Betriebsumfahrten

Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“
Institut für Verkehrsanlagen
Lehrstuhl Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen
Betriebsumfahrten
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Allgemeines
Betriebsumfahrten sind im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 4 FStrG Nebenanlagen, die überwiegend
den Aufgaben der Straßenbauverwaltung der Bundesfernstraßen dienen. Sie ermöglichen dem
Straßenbetriebsdienst, auch zwischen entfernt liegenden Anschlussstellen zu wenden und
Leerfahrten bzw. Verlustzeiten zu reduzieren.
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Standortwahl
Die Anordnung der Betriebsumfahrten hängt vom Standort der Autobahnmeistereien (AM) und
von der zu betreuenden Netzlänge ab.
Betriebsumfahrten können vorgesehen werden:
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unmittelbar an Autobahnmeistereien und Stützpunkten, die nicht an Anschlussstellen
liegen,
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an Meistereigrenzen,
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zur Gewährleistung eines Überlappungsbereiches aneinander grenzender Räumschleifen,
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an Autobahnkreuzen und -dreiecken,
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zwischen entfernt auseinander liegenden Anschlussstellen und
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an neuralgischen Streckenabschnitten.
An neuralgischen Streckenabschnitten mit häufigen winterbedingten Verkehrsstörungen können
verkürzte Umläufe erforderlich werden. In solchen Fällen ist die Anordnung von Betriebsumfahrten am Beginn und am Ende des jeweiligen Streckenabschnittes zu prüfen. Hierbei sind je
nach dessen Länge betriebsbedingte Verdichtungen zu berücksichtigen.
Betriebsumfahrten sind bevorzugt an Standorten vorzusehen, an denen die bestehende Infrastruktur genutzt werden kann. Das sind z.B. Kreuzungsbauwerke von Straßen. Diese können im
Notfall (z.B. bei Vollsperrungen) auch zum kontrollierten Ausleiten des Verkehrs genutzt werden.
Betriebsumfahrten sind zu vermeiden
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innerhalb eines Park- oder Rastplatzes, da es zu Behinderungen der Betriebsdienstfahrzeuge durch den parkenden Verkehr kommen kann und
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an topografisch ungünstigen Standorten mit großen Höhenunterschieden zur Geländeoberkante.
Die Anschlüsse der Betriebsumfahrten an die Autobahn sind so zu gestalten, dass die Verkehrssicherheit und der Verkehrsablauf auf der durchgehenden Strecke so wenig wie möglich
beeinträchtigt wird. Um dies zu erreichen, ist
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auf ausreichende Anfahrsichtweiten vom Anschluss der Betriebsumfahrt aus zu achten,
-
die Lage der Betriebsumfahrt hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Verkehr der
durchgehenden Strecke sorgfältig zu prüfen,
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-
ein ausreichender Abstand zwischen Betriebsumfahrt und Ein- oder Ausfädelungsstreifen
vorausgehender oder nachfolgender Anschlussstellen anzustreben,
-
der notwendige Beschleunigungs- bzw. Verzögerungsvorgang beim Ein- oder Abbiegen
der Einsatzfahrzeuge außerhalb der Fahrstreifen für den durchgehenden Verkehr zu ermöglichen und
-
ein Standort in Bereichen mit möglichst geringer Längsneigung der durchgehenden Fahrbahn zu bevorzugen.
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Entwurfstechnische Hinweise
Für Betriebsumfahrten ist das Winterdienstfahrzeug (großer 3-achsiger Lkw mit überbreitem
Frontpflug) als Bemessungsfahrzeug zugrunde zu legen.
Wird die Betriebsumfahrt an das nachgeordnete Straßennetz angeschlossen, ist zum möglichen
Ausleiten des Verkehrs zusätzlich der Lastzug zu berücksichtigen.
Schleppkurven sind in den Richtlinien „Bemessungsfahrzeuge und Schleppkurven zur Überprüfung der Befahrbarkeit von Verkehrsflächen“ enthalten. Für Winterdienstfahrzeuge mit angebauten Pflügen werden vereinfachend die Schleppkurven eines 3-achsigen Lkw mit entsprechend verbreitertem Anbaugerät herangezogen.
Die Trassierung erfolgt auf Grund der niedrigen Geschwindigkeiten nach fahrgeometrischen
Gesichtspunkten.
Begegnungsfälle sind in der Regel nicht zu beachten. Bei der Anbindung an das nachgeordnete Netz ist zu prüfen, ob der vorhandene Querschnitt Begegnungen zumindest mit Pkw oder
mit Lkw bei verringerter Geschwindigkeit erlaubt.
Die Fahrbahnbreite sollte im Regelfall
B = 6 m (Mindestwert 5 m)
aufweisen. Der Mindestwert sollte nicht unterschritten werden, da ansonsten das Befahren bzw.
Räumen der Betriebsumfahrt auch bei schlechten Sichtverhältnissen nicht mehr möglich sein
kann.
Die Fahrbahnbreiten müssen auch bei Kreuzungsbauwerken eingehalten werden.
