!
!
!
Grundpositionen der Ethik im historisch-systematischen
Zusammenhang
!
Grundprobleme der
Moralphilosophie
Aufbau der Vorlesung
I. Grundbegriffe der
Moralphilosophie
6. Kant
II. Zur Entwicklung ethischer
Argumentationsfiguren
8. Schopenhauer 7. Common Sense
1. Platon
9. Nussbaum
2. Aristoteles
10. Nietzsche
3. Stoa
11. Dewey
4. Epikur
12. Habermas
5. Utilitarismus
13. Rawls
Zeitplan
• 22.04.
• 29.04.
• 06.05.
• 13.05.
• 20.05.
• 27.05.
• 03.06.
• 10.06. Pfingstferien
• 17.06.
• 24.06. keine Vorlesung
• 01.07.
• 08.07.
• 15.07.
• 22.07.
• 29.07.
Sekundärliteratur
• Konrad Ott, Moralbegründungen zur Einführung, Hamburg 2005
• Bernd Ladwig, Gerechtigkeitstheorien zur Einführung, Hamburg 2011
• Ch. Menke/Arnd Pollmann, Philosophie der Menschenrechte zur Einführung, Hamburg 2007
• Michael Hauskeller, Geschichte der Ethik (auf 4 Bände angelegt), München 1997ff.
Celikates, St. Gosepath (Hg.), Philosophie der Moral. Texte von der Antike bis zur
• R.Gegenwart,
Frankfurt 2009
• Herlinde Pauer-Studer, Einführung in die Ethik, UTB 2010
• Projekt Leben (Schulbuch Ethik Oberstufe), Stuttgart 2011
• H. Hastedt, E. Martens (Hg.), Ethik - Ein Grundkurs, Hamburg 1994
• Ethik-Texte, hg. v. Peter Welsen, Freiburg 1999
I. Grundbegriffe der
Moralphilosophie
Überblick
• Ethik und Moral
• Das Gute und das Richtige
• Werte und Normen
• Normativ vs. deskriptiv
• Relativismus vs. Universalismus
• Personsein (normativ) und Menschsein (deskriptiv)
• Autonomie als Leitvorstellung
• Die gesellschaftliche Funktion philosophischer Ethik
• Ebenen ethischer Reflexion
Ethik und
•
Moral ☛ Inbegriff der
Normen, Werte und
gefühlsmäßigen
Einstellungen, die das
zwischenmenschliche
Handeln prägen
!
!
1
Moral
•
Ethik ☛ Reflexion über
Moral
Ethik und
II
Moral
(Sprachgebrauch der Habermas-Schule)
•
ethisch ☛ bezogen auf
kulturspezifische
Vorstellungen
vom ,guten Leben‘
!
!
!
•
moralisch ☛ bezogen
auf das für alle,
kulturunabhängig,
Richtige
Übersicht
(Aus: Nikolaus Knoepffler, Angewandte Ethik)
Das Gute und das
Richtige
• Hintergrund: kultureller Pluralismus ☛
•
•
Vielzahl religiöser, sozialer, ethnischer etc. Lebensformen mit
unterschiedlichen Überzeugungen darüber, was ein gutes,
gelungenes Leben ausmacht
von daher Unterscheidung:
•
Das Gute als Inbegriff der verschiedenen Visionen von
menschlichem Wohlergehen (,human flourishing“)
•
Das Richtige als Inbegriff der für alle gleichen
Rahmenbedingungen des guten Lebens (zentral: Menschenrechte)
•
Unterscheidung, nicht Trennung !
Werte und Normen
• Werte artikulieren die persönlichen bzw.
gruppenspezifischen Visionen des Guten,
Normen die verbindlichen Verhaltensweisen für
alle
• Werte: emotional attraktive Leitvorstellungen
mit reflexivem Anteil. Bspw. Freundschaft
• Normen: moralisch oder rechtlich verbindliche
Regeln, die auch unabhängig von persönlicher
Wertschätzung binden. Bspw. Tötungsverbot
Normativ/deskriptiv
• wichtige Grundunterscheidung: will man darstellen, welche
Werte oder Normen gelten (deskriptiv) oder welche gelten
sollten (normativ)?
• normative Schlüsse aus deskriptiven Aussagen sind (ohne
weitere Begründung) ungültig! (sog. naturalistischer Fehlschluss)
• Beispiel für Fehlschluss: • Mütter kümmern sich meist mehr um Kinder als Väter
(deskriptiv). • Also sind Frauen für die Kinderbetreuung zuständig und
sollten die Elternzeit in Anspruch nehmen (normativ)
Relativismus/
Universalismus
• Frage: ist Moral immer bezogen auf bestimmte
soziale Gruppen bzw. kulturelle Entwicklungen
(Relativismus) oder gibt es einige moralische
Normen, die immer gelten (Universalismus)?
• Hintergrund: Unterschiedlichkeit von Normen
in den verschiedenen Kulturen
• Menschenwürde/Menschenrechte als
universalistischer Kern!
Personsein/Menschsein
• zentrale Frage: was begründet moralische Ansprüche (Rechte und
Pflichten)?
• Personsein:Verfügung über bestimmte Eigenschaften (z.B.
Rationalität, Selbstbestimmung, Zukunftsorientierung)
• Menschsein: biologisch und/oder religiös definiert
• Fragen: • Sind alle Menschen Personen?
• Gibt es nichtmenschliche Personen? • Ist Personalität oder Menschlichkeit Grund der Moral?
• Asymmetrie von Rechten und Pflichten!
Autonomie
• Zentraler Begriff der Ethikdebatte in Begründung (z.b. Kant, Kategorischer
Imperativ) und Anwendung (z.b. „autonomer Patient“ in Medizinethik) seit
der Neuzeit
• wörtlich „Selbstgesetzgebung“
• Unersetzbarkeit des Einzelnen als Urteilender und Handelnder
• Kant, Aufklärung: „Habe Mut, Deinen Verstand ohne Anleitung anderer zu
gebrauchen“
• Komplementarität zw. Autonomie und Allgemeinheit
• Leitvorstellung: Identität von Autoren und Adressaten moralischer
Normen
• wichtiger Einwand: viele Menschen sind nicht autonom und können es
auch gar nicht sein (z.b. Säuglinge, schwer Demente)
Die gesellschaftliche Funktion
philosophischer Ethik
!
!
•
•
•
•
Pluralismus der Wertordnungen als Hintergrund
Normative Dimension von Politik und Recht
Verhältnis zur religiös begründeten Moral
Der Boom der angewandten Ethik
Hauptebenen ethischer Reflexion
!
• Deskriptive Ethik
• Metaethik
• Normative Ethik
• Angewandte Ethik (applied ethics)
Feingliederung (nach Konrad Ott, Moralbegründungen)
1. Deskriptive Ethik
a.) Entstehung und Sinn der Moral (evolutionäre Ethik, Anthropologie)
b.) Moralhistorie und - soziologie, Moralethnologie
c.) Motivationspsychologie
d.) Moralentwicklung und Theorie der Moderne
2. Normenlogik
3. Metaethik (Bedeutungstheorie der Moralsprache)
4. Normative Ethiktheorien
a.) Moralprinzipien (z.B. Kategorischer Imperativ)
b.)Grundnormen (positive und negative Pflichten)
c.) Menschen- und Bürgerrechte
d.) Reichweite der „moral community“
Feingliederung, Fortsetzung
5. Angewandte Ethik (Umwelt, Wirtschaft, Medizin, Medien etc.)
a.) Praxisnormen (Grundsätze „mittlerer Reichweite“)
b.) Argumentationsräume („Bereichstopologien“)
6. Fragen anwendungsorientierter Ethik
a.) Verantwortungszuschreibungen
b.) Risikobeurteilungen c.) Abwägungskonzepte
d.) Werte- und Normenkonflikte
7. Konzeptionen des guten Lebens (Eudämonistische Ethik)
8. Urteile betreffs Maßnahmen, Einzelfällen, Themen etc.
II. Zur Entwicklung
ethischer
Argumentationsfiguren
Von Homer bis Habermas
Von Homer zu Platon
•
Homer (8.Jh.):
Handeln als
Inszenierung der
Götter
•
Soziale Anerkennung
als Moral
•
Xenophanes (6.Jh.):
Kritik am
Anthropomorphismus
• Wider den Athletenkult
• Vom Mythos zum Logos
• Soziale Geltung vs.
gerechtfertigte Geltung
• Die Polis als Lebensform
und ihre Auflösung
Platons Suche nach dem
Guten Leben
•
Das Übliche und das
Richtige
•
Die Figur des
Sokrates
•
•
Die Ideenlehre
Der gute Staat und
der gute Mensch
Sokrates
•
•
Lebensdaten: 470-399
•
•
•
•
Die Frage, „wie zu leben sei“
Öffentliches Auftreten in
Athen als Führer von
Gesprächen
Prinzip des Dialogs
Rolle der Sophistik
Kein „Werk“, Quellenlage:
Platons frühe Dialoge
•
Quellen:
•
•
•
•
•
„Charmides“: Besonnenheit
„Protagoras“: politische Tüchtigkeit
„Thrasymachos“: Gerechtigkeit
„Laches“: Tapferkeit
Prinzip des Dialogs:
•
•
•
•
Das ungeprüfte Leben ist nicht wert, gelebt zu werden
•
•
Die Hebammenkunst
Das Wissen des Nichtwissens
Die sokratische Ironie
Die „was“-Frage: Beispiel „Laches“: Wesen der Tapferkeit; aporetisches
Ende!
Tugend als Wissen
Platon
•
•
Lebensdaten: 427-347 v. Chr.
•
•
•
Ca. 387 Gründung der Akademie Schüler des Sokrates: Schock des Todes und die Suche nach
Gewißheit
Vergebliche Versuche in der Politik (Dionysius I u. II auf Sizilien)
Etwa 30 Dialoge, in denen fast immer Sokrates auftritt
•
•
Das Höhlengleichnis (Politeia, 7. Buch)
http://www.create.sriedmann.com/philo/platonhoehlen.pdf
•
•
•
•
•
•
•
•
Die Höhle und die Schatten
Der Aufstieg
Die Gewöhnung ans Licht
Die Letztbegründung
Die Rückkehr
Der Hohn der Höhlenbewohner
Idee und Erscheinung: das unsichtbare Wirkliche
Die Idee des Wahren, Schönen und Guten
•
•
•
•
Platons „Elitismus“
•
Die vier Kardinaltugenden (Schaubild)
Die Analogie von Mikro- und Makrokosmos
Kosmos-Staat-Individuum
Gerechtigkeit nicht als Gleichheit, sondern als Ordnung der Teile
eines Ganzen
Die Kardinaltugenden
28
Aristoteles
•
•
•
Leben und Werk
•
•
•
•
•
•
Was sind Tugenden?
Was ist menschliches Handeln? Das gute Leben und das oberste Gut (Kritik an Platons Theorie
des Guten)
Die Mesotes-Lehre (Lehre vom richtigen Maß)
Gerechtigkeit als zentrale Tugend
Klugheit und Erfahrung: die Phronesis Die höchste Lebensform
Eine Theorie des objektiven Glücks
Leben und Werk
!
•
•
•
•
•
•
384-322 v. Chr.
•
Zentraler Text: Die Nikomachische Ethik
20 Jahre lang Mitglied der platonischen Akademie
342 Erzieher Alexanders des Großen
335 Gründung einer Schule: Peripatos
Hintergrund: Zerfall der Polis
Suche nach dem Begrifflich-Universalen nicht über (Platon),
sondern in der konkreten Wirklichkeit
•
•
Zur Methode des Aristoteles
•
Ausgang von den tatsächlichen moralischen Überzeugungen seiner
Gesellschaft
•
•
Systematisierung und Kritik: was bewährt sich?
Abschied von der absoluten Gewißheit: EN 1094 b 23-28
Die Struktur des Handelns: EN 1094a, ff.
•
•
•
Verfolgung von Gütern (Zielen)
Das Gute als dasjenige, wonach alles strebt
Zwei Arten von Zielen: •
Herstellen (poiesis), das auf ein Werk zielt (ergon) zielt
•
Handeln (praxis), das seinen Zweck in sich selbst trägt
•
Die Struktur des Handelns
•
•
•
Vielzahl der Handlungsziele
•
Die drei Lebensformen, in denen das Gute realisiert werden soll:
Hierarchie unter ihnen
Höchstes Ziel des Handelns: Eudaimonia (Standardübersetzung:
„Glückseligkeit“, besser: das gute Leben)
•
Leben der Lust (Hedonismus)
•
Öffentliches Leben im Dienst der Polis
•
Philosophische oder betrachtende Lebensform
Das Gute als Praxisform
•
•
•
•
Fragestellung: was macht eine Sache „gut“
•
•
Differenz zwischen „know how“ und „knowing that“.
Grundgedanke: Realisierung des gattungsspezifischen Könnens
Suche nach dem Guten „für uns“, nicht „an sich“
Platonkritik: Nutzlosigkeit einer theoretischen Erkenntnis des
Guten Rolle der äußeren Glücksgüter: EN 1099b
Im Fokus: Haltungen
•
Im Blickpunkt: nicht die einzelne Handlung, sondern die feste
Grundhaltung (hexis)
•
•
Tugenden als bewußt kultivierte Handlungsdispositionen
•
Zentral: Regelung der Affekte: Angemessenheit und
Unangemessenheit
•
Affekte moralisch neutral; erst durch reflektierende Bewertung und
Entscheidung moralisch qualifiziert
Dianoetische (Verstandes-) und ethische Tugenden: Erlernen vs.
Praktizieren
Die „Mesotes“-Lehre
•
•
•
•
Mitte nicht Mittelmäßigkeit, sondern Höchstform eines Könnens
•
Beispiel: Umgang mit Geld (zwei relative Mitten!)
Vermeidung des Zuviel und des Zuwenig
Ausnahmen: in sich schlechte Handlungen: Schadenfreude, Mord
Nicht rechnerische, sondern persönliche Mitte: Ermittlung durch
Einbeziehung des gegenteiligen Schlechten
Verfehlung der
Mitte durch
ein Zuviel
Tugend der
Mitte
Verfehlung der
Mitte durch
ein
Zuwenig
Tollkühnheit
Mut
Feigheit
Stumpfsinn
Mäßigkeit
Zuchtlosigkeit
Verschwendung
<Freigebigkeit
Sparsamkeit>
Geiz
Schmeichelei
Freundlichkeit
Streitsucht
Gerechtigkeit
•
Zentrale Rolle: die anderen Tugenden (Tapferkeit, Besonnenheit,
Großherzigkeit etc.) sind persönliche Exzellenzformen, die
Gerechtigkeit aber ist innerlich sozial
•
Gerecht ist, wer an sozialen Gütern (Geld, Anerkennung etc.) nicht
mehr und nicht weniger fordert, als ihm zusteht
•
Das Zustehende als das Angemessene: nicht arithmetische
Gleichheit, sondern: jeder nach seinem Verdienst bzw. seinen
Fähigkeiten
•
Proportionalitätsanalogie: A:B C:D
•
Z.B: 8 Arbeitsstd. (A):80 EUR (B) 10 Std. (C): 100 EUR (D)
Klugheit und Weisheit
•
•
•
Klugheit, bezogen auf das menschliche Gute: praktische Vernunft
≠ Weisheit: Thales von Milet!
Für die Praxis ist die Kenntnis des Einzelnen entscheidend:
•
•
Das Geflügelfleisch und die Mittelmeerdiät
Klugheit als in der Zeit reifende Frucht des Nachdenkens über
Erfahrung: die Jugend kann nicht klug sein: EN 1142a ff.
Ein objektiver
Glücksbegriff
• Eudaimonia als Tätigkeit gemäß
dem eigentümlichen Vermögen
des Menschen
•
Vorrang der betrachtenden
(philosophischen)
Lebensform:
•
Sie ist die wertmäßig
Höchste
•
Sie bietet die reinsten
Genüsse
•
•
Sie ist maximal autark
Sie entspricht dem
Göttlichen im Menschen
Ein objektiver
Glücksbegriff
•
In der Gegenwart: Dominanz der subjektiven Befindlichkeit:
glücklich ist, wer sich glücklich fühlt (WYSIWYG-Prinzip)
•
•
Moderner Individualismus der Antike fremd
Bei Aristoteles: objektive Glücksbedingungen: Zusammenspiel von
wesensgemäßem Handeln und äußeren Glücksgütern
Die hellenistische Ethik
•
Hellenismus: die Jahrhunderte nach dem Tod Alexanders des Großen
(323 v. Chr.): Auflösung der Polis, Machtkämpfe der Nachfolger des
Alexander, Prägung der römischen Kultur durch die Griechen
•
•
•
•
Sozialethik tritt in den Hintergrund: instabile soziale Verhältnisse
•
Affektkontrolle zentral: Ataraxie (Epikur) bzw. Apathie (Stoa) als
Autarkie
Privatisierung des Glücks
Glück als Unabhängigkeit und Selbstgenügsamkeit
Glück als Bewußtseinszustand, der auf die Erreichung aller
selbstgesetzten Zwecke folgt
Hellenistische Ethik
!
•
Prinzip der Zweckökonomie: •
„Damit wir können, was wir wollen, müssen wir wollen, was
wir können“
•
Oberste Glücksregel :“Entwickle nur solche Bedürfnisse, die
du jederzeit befriedigen kannst, setze dir nur solche Zwecke,
deren Verwirklichung außer Zweifel steht“.
•
•
Indifferentismus in Bezug auf alles andere
Drei Hauptschulen: Epikur, Stoa und Skepsis (Pyrrho)
Die Stoa
•
Gründung der
Schule um 300 v.
Chr. durch Zenon
von Kition
•
Schule in einer
Säulenhalle, daher
„Stoa“
•
Radikalismus der
Bedürfnislosigkeit
Die Stoa
•
•
Bestehen der Schule über fünf Jahrhunderte
Wichtige Vertreter:
•
•
•
•
•
•
Zenon
Chrysipp
Panaitios
Seneca
Epiktet
Marc Aurel
Die Stoa
• Das höchste Gut:
•
•
„Einstimmig leben“: Übereinstimmung von Wollen und Können
Vernünftige Einsicht als nicht nur notwendige, sondern
hinreichende Bedingung der Glückseligkeit
!
• Die Handlungstheorie:
Die Struktur der Handlung
Vorstellung (Sahnetorte)
Trieb (Appetit und/oder Hunger)
Zustimmung („das gönn ich
mir“/„hier sag ich nein“)
Handlung (Verzehr/Verzicht)
Die Stoa
• Die Affekte:
•
•
Affekt als „übersteigerter Trieb“
•
Ziel: völlige Ausrottung der Affekte
Ursache: falsche Zustimmung der Vernunft aufgrund eines falschen
Werturteils (Kognitivismus)
• Tugendlehre:
•
•
Tugenden nicht an sich, sondern instrumentell nützlich
•
Inhaltlich Übernahme der platonischen Tugenden: Tapferkeit, Besonnenheit,
Weisheit, Gerechtigkeit
Tugend als „aufrechte Vernunft“, als Vernunft, die nichts Unverfügbares als
ein Gut beurteilt
Die Stoa
• Güter, Übel und „Adiaphora“
•
Tugend als einziges Gut, Laster als einziges Übel, alles übrige ist
gleichgültig (adiaphoron)
•
Das Gleichgültige als alles,was aus dem Bereich des durch
Handeln sicher Erreichbaren herausfällt, z.B. Lust
•
Triebe sind Adiaphora, der Weise läßt sie geschehen, denn ohne
Einwirkung der Vernunft steigern sie sich niemals zum Affekt
Die Stoa
•
•
„naturgemäß leben“ (Kleanthes)
•
Radikale Entwertung der objektiven und intersubjektiven Realität
gegenüber dem Bewusstsein:
Kein Wille zur Veränderung der Realität; innere Einstellung
entscheidend
•
•
Epiktet: „Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern die
Meinungen über die Dinge“
Das Ideal des stoischen Weisen
Epikur
•
•
Epikuros: 341-270
•
Straffe Lehrorganisation,
Auswendiglernen der Kernsätze
•
Mischung aus Philosoph, Therapeut
und „Guru“
•
•
Desinteresse an „Bildung“
•
Lehrbriefe: Brief an Menoikeus
Gründung einer Schule um 310: der
„Garten“
„Hedonismus“;Vorwurf:
„Schweinephilosophie“
Der Utilitarismus
•
Weiterführung der hellenistischen Glücksethik im Blick auf die
Gesellschaft
•
Hauptautoren: •
•
•
Jeremy Bentham (1748-1832)
John Stuart Mill (1806-1873)
In der Gegenwart: •
Dieter Birnbacher, Peter Singer
•
Bedeutendster Gegenentwurf zum Kantianismus (Prinzipienethik):
Konsequentialismus
•
Klassischer Haupttext: Der Utilitarismus (1861)
Grundprinzip des
Utilitarismus
•
Folgenorientierung (erwartbare oder tatsächliche Folgen einer
Handlung?)
•
Kurzformel: •
•
„Das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl über den
größtmöglichen Zeitraum“
Teleologische Ethik: Nützlichkeit für das Erreichen „guter Ziele“
entscheidend
Die fünf Grundpfeiler
des Utilitarismus
•
•
Konsequentialismus
•
•
•
Gleichheitsgrundsatz (Egalitarismus)
Hedonistische Wertbasis (Moral durch das außermoralische Gute
definiert)
Maximierungsstruktur
Kalkülisierungsideal (Nutzensummenberechnung)
Utilitarismus als
Naturalismus
•
Deskriptiver Teil: •
•
Normativer Teil:
•
•
Alle Menschen streben von Natur nach der Vermeidung von Schmerz und
dem Gewinn von Lust (Zit. Bentham)
Das moralisch Richtige besteht in der Maximierung der Differenz zwischen
Lust und Leid
Nutzenprinzip: •
Definition des Moralischen über seine Nützlichkeit zur Realisierung des
außermoralisch Guten
Glück und Präferenzen
•
•
Nutzen als Summe von Glückszuständen
•
•
•
Solche Zustände sind intrinsisch gut, negative intrinsisch schlecht
Glück als positiv (lustvoll) getönte mentale Zustände (WYSIWYGPrinzip): pleasure, happiness, lust, joy etc.
Zentrale Rolle der individuellen Präferenzen
Gewichtung der Präferenzen nur nach ihrer Intensität/Stärke
John Stuart Mill,
Der Utilitarismus
•
Bei Mill Übergang vom quantitativen zum qualitativen Utilitarismus:
•
•
•
•
Wertunterschiede zwischen Lustformen
•
Anthropologische Annahme: wer beides kennt, zieht immer die höhere Lust
vor
Sinnliche und geistige Lüste
Geistige Lust höherwertig
Begründung: Urteil der Kenner→ gebildete vs. naturwüchsige
Präferenzstrukturen Fortsetzung Mill
•
Die Glückszustände jedes Individuums zählen gleich; Mill: „Equal
claim of everbody to happiness“
•
In der radikalen Versionen: alle Glückszustände (Lustquanten)
zählen gleich
•
Idee des „benevolent spectator“: wie würde ein wohlwollender,
unparteischer Beobachter urteilen?
•
Verrechenbarkeit des Nutzens für ein Individuum bzw. eine soziale
Gruppe mit dem Gesamtnutzen
•
Zentralität des Gesamtnutzens
Probleme und Vorzüge
des Utilitarismus
•
Entscheidend ist die Erhöhung der Gesamtsumme der Differenz
zwischen Freud und Leid
•
Kein absoluter Wert des Individuums; diese als verrechenbare
Posten in der Bilanz
•
Einschluß aller empfindungsfähigen Wesen in die „moral
community“
•
Pathozentrik; Bentham: „The question is not: can they reason, but:
Can they suffer?“
•
Gleichstellung der Zukunft mit der Gegenwart:
Zukunftsverantwortung in die Theorie eingebaut
Fortsetzung
•
•
Maximum der Nutzensumme entscheidend
•
Idee eines formalisierten Berechnungsverfahrens: der utilitaristische
Kalkül
Prinzip der einfachen Aggregation (es gibt keine intrinsisch schlechten
Handlungen, entscheidend ist ihr Effekt für den sozialen Nutzen)
•
•
Bentham: „Sum up all the values of the pleasures on the one side and those of all
the pains on the other“
Plausibilität des Gedankens bei Übertragung auf die
Wohlfahrtsökonomie: Sozialreformerischer Impuls - Geld als
Quantifizierungsvariable
Fortsetzung; Probleme
•
Problem: wie können Lusteinheiten quantifiziert werden? Nur
technische Schwierigkeit oder prinzipielle Unmöglichkeit? •
Differenzierungsversuch: Übergang vom Aktutilitarismus zum
Regelutilitarismus
•
•
AU: Nützlichkeitskriterium auf Einzelhandlungen bezogen
RU: solche Regeln sind zu befolgen, deren Befolgung auf Dauer den
Gesamtnutzen maximiert
Fortsetzung; Probleme
•
Kontraintuitiver Charakter:
•
Keine absoluten Verbote (Rechtfertigung von Tötungen etc., wenn
Nutzensumme steigt)
•
•
•
Beispiel Organspende
Singer: Menschsein ≠ Personsein
Nutzenmaximierung zwingt zu radikalem Verzicht auf die Verfolgung von
Eigeninteressen
•
Unvereinbarkeit mit normativ strukturierten Institutionen: Beispiel
Sport - Korrektur von Schiedsrichterentscheidungen bei
entsprechender Lustbilanz?
