Kolleginnen und Kollegen, Einigkeit ist unsere Stärke! Herausgeber: DKP und Gruppe KAZ www.betriebsaktiv.de l 7. Juni 2016 Telekom: Im Hamsterrad – aus dem Berufsleben eines Servicetechnikers...................... 3 Leiharbeit: Andrea Nahles hat ein Gesetz vorgelegt – für Millionen kein Fortschritt....... 4 Frankreich: „Hände weg von der 35-StundenWoche“ – die Kolleginnen und Kollegen wehren sich gegen Verschlechterungen im Arbeitsrecht nach deutschem Vorbild.............................. 6 Bundeswehr: Die Bundeswehr wird aufgerüstet – mehr Panzer,. mehr Soldaten........... 8 Ein Abschluss für das Kapital! Die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie bringt unter dem Strich 2,74 Prozent bei 21 Monaten Laufzeit. Differenzierungsklauseln ermöglichen den Kapitalisten einen Aufschub. D ie Forderung war 5 Prozent bei 12 Monaten Laufzeit. Es war die niedrigste Forderung seit 10 Jahren, obwohl die Leitkonzerne der Metallindustrie wie BMW und Daimler Rekordgewinne einfuhren. Von den 5 Prozent wurden etwas über der Hälfte erreicht. Bei einer Laufzeit von insgesamt 21 Monaten wurden zusätzlich Differenzierungsklauseln vereinbart. Wieso nur 2,5 Prozent? Es gehört mittlerweile zur Pflicht der bürgerlichen Medien, die Abschlüsse nach Tarifrunden schön zu rechnen, wie jetzt die angeblichen 4,8 Prozent in der Metallindustrie. (Süddeutsche Zeitung, 14. Mai 2016) Auch die IG Metall stimmte da mit ein: „Stärke bringt Erfolg – Insgesamt 4,8 Sonntag Prozent in zwei Stufen.“ (IGM NRW, 13. Mai 2016) Ein Erfolg? Die Einmalzahlung von 150 Euro von April bis Juni ist tariflich nicht wirksam. Sie macht bei Entgeltgruppe 5 des Entgeltrahmenabkommens mit ca. 3.000 Euro etwa 1,6 Prozent aus. Ab Juli wurden 2,8 Prozent vereinbart. Von April bis Dezember 2017 wird nur mehr um 2 Prozent erhöht. Diese 4,8 Prozent schrumpfen auf 2,74 Prozent, wenn wir sie mit 12/21 multiplizieren. Denn die geforderte Laufzeit von 12 Monaten für die tarifwirksame Erhöhung ist ja in zwei Stufen auf 21 Monate gestreckt. Kampfbereitschaft nicht eingesetzt! 760.000 Kolleginnen und Kollegen waren n 19. Juni 2016 n in den Warnstreiks unterwegs. Sie gingen für die 5 Prozent auf die Straße mit dem Willen, diese auch durchzusetzen - Give me five! hieß das bei den Kundgebungen. Die IG Metall-Führung hatte schon zu Beginn der Tarifrunde nach den Warnstreikwellen 24-stündige Streiks angekündigt – also Heavy Metal! Das sollte in Betrieben mit genügender Organisierung begonnen werden, und an diesen hätte es nicht gemangelt. In den brummenden Automobilbetrieben ist ein Organisationsgrad von 90 Prozent und mehr üblich. Doch trotz der Provokation des 0,9-Prozent-Angebots der Metallkapitalisten wurde diese Waffe nicht eingesetzt – und plötzlich abgeschlossen. Lesen Sie weiter auf Seite 2 ´ 11 Uhr Demonstration in München gegen das bayerische Integrationsgesetz Unter dem Motto „Für ein solidarisches Miteinander gegen das geplante Ausgrenzungsgesetz der Bayerischen Staatsregierung!“ ruft ein großes Bündnis von Gewerkschaften, Parteien und Verbänden zur Demonstration gegen das Integrationsgesetz der CSU auf. Treffpunkt: DGB-Haus n Schwanthalerstr. 64 n 80336 München n U-Bahn Theresienwiese Kundgebung und Menschenkette mit „München ist bunt“: 12 Uhr am Stachus 2 7.6.2016 Nach vielen Jahren fand auch im Druckerwerk von Ocè in Poing wieder einmal ein Warnstreik in der Tarifrunde statt. 250 Kolleginnen und Kollegen gingen am 11. Mai für eine Stunde vors Tor, um für die 5 Prozent zu demonstrieren. Vor einem Jahr schon versammelten sich spontan 160 Kolleginnen und Kollegen auf der Straße vor dem Werk, um die Verhandlungen um den Haustarif zu unterstützen. Es tut sich gewerkschaftlich was in dem HiTech-Werk mit seinen knapp 900 Beschäftigten. ´Fortsetzung von Seite 1 Ein Abschluss für das Kapital Bezogen auf die Laufzeit sei die Gesamtbelastung für die Unternehmen mit 2,45 Prozent (!) deutlich niedriger als bei den letzten Abschlüssen, gab der Verhandlungsführer von Gesamtmetall, der Automobilunternehmer Arndt Kirchhoff zu. Der Trend der vergangenen Jahre zu überhöhten Tarifabschlüssen sei gestoppt. (www.labournet.de, 14. Mai 2016) Differenzierung zugelassen Bei der Einmalzahlung und bei der zweiten Erhöhung kann ein Unternehmer wirtschaftliche Probleme geltend machen und die Erhöhung fast bis zum Ende der Laufzeit verschieben. Mit der „differenzierenden Wettbewerbskomponente“ ist den Unternehmern ein neuer Angriff auf den Flächentarif gelungen. Die IG Metall ging in die Tarifrunde mit der Erklärung, die zunehmende Tarifflucht zu bekämpfen. Durch einen Weichspülfaktor, wie er in diesen Tarifvertrag geschrieben wurde, sollten wohl die Unternehmer davon abgehalten werden, nach dem Motto: Bleibt bitte im Tarifverbund, und wir stunden euch den Lohn der Kollegen. Das wirkt geradezu gegen den Flächentarif! Das erhöht die Resignation im Betrieb, aber nicht den Organisierungsgrad. Den kriegen wir nur durch Heavy Metal! Denn nur ein hoher Organisierungsgrad zwingt den Unternehmer in den Tarifvertrag, durch den er für eine absehbare Zeit Ruhe vor Lohnforderungen hat. „Gut für die Wirtschaft ...“ ... sei der Abschluss, meinte der IG MetallVorsitzende Hofmann. Stimmt, denn Gesamtmetall, der Verband der MetallKapitalisten, hat jetzt 21 Monate Ruhe in den Buden. Falsch ist, wenn Hofmann weiter sagt, der Abschluss sei auch „gut für uns“. (direkt 6/16) Denn er will einfach nicht verstehen, dass die Tarifrunde ein Kampf zwischen Kapital und Arbeit um den größtmöglichen Anteil an den alleine von den Arbeitern geschaffenen Werten ist. Auf unserer Seite wurde nicht erprobt, ob mit einem Tagesstreik ein besseres Ergebnis hätte erzielt werden können. Wie können dann 2,7 Prozent „gut für uns“ sein? Das klingt nach Abspeisung. nkrn Zwei Warnstreiks haben die Kolleginnen und Kollegen bei der Nutzfahrzeugsparte von MAN in München hingelegt. Den ersten mit 3.000 und den zweiten mit 4.500 Beteiligten. Beim zweiten kamen auch Beschäftigte von MTU und KraussMaffei dazu. Für den 19. Mai war ein 24-Stunden-Streik angesetzt. Die Bereitschaft dazu war nach Berichten von MAN-Kollegen sehr groß. Dann kam der schnelle Abschluss vom 13. Mai, der mit „na ja“ zur Kenntnis genommen wurde. 3.000 bzw. 5.000 Kolleginnen und Kollegen beteiligten sich bei BMW an den beiden Warnstreiks. Nachher fragten Kollegen in Erwartung des 24-StundenStreiks: „Wann geht’s weiter?!“ Der Abschluss wurde nach Aussage eines Vertrauensmanns „brummend“ kommentiert. Auch wenn viele Leiharbeiter an den Warnstreiks teilnahmen – ihr Lohn wird nicht erhöht! Anders ist das bei den Kolleginnen und Kollegen der Fa. Hofer Communications, die Werksführungen machen und in der „BMW-Welt“ beschäftigt sind. Sie haben sich vor einigen Monaten einen Tarifvertrag der IG Metall erkämpft. Zum 100. Jubiläum gibt es keine Sonderprämie! Stattdessen werden die Kolleginnen und Kollegen mit einem „Rentenbaustein“ abgespeist. Das Geld bleibt also im Tresor der Quandts. nkrn ❏ Ich will die gerne regelmäßig bekommen – bitte schickt mir immer die neue Ausgabe! ❏ Ich will die DKP kennen lernen – bitte schickt mir Informationsmaterial! ❏ Ich will die Gruppe KAZ kennen lernen – bitte schickt mir Informationsmaterial! Vorname und NameTel.: Straße, Postleitzahl und WohnorteMail: Bitte einsenden an: Auf Draht=c/o Jörg Högemann=Kellerstr. 28=81667 München 3 7.6.2016 Im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages von Verdi demonstrierten auch in München Kolleginnen und Kollegen der städtischen Kliniken Bogenhausen und Neuperlach gegen Überstundenstress, für bessere Arbeitsbedingungen und ausreichend Personal. Mit Kartons, auf denen sie ihre Überstundenberge dokumentierten, machten sie auf ihre unerträgliche Lage aufmerksam und belegten, wie sehr sie ständig am Rande der Belastbarkeit arbeiten müssen. Sie fordern eine ausreichende gesetzliche Personalbemessung, die menschenwürdiges Arbeiten und Betreuung der Patienten erlaubt und damit diesen Beruf auch für junge Menschen wieder attraktiv machen würde. Laut Verdi fehlen in den Krankenhäusern bundesweit rund 162.000 Beschäftigte – zu Lasten der Beschäftigten und der Patienten. Charité schreibt Tarifgeschichte! Im größten Uniklinikum Europas, der Charité in Berlin, haben die Beschäftigten den ersten „Tarifvertrag über Gesundheitsschutz und Mindestbesetzung im Krankenhaus“ erkämpft. Besondere Arbeitsbelastungen durch Personalmangel sollen künftig mit tariflichen Regelungen beseitigt werden. Dies wird für die Kolleginnen und Kollegen ein Instrument zur Entlastung für sich selbst und um gute Pflege zu sichern. Mit diesem Tarifvertrag haben die Kolleginnen und Kollegen ein großes Signal an andere Belegschaften gesetzt, auch aktiv zu werden! Die DKP lädt die Betriebsrätin Kati Ziemer und die Krankenschwester Ulla Hedemann nach München ein. Beide berichten aus erster Hand über den Kampf der Kolleginnen und Kollegen an der Berliner Charité. n Kati Ziemer, Betriebsrätin in der Charité Facility Management (CFM) n Ulla Hedemann, Kinderkrankenschwester an der Charité in Berlin 23. September 2016 l 19 Uhr l EineWeltHaus l Schwanthalerstraße 80 l 80336 München l U-Bahn Theresienwiese Im Hamsterrad der Telekom Aus dem Berufsalltag des Servicetechnikers Emerenz Meier. M öchtest du Gleitzeit, Arbeitsbeginn von zu Hause, Firmenwagen, einmal früher die Arbeit beenden und zum Baden gehen, schnell entschlossen mit einem Kurzurlaub die angesammelten Gleitzeitstunden abbauen? Ich wette, du würdest so ein Angebot gerne annehmen – und zu spät merken, dass es sich um ein Spiel mit doppeltem Boden handelt. „Das Interesse denkt nicht, es rechnet. Die Motive sind seine Zahlen.“ (Karl Marx, Debatten über das Holzdiebstahlsgesetz, Dietz Verlag, Berlin, Band 1) Natürlich sind die Rahmen-Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung abgesichert. Der Kapitalist will aber den Arbeiter möglichst lange im Betrieb halten und seine Arbeitskraft möglichst effizient einsetzen. Wie ist nun die Praxis? Zum Arbeitsbeginn wird der Servicelaptop aufgeklappt, und die anstehenden Arbeiten werden in eine Tagesliste geladen. Wobei der einzelne Auftrag mit einer Standard-Erledigungszeit hinterlegt ist. Die Zeiteinteilung funktioniert tatsächlich bei einigen Aufträgen. Wie es aber in der Realität abläuft, hängt von der Qualität der Auftragserstellung und den Bedingungen bei den Kunden vor Ort ab. Wenn also bei einigen Aufträgen die Regelzeit überschritten wird, kann man das pünktliche Arbeitsende vergessen. Das formulierte der Niederlassungsleiter folgendermaßen: „Ich erwarte von den Beschäftigten in den Sommermonaten mehr Engagement und die Ansammlung von Gleitzeitstunden, die in den Wintermonaten abgebaut werden können.“ Da aber bei der Gleitzeitregelung immer das Interesse des Kapitals vorgeht, ist zumindest kurzfristiges Abfeiern des Zeitguthabens selten möglich. Merke: Kurzfristig länger arbeiten ist immer möglich – kurzfristig frei nehmen eher nicht. „Mit der fortlaufenden Verwertung der Sachenwelt nimmt die Entwertung der Menschenwelt in direktem Verhältnis zu.“ (Karl Marx, Ökonomisch-philosophische Manuskripte, „Die entfremdete Arbeit“) Ältere Arbeiter neigen dazu, gelegentlich sich selbst die Sinnfrage zu stellen. Das sind kritische Situationen für Führungskräfte, denn sie wissen nie, ob größere Teile der Belegschaft unruhig und damit weniger kooperativ werden. Zudem sind sie im Verhältnis zu jüngeren Jahrgängen in höheren Lohngruppen und stellen deshalb für die Kapitalisten ein mögliches Einsparungspotential dar. Telekom-Außendienstmitarbeiter wundern sich deshalb nicht, wenn in Teambesprechungen immer wieder von Teamleitern von massiven Kürzungen der zeitlichen Auftragsbemessung berichtet wird, um dann besorgt in die Runde zu fragen, ob man sich das nun wirklich noch antun wolle? Der Vorruhestand wäre ein Ausweg, um den immer anspruchsvolleren Forderungen des Arbeitgebers zu entkommen. Auch bei der Suche nach einem Lesen Sie weiter auf Seite 4 ´ Herausgeber: DKP und Gruppe KAZ Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Jörg Högemann=Kellerstr. 28=81667 München Mail: [email protected] www.betriebsaktiv.de Druck: Eigendruck im Selbstverlag 4 7.6.2016 ´Fortsetzung von Seite 3 Im Hamsterrad der Telekom Arbeitsverhältnis außerhalb der Telekom würde man gerne behilflich sein. „Das Kapital ist daher rücksichtslos gegen Gesundheit und Lebensdauer des Arbeiters, wo es nicht durch die Gesellschaft zur Rücksicht gezwungen wird.“ (Karl Marx, Das Kapital, Band 1-3,8,5, Der Kampf um den Normalarbeitstag) Moderne Technik ermöglicht modernere Führungsmethoden. Wer aber träumt, dass es im Kapitalismus einen Weg zu humaneren Arbeitsbedingungen gäbe, erlebt ein unangenehmes Erwachen. Die Außendienstler der Telekom sind zwar formal in Teams mit einem Teamleiter organisiert, jedoch in der Realität Einzelkämpfer. Das bestätigen sogar Führungskräfte, wenn sie entnervten Mitarbeitern verbal aufmunternd und symbolisch auf die Schultern klopfen. Teambesprechungen werden regelmäßig wegen großer Arbeitsmengen abgesagt. Statt dessen wird Kommunikation – ich bezeichne es als Scheinkommunikation – über Email , einem sozialen Intranet und mit dem Programm Telegram, einer Whats-App-Variante, hergestellt. Man möge sich das nur vorstellen. Während der ohnehin schon stressigen Arbeit beim Kunden rumpelt und quickt das Smartphone immer wieder in der Hosentasche und soll beachtet werden. Daneben müssten Emails gelesen, verstanden und darauf reagiert werden. Wobei dafür keinerlei Zeit zugebilligt wird. Man kann schon froh sein, wenn man bei einer Beschwerde nur zur Antwort bekommt: „Die Jungen können es doch auch!“ oder „Da musst du dir halt einen anderen Ar- beitsplatz suchen, du weißt ja, hier geht es stressig zu!“ Servicetechniker stehen zudem noch unter besonderer psychologischer Belastung. Sie müssen einerseits den Kunden als Ansprechpartner und häufig als Prellbock dienen und zugleich mit den Anforderungen und den immer wiederkehrenden Optimierungsversuchen der direkten Vorgesetzten umgehen. So wird z.B. eine Aktion „Kundenfreundliches Verhalten verankern“ durchgeführt. Dabei fährt der Teamleiter zusammen mit einem Coach mit zum Kunden und beobachtet den Arbeiter bei seiner Tätigkeit. Die Beobachter erstellen ein Protokoll über das, was ihnen aufgefallen ist. Anschließend werden dem Techniker die Unterlagen vorgelesen. Der Techniker darf sich nicht rechtfertigen, sondern muss das Geschriebene kommentarlos hinnehmen. Durch die isolierte Einzelkämpfertätigkeit mangelt es den Mitarbeitern an der Kommunikation von gleich zu gleich. Rückversicherung und Selbstvergewisserung sind somit unterbunden. Die Herausbildung eines Bündnisses der Solidarität gegen den Kapitalisten wird zu dessen Freude verunmöglicht. Betriebsrat und Gewerkschaft Zwar gibt es verschiedene Betriebsvereinbarungen. Der Betriebsrat kümmert sich auch bei Beschwerden. Der DGB spiegelt unter dem Motto „Gesunde Arbeit ist möglich“ die Probleme in einer Broschüre. Um positive Veränderungen herbeizuführen, wären aber aufwendigere Maßnahmen nötig. Gewerkschaft und Betriebsrat müssten intensiv Aufklärungsarbeit leisten und versuchen die Außendienstmitarbeiter zusammenzuführen. Ein erster Schritt könnte eine Mitarbeiterbefragung während einer Betriebsversammlung sein. nEmerenz Meier Nicht Fisch, nicht Fleisch Ministerin Nahles legt ein Gesetz vor, um „den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen zu bekämpfen“. Heraus kam das übliche Wenn und Aber. Für Millionen ist es kein Fortschritt. U nter dem SPD-Kanzler Willy Brandt wurde 1972 das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) eingeführt. Wenige Jahre zuvor wurde durch das Bundesverfassungsgericht das Arbeitsvermittlungsmonopol der Arbeitsämter (heute Bundesagentur für Arbeit) aufgehoben und privaten Vermittlern das Verleihen, besser eigentlich Vermieten (siehe Kasten auf Seite 5), von Arbeitern zum Zwecke der Erbringung einer Arbeitsleistung erlaubt. Diese unregulierte Freigabe führte schnell zu Missständen. Die Sozialversicherungen wurden um Beiträge betrogen, die Leiharbeiterinnen und -arbeiter um Lohn geprellt. Da konnte eine SPD-geführte Regierung nicht zuschauen, ein Gesetz musste her, das AÜG. Von nun an konnten Arbeitskräfte gemietet werden. Immer wieder wurde insbesondere an der ursprünglich auf drei Monate befristeten Überlassungsdauer gedreht. Zuletzt 2004 unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde im Rahmen der sogenannten HartzReformen („Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“) die Höchstüberlassungsdauer vollständig aufgehoben. Da Sozialdemokraten bekanntlich ein soziales Gewissen haben, wurde auch eine Gleichbehandlungspflicht eingeführt, d.h. Leiharbeiter sollten den gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten wie die Stammbelegschaften. Es sei denn, ein Tarifvertrag regelt etwas anderes, so die sozialdemokratische Ideologie. Dass Tarifverträge etwas mit Durchsetzungsfähigkeit zu tun haben, wird vollständig ausgeblendet. Wie sollen Leiharbeiter, angestellt bei Unternehmer A, B, und C und eingesetzt bei Unternehmer X, Y und Z, streiken, ohne gleich den Rauswurf bei X, Y und Z zu riskieren. So ist es kein Wunder, dass die Löhne der Leiharbeiter trotz gesetzlicher Gleichbehandlungs- 5 7.6.2016 pflicht unter den Löhnen der sogenannten Stammbelegschaft liegen. Die Kapitalisten entdeckten unterdessen in ihrer immerwährenden Suche nach Lohndrückerei den § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). In diesem Paragraphen werden vertragstypische Pflichten beschrieben, nämlich: „(1.) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2.) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.“ „Ihrem Ziel, nach Mindestlohn, Rentenpaket und Tarifeinheit ein weiteres Kernvorhaben unter Dach und Fach zu bringen, ist die Arbeitsministerin damit ein großes Stück näher gekommen. Der Preis für diesen Erfolgsnachweis war ihr offenbar nicht zu hoch.