Die maximale Längsneigung sollte
smax = 8 % (Ausnahmefall 10 %)
betragen. Höhere Längsneigungen können bei ungünstigen Fahrbahnverhältnissen (Schneeund Eisglätte) die Verkehrssicherheit beeinträchtigen.
Der Rampenanschluss einer Betriebsumfahrt an die Autobahn stellt einen Sonderfall dar. Die
Knotenpunktform ähnelt auf Grund der fahrgeometrischen Bemessung einer einfachen
plangleichen Einmündung.
Aus Gründen der Sichtverhältnisse und der Befahrbarkeit für beide Fahrbeziehungen sollte die
Rampe der Betriebsumfahrt nach Möglichkeit rechtwinklig an die Fahrbahn der Autobahn angeschlossen werden. Der notwendige Flächenbedarf für eine Fahrbeziehung nimmt bei stark
schiefwinkligen Anschlüssen erheblich zu.
Bei den Anschlüssen der Betriebsumfahrten sind ausreichende Sichtverhältnisse zu beachten.
Als Anfahrsicht sollten die Schenkellängen nach den RAL mindestens 290 m, besser jedoch
400 m betragen.
Beschleunigungs- und Verzögerungsvorgänge zum Einfahren bzw. zum Abfahren in die
Betriebsumfahrt sollten auf Grund der Verkehrssicherheit außerhalb des fließenden Verkehrs
durchgeführt werden können. Im Regelfall ist an Autobahnen ein voll ausgebauter Standstreifen
vorhanden, der für die gefahrlose Auf- und Ausfahrt genutzt werden kann.
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Anschlüsse an Autobahnquerschnitte ohne Seitenstreifen sind nur mit baulichen Veränderungen vorzusehen, die ein gefahrloses Ein- und Abbiegen ermöglichen. Die Länge der dann
anzubauenden Ein- und Ausfädelungsstreifen ist nach dem Bemessungs-Schwerverkehrsfahrzeug so zu bemessen, dass ein Winterdienstfahrzeug mindestens die Räumgeschwindigkeit
von 30 km/h außerhalb des fließenden Verkehrs erreicht. In der Regel ist eine Mindestlänge für
den Einfädelungsstreifen von
Lmin = 50 m
erforderlich. Abweichende Werte können sich in Abhängigkeit von der Längsneigung und der zu
erreichenden Endgeschwindigkeit ergeben.
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Ausstattungselemente von Betriebsumfahrten
Zu den Ausstattungselementen von Betriebsumfahrten gehören
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Markierung,
Beschilderung,
Verkehrseinrichtungen und
sonstige Ausstattungselemente.
Die Markierung an der Autobahn im Bereich des Anschlusses ist nicht zu ändern, da das Befahren der Betriebsumfahrten durch den allgemeinen Verkehr nicht zulässig ist,
Markierungen im Bereich der Rampen von Betriebsumfahrten (z.B. Leitlinien oder Fahrbahnbegrenzungen) sind nicht erforderlich.
Besteht ein Anschluss der Betriebsumfahrt an das nachgeordnete Straßennetz oder an Wegeverbindungen, so ist hier das Einfahrverbot in die Betriebsumfahrt zu verdeutlichen. Das kann
mit einer durchgehenden Fahrbahnbegrenzung entlang des Fahrbahnrandes der öffentlichen
Straße erfolgen.
Das Einfahrverbot in Betriebsumfahrten ist mit Zeichen 250 nach StVO (Verbot für Fahrzeuge
aller Art) zu beschildern. Das Verbotszeichen ist deutlich erkennbar links und rechts der Rampe
der Betriebsumfahrt in beiden Richtungen anzuordnen. Die Verbotszeichen können durch
Zusatzschilder wie „Einsatzfahrzeuge frei“ ergänzt werden.
Verkehrseinrichtungen wie Leitpfosten und Richtungstafeln sind im Regelfall nicht erforderlich.
Die Ausstattung mit Leitpfosten ist nur in Ausnahmefällen bei Betriebsumfahrten mit kurvigen
und unübersichtlichen Abschnitten z.B. bei der Mitnutzung von land- bzw. forstwirtschaftlichen
Wegen) zu prüfen.
Passive Schutzeinrichtungen an der Autobahn sind im Anschlussbereich der Betriebsumfahrt
gemäß den RPS wie bei Einmündungen zu unterbrechen.
Sonstige Ausstattungselemente werden erforderlich, wenn
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die Betriebsumfahrt zur Vermeidung der widerrechtlichen Nutzung durch den allgemeinen
Verkehr verschlossen werden soll,
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bei einem Anschluss der Betriebsumfahrten im Bereich von Lärmschutzwänden oder wällen die Lärmschutzwirkung erhalten bleiben soll (versetzte Anordnung der Bauwerke,
automatisch verschließbare Tore),
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Viehroste im Bereich von Streckenabschnitten mit Wildschutzzäunen eingebaut werden
sollen, um einen durchgängigen Schutz vor Wildwechsel zu gewährleisten.
(Quelle: RAA, Entwurf 2005 / Zimmermann ISE 2005)
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