TÜV Rheinland | Press Reports

Sucht: Versuch der Hilfe durch
Familienangehörige kann Krankheit
verstärken
05.07.2016 | Köln
Etwa 1,7 Millionen Erwachsene in Deutschland waren 2014
laut Hochrechnungen des Statistischen Bundesamtes
alkoholabhängig. Doch nicht nur die Suchtpatienten selbst
leiden unter der Erkrankung, oft sind auch die Familie und
das soziale Umfeld betroffen. Der Wunsch, dem Erkrankten
zu helfen, ist normal, kann aber zum Gegenteil führen. Die
Unterstützung durch Partner, Kinder, Eltern, Freunde oder
auch Arbeitskollegen bestärkt den Erkrankten in seinem
Verhalten und kann eine Behandlung verzögern oder
verhindern. Dr. Bernward Siebert, Arbeitsmediziner bei
TÜV Rheinland: „Die Unterstützer suchen immer neue
Wege, dem Süchtigen zu helfen, und geraten selbst in eine
so genannte Co-Abhängigkeit. Ihre Droge ist das Gefühl,
gebraucht zu werden. Dafür verausgaben sie sich bis hin
zur Selbstaufgabe.“
Eine Co-Abhängigkeit, die bei allen Suchtformen wie
beispielsweise Alkoholabhängigkeit, Drogenkonsum oder
Medikamentenmissbrauch auftreten kann, verläuft in drei
typischen Phasen: Zu Beginn versuchen die Angehörigen,
das Verhalten des Süchtigen zu entschuldigen und ihn vor
den Folgen zu beschützen. Nach außen wird die Fassade
eines funktionierenden Alltagslebens aufrechterhalten. Im
nächsten Schritt versuchen Co-Abhängige den Betroffenen
zu kontrollieren: Sie suchen die Drogenverstecke, schütten
Alkohol weg und tun alles, um die Situation in den Griff zu
bekommen.
Doch alle Anstrengungen sind umsonst, so lange der
Süchtige nicht selbst aktiv einen Weg aus der Erkrankung
sucht. Diese Situation führt bei dem Co-Abhängigen zu
einer Überlastung, die sich auf vielfältige Art zeigt: Es
kommt zu Erschöpfung, Isolation und Resignation, aber
auch zu psychischen Problemen und körperlichen
Beschwerden wie Magenbeschwerden oder
Schlafstörungen. Der Süchtige wird für den überlasteten
Angehörigen zum Sündenbock, der Drohungen,
Ausgrenzung und Verachtung ausgesetzt ist.
Grenzen setzen und Hilfe leisten durch
Nicht-Helfen
Um einen Weg aus der Co-Abhängigkeit zu finden, ist es
wichtig, dass betroffene Angehörige Unterstützung suchen.
Kompetente Ansprechpartner für ihre Probleme finden sie
zum Beispiel bei Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen,
ihrem Hausarzt, dem Betriebsarzt oder in Angeboten zur
externen Mitarbeiterberatung ihres Arbeitgebers. Damit sich
Angehörige aus der Co-Abhängigkeit befreien können,
müssen sie die Sucht des Familienmitglieds als Krankheit
anerkennen, für die sie keine Verantwortung tragen. Das
hilft dabei, die Sucht nicht länger zu verheimlichen und sich
gegenüber dem Erkrankten abzugrenzen. Die Hilfe für den
Süchtigen bei allen Fragen der Alltagsbewältigung
bestimmt so nicht länger das Leben des Angehörigen.
Stattdessen rückt die aktive Gestaltung des Lebens mit
Blick auf das eigene Wohlergehen in den Mittelpunkt der
Aufmerksamkeit.
Die fehlende Hilfe bei der Alltagsbewältigung zwingt den
Suchtkranken, Verantwortung für sein Leben und die
Folgen seines Handelns zu übernehmen. Dies kann ein
wichtiger Schritt sein, um den Süchtigen zu einer
Veränderung seines Verhaltens und dem Beginn einer
Therapie zu motivieren. „Klare Grenzen und der Mut zum
Nicht-Helfen können somit für den Erkrankten und den CoAbhängigen die ersten Schritte aus der Suchtspirale
darstellen“, resümiert Siebert.
Weitere Informationen zur externen Mitarbeiterberatung für
Unternehmen unter www.tuv.com/eap bei TÜV Rheinland.
Kontakt für Journalisten: Antje Schweitzer
Telefon: +49 221 806 5597
E-Mail: [email protected]
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