“ (WiWo.de, Internetpräsenz der Wirtschaftswoche, 11. Mai 2016) Was mehr als ein Jahrhundert kein Problem war, wird nun zum Missstand. Werkverträge greifen um sich, dem Lohndumping war Tür und Tor geöffnet. Eine Tatsache, die Sozialdemokraten selbstverständlich nicht ruhen lässt. Erfreut über die Verhandlungen in der Regierungskoalition erklärte Arbeitsministerin Andrea Nahles nun am 11. Mai: „Wir haben zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt eine gesetzliche Regelung, die ganz eindeutig die Rechte der Leiharbeitnehmer stärkt. Wir haben zum ersten Mal überhaupt Regeln, damit Werkverträge nicht missbraucht werden.“ (sueddeutsche. de, 11. Mai 2016) Worin bestehen denn nun Nahles´ Errungenschaften? Auf der Internetpräsenz des Arbeitsministeriums verkündet Andrea Nahles: „Es wird in Zukunft klare Regeln geben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, um den Missbrauch bei Leiharbeit und Werkverträgen zu bekämpfen.“ Wirklich? Der genaue Wortlaut des Gesetzentwurfs ist zwar bisher auf der Website des Ministeriums nicht zu finden, aber die Einzelheiten, die über die Deutsche Presse Agentur (DPA) bekannt wurden, machen klar, dass kein Leiharbeiter davon profitieren wird. Es ist das übliche sozialdemokratische Wenn und Aber. Die Zeitarbeiter sollen künftig den gleichen Lohn erhalten wie ihre fest eingestellten Kollegen – aber erst nach neun Monaten. Laut Arbeitsagenturstatistik endet fast jedes zweite Leiharbeitsverhältnis schon nach drei Monaten. Für weit über die Hälfte aller Leiharbeiter fällt Gleichbezahlung von vorneherein weg. Die Regelung tritt auch nur in Kraft, wenn die Zeitarbeitsfirma nicht einen eigenen Tarifvertrag hat und die bisher üblichen Branchenzuschläge bezahlt. Das selbst von der Europäischen Union geforderte „Equal pay“ (gleiche Bezahlung) wird auf sozialdemokratische deutsche Art umgangen Kein Zeitarbeiter soll dauerhaft in ein und demselben Betrieb eingesetzt werden, Gerne werden wahre Verhältnisse verschleiert. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind so ein verschleiertes Verhältnis. Wer gibt Arbeit? Wer nimmt Arbeit? Auch das Wörtchen Leiharbeit verschleiert die wahren Verhältnisse. Eigentlich müsste von Mietarbeit gesprochen werden, denn niemand verleiht Arbeit, sondern ein Arbeiter wird zur Erbringung einer Arbeitsleistung gemietet. lautet die nächste Regel. Demzufolge darf die Überlassungsdauer achtzehn Monate nicht überschreiten – aber auch nur, wenn Leihfirmen nicht schon in einem Tarifvertrag ihrer Branche einen längeren Zeitraum vereinbart haben. Eine großzügige Übergangsfrist ermöglicht noch den Abschluss entsprechender Tarifverträge oder alternativ den Abschluss von Betriebsvereinbarungen. Die IG Metall hat schon vor vier Jahren mit der Metall- und Elektroindustrie einen speziellen Tarifvertrag für Personaldienstleister abgeschlossen, in dem eine Lohngleichstellung erst nach 24 Monaten vorgesehen ist. Daran wird auch durch das neue Gesetz nicht gerüttelt. Öffnungsklauseln wird es sogar für Unternehmer geben, die sich an keinen Tarifvertrag halten: Sie können die Regeln umgehen, wenn sie mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung auf Betriebsebene abschließen. Auch an den Werkverträgen wird das neue Gesetz kaum etwas ändern. Hier sollen lediglich die Informationsrechte Lesen Sie weiter auf Seite 6 ´ 6 7.6.2016 ´Fortsetzung von Seite 5 Nicht Fisch, nicht Fleisch der Betriebsräte gestärkt werden. Das wird aber die Bedingungen der Arbeiter nicht verbessern. Eine weitere Klausel soll ausschließen, dass Zeitarbeiter als Streikbrecher eingesetzt werden – aber auch hier nur unter bestimmten Bedingungen. Die Leiharbeiter dürfen zwar nicht genau die Arbeit der Streikenden übernehmen, sie dürfen allerdings ihre Arbeit auch während eines Streiks der Stammbelegschaft fortsetzen. Nach einem langen Streit über die geplante strengere Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen geht Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nun doch erheblich stärker auf die Sorgen und Bedenken der Unternehmen ein als bisher erwartet. Vor allem sollen die geplanten Regelungen gegen einen missbräuchlichen Einsatz von Fremdpersonal im Rahmen von Werkverträgen deutlich entschärft werden. Das zeigt eine Neufassung des in ihrem Ministerium erarbeiteten Gesetzentwurfs, die der F.A.Z. vorliegt. (faz.net, Internetpräsenz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 18. Februar 2016) So wird jede einzelne Bestimmung sofort in ihr Gegenteil verkehrt. „Ich will sie ja nicht verbieten“, so Nahles am 12. Mai über Leiharbeit und Werkverträge. Dieser Gesetzentwurf lässt die Kapitalisten jubeln und wird fast eine Million Kolleginnen und Kollegen weiterhin zu Arbeitern zweiter Klasse machen. nRW Ein Arbeitsrechtler zum Gesetzentwurf der Andrea Nahles: 1. Der angebliche „Durchbruch“ von Frau Nahles besteht in einer Verschlechterung der Rechtslage der Leiharbeiter und einer im Einzelnen noch unklaren Verbesserung der Lage eines Teils der Werkvertragsarbeiter. Zudem verstärkt das Projekt die Instrumentalisierung von Gewerkschaften und Betriebsräten für die Ziele der Unternehmer. 2. Dieses ständige Hin und Her zeigt nur eines: Die von den Unternehmen verlangte „Flexibilisierung“ und Deregulierung bleibt erhalten. Die Formen ändern sich, aber das Ergebnis bleibt insgesamt dasselbe! Mal Leiharbeit, mal Werkvertrag. Die Prekarisierung bleibt. Vor allem die Prekarisierung durch „Einbindung“ von Gewerkschaften und Betriebsräten. Dr. Rolf Geffken ist Rechtsanwalt u.a. für Arbeitsrecht in Hamburg, Autor zahlreicher Bücher sowie Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg. Er lebt und arbeitet in Hamburg. „Hände weg von der 35-Stunden-Woche!“ Frankreichs sozialistischer Präsident Hollande will das Arbeitsrecht ändern. Vorbild ist Schröders Agenda 2010. A ls die französische Regierung unter dem Staatspräsidenten Hollande im Februar die geplante Verschärfung des Arbeitsrechts vorstellte, verkündeten deutsche Medien: „Frankreich wird deutsch.“ Die Reaktion der Gewerkschaften, Studenten- und Schülervereinigungen ist allerdings eine ganz andere als die bleierne Ruhe, mit der die Gewerkschaften hierzulande all die Angriffe auf uns in den letzten Jahrzehnten hingenommen haben: Die französischen Kolleginnen und Kollegen kämpfen – auch für uns. Demonstrationen während der Arbeitszeit mit hunderttausenden Teilnehmern, immer wiederkehrende Streiks in Betrieben, im Nahverkehr, in öffentlichen Einrichtungen und Verwaltungen, Platzbesetzungen und Blockaden bestimmen seit März das Bild in Paris und anderen Städten Frankreichs. Es ist der geplante Angriff auf die gesetzlich festgelegte 35-StundenWoche und auf den Kündigungsschutz, der die Arbeiter, Schüler und Studenten auf die Straße treibt. Doch es geht um noch mehr: Nach deutschem Vorbild soll die Kampfkraft der französischen Arbeiterklasse geschwächt werden. Nach deutschem Vorbild „Das Vorbild heißt Daimler“, berichtete die Süddeutsche Zeitung am 19. Februar 2016. „Der deutsche Konzern ist es, der Frankreichs Regierung die Blaupause zu ihrer womöglich wichtigsten wirtschaftspolitischen Reform geliefert hat: Im Herbst ließ Daimler die Belegschaft jenes Werks in Lothringen, das den Kleinwagen Smart baut, über Mehrarbeit ohne vollen Lohnausgleich abstimmen. Im Gegenzug gab der Konzern eine Jobgarantie.“ Daimler umging mit dieser Abstimmung das in Frankreich bisher mögliche Veto der Gewerkschaften gegen derartige Aushebelungen der geltenden Arbeitszeit auf Betriebsebene. Anschließend pressten die Konzernvertreter jedem einzelnen Beschäftigten einen neuen Arbeitsvertrag ab. Denn Daimler hatte angedroht, das Werk nach Slowenien zu verlegen, sollten die Arbeiter nicht zustimmen. Solche hierzulande gut bekannten Erpressungen sollen nun auch in Frankreich gesetzlich erleichtert werden. Die Möglichkeit eines Vetos der Gewerkschaften gegen betriebliche Vereinbarungen über längere Arbeitszeiten und Lohnkürzungen, die die Kapitalvertreter mit einer willfährigen kleineren Gewerkschaft1 abschließen wollen, soll abgeschafft werden. Dafür „darf“ die Belegschaft dann abstimmen: Für die angedrohten Entlassungen oder für längere Arbeitszeiten und Lohnkürzungen. Den Rahmen für derartige betriebliche Abweichungen von der 35-Stunden-Woche will die französische Regierung erheblich ausweiten. Bisher gilt, dass die 35-StundenWoche im Jahresmittel eingehalten werden muss. Dieser Zeitraum soll nun auf drei Jahre ausgedehnt, die Obergrenze für Überstunden erhöht und die zulässige tägliche Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf (!) Stunden ausgedehnt werden. Die französischen Arbeiter wissen, was das bedeutet, sie müssen nur ins Nachbarland schauen: In den wenigen Bereichen, wo die 35-Stunden-Woche hierzulande überhaupt erkämpft worden ist, wurde sie durch derartige betriebliche Vereinbarungen durchlöchert wie ein Sieb. Denn Belegschaften werden dadurch gegeneinander ausgespielt und so die