Den Opfern eine Stimme geben

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Den Opfern eine Stimme geben
Lesung in der Realschule: Was geschah am 3. Oktober 2013 vor Lampedusa?Von Martina Chudzicki
Enger. Am 3. Oktober 2013 ereignete sich ein großes Bootsunglück vor Lampedusa. Vor der Küste der Mittelmeerinsel
sank ein mit etwa 545 Flüchtlingen aus Somalia und Eritrea beladener Kutter. Die italienische Küstenwache und
einheimische Fischer retteten 155 Überlebende. Etwa 390 Menschen ertranken.
Das sind die nackten Zahlen. Doch welche Not, welche Verzweiflung und welche Hoffnungslosigkeit sich dahinter
verbergen, vermag sich wohl kaum ein Europäer wirklich vorzustellen. Mit der Frage, was genau an diesem
schicksalhaften Tag vor der Küste der kleinen Insel geschah, setzte sich jetzt die Theatergruppe der Realschule Enger
auseinander. In einer szenischen Lesung unter dem Titel "Ein Morgen vor Lampedusa - Was geschah am 3. Oktober
2013?" wollten sie den Opfern eine Stimme geben. Um das tragische Geschehen, das in der Folge in der Europäischen
Union eine heftige Diskussion um die Flüchtlingspolitik auslöste und schließlich zur Einrichtung der Operation Mare Nostrum
führte, zumindest ansatzweise zu rekonstruieren, zitierten die Schüler Aussagen von Überlebenden, Zeugen und Politikern.
Das Projekt war von Jannik Loeber, einem ehemaligen Schüler der Realschule, an die Gruppe herangetragen worden und
wurde teilweise auch von ihm begleitet.
Gemeinsam mit dem Leiter der Theatergruppe Kai Heidkamp setzten sich die Schüler und Schülerinnen nicht nur inhaltlich
mit dem Thema auseinander. Sie überlegten im Vorfeld auch, wie die oft unter die Haut gehenden Aussagen am besten
szenisch umgesetzt werden könnten. "Am Ende haben wir uns für ein Schattenspiel entschieden," sagt Kai Heidkamp. Die
Aufmerksamkeit der Zuschauer, so die Überlegung, werde so auf das gesprochene Wort fokussiert und nicht durch den
Blick auf die Lesenden abgelenkt.
Die Schüler und Schülerinnen der Klassen acht bis zehn lauschten den Szenen gestern in der fünften und sechsten Stunde.
Anschließend, so die stellvertretende Schulleiterin Beatrix Diel, wurde die Thematik im Unterricht vertieft. Die Schulleiterin
sieht in der Lesung auch eine gute Vorbereitung auf die Zeit nach den Sommerferien. "Dann werden die ersten
Flüchtlingskinder aus den Auffangklassen am Gymnasium an unsere Schule kommen", sagt sie. Um sie gut integrieren zu
können, müssten alle Schüler mitgenommen werden. Die Lesung könnte Verständnis für die Situation wecken.
Bei den Mitgliedern der Theatergruppe hat sie das bereits. "Ich habe mich noch mal viel intensiver als zuvor mit dem
Thema auseinandergesetzt", sagt etwa Theresa. Und André ergänzt: "Man hat viel mehr Verständnis und Mitgefühl
entwickelt."
Gestern Abend waren dann die Eltern der Realschüler zum Zuhören eingeladen. Die Eintrittsgelder aus dieser Lesung , so
Kai Heidkamp, sollen an die Flüchtlingsinitiative Willkommen Enger übergeben werden.
© 2016 Neue Westfälische
10 - Enger-Spenge, Samstag 18. Juni 2016
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