Bayern erfolgreich in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt integriert sein. Blicken wir zunächst auf die Altersstruktur. Rund 70 Prozent sind jünger als 30 Jahre, 55 Prozent jünger als 25 Jahre. Besonders junge Asylbewerber unter 25 Jahren können wir fit für den Arbeitsmarkt machen. Dazu bedarf es aber umfangreicher Investitionen, vor allem in die Weiterqualifizierung. Ähnliches gilt mit Blick auf das Bildungsniveau. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 4 Zwar geben fast 50 Prozent der über 18-jährigen Asylbewerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit an, ein Gymnasium, eine Fachhochschule oder eine Hochschule besucht zu haben. Der Bildungsstand der Asylbewerber ist aber nicht vergleichbar mit deutschen Abschlüssen. Zudem ist oft nicht klar, welche Kompetenzen Asylbewerber haben, weil Zeugnisse fehlen. Mangels Deutschkenntnissen ist es oft schwierig zu ermitteln, welche Kenntnisse vorliegen. Unsere Einschätzung bleibt deswegen: Kurzfristig ist ein Eintritt in Arbeit und Ausbildung nur für ca. zehn Prozent möglich. Mittel- und langfristig haben Jugendliche und junge Erwachsene die besten Perspektiven. Die Erwachsenen wiederum sind in den Arbeitsmarkt am schwierigsten integrierbar – sowohl mittel- als auch langfristig. Deshalb erwarten wir, dass es in Deutschland und Bayern eine neue Facette der strukturellen Arbeitslosigkeit geben wird. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 5 Zwischenstand IdA Auch aufgrund dieser Herausforderungen war für uns immer klar: Wir müssen alles tun, um die Flüchtlingsintegration zu unterstützen. Bei „IdA – Integration durch Ausbildung und Arbeit“ ziehen wir hier mit der Staatsregierung und der Regionaldirektion an einem Strang. Als Verbände haben wir 6,7 Millionen Euro in die Hand genommen, um eine Vielzahl an Projekten zu starten, die in drei Bereichen ansetzen: Berufsorientierung, Ausbildung und Übergang in den Arbeitsmarkt. Unsere Projekte setzen besonders auf Sprachförderung und die Überprüfung von Kompetenzen und Qualifikationen, um die Unternehmen bei der Integration zu unterstützen. Ich möchte nun eine kurze Zwischenbilanz ziehen, was sich seit dem 15. Oktober 2015 in unseren Projekten getan hat: Unsere IdA-Navigatoren sind seit Januar 2016 in jedem Regierungsbezirk im Einsatz und stehen als Ansprechpartner vor Ort zur Verfügung. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 6 Mit unserem M+E Berufseignungstest kann bereits heute die Ausbildungsreife von Flüchtlingen in englischer Sprache getestet werden. Der IdA KompetenzCheck liegt aktuell für die Bereiche Metall, Elektro und Logistik auf Papier vor. Die Tablet-Versionen sind in Arbeit. Auf der Praktikumsplattform IdA Sprungbrett können Unternehmen seit 31. März 2016, Praktikumsplätze für Flüchtlinge einstellen. Aktuell sind rund 300 Praktikumsangebote online. Die IdA Ausbilderqualifikation, ein Workshop für Unternehmensvertreter zur Sensibilisierung im Umgang mit Flüchtlingen, ist im Januar 2016 gestartet. Von Januar bis Juni 2016 wurden in ganz Bayern insgesamt 30 Workshops mit 370 Unternehmensvertretern durchgeführt. Insgesamt gibt es in diesem Jahr 48 Workshops, zu denen sich bislang 570 Teilnehmer angemeldet haben. Unser IdA BayernTurbo bereitet Flüchtlinge mit relativ guter Vorbildung binnen sechs Monaten auf eine Ausbildung vor. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 7 Derzeit nehmen an 19 Standorten 337 Flüchtlinge daran teil. Im Januar startete das Projekt mit Sprachkursen für die Teilnehmer. Im März begann die konkrete inhaltliche und fachliche Vorbereitung der Flüchtlinge auf eine Ausbildung. Rund 470 Praktika wurden bereits absolviert. Insgesamt werden dieses und nächstes Jahr über 1.000 Teilnehmer das Programm in 56 Gruppen und an 41 Maßnahmenorten durchlaufen. IdA 1000 ist im Februar mit Sprachkursen an sieben Standorten mit über 150 Teilnehmern gestartet, die sogenannten Berufsintegrationskurse haben im April begonnen. Aktuell laufen 34 Gruppen an 32 Standorten (655 Teilnehmern). 45 Gruppen an 43 Maßnahmenorten starten bis November 2016. Insgesamt werden auch hier mehr als 1.000 Teilnehmer dieses und nächstes Jahr das Programm durchlaufen. Auf der Webseite der vbw bündelt das ServiceCenter Flüchtlingsintegration alle Informationen und Services für Unternehmen. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 8 Unsere Erfahrungen aus der Praxis: IdA 120 Für all diese Projekte stand unser Projekt IdA 120 Modell, das wir schon im Frühjahr des letzten Jahres – vor dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen – aufgesetzt haben. Ziel dieses Pilotprojekts war es, Bausteine für die erfolgreiche Integration von Asylbewerbern ebenso wie Integrationshemmnisse zu erkennen. Bei dem Projekt wurden mehrere Maßnahmen verschränkt: Sprachförderung, Coaching, intensives Profiling und die Überprüfung von Kenntnissen und Kompetenzen – alles das, was wir auch in den Projekten BayernTurbo und IdA 1.000 umsetzen IdA 120 haben wir im März abgeschlossen: Insgesamt haben 109 Teilnehmer im Rahmen des Projekts 120 Praktika absolviert. In dem Programm wurden 31 Teilnehmer in eine Beschäftigung oder Ausbildung vermittelt, vier Teilnehmer haben eine Einstiegsqualifizierung aufgenommen. Das heißt, wir hatten hier zum Stichtag 31. März 2016 eine Vermittlungsquote von guten VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 9 32 Prozent. Nach Abschluss des Projekts konnten wir außerdem noch sieben weitere Teilnehmer in eine Ausbildung oder Beschäftigung vermitteln, was die Quote auf etwa 40 Prozent erhöht hat. Was haben wir dabei und natürlich auch bei allen unseren laufenden Projekten bislang für praktische Erfahrungen gesammelt? Die persönliche Betreuung der Teilnehmer und der Unternehmen ist ein Erfolgsfaktor – besonders wenn es um Themen wie die Unsicherheit beim Aufenthaltsstatus geht. Eine der größten Herausforderungen ist die deutsche Sprache. Ohne sie geht es einfach nicht und sie ermöglicht persönliche, soziale und berufliche Integration. Asylbewerber kommen meist ohne formale Nachweise über Qualifikationen oder Tätigkeiten in Deutschland an. Die Überprüfung der Kompetenzen ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur Integration. Unsere Projekte zeigen, dass die ausländischen Tätigkeiten und Berufsinhalte VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 10 trotz einer ähnlichen Berufsbezeichnung häufig nicht mit unseren vergleichbar sind. Ein großes Thema ist auch die Mobilität. Gerade in ländlichen Regionen mit schwächer ausgebauten öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es die Herausforderung, von den Unterkünften zu den Unternehmen zu kommen. Politischer Handlungsbedarf Diese Erfahrungen zeigen uns: Wir sind in Bayern bei der Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern schon sehr aktiv. Politisch wurde in den vergangenen Monaten schon einiges bewegt. Dennoch müssen wir bei der Flüchtlingsintegration weiterhin dran bleiben. Das geht von der Bekämpfung der Fluchtursachen über die Herstellung der europäischen Handlungsfähigkeit bis hin zu mehr Investitionen in Infrastruktur und Bildung. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 11 Was den Arbeitsmarktzugang angeht, so hat der Gesetzgeber mit den Asylpaketen und dem Integrationsgesetz die richtigen Weichen gestellt. Wir brauchen aber weiterhin einen massiven Ausbau der Sprachförderung, sowohl für die allgemeinsprachliche als auch die berufsbezogene Sprachförderung. Wir befürworten die geplante befristete Aussetzung der Vorrangprüfung und die damit verbundene Öffnung der Zeitarbeit für Asylbewerber. Allerdings sagen wir auch, dass der Zugang zur Zeitarbeit unbefristet und unmittelbar ermöglicht sein sollte Und generell stellt sich uns auch die Frage, warum das Integrationsgesetz die Instrumente der Ausbildungsförderung so kompliziert regelt. Unser Vorschlag ist hier: Mit Abschluss eines Ausbildungsvertrags muss der Zugang zu allen Förderleistungen möglich sein. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung 12 Schluss Die derzeit geringen Flüchtlingszahlen verschaffen uns allen eine Verschnaufpause. Die Integration derjenigen, die bereits hier sind, verlangt jedoch weiter von allen Beteiligten viel ab. Wir können das nur gemeinsam schaffen. Flüchtlingsintegration ist kein Selbstläufer und kein Sprint, sondern ein Marathon. In diesem Sinne übergebe ich das Wort nun an Staatsekretär Pschierer. VB Flüchtlingsintegration Bilanz IdA, 07.07.2016 Bertram Brossardt, Einführung
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