gemeinsame Abwehr solcher Angriffe erschwert. „Wir werden angegriffen“, so die Antwort der Kolleginnen und Kollegen in 7 7.6.2016 nennen, endlich durchsetzen, woran sich die konservativen Regierungen bisher nicht herangetraut haben. „Wir wollen keine Agenda 2010“ Doch anders als hierzulande wollen sich große Teile der französischen Arbeiterklasse nicht einbinden lassen in diese Standortlogik. Ihr Widerstand ist so groß, dass er sich auch in der sozialistischen Regierungspartei widerspiegelt. So brachte die französische Regierung den Gesetzentwurf in erster Lesung nur durch, weil sie mit Hilfe einer Verfassungsklausel das Parlament nicht darüber abstimmen ließ. Diese Umgehung des Parlaments fachte den Protest von Neuem an. Eisenbahner ließen den Nahverkehr stillstehen, Fernfahrer blockierten Straßen und Mautstellen, Häfen und Flughäfen wurden bestreikt. Inzwischen (27. Mai) werden die Großraffinerien durch streikende Arbeiter blockiert und die Atomkraftwerke heruntergefahren.2 Es ist ein harter Kampf, den die französischen Kolleginnen und Kollegen zu führen haben gegen einen mächtigen Gegner: Regierung und Kapital und ihre Staatsgewalt. Mit Demonstrationsverboten, Platzräumungen, Inhaftierungen auch von Gewerkschaftern, Durchsuchung von Gewerkschaftsräumen (bisher ein Tabu), Knüppeln und Wasserwerfern soll der Widerstand gebrochen werden; aber auch mit kosmetischen Zugeständnissen und Verhandlungen mit „vernünftigen“ Gewerkschaftsvertretern bisher erfolglos. Frankreich, „also wehren wir uns.“ Unterstützt werden sie dabei von den Studentinnen und Studenten, die so um ihre Zukunft kämpfen. Konkurrenzkampf auf dem Rücken der Arbeiter Seit Jahren klagen die Patrons, wie in Frankreich die Kapitalisten und ihre Vertreter genannt werden, über „Wettbewerbsnachteile“ durch die in Frankreich erkämpften Arbeiterrechte. Es geht vor allem um Nachteile gegenüber den mächtigen deutschen Kapitalisten, die bisher nie durch eine für alle Arbeiter geltende gesetzlich verankerte 35-Stunden-Woche eingeschränkt worden sind. Andere Schranken der Ausbeutung der Arbeitskraft wur- den durch die sogenannten Reformen der letzten Jahrzehnte, allen voran der Agenda 2010 unter dem sozialdemokratischen Kanzler Schröder, eingerissen. So von allerlei Arbeiterrechten befreit, eroberten sie Absatzmärkte auch der französischen Konkurrenz, steigerten Jahr für Jahr den Export, während alle anderen EU-Staaten mit zunehmenden Absatzschwierigkeiten und Stagnation der Wirtschaft zu kämpfen haben. Das ist die schnöde ökonomische Grundlage für die deutsche Führungsrolle in der EU und Merkels Diktate und Alleingänge. All das ist nicht im Interesse der französischen Kapitalistenklasse. Deshalb soll nun also die „sozialistische“ Regierung, wie sich die französischen Sozialdemokraten Ein Kampf - auch für uns Die französischen Arbeiter führen einen Kampf, den unsere Gewerkschaften bisher nicht aufgenommen haben. Ganz im Gegenteil. Im Glauben, etwas vom Glanz der Macht abzubekommen, üben sich die Gewerkschaftsführungen in Standortverteidigung, statt die Arbeiter für die Verteidigung ihrer Interessen zu mobilisieren. Und doch kämpfen die französischen Arbeiter auch für uns: Setzt sich die französische Regierung mit ihrem Gesetzentwurf durch, so werden unsere Patrons die ersten sein, die weitere „Reformen“ in Deutschland anmahnen, um ihre Konkurrenzvorteile wieder herzustellen. Es ist eine mörderische Spirale. Denn das Kapital kennt keine Grenzen, wenn es um den Profit geht außer denjenigen, die die Arbeiterklasse gegen Regierung und Kapital durchsetzen und verteidigen kann. Und dabei gilt international, was auch in jedem Betrieb, in jeder Branche, in jedem einzelnen Land gilt: Fünf Finger bricht man, nicht die Faust. ngr 1 In Frankreich gibt es, anders als bei uns, mehrere, nach unterschiedlichen politischen Richtungen entstandene Gewerkschaftsverbände, die in einem Betrieb oder in einer Branche vertreten sein können. Die größte ist derzeit die eher kämpferische CGT 2 Eine ausführliche Berichterstattung kann man bei www.labournet.de/internationales/frankreich/ nachlesen Deutschland rüstet auf Mehr Panzer, mehr Soldaten. Der deutsche Imperialismus will „mehr Verantwortung übernehmen“. K riegsministerin Ursula von der Leyen hat Anfang des Jahres angekündigt, dass die Bundeswehr erstmalig seit 1990 wieder aufgerüstet werden soll. Damit materialisieren sich die weltpolitischen Ambitionen Berlins, die seit Herbst 2013 massiv propagiert werden – unter