•
Unvereinbarkeit mit der Idee der Menschenrechte
Die Pflichtethik
Immanuel Kants
Überblick:
•
•
•
•
Lebensdaten, Kontext
•
•
Praktische Regeln und die Idee eines kategorischen Imperativs
Quellen
Glückseligkeit und Glückswürdigkeit
Grundcharaktere: Rationalismus, Formalismus, deontologischer
Charakter, Universalismus, Apriorismus
Das einzig Gute: der gute Wille
•
•
Der KI als Metaregel: Vernunft prüft den Verstand
Der Universalismus und die weiteren Formulierungen des KI
•
•
•
•
Naturgesetzformel
Selbstzweckformel und die Idee der Menschenwürde
Pflicht und Neigung: Freiheit und Notwendigkeit
Vom Apriorismus zur sozialen Praxis:
•
•
•
Geschichtsphilosophie
Pädagogik
Kants Ethik auf dem Prüfstand
Immanuel Kant,
1724-1804
•
•
Stilles Leben in Königsberg
•
Verfasser der drei Kritiken
•
Vollendung der deutschen
Aufklärung: „Mündigkeit“
•
Kritik der reinen Vernunft
•
Kritik der praktischen Vernunft
•
Kritik der Urteilskraft
Bedeutendster deutscher
Philosoph, heute weltweit
wichtiger Bezugspunkt aller
philosophischen Debatten
•
Quellentexte zur Moralphilosophie
!Grundlegung zur Metaphysik der Sitten: Ermittlung des obersten Prinzips der
Moral
!Kritik der praktischen Vernunft:Voraussetzungen und Konsequenzen dieses
Prinzips
!Metaphysik der Sitten: Konkretisierung und Rechtstheorie
!Geschichtsphilosophische Schriften: Einbettung der Moral in die
Menschheitsentwicklung
!Pädagogik-Vorlesung: „Gründung eines moralischen Charakters“
• Hilfreiche Texte:
!Ralf Ludwig, Kant für Anfänger: Der kategorische Imperativ, DTV
!Schulbuch „Projekt Leben“, Kantkapitel, 244-255.
Grundgedanken:
•
•
•
Bis jetzt behandelte Ethiken: „Glücksethiken“
•
Glück als unser natürliches, Pflicht als unser moralisches
Handlungsmotiv
•
Unabhängigkeit der Moralgeltung von Gott, aber: Gott als Instanz
der (jenseitigen) Verbindung von Glückswürdigkeit und
Glückseligkeit
Kant: Ethik der „Glückswürdigkeit“
Grundgedanke: nur wer so handelt, daß alle glücklich sein könnten,
wenn alle so handeln würden wie er, ist würdig, glücklich zu sein
Grundgedanken, Fortsetzung:
•
Rationalismus
•
•
•
•
Prinzip der Normbegründung und der Handlungsprüfung ist die Vernunft
Gefühle sind in der Moralbegründung irrelevant
Formalismus
•
Die Ethik gibt keine Inhalte, sondern nur ein formales Prüfungsverfahren
vor
•
Sie will unsere Alltagsintuitionen formalisieren und besser begründen
Deontologisch-kategorischer Charakter
•
Sie zielt auf unbedingte Sollens- bzw.Verbotssätze
Grundgedanken;
Fortsetzung:
•
Universalismus •
Die Grundidee besteht in der Verallgemeinerbarkeit als Moralkriterium:
Einbeziehung aller (Betroffenen)
•
Nähe und Differenz zur goldenen Regel: Verallgemeinerung des eigenen Standpunktes vs. Standpunkt „einer von allen“
(Kant: „die Menschheit in meiner Person“)
•
Apriorismus
•
Kant abstrahiert von aller Erfahrung: nicht was tatsächlich gilt, sondern was
gelten soll, ist gefragt
Durchführung der
Moralbegründung:
•
•
Ausgangspunkt: regelgeleitetes Handeln nach Maximen
Drei verschiedene Arten von Gebotsformeln (Imperativen)
•
1. Regeln der Geschicklichkeit: wenn Du Zweck a erreichen willst,
gebrauche Mittel b: hypothetisch
•
2. Ratschläge der Klugheit: wer ein gutes Leben haben will, sollte a tun:
hypothetisch (weil auf private Entwürfe des guten Lebens bezogen)
•
3. Gesetze der Sittlichkeit: Geltung unabhängig von der Existenz gesetzter
Zwecke: kategorisch (z.B.„Du sollst nicht lügen“) Geltungsbegründung
(nicht inhaltliche Ableitung!) durch die Metaregel des KI
Grundlegung zur
Metaphysik der Sitten:
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu
denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten
werden, als allein ein guter Wille. (...) Der gute Wille ist nicht durch
das, was er bewirkt, oder ausrichtet, nicht durch seine Tauglichkeit zu
Erreichung irgend eines vorausgesetzten Zweckes, sondern allein
durch das Wollen, d.i. an sich, gut. (...)
„Wenn gleich durch eine besondere Ungunst des Schicksals, oder durch
kärgliche Ausstattung einer stiefmütterlichen Natur, es diesem Willen
gänzlich an Vermögen fehlete, seine Absichten durchzusetzen, ... und
nur der gute Wille (freilich nicht etwa als ein bloßer Wunsch,
sondern als die Aufbietung aller Mittel, sofern sie in unserer Gewalt
sind) übrig bliebe: so würde er wie ein Juwel doch für sich selbst
glänzen, als etwas, das seinen vollen Wert in sich selbst hat. Die
Nützlichkeit oder Fruchtlosigkeit kann diesem Werte weder etwas
zusetzen, noch abnehmen.“ (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, BA
1-3, Unterstreichung MJ)
Verstand,Vernunft und
Urteilskraft
•
Der Verstand bildet Maximen: z.B. „ich soll geliehenes Geld immer
zurückgeben“
•
Die Vernunft als das Vermögen der Reflexion bzw. der Bildung sog.
„regulativer Ideen“ prüft mithilfe der Metaregel des KI den
moralischen Gehalt der Maxime
•
Die Urteilskraft befindet darüber, ob eine gegebene Situation unter
die fragliche Maxime fällt oder nicht
Der Kategorische
Imperativ:
•
Drei Hauptformeln (in der
Grundlegung...)
I.
„Handle nur nach derjenigen
Maxime, durch die [d.h. von
der] du zugleich wollen
kannst, daß sie ein allgemeines
Gesetz werde.“
II.
„Handle so, als ob die
Maxime deiner Handlung
durch deinen Willen zum
allgemeinen Naturgesetz
werden sollte.“
III.
