Kleine und mittlere Werkstückserien sind im KTL

PRODUKTION OBERFLÄCHENTECHNIK
BESCHICHTEN
Kleine und mittlere Werkstückserien
sind im KTL-Verfahren lackierbar
Die kathodische Tauchlackierung (KTL) eignet sich nicht
nur für große, sondern auch für kleine bis mittlere Werkstückserien. Der Grund dafür ist ein einfacher Anlagenaufbau, der nur Standardkomponenten umfasst und ohne
teueres Handlingsystem für den automatischen Werkstücktransport auskommt. Auf diese Weise werden die
Qualitätsvorteile des KTL-Verfahrens, zum Beispiel der
gute Kantenschutz, wirtschaftlich nicht nur der Großserienfertigung zugänglich.
KLAUS SCHLITT
D
ie kathodische Tauchlackierung (Kataphorese) ist ein
elektrochemisches Verfahren (Elektrophorese), bei dem das
Werkstück in einem Tauchbad beschichtet wird. Sie ist generell zum
Klaus Schlitt ist Inhaber der Präzisionstechnik Klaus Schlitt e. K. in 65344 Eltville-Martinsthal, Tel. (0 61 23) 7 03 77-0, Fax (0 61
23) 7 03 77-22, [email protected]
Die kathodische
Tauchlackierung
dringt in die Fertigung kleiner und
mittlerer Werkstückserien vor.
Einzige Voraussetzung: Bei den Werkstücken handelt es
sich um elektrisch
leitfähige Substrate.
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MM Das IndustrieMagazin · 15/2009
Lackieren einfacher und komplizierter Teile gut geeignet. Insbesondere bei Großserien hat sich das
Verfahren etabliert. So wurde die
Verbreitung dieses Oberflächenschutzes von der Automobilindustrie
enorm gefördert, zum Beispiel in den
USA, wo das Verfahren zum Beispiel
bei Ford seit den sechziger Jahren zur
Anwendung kommt. Das ist allge-
mein bekannt. Was jedoch bislang
kaum Beachtung findet, ist die Tatsache, dass sich das elektrophoretische Tauchlackieren bei sehr guter
Oberflächenqualität auch für allgemeine Industrie-Anwendungen bestens eignet: unter anderem in der
Apparatetechnik und bei mechanisch
bearbeiteten Präzisionsteilen (Bild 1)
– auch bei kleineren Serien.
Das betrifft vor allem Substrate
aus metallischen Werkstoffen wie
Aluminium und VA-Stählen. Bei diesen Metallsubstraten werden exzellente physikalische Eigenschaften
erzielt. Dabei ist besonders der erhöhte Korrosionsschutz zu nennen.
Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass
sich das Verfahren nicht nur sehr gut
zum Grundieren bei einem mehrschichtigen Lackaufbau eignet, sondern auch zum Aufbringen von Füllern, Deck- und dekorativen Lacken.
Grundsätzlich ist jedoch zu beachten, dass in der Automobilindustrie Lackschichten
mit Dicken von etwa 40
bis 50 µm üblich
sind. In anderen
Branchen sind
sie mit rund
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Bild 1: Im KTL-Verfahren lackierte Funktionsteile mit Hohlräumen und Hinterschnitten. Vorgegebene Maßtoleranzen
werden eingehalten. Bewegliche Teile
behalten ihre Flexibilität.
Bild 2: Die KTL-Tauchlackierung ermöglicht einen guten Kantenschutz bei
ausgezeichnetem Umgriffverhalten.
10 µm wesentlich dünner. Das ist in
der Regel ausreichend, um durch
elektrophoretisches Tauchlackieren
einen guten Kantenschutz bei ausgezeichnetem Umgriffverhalten zu
erhalten (Bild 2). Dazu kommt die
hohe Umweltverträglichkeit des Verfahrens: Als Lösemittel wird Wasser
verwendet, das bekanntlich physiologisch harmlos und unbrennbar ist.
Einzige Voraussetzung beim elektrophoretischen Verfahren ist, dass die
zu lackierenden Substrate elektrisch
leitend sein müssen.
strom. Zuvor werden die Werkstücke
einzeln aufgehängt (elektrisch leitende Aufhängung). Nach dem Entfetten werden sie in einem vollentsalzten Wasserbad zweifach gespült.
Danach folgt das Lackieren im
Tauchbad. Beim konventionellen
elektrophoretischen Tauchlackieren
– wie in der Automobilindustrie angewandt – sind 200 bis 400 V zwischen Elektrode und Werkstück
angelegt.
Beim KTL-Verfahren mit angelegter 40-V-Niederspannung kommt
der Werkstück-Vorbehandlung eine
besondere Bedeutung zu. Jeder der
Vorbehandlungsschritte wie Strahlen, Entfetten und Phosphatieren
muss fehlerfreie Ergebnisse liefern.
Ein weiteres Hauptqualitätskriterium
ist die Lackauswahl. So ist die KTLTauchbadanlage BF-Galvaco LP der
Präzisionstechnik Klaus Schlitt, Eltville, ausgelegt für Lacke, die auf
einem Urethan-modifizierten AcrylCo-Polymer basieren. Außer der
pigmentierten Farbe Schwarz und
unpigmentiertem Klarlack sind damit transparente Färbungen möglich
(keine RAL-Töne): Rot, Grün, Blau,
Gold und Kupfer – als Zusatzbehandlung nach der Beschichtung mit
dem Klarlack.
Dabei sind die verschiedenen
Spülvorgänge im vollentsalzten Wasser unbedingt einzuhalten, um Verschleppungen zu vermeiden und eine
unbelastete Oberfläche zu erhalten.
Es kann eine Einfach-Schicht aufgetragen werden – oder eine Duplexschicht aus Grundierung und Klar-
Betreiben bei Niederspannung
macht Vorbehandlung wichtig
Das Elektrotauchlackieren ist ein
Verfahren, das elektrochemische
Vorgänge nutzt, um Lackpartikel abzuscheiden. Der Prozess arbeitet im
Wesentlichen nach dem Prinzip der
gegenseitigen Anziehungskraft. Die
Lackabscheidung auf dem Werkstück
wird infolge chemischer Umsetzungen – der sogenannten Koagulation – des Bindemittels ausgelöst.
Dazu fließt elektrischer Strom: von
einer Elektrode über den leitfähigen
Lack zum Werkstück. Die Lackabscheidung der kolloidalen Lackteile
wird aufgrund des elektrischen
Stromflusses und der dadurch bedingten Wasserelektrolyse ausgelöst.
Dieser Prozess ist wasserunlöslich
und schlägt sich in einer sehr gleichmäßigen Schichtdicke nieder.
Dabei ist im Gegensatz zu Anwendungen in der Automobilindustrie
nur eine Niederspannung von etwa
40 V erforderlich. Es fließt Gleich-
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Der einfache Grundaufbau der Anlage BF Galvaco LP erschließt kleinen und
mittleren Werkstückserien die Vorteile von KTL-Schichten.
Schichtkriterium
Kennwert
Härte
(ASTM D 3363-74)
Bleistifthärte 5H–6H (schwarz), 4H–5H
(andere Farben und transparent)
Lösemittelbeständigkeit
Mindestens 300 Doppelrubbel mit Azeton auf einer
durchgehärteten Lackschicht, zum Beispiel auf Messing
oder Zinkdruckguss
UV-Licht-Resistenz
Ausgezeichnet
Temperaturbeständigkeit
Bis 220 °C
Kratzfestigkeit
2000 gms (BS 3900 Teil E2)
Korrosionsbeständigkeit
Salzsprühtest bis etwa 250 h Dauer, je nach Substrat und
Vorbehandlung
Quelle: PT Schlitt
Bild 3: Im Gegensatz zum KTL-Verfahren in der Automobilindustrie muss
der Anlagenaufbau
beim Tauchlackieren kleiner und
mittlerer Serien einfach sein.
Bilder: PT Schlitt
Wirtschaftliche Vorteile
gegenüber Galvanisieren
lack nach einer Phosphatierung. Eine
solche Duplex-Schicht ist ausgezeichnet hinsichtlich der Wirksamkeit als Grundierung für ein anderes,
nachfolgendes Lackierverfahren oder
zur Erhöhung der Haftfestigkeit.
Eine reine Oberflächenentfettung
kann, muss aber nicht ausreichend
sein. Bei Proben aus Stahlblechen
zeigte es sich, dass bei einer Oberflächenrauigkeit Rz von 40 µm eine
zusätzliche Phosphatierung vorteilhaft sein kann, neben der mechanischen Oberflächenvorbereitung.
Das Ergebnis war eine sehr gute
Haftfestigkeit und ein hoher Korrosionschutz. Auch das Lackieren rein
gestrahlter, nicht phosphatierter
Bleche ist möglich. Blasenbildung
wurde nicht beobachtet. Folglich
steht fest, dass das Aufbringen weiterer Schichten den Korrosionsschutz
verbessert. Das Aushärten im Ein-
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ten im Ofen bilden sich in der aufgetragenen Lackschicht lineare Kettenmoleküle, die auch untereinander
dreidimensional vernetzt sind und
somit eine stabile Struktur bilden.
Die Anlage ist im Aufbau einfach
und kostengünstig. Daher eignet sie
sich zum Lackieren kleiner und mittlerer Losgrößen. Üblicherweise kennt
man beim elektrophoretischen
Tauchlackieren keine kleinen Stückzahlen. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in den Tauchbadanlagen, die
aufgrund der oft notwendigen Handlingeinrichtungen für die Großserienlackierung sehr kostenaufwändig
und daher für einen hohen Teiledurchsatz ausgelegt sind, wie es die
Automobilindustrie fordert. Im Gegensatz dazu kann man bei einer
Tauchbadanlage zum Lackieren
kleinerer Losgrößen von einer Komplettinvestition unter 20 000 Euro
ausgehen.
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brennofen geschieht bei einer Temperatur von etwa 160 °C und dauert
ungefähr 20 min – je nach Werkstückmasse (Tabelle).
Einfacher Grundaufbau
aus Standardkomponenten
Der Grundaufbau der KTL-Tauchbadanlage ist wie folgt (Bild 3): Als
Tauchbehälter werden kostengünstige Kunststoffbecken verwendet.
Zum Entsalzen des Spülwassers
kommen Standardeinrichtungen zur
Anwendung. Die Filtrationseinheit
besteht aus Standardmodulen. Auch
der Gleichrichter für die Niederspannung kommt aus der Standardfertigung. Gegebenenfalls ist eine Blaszone, die mit Warmluft arbeitet, zu
installieren, um Tropfenbildung zu
vermeiden. Zum Aushärten des
Lacks reicht ein Standard-Einbrennofen (bis 250 °C) aus. Beim Aushär-
Die Ergiebigkeit der verwendeten
Lacke beträgt bei 5 µm Schichtdicke
50 bis 60 m2 lackierte Fläche – bezogen auf 1 l Lack. Bei 10 µm Schichtdicke liegt sie bei 20 bis 30 m2. Aufgrund der dünnen Schichtdicke von
5 bis 12 µm bleiben bewegliche Teile
als solche erhalten – ohne Klebeeffekt. Außerdem behält die Lackschicht bei Teilen, die einer Bewegung unterliegen (zum Beispiel Federn), ihre Flexibilität. Bedingt durch
kontrollierbare Schichtdicken und
den gleichmäßigen Schichtauftrag
werden vorgegebene Maßtoleranzen
eingehalten. Es entsteht kein Orangenhauteffekt. Darüber hinaus werden Hohlräume zufriedenstellend
beschichtet. Das ist beim Galvanisieren und beim Beschichten mit Pulverlack nicht möglich.
Dazu kommt der Kostenvorteil
des Verfahrens. Zwar lässt sich zum
Beispiel der Kostenunterschied zu
einer galvanischen Beschichtung
schwer beziffern, doch kann man
von einer Faustregel ausgehen: Eine
KTL-Tauchlackierung ist im Vergleich zu einer galvanischen Behandlung (Gestellware) etwa um den Faktor 2,5 bis 3 kostengünstiger. MM