Stabilitäts- und Wachstumspakt: Neubeurteilung der

Europäische Kommission - Factsheet
Stabilitäts- und Wachstumspakt: Neubeurteilung der Haushaltslage in
Spanien und Portugal
Brüssel, 7. Juli 2016
Was hat die Kommission heute im Falle Spaniens und Portugals beschlossen?
Wie in der Mitteilung vom 18. Mai angekündigt, hat die Kommission heute die Haushaltslage Spaniens und Portugals erneut
beurteilt. Das Kollegium der Kommissionsmitglieder hat bestätigt, dass Portugal sein übermäßiges Defizit nicht bis Ende 2015
korrigiert hat und dass Spanien von seinem Kurs zur Korrektur seines übermäßigen Defizits bis Ende 2016 abgekommen ist.
Diese Fristen hatte der Rat am 21. Juni 2013 empfohlen.
Das Kollegium hat daher Empfehlungen für einen Beschluss des Rates nach Artikel 126 Absatz 8 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union angenommen, mit dem festgestellt wird, dass Spanien und Portugal in den Jahren 2014
und 2015 keine wirksamen Maßnahmen getroffen haben. Dies ist ein notwendiger Schritt, um Spanien und Portugal neue Fristen
für die Korrektur ihres übermäßigen Defizits einzuräumen und um aktualisierte Konsolidierungspfade festzulegen.
Wie geht es jetzt weiter?
Für die Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen wurden lediglich Daten aus vergangenen Jahren herangezogen
(insbesondere aus 2014 und 2015), und die Bewertung greift etwaigen zukünftigen Beschlüssen nach Artikel 126 AEUV nicht vor.
Sobald der Rat die von der Kommission vorgelegte Bewertung gebilligt hat, beabsichtigt die Kommission, weiter eng mit den
beiden betroffenen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um sämtliche Informationen einzuholen, und ihnen neue
Konsolidierungspfade vorzuschlagen.
Sind hiermit finanzielle Sanktionen verbunden?
Nein. Die heute angenommenen Empfehlungen beziehen sich auf die Vergangenheit. Etwaige Vorschläge für finanzielle
Sanktionen können erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt werden, nachdem der Rat beschlossen hat, dass keine
wirksamen Maßnahmen getroffen wurden (siehe unten).
Wie unterscheidet sich dieses Verfahren von den länderspezifischen Empfehlungen vom 18. Mai, und wie hängt dies
mit den Schlussfolgerungen des Rates zum Frühjahrspaket des Europäischen Semesters zusammen?
Die heutigen Empfehlungen ergänzen die länderspezifischen Empfehlungen und Beschlüsse, die die Kommission bereits am
18. Mai im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts vorgelegt hatte. Sie geben den Mitgliedstaaten Leitlinien an die Hand,
wie sie Wachstum und Beschäftigung fördern können, ohne die Solidität ihrer öffentlichen Finanzen zu beeinträchtigen.
Am 17. Juni billigte der Rat diese vorläufigen Empfehlungen und Beschlüsse und erklärte, er werde die Texte für Spanien und
Portugal zu einem späteren Zeitpunkt fertigstellen. Es ist Sache des Rates zu entscheiden, wann er sich wieder damit befassen
will. Auch der Europäische Rat vom 28. Juni befürwortete generell die länderspezifischen Empfehlungen des Rates.
Gilt der von der Kommission am 18. Mai vorgeschlagene Anpassungspfad noch? Was gedenkt die Kommission
vorzuschlagen?
Die Einzelheiten eines möglichen neuen Konsolidierungspfades müssen gegebenenfalls neu bewertet werden, um den jüngsten
Daten zum Haushaltsvollzug im Laufe des Jahres 2016 Rechnung zu tragen. Die neuesten Entwicklungen müssen auch in den
Wirtschaftsprognosen berücksichtigt werden, auf deren Grundlage der neue haushaltspolitische Kurs festzulegen ist. Die Frist zur
Korrektur des übermäßigen Defizits, einschließlich der neuen haushaltspolitischen Pfade, werden in einer Empfehlung an den Rat
dargelegt, in der die Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 126 Absatz 9 AEUV aufgefordert werden, tätig zu werden. Dabei
verfolgt die Kommission das Ziel, gemeinsam mit den zwei Mitgliedstaaten einen angemessenen haushaltspolitischen
Anpassungspfad auszuarbeiten, der wirksam umgesetzt werden kann.
Warum hat die Kommission ihre Bewertung erst jetzt vorgelegt und nicht schon früher?
Die Kommission wendet die Bestimmungen mit dem darin vorgesehenen politischen und rechtlichen Ermessensspielraum an, um
u. a. sicherzustellen, dass jede Situation mit ihren Besonderheiten berücksichtigt wird. Es gab keine Verpflichtung, die
Beschlüsse im Mai zu erlassen.
An welchen Zielen werden diese „wirksamen Maßnahmen” der beiden Länder gemessen?
Spanien
Im April 2009 beschloss der Rat auf Empfehlung der Kommission, dass in Spanien ein übermäßiges Defizit bestand, und empfahl
daraufhin eine Korrektur des übermäßigen Defizits bis 2012. Seither hat der Rat (auf der Grundlage von Artikel 126 Absatz 7 des
Vertrags) drei neue Empfehlungen an Spanien vorgelegt: Am 2. Dezember 2009, am 10. Juli 2012 und am 21. Juni 2013 wurde
jeweils die Frist für die Korrektur des übermäßigen Defizits auf 2013, 2014 bzw. 2016 verschoben. Jedes Mal gelangte der Rat zu
der Schlussfolgerung, dass Spanien wirksame Maßnahmen ergriffen hatte, dass aber unerwartete nachteilige wirtschaftliche
Ereignisse mit sehr ungünstigen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen eingetreten waren.
Laut den am 21. April 2016 von Eurostat vorgelegten Defizit- und Schuldenstandsdaten belief sich das gesamtstaatliche Defizit
2014 auf 5,9 % des BIP und 2015 auf 5,1 % des BIP und lag damit über den vom Rat festgesetzten Defizitzielen von 5,8 % bzw.
4,2 % des BIP. Der Frühjahrsprognose 2016 der Kommission zufolge betrug die kumulierte Veränderung des strukturellen Saldos
im Zeitraum von 2013 bis 2015 0,6 % des BIP und verfehlte damit deutlich die vom Rat empfohlenen 2,7 % des BIP.
Die Kommission geht in ihrer Frühjahrsprognose 2016 von einer Verringerung des gesamtstaatlichen Defizits Spaniens auf 3,9 %
des BIP im Jahr 2016 und auf 3,1 % des BIP im Jahr 2017 aus. Spanien wird sein übermäßiges Defizit daher voraussichtlich nicht
wie vom Rat empfohlen bis 2016 korrigieren. Außerdem wird sich das strukturelle Defizit voraussichtlich um 0,2 % des BIP im
Jahr 2016 und 0,1 % des BIP im Jahr 2017 erhöhen. Nach der Frühjahrsprognose 2016 der Kommission dürfte die
Schuldenquote 2016 mit 100,3 % des BIP ihren Höchststand erreichen.
Da Spanien weder das Gesamtdefizitziel erreicht noch die erforderlichen Konsolidierungsanstrengungen in den Jahren 2014 und
2015 unternommen hat, empfiehlt die Kommission dem Rat (gemäß Artikel 126 Absatz 8 des Vertrags) festzustellen, dass
Spanien nach den Empfehlungen des Rates keine wirksamen Maßnahmen innerhalb des vorgegebenen Zeitraums ergriffen hat.
Portugal
Im Dezember 2009 beschloss der Rat auf Empfehlung der Kommission, dass in Portugal ein übermäßiges Defizit bestand, und
empfahl daraufhin eine Korrektur des übermäßigen Defizits bis 2013.
Am 9. Oktober 2012 verlängerte der Rat die Frist um ein Jahr bis 2014. Am 21. Juni 2013 gelangte der Rat zu der
Schlussfolgerung, dass in Portugal wirksame Maßnahmen ergriffen wurden, um das übermäßige Defizit zu verringern, dass aber
unerwartete nachteilige wirtschaftliche Ereignisse mit sehr ungünstigen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen eingetreten
waren. Der Rat nahm deshalb eine geänderte Empfehlung nach Artikel 126 Absatz 7 AEUV an, wonach Portugal das übermäßige
Defizit bis spätestens 2015 korrigieren sollte.
Die Auswertung der Maßnahmen, die Portugal zur Korrektur des übermäßigen Defizits bis 2015 ergriffen hat, lässt folgende
Schlussfolgerungen zu:
Laut den am 21. April 2016 von Eurostat vorgelegten Daten über das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand lag
das Defizit 2015 bei 4,4 % des BIP und damit über dem im Vertrag vorgesehenen Referenzwert von 3 % des BIP.
Die kumulierte Verbesserung des nicht bereinigten strukturellen Saldos im Zeitraum von 2013 bis 2015 wird auf 1,1 % des BIP
geschätzt und liegt damit deutlich unter den vom Rat empfohlenen 2,5 % des BIP. Der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand hat
sich seit der Empfehlung des Rates vom Juni 2013 weitgehend stabilisiert und lag 2013 bei 129,2 % des BIP, 2014 bei 130,2 %
des BIP und 2015 bei 129,0 % des BIP.
Da Portugal weder sein übermäßiges Defizit fristgerecht bis 2015 korrigiert noch die empfohlenen
Konsolidierungsanstrengungen unternommen hat, empfiehlt die Kommission heute dem Rat (gemäß Artikel 126 Absatz 8 des
Vertrags) festzustellen, dass Portugal nach den Empfehlungen des Rates keine wirksamen Maßnahmen innerhalb des
vorgegebenen Zeitraums ergriffen hat.
Kommen Geldbußen oder die Aussetzung von EU-Mitteln in Frage?
Das sind keine Entscheidungen, die heute getroffen werden müssen. Erlässt der Rat einen Beschluss nach Artikel 126 Absatz 8,
so ist die Kommission rechtlich verpflichtet, einen Vorschlag für die Verhängung einer Geldbuße gegen das betreffende Land
sowie die Aussetzung eines Teils der Mittelzusagen aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds)
vorzulegen. Der Höchstbetrag dieser Geldbuße und die Aussetzung von Zahlungen sind in den einschlägigen Rechtsakten
festgelegt und können in begründeten Fällen verringert werden.
Insbesondere bei der Geldbuße kann die Kommission dem Rat empfehlen, den Betrag zu reduzieren oder ganz zu streichen. Dies
ist entweder aufgrund außergewöhnlicher wirtschaftlicher Rahmenbedingungen oder auf begründeten Antrag des betreffenden
Mitgliedstaats möglich, der innerhalb von zehn Tagen nach dem Erlass des Ratsbeschlusses nach Artikel 126 Absatz 8 bei der
Kommission eingehen muss.
In Bezug auf EU-Mittel ist die Kommission rechtlich verpflichtet, die Aussetzung eines Teils der Mittelzusagen aus den ESI-Fonds
für das folgende Jahr vorzuschlagen. Sobald die Kommission der Ansicht ist, dass die Mitgliedstaaten den Pakt wieder in vollem
Umfang einhalten, ist sie als einziges Organ berechtigt, die Aussetzung aufzuheben.
MEMO/16/2377
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