„Handle so, daß du die
Menschheit, sowohl in deiner
Person, als in der Person
eines jeden anderen, jederzeit
zugleich als Zweck, niemals
bloß als Mittel brauchest.“
Ergänzungen zum KI:
•
Moralisch handeln als Handeln aus Pflicht, nicht bloß als
pflichtgemäßes Handeln
•
Ausklammerung der Gefühle, persönlicher (Vor-)lieben etc. als
„Neigung“ (unser empirisches Wollensprofil)
•
Freiheit als Handeln aus Einsicht, Unfreiheit als Gesteuertwerden
durch die persönlichen Neigungen (empirischer vs. intelligibler
Charakter)
•
Mensch als „Bürger zweier Welten“: Sinnenwelt und geistige Welt
Kants Moralphilosophie
im Kontext
•
Geschichtsphilosophie
•
•
Hintergrund: Idee der Aufklärung: „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“
durch den „Mut, sich seines eigenen Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen“
Zentraler Text: Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht
•
„Wir sind im hohen Grad durch Kunst und Wissenschaft kultiviert. Wir sind zivilisiert bis
zum Überlästigen, zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber, uns
schon für moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel. Denn die Idee der Moralität
gehört noch zur Kultur; der Gebrauch dieser Idee aber, welcher nur auf das
Sittenähnliche in der Ehrliebe und der äußeren Anständigkeit hinausläuft, macht bloß
die Zivilisierung aus. ... Alles Gute aber, das nicht auf moralisch-gute Gesinnung
gepfropft ist, ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend.“
Geschichtsphilosophie
• Prinzip der Entfaltung all unserer Anlagen
• Entwicklung unserer Naturanlagen nur in der Gattung,
nicht im Individuum möglich
• Die ungesellige Geselligkeit und Schopenhauers
„Stachelschweingleichnis“
Recht und Moral
•
„Zum ewigen Frieden“ (1795)
•
Zentrale Bedeutung für Idee der Menschenrechte, Stellung der Vereinten
Nationen
•
Spannung zwischen Moral und Politik: auch ein „Volk von Teufeln“ könnte
einen Staat gründen
•
•
•
Regulative Idee einer Unterordnung der Politik unter die Moral
Staatsbürgerrecht,Völkerrecht und Weltbürgerrecht
Zentral: republikanische Verfassung (Gewaltenteilung)
Die Pädagogik:
•
Kants Pädagogik; das Ideal der Autonomie und die Idee einer
besseren Welt
•
„Eltern erziehen gemeiniglich ihre Kinder nur so, daß sie in die
gegenwärtige Welt, sei sie auch verderbt, passen. Sie sollten sie
aber besser erziehen, damit ein zukünftiger besserer Zustand
dadurch hervorgebracht werde“
•
Vier Schritte des Erziehungsprozesses: •
Disziplinierung-Kultivierung-Zivilisierung-Moralisierung
Fortsetzung Pädagogik
•
•
Disziplinierung
•
Bezähmung der Wildheit
•
Der Mensch kann entweder bloß dressiert, abgerichtet, mechanisch unterwiesen, oder
würklich aufgeklärt werden. Man dressiert Hunde, Pferde, und man kann auch Menschen
dressieren. ... Mit dem Dressieren aber ist es noch nicht ausgerichtet, sondern es kommt
vorzüglich darauf an, daß Kinder denken lernen“
Kultivierung
•
•
Verschaffung der Geschicklichkeit: „Besitz eines Vermögens, welches zu allen beliebigen
Zwecken zureichend ist“ (Kulturtechniken, hard und soft skills)
Zivilisierung
•
Erwerb von „Manieren“, Fähigkeit, durch gute Umgangsformen eigene Ziele zu erreichen
Fortsetzung Pädagogik
•
Moralisierung
•
An ihr entscheidet sich das Gelingen des Kulturprozesses: „wir leben im Zeitpunkte
der Disziplinierung, Kultur und Zivilisierung, aber noch lange nicht in dem Zeitpunkte
der Moralisierung“
•
„Die erste Bemühung bei der moralischen Erziehung ist, einen Charakter zu gründen.
Der Charakter besteht in der Fertigkeit, nach Maximen zu handeln.“
•
„Die Moralische Kultur muß sich gründen auf Maximen, nicht auf Disziplin.“
•
Es kommt bei der Moralisierung darauf an, daß der Zögling „die Gesinnung bekomme,
daß er nur lauter gute Zwecke erwähle. Gute Zwecke sind diejenigen, die
notwendigerweise von jedermann gebilligt werden; und die auch zur gleichen Zeit
jedermanns Zwecke sein können.“
Kritik an Kant
•
Schillers Einwand:
•
•
Kant und der Motorradunfall
•
•
•
Von persönlicher Neigung kann man nicht abstrahieren
Was macht den Willen konkret „gut“?
Operation gelungen, Patient tot?
Konflikte zwischen Pflichten
•
Das Lügenverbot und der Nazi
Die Moralphilosophie
des „Common Sense“
Common Sense und
Moral
•
Allen gemeinsam:
•
•
•
Skepsis in Bezug auf die Reichweite universalistischer Prinzipien
Differenzpunkte: •
•
•
Zweifel an der Motivationskraft rein rationaler Überlegungen
Positive (Shaftesbury etc.) vs. negative Hintergrundmetaphysik
Einschätzung der Beziehung zwischen dem Guten und dem Richtigen
Anknüpfungspunkt für feministische Ethiktheorien (Carol Gilligan,
Martha Nussbaum)
David Hume: Skepsis
bez. des Rationalismus
„Endziel aller moralischen Spekulationen ist, uns unsere Pflicht zu lehren und durch treffende
Schilderungen von der Hässlichkeit des Lasters und der Schönheit der Tugend entsprechende
Gewohnheiten zu erzeugen und uns zu bestimmen, das eine zu meiden, dem anderen uns
zuzuwenden. Läßt sich das aber jemals von verstandesmäßigen Folgerungen und Schlüssen
erwarten, die von sich aus keinerlei Macht über die Affekte ausüben, auch nicht die tätigen Kräfte
des Menschen in Bewegung setzen? Sie ermitteln Wahrheiten; wo aber die ermittelten
Wahrheiten farblos sind und weder Verlangen noch Wider-willen hervorrufen, können sie auf
unser Tun und Verhalten keinerlei Einfluß gewinnen. ... Unterdrückt man alle warmen Gefühle und
alle Voreingenommenheit für die Tugend ebenso wie allen Abscheu vor dem Laster, macht man
die Menschen vollkommen gleichgültig gegen diese Unterschiede, so hört die Moral auf, ein
praktisches Anliegen zu sein, hat keinerlei Tendenz mehr, unser Leben und Handeln zu
bestimmen.“ (David Hume, Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral)
Mitgefühl und Moral
•
Britische Moralphilosophie des 17. und 18. Jahrhunderts:
naturalistische Psychologie im Zeichen von Sympathie, Wohlwollen
(Benevolenz) und Mitgefühl
• Hauptvertreter:
•
•
•
Earl of Shaftesbury (1671-1713)
•
Großer Einfluß auf Schiller
•
Verschmelzung von Schönheit und Tugend im Zeichen des Enthusiasmus: Idee der „moral
grace“
Francis Hutcheson
(1694-1746)
Joseph Butler
(1692-1752)
David Hume
Humes Handlungsmodell
•
„Reason is, and ought to be the slave of the passions, and can never
pretend to any other office than to serve and obey them.“
•
„Morals excite passions, and produce or prevent actions. Reason of itself is
utterly impotent in this particular. The rules of morality, therefore, are not
conclusions of our reason.“
(beide Zitate aus: A Treatise of Human Nature, 1739/40)
• Eigennutz und Sympathie als Gegenpole: Idee einer Harmonisierung
beider
•
Ausgang von der Sympathie im Sinne der affektiven Bezogenheit
der Menschen aufeinander
Handlungsmodell:
Fortsetzung
•
•
Problem: Zufälligkeit und Schwanken affektiver Zuneigungen
•
Daher Basis fundamentaler gemeinsamer Interessen, vor allem an der
Erhaltung des Staates, die Stabilität verbürgen
•
•
Ethik als Lehre von den staatserhaltenden Tugenden
•
Aufstellung eines Tugendkatalogs (in Anlehnung an den römischen Autor
Cicero)
Humes Strategie: Ausweitung des Affektbegriffs im Sinne des Ausdrucks
ursprünglicher Sozialität („fellow-feeling“)
Gegenstand moralischer Urteile dementsprechend nicht Einzelhandlungen,
sondern positive (Tugenden) bzw. negative (Laster) Charakterzüge, d.h.
Handlungsdispositionen
•
•
Arthur Schopenhauer, 1788-1860
•
Negativistische Metaphy-sik: der
‚Weltkern‘ ist nicht gut, nicht vernünftig,
sondern ein blinder Wille
•
Ablehnung des Rationalismus in der
Moral
Hauptwerk: Die Welt als Wille und
Vorstellung
Schrift Über die Grundlage
der Moral
•
Idee einer metaphysischen Grundlegung (einer Gesamtdeutung der
Wirklichkeit, die der Moral ihren Platz und ihr Prinzip zuweist)
•
Betonung der negativen emotionalen Erfahrungen: Leidhaftigkeit des
Daseins
•
•
Nähe zu fernöstlichen, insbes. Buddhistischen Motiven
Frage nach dem moralischen Wert von Handlungen im Rahmen einer
Psychologie der Handlungsmotive
Fortsetzung
•
Ausschlaggebend für‘s Handeln sind emotional gefärbte Motive, nicht
Überlegungen
•
•
Das stärkere Motiv setzt sich immer durch
•
Handlungen, die auf das „Wohl und Wehe“ des Handelnden zielen, sind
egoistisch
•
Zwischen egoistischen und moralischen Handlungen besteht eine strenge
Disjunktion
•
Der moralische Wert einer Handlung liegt allein in ihrer Beziehung auf
Andere
„Wohl und Wehe“ für einen oder mehrere Menschen ist der letzte
Zweck jeder Handlung
Fortsetzung:
•
Es sind nur drei Grund-Triebfedern denkbar:
•
•
•
Egoismus, der das eigene Wohl will Bosheit, die das fremde Wehe will
Mitleid, welches das fremde Wohl will
•
Mitleid als einzige Motivation aller Moral: Zitat Grundlage der Moral,
247f.
•
Mitfreude etc. kommt nicht vor; radikaler Gegensatz zu
Shaftesbury
•
Kern des Mitleids: die Erfahrung des „das bin ich“ (tat vam asi), das
Schwinden der Grenze zum Anderen
•
(252f.): Gerechtigkeit als präventives Mitleid
MARTHA NUSSBAUM
•
•
geb. 1947
•
Gemäßigt feministisches
Selbstverständnis
•
Neostoische bzw. neoaristotelische
Ethik
•
Wichtigste Titel:
Eine der bekanntesten
amerikanischen Philosophinnen
•
The Therapy of Desire •
Upheavals of Thought.The Intelligence of
Emotions
•
•
Idee des guten Lebens zentral: Eudämonie
•
EU‘s beziehen sich auf das, was ein Selbst als intrinsisch seinen
Wertschätzungen zugehörig empfindet - dies schließt den
Selbstwert anderer ausdrücklich ein
•
HU‘s beziehen sich auf andere nur im Maß ihrer Nützlichkeit für
das Selbst
Wichtig: Unterscheidung zwischen eudämoni-stischen und
hedonistischen Urteilen. (Moral ist eudämonistisch!)
•
Gefühle sind evaluative Urteile über das, was für‘s Leben wichtig ist
(für Individuum/soziale Gruppe)
•
Sie beziehen sich auf Personen und Sachverhalte, die für das
Gedeihen des Selbst (sein gelingendes Leben ⇒Eudämonie):
•
•
Sehr wichtig sind
Aber nicht (vollständig) kontrolliert werden können.
•
Weil Gefühle kognitive Elemente aufweisen, können sie partiell
durch Bildung und Überlegung beeinflußt werden
•
Erziehung der Gefühle daher als zentrale pädagogisch-moralische
Aufgabe
•
Compassion als „a painful emotion occasioned by the awareness of
another person‘s undeserved misfortune“
•
C is „a conception of human flourishing and the major
predicaments of human life, the best one the onlooker is able to
form“
•
Verbindung zum übergreifenden Moralkonzept:
•
„Compassion depends upon the judgments about flourishing the spectator
forms; and these will only be as reliable as is the spectator‘s general moral
outlook“
•
Die philosophische Mitgefühlsdebatte:
•
Viele Philosophen (z.B. Platon, Seneca, Spinoza, Nietzsche) sehen Mitgefühl
negativ; Hauptvorwurf: es sei herablassend und verletze die Würde des
Bemitleideten
•
Nussbaums Position: der Kampf zwischen Mitgefühlsgegnern und -Freunden
spiegelt zwei Anthropologien und politische Visionen:
•
Mensch exklusiv als Vernunftwesen, das Würde hat
•
Mensch als verletzbares und ungesichertes Wesen, das Würde hat
•
Zusammenfassung:
•
„Compassion is our species‘ way of hooking the good of others to our
fundamentally eudaimonistic (though not egoistic) structure of our
imaginations and our most intense cares.“
•
Compassion bedarf der Einbindung in durchdachte Theorien über
•
•
a.) die menschlichen Basisgüter,
•
b.) Handeln und Schuldhaftigkeit
•
c.) über das Ausmaß unserer moralischen Verpflichtungen
Durch Kunst und Literatur kann und muß Compassion sensibilisiert werden
(ähnlich bei Richard Rorty) (Frage: Bedeutung der Massenmedien?)
•
•
Friedrich Nietzsches Suche nach einem Standpunkt
„jenseits von Gut und Böse“
•
•
Philosoph und Altphilologe, nur für einige Jahre Professor in Basel
•
Enorme Wirkung auf alle Bereiche der Kultur: Religion, Kunst,
Musik, Literatur, Philosophie, Lebensreform
•
•
Radikaler Denker, der Religion und Moral scharf kritisiert
Seit 1889 geistig umnachtet; Pflege und „Vermarktung“ durch die
rassistische und später dem NS nahestehende Schwester Elisabeth
Förster-Nietzsche
Ideengut wurde in extrem verflachter Form von den
Nationalsozialisten aufgenommen
•
Einfluß Schopenhauers, aber positive Wende von dessen
Willensbegriff
•
•
Idee der „Umwertung aller Werte“
•
Lt. Nietzsche innerer Zusammenhang zwischen der
abendländischen Moral und dem Gottesbegriff
Psychologie des Verdachts: Suche nach Lügen, Tarnungen, Ausreden,
Illusionen als Geschäft des Philosophen (Zitat GdM)
•
•
„Fällt der Imperator, fallen auch die Imperative“
Nähe zu Freuds Psychoanalyse und dessen Religionskritik (vgl. Die
Zukunft einer Illusion)
•
•
•
„Jenseits von Gut und Böse“ und v.a.:
„Zur Genealogie der Moral“
Literaturtipps:
•
•
•
Als allererster Einstieg: Projekt Leben, 258/259 u. 364/65
Nietzsche insgesamt: Wiebrecht Ries, Nietzsche zur Einführung, Junius-Verlag
Gründliche Darstellung: Werner Stegmeier, Nietzsches „Genealogie der
Moral“, Darmstadt 1994
•
•
Was bedeutet es, nach der Herkunft der Moral zu fragen?
•
Frage nach dem Wert der Moral: hemmt oder fördert sie das
menschliche Gedeihen? •
Antidemokratisches Denken: es kommt nicht auf das Glück der Vielen,
sondern auf das Erreichen der höchsten Entwicklungshöhe durch einige
Wenige ( Übermensch) an
•
Letztes Ziel: Bejahung des Lebens, so wie es ist (
Das Verhältnis von Genese und Geltung, oder: die Rose und der
Misthaufen
Amoralismus, denn in
Moral wird das Leben, so wie es ist, normativ kritisiert!), als ewige
Wiederkehr des Gleichen
•
Erste Abhandlung: „Gut und Böse“, „Gut und Schlecht“
•
These: „gut“ hieß ursprünglich „wohlgeraten“ - Selbstbezeichnung der
Vornehmen und Mächtigen; „schlecht“ waren die Geringen und zu kurz
Gekommenen (Herrenmoral); später habe die Ohnmächtigen den Spieß
umgedreht, um sich an den Herren zu rächen (Sklavenmoral)
•
An die Stelle des deskriptiven Gegensatzes von Gut und Schlecht tritt damit
der normative Gegensatz von Gut und Böse
•
Entstehung der universalistischen Moral als raffiniertester Trick der
Verlierer: Herrschaft des Geistes des Ressentiments
•
„Schuld“ und „Schlechtes Gewissen“:
•
Nietzsche nimmt ‚evolutionsbiologische‘ Perspektive ein, fragt nach der
Nützlichkeit von Moralvorstellungen
•
Entstehung des Schuldbegriffs als Verinnerlichung materieller „Schulden“
mittels (Recht auf) Grausamkeit •
Der „freie Wille“ als Philosophenerfindung, um Vergeltung rechtmäßig
erscheinen zu lassen
•
„schlechtes Gewissen“ als Verinnerlichung des Schuldgefühls zur
Dauerangst vor einem strafenden Gott
•
Befreiung von diesen Kategorien (vgl. religiöse Herkunft Nietzsches) als
menschheitlicher Durchbruch (!), statt dessen: die „große Gesundheit“, das
Leben ohne Ressentiment und Moral
•
Asketische Ideale: •
•
Verneinung des Daseins im Sinn höherer Ideale als Grund der Moral
•
Bisher einzige Antwort auf die Frage nach dem Lebenssinn (Zitat GdM
411), daher Notwendigkeit neuer Werte: „Brüder, bleibt der Erde treu“
Typus des „Priesters“ als Vertreter dieser Ideale hoch ambivalent:
Verfeinerung, Sublimierung, Geistigkeit, aber auch Nihilismus:Verleugnung
dieser Welt, Zucht, schlechtes Gewissen, Sinngebung um den Preis der
Verneinung der Welt
Ø Erfahrung von Moral als Zwang
und Repression
Ø
Extreme Übersteigerung des
Ideals subjektiver Authentizität
Wahrheitsmoment der
Ø
psychologischen Kritik: nicht überall,
wo Moral draufsteht, ist auch Moral
drin
Ø Wirkungsgeschichte: Nietzsches
als Inspirator der LebensreformBewegung
Ø Stilisierung zur Heilands-Gestalt
•
John Deweys Suche nach einer pragmatistischen Ethik
•
Mit Charles S. Peirce u.
William James
bedeutendster
pragmatistischer
Philosoph
•
•
Zentralbegriff: Erfahrung
•
Intersubjektivität und
Werterfahrung
Innere Verbindung von
Philosophie, Pädagogik und
demokratischer Praxis
Ausschnitt aus der Homepage der „University of Delaware“, USA:
•
Werte: „emotional besetzte Vorstellungen über das
Wünschenswerte; reflexive Standards zur Bewertung unserer
Wünsche“ (Soziologe Hans Joas)
•
Werte sind für‘s Handeln zentral, Normen erwachsen erst aus
Werten
•
Hintergrundproblem: Gegensatz von Wertrelati-vismus und
Wertobjektivismus (Willkür vs. Präexistenz)
•
Dewey: Ausgangspunkt Wünsche; sie erwachsen aus organismischen
Interaktionen mit der Umwelt
•
Durch den intersubjektiven Austausch werden Wünsche reflektiert,
kritisiert und bewertet
•
So entsteht die moralkonstitutive Unterscheidung zwischen dem,
was faktisch „desired“ ist und dem, was der Handelnde für
normativ „desirable“ hält.
•
Werte sind weder subjektiv, noch objektiv, sie entstehen vor dieser
Unterscheidung im Austausch zwischen Menschen und ihrer
Umwelt
•
„Es ist ebenso erstaunlich wie deprimierend zu sehen, daß die
Menschheit so viel Energie auf den (mit Waffen des Fleisches wie
des Geistes geführten) Kampf um die Wahrheit der religiösen,
moralischen und politischen Glaubensbekenntnisse gewendet hat
im Unterschied zu der geringen Anstrengung, Glaubensbekenntnisse einer Überprüfung auszusetzen, indem man nach ihnen
handelt.“
Aus: John Dewey, Die Suche nach Gewißheit
•
Kampf gegen die Vorstellung unveränderlicher moralischer Ideen,
bes. gg. die Idee eines höchsten Guts
•
Weg von Prinzipien, hin zu situationsgerechtem Handeln: •
„eine moralische Situation ist eine, in der Urteil und Wahl vor der
eigentlichen Handlung gefordert sind“
•
•
„Handeln ist immer spezifisch, konkret, individualisiert, einzigartig“
Der Zweck heiligt niemals die Mittel, schon die Unterscheidung selbst ist
fragwürdig
•
„Nicht Perfektion als ein endgültiges Ziel, sondern der immer
andauernde Prozeß der Vervollkommnung, der Reifung, der
Verfeinerung ist das Ziel des Lebens, Ehrenhaftigkeit, Fleiß,
Besonnenheit, Gerechtigkeit, wie Gesundheit, Reichtum und
Bildung sind nicht Güter, die man besitzen soll, wie sie es wären,
wenn sie unwandelbare Ziele ausdrückten, die es zu erreichen gilt.
Sie sind Richtungen der Veränderung in der Qualität der Erfahrung.
Wachstum selbst ist das einzige moralische ‚Ziel‘.“
•
Optimismus und Pessimismus sind der moralischen Situation
gleichermaßen unangemessen.
•
Meliorismus (W. James) ist dagegen „der Glaube, daß die
spezifischen Bedingungen, die in einem bestimmten Augenblick
bestehen, seien sie vergleichsweise schlecht oder vergleichsweise
gut, in jedem Fall verbessert werden können.“
•
Der Erziehungsprozeß fällt mit dem moralisch Prozeß vollkommen
in eins
•
„Wachsen oder die kontinuierliche Neugestaltung der Erfahrung
(ist) das einzige Ziel“
•
„Erziehung bedeutet, jeweils den Grad und die Art von Wachstum
zu erhalten, die in der Gegenwart möglich sind. Dies ist eine
konstante Funktion, unabhängig vom Alter.“
•
„Regierung, Geschäft, Kunst, Religion, alle sozialen Institutionen
haben eine Bedeutung, einen Zweck: Dieser Zweck besteht darin,
die Fähigkeiten der menschlichen Individuen freizusetzen und zu
entwickeln, ohne Rücksicht auf Rasse, Geschlecht, Klasse oder
ökonomischen Status. ... Demokratie hat viele Bedeutungen, aber
wenn sie eine moralische Bedeutung hat, dann findet sie sich in der
Entscheidung, daß der Prüfstein aller politischen Institutionen und
industriellen Einrichtungen in dem Beitrag besteht, den sie zum allseitigen Wachstum jedes Mitglieds der Gesellschaft
beisteuern.“ (John Dewey, Die Erneuerung der Philosophie)
Die Diskursethik von Jürgen Habermas
•
•
Geb. 1929
•
Hauptwerk 1981:
Bekanntester lebender
deutscher Philosoph
•
•
Theorie des kommunikativen
Handelns
Begründung der Ethik auf der
Basis der menschlichen
Sprache
Diskursethik; Grundzüge:
•
Anspruch ähnlich Kant: Rekonstruktion der tatsächlichen
normativen Voraussetzungen unseres Alltagshandelns
•
Linguistisch-intersubjektivitätstheoretische Wende: nicht Analyse
des Bewußtseins einer moralischen Person, sondern Anknüpfung
an den moralischen Gehalt der Verständigung zwischen Personen
•
Methode der Präsuppositionsanalyse: welche moralischen
Verpflichtungen und Rechte müssen Personen notwendig
unterstellen, wenn sie sich auf die Verständigung durch Argumente
einlassen?
Diskursethik; Grundzüge:
•
Gebrauch von Sprache mit der Absicht, andere nicht zu den
eigenen Zwecken bloß zu überreden, sondern gemeinsam einen
Konsens⇐ zu finden (Einsicht aller statt Durchsetzung einiger)
•
Unterschied Konsens
•
Wenn Konsens problematisch wird (neue Fragen,
Meinungsverschiedenheiten etc. auftauchen), sollte das
kommunikative Handeln in einen Diskurs überführt werden
Kompromiß
Zentral:
Geltungsansprüche
•
Geregelte Argumentationen, in denen strittige Geltungsansprüche
unter den Teilnehmern mit dem Ziel der Verständigung durch
Gründe verhandelt werden.
•
•
Begründungstheoretischer Prozeduralismus
Geltungsansprüche lassen sich dreifach untergliedern:
•
Wahrheit (Bezug auf objektive Welt)
•
Richtigkeit (Bezug auf intersubjektive Regelungen)
•
Aufrichtigkeit (Bezug auf persönliches Erleben)
Forts.
Geltungsansprüche
•
Idee der diskursiven (statt religiösen, traditionellen,
konventionellen etc.) Rechtfertigung
•
Moralische Diskurse beziehen sich auf den Geltungsanspruch
normativer Richtigkeit
•
Vier normative Komponenten des Diskurses (idealisierende
Voraussetzungen seines Gelingens ⇒ Vorgriff auf „ideale Kommunikationsgemeinschaft“)
Der normative
Diskursbegriff:
1. Argumentationsprozess entscheidend
•
Es muß begründet werden
•
Als Grund kommt nur in Frage, worauf sich jede/jeder prinzipiell einlassen
kann (Gegenbeispiele: „Gott hat mir befohlen, daß...“; „Bei uns machen wir
das schon immer so“)
•
Rhetorische Tricks (z.B. sog. persuasive od. ad hominem-Argumente) sind
verboten, es gilt alleine der „zwanglose Zwang des besseren Arguments“
Der normative
Diskursbegriff:
2. Herrschaftsfreiheit
•
Jede Person muß frei sagen können, was sie denkt, ohne
Sanktionen befürchten zu müssen
•
In Status, Macht, sprachlichem Talent etc. überlegene
Argumentationsteilnehmer müssen sich in Zurückhaltung üben
•
Strukturelle Machtkomponenten (Lehrer vs. Schüler, Eltern vs.
Kinder, Boss vs. Angestellter etc.) müssen so weit wie möglich
ausgeschaltet werden
Der normative
Diskursbegriff:
3. Partizipation
•
Es müssen alle von dem Problem Betroffenen mit gleichem Recht am
Diskurs teilnehmen können
•
Umgekehrt besteht auch für alle Betroffenen die moralische Pflicht, sich zu
beteiligen
•
Problem: Diskurs geht von sprachkompetenten Erwachsenen aus; was ist
mit „moralträchtigen“ Wesen, die nicht (Tiere, schwerstbehinderte
Menschen) noch nicht (Embryonen und Säuglinge), oder nicht mehr
(demente oder sprachgelähmte Personen) mitreden können?
•
Habermas‘ Lösungsansatz: advokatorische Diskurse („anwaltliche“ Vertretung dieser
Gruppen durch kompetente Sprecher)
Der normative
Diskursbegriff:
4. Ausrichtung auf Konsens, nicht Kompromiß
•
Wille aller Beteiligten, zu einem Konsens zu gelangen, d.h. zu
einer Zustimmung aller aus Einsicht in die moralische
Rechtfertigung der Lösung
•
Problem: setzt (wie der Diskurs im Ganzen) Fehlen von
Handlungsdruck und moralisch hochkompetente Sprecher
voraus
Die Moralprinzipien
• Moralprinzip D: •
Gültig sind genau die Handlungsnormen, denen alle möglicherweise
betroffenen als Teilnehmer an rationalen Diskursen zustimmen könnten.
• Universalisierungsgrundsatz U:
•
Die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus einer allgemeinen Befolgung
der strittigen Norm für die Befriedigung der Interessen eines jeden
einzelnen voraussichtlich ergeben, müssen von allen zwanglos akzeptiert
und den Auswirkungen der bekannten alternativen Regelungsmöglichkeiten
vorgezogen werden können.
Zusammenfassung zu
Habermas‘ Diskursethik
•
Im Kern wie die Kantische Pflichtethik
•
•
•
•
rationalistisch und kognitivistisch
universalistisch
Präskriptiv, deontologisch
Strenge Trennung des Richtigen vom Guten, der Normen von den Werten
•
Unterschied zu Kant: Sprache als Fundament; Intersubjektivität als
Medium der Begründung (dialogisch vs. monologisch)
•
Kritikpunkte: Ausblendung der Emotionen, Geringschätzung des
situativen Elements, Geringschätzung der Werte
John Rawls (1921-2002)
•
Bedeutendster
amerikanischer
Philosoph der
Politik und des
Sozialen
•
Epochemachendes
Werk:
•
•
Theory of Justice von
1971
•
Kerngedanke:
Gerechtigkeit als
Fairneß
Im Zentrum Fragen
der politischen und
sozialen
Gerechtigkeit, nicht
der persönlichen
Moral
•
Verbindung von
Moral- und
politischer
Philosophie
Gerechtigkeit als soziales
Problem
•
Frage: was zeichnet die wohlgeordnete Gesellschaft aus? Antwort:
Verteilungsgerechtigkeit
•
Zentral: Gerechtigkeit als Fairness im Blick auf die gesellschaftlichen
Güter:
•
•
•
•
•
•
Materielle Güter
Rechte
Pflichten
Lebenschancen
Soziale Grundlagen von Sicherheit und Selbstachtung
Es geht um die Verteilungsprinzipien, die das institutionelle Gefüge
der Gesellschaft bestimmen
Vertragstheoretischer
Ansatz
•
Neubelebung der vertragstheoretischen Tradition seit Thomas
Hobbes (1588-1679)
•
•
Grundidee: fiktiver Natur- oder Urzustand; Begründung der Gesellschaft
durch Vertragsschluß
Bei Rawls Gedankenexperiment einer fiktiven Verfassungswahl:
•
Gerechtfertigte und objektiv verbindliche Prinzipien der Gerechtigkeit sind
diejenigen Prinzipien, die freie, rationale, am Eigeninteresse ausgerichtete
Menschen wählen würden, wenn sie in einen Zustand der Gleichheit
versetzt würden und die Aufgabe hätten, die fundamentalen Normen und
Institutionen ihrer zukünftigen Gesellschaft festzulegen
•
Rationale Einigung unter fairen Bedingungen
Der „Schleier der
Unwissenheit“
- Frage: Wie motiviert man rationale Egozentriker zur Moral?
- Antwort: indem man Ihnen jedes Wissen über ihre Ausgangsposition entzieht: Veil
of Ignorance
- Die Wählenden wissen nicht, welches Vermögen, welchen sozialen Status, welche
natürlichen Gaben etc. sie haben
- Idee der Entindividualisierung als Ausschaltung der faktischen Unterschiede in
den Ausgangspositionen
- Unter diesen Bedingungen würde jeder die Normen wählen, die allen
gleichermaßen die besten Startchancen gewähren
Die zwei Grundprinzipien
von Rawls
1) Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreichste
Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist
2) Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten müssen so beschaffen
sein: a) Sie müssen ... den am wenigsten Begünstigten den größtmöglichen Vorteil
bringen
b) Sie müssen mit Ämtern und Positionen verbunden sein, die allen gemäß
fairer Chancengleichheit offenstehen
Dualismus von notwendig gleicher Freiheit in der Politik und erlaubter
Ungleichheit in der Ökonomie unter dem Primat der Politik
Verhältnis zur nichtphil.
Moralbegründung:
•
Wie verhält sich die Vertragstheorie zu unseren moralischen
Alltagsintuitionen?
•
Antwort: sie soll als eine Klärung, Methodisierung und
Systematisierung verstanden werden können
•
Idee eines wechselseitigen Austauschs zwischen moralischen
Einzelurteilen und Explikationsprinzipien, bis ein - temporäres Gleichgewicht erlangt ist: Reflexive equilibrium
•
Spätwerk „The Law of Peoples“ (Völkerrecht): Einbeziehung
nichtliberaler Gesellschaften
Gerechtigkeit und
Pluralismus:
•
„Gerechtigkeit als Fairness versucht, eine Konzeption politischer
Gerechtigkeit zu präsentieren, welche in den grundlegenden
intuitiven Gedanken wurzelt, die in der politischen Kultur eines
demokratischen Verfassungsstaates gefunden werden können. Wir
vermuten, dass diese Gedanken von jeder der widerstreitenden
umfassenden Morallehren bejaht werden, die in einer hinreichend
gerechten demokratischen Gesellschaft Einfluss haben. Daher
versucht Gerechtigkeit als Fairness den Kernbereich eines
übergreifenden Konsens zu bestimmen, das heißt der gemeinsamen
intuitiven Gedanken, die sich, in eine politische
Gerechtigkeitskonzeption eingearbeitet, als ausreichend erweisen,
einen gerechten Verfassungsstaat zu garantieren. Mehr können wir
nicht erwarten, aber mehr benötigen wir auch nicht.“
•
Rawls und Habermas gemeinsam: der Primat des Richtigen vor dem
Guten, der Normen vor den Werten
•
Kommunitarismus als Sammelnamen für Autoren, die dem
widersprechen und, oft an Aristoteles anknüpfend, die Wichtigkeit
von Wertgemeinschaften in der Moral betonen:
•
•
Charles Taylor, Amitai Etzoni, Alisdair MacIntyre, Michael Sandel
Betonung der persönliche moralischen Identität und der
handlungsorientierenden Kraft von Werten
•
Gegensatz zwischen Gesellschaft und Gemeinschaft: •
Vorwurf, bei Rawls und Habermas werde von den Affekten, von persönlichen
Werten und Bindungen in der Nahwelt völlig abstrahiert
reduktionistische
Anthropologie
•
Differenzierte Position von Hans Joas:
•
Werte und „partikulare Visionen des Guten“ sind tatsächlich entscheidend und
liefern affektive Handlungsgründe; normativer Universalismus kann nicht zur
moralischen Handlung motivieren; (vgl. auch Unterscheidung Erzählung/Diskurs)
aber: Universalismus der Normen unentbehrliches Korrektiv des Denkens ins
Werten
•
Manche Werte (Idee der unverlierbaren Menschenwürde) können (overlapping
consensus!) ins Normative verallgemeinert werden