tatkräftiger Mitwirkung nicht zuletzt des Bundespräsidenten, der immer wieder für eine offensive deutsche Weltpolitik auch unter Einsatz der Streitkräfte eintritt. Deutschland müsse zwar als gesetzte Rahmennation in der NATO und in anderen Bündnissen stets „eine angemessene Breite“ an militärischen Fähigkeiten vorhalten. „Wir brauchen aber ebenso dringend bei einzelnen Schlüsselfähigkeiten mehr Durchhaltetiefe“, forderte von der Leyen. Das heißt, Deutschland, das ökonomisch auf der Welt eine immer wichtigere Rolle spielt, will auch militärisch mehr mitmischen. Rüstung bedeutet Kürzungen für das Allgemeinwohl Das deutsche Heer wird künftig mehr Panzer einsatzbereit halten als bislang vorgesehen. Die im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr festgelegte Obergrenze von 225 Kampfpanzern Leopard 2 soll auf 320 erhöht werden. Außerdem sollen die bisherigen personellen Obergrenzen der Streitkräfte (185.000 Soldaten, 56.000 zivile Angestellte) aufgehoben werden. Bereits nächstes Jahr werde man die „Trendwende Personal“ einleiten und mit der Einrichtung von 7.000 neuen militärischen Stellen beginnen, erklärt von der Leyen. Bis 2023 werden laut der aktuellen „Mittelfrist“Planung rund 14.300 zusätzliche Soldaten und gut 4.400 Zivilangestellte zusätzlich benötigt; dies entspricht einem Zuwachs an Militärs um annähernd acht Prozent. Dazu zählt auch der Aufbau einer eigenen Truppengattung für den Cyberkrieg, den die Ministerin vor Kurzem angekündigt hat. Hochqualifizierte IT-Spezialisten sollen angeworben werden. Unter dem Motto „Krisenherde löschst du nicht mit Abwarten und Teetrinken“ (Bundeswehrwerbung) geht die Bundeswehr auch im digitalen Bereich in die Kampfoffensive. Studenten und Azubis sollen für mörderische Missionen angeworben werden. All dies ist mit einer massiven Aufstockung des Militärhaushalts verbunden. Lag der deutsche Wehretat bereits 2015 mit einem Volumen von fast 33 Milliarden Euro um mehr als 40 Prozent über demjenigen des Jahres 2000 (23,1 Milliarden Euro), so soll er nun weiter wachsen. Bereits für 2017 sind 36,6 Milliarden Euro eingeplant; 2020 sollen der Bundeswehr 39,2 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Damit sollen neben der Personalaufstockung umfangreiche Aufrüstungsprojekte finanziert werden. Die Verteidigungsministerin hat bereits im Januar angekündigt, bis 2030 rund 130 Milliarden Euro zur Anschaffung neuen Kriegsgeräts ausgeben zu wollen – doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Das sind 39,2 Milliarden Euro, die wo anders fehlen. Zum Beispiel für den Bau neuer Sozialwohnungen, für die Finanzierung der Kommunen, Erhöhung der Renten oder Modernisierung von Bildungseinrichtungen. Rüsten für Kriege auf der ganzen Welt Planungen deutscher Polit-Strategen lassen deutlich erkennen, in welchen Weltregionen die globalen Ambitionen Berlins für die nächsten Jahre immer extensivere Militäreinsätze verlangen. So hieß es im Oktober 2013 – mit Blick auf die zunehmende Fokussierung der Vereinigten Staaten auf den Pazifik und damit gegen China – in einem von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) publizierten Strategiepapier, Deutschland müsse sich, um die USA „zu entlasten“, „in erster Linie auf das zunehmend instabil werdende europäische Umfeld von Nordafrika über den Mittleren Osten bis Zentralasien konzentrieren“. Dazu seien auch „militärische Einsätze“ vonnöten. Ähnlich hieß es in einem Beitrag zur Debatte um das neue „Weißbuch“ der Bundeswehr, Deutschland und Europa seien von einem „Krisenbogen“ umgeben, der „vom Baltikum über den Mittleren Osten bis zum Maghreb“ reiche – und die „Gründe dafür“ liefere, „warum wir Streitkräfte haben“. Bei den Staaten des sogenannten Krisenbogens handelt es sich teilweise um Länder, die Berlin in neokolonialer Manier als Rohstofflieferanten und Absatzmärkte nutzen will – die Erdölstaaten Nordafrikas und des Mittleren Ostens. Ein anderer Grund für die geplante Aufstockung ist unter anderem auch der immer größer werdende Konflikt mit Russland. Die Nato hat ihre Maßnahmen an der Ostflanke bereits intensiviert, auch die Bundeswehr. Sie schickt dieses Jahr rund 5.500 Soldaten in Manöver und zur Ausbildung in die östlichen NatoMitgliedstaaten – vor allem nach Polen und in die baltischen Länder, die an Russland grenzen. Das sind etwa 500 mehr als im Vorjahr. Auch die Zahl der Manöver, an denen die Bundeswehr sich beteiligt, steigt im Vergleich zum Vorjahr von 16 auf 21. nfibu
© Copyright 2024 ExpyDoc