IV. Neuer Auftrag der Bundeswehr 1. Legitimation und Akzeptanz Annette von Hoiningen Religiöse Vielfalt in den Streitkräften „Bundeswehr sucht den ersten Imam für die Truppe“, berichtete die BILD-Zeitung am 23. Mai 2015. Am 26. April 2016 informierte SPIEGEL-ONLINE über ehemalige Bundeswehrsoldaten, die ihre Ausbildung und Kenntnisse für Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat (IS) einsetzen. Nach den Angaben der SPIEGEL-Redaktion sollen mittlerweile 25 ehemalige Soldaten in diesem Konflikt agieren. Wenn die Bundeswehr mit ihrer Attraktivitätsoffensive Erfolg hat und durch die Erweiterung der Militärseelsorge auch für Muslime als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen wird, stellt sich die Frage, ob die Angehörigen der Bundeswehr damit der wachsenden Gefahr einer Einflussnahme oder Radikalisierung von Islamisten ausgesetzt werden. Im Rahmen der Gefängnisseelsorge wurde bereits versucht, einer Radikalisierung muslimischer Insassen mit Hilfe von Imamen entgegen zu wirken. (Reader Sicherheitspolitik, Ausgabe 7/2016) Spiegelbild der Gesellschaft Die Bundeswehr beansprucht für sich ein Spiegel der Gesellschaft zu sein. Mittlerweile leben etwa 4 Millionen bekennende muslimische Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland, für die die Bundeswehr auch ein potentieller Arbeitgeber sein kann. Valide Daten über die Anzahl der sich zum islamischen Glauben bekennenden Soldatinnen und Soldaten sind nicht vorhanden. Die Angaben schwanken zwischen 1.400 und 1.600 Soldatinnen und Soldaten. Dies liegt daran, dass eine Angabe zum religiösen Bekenntnis – mit Ausnahme der der Kirchensteuerpflicht unterliegenden Religionsgemeinschaften – grundsätzlich freiwillig ist. Herkunft oder Religion sind für den Dienst in der Bundeswehr ohne Bedeutung. Soldaten beim Gottesdienst im Zeltlager in Lourdes. Foto: Christina Lux 1 Bislang besteht in der Bundeswehr neben der individuellen Möglichkeit zur Religionsausübung nur eine organisierte Militärseelsorge für die Angehörigen der evangelischen und römisch-katholischen Religionsgemeinschaften. Zwar werden von den Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorgern auch Andersgläubige betreut, aber gerade in religiösen Einzelfragen sind hier Grenzen gesetzt. Rechte, Grenzen, Angebote und Forderungen im Themenfeld religiöse Vielfalt „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“ so lautet der Artikel 4 Absatz 1 und 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG). In den Vorschriften der Bundeswehr wird dieses Grundrecht in der Ziffer 674 der Zentralen Dienstvorschrift A-2600/1 - Innere Führung konkret für die Bundeswehr mit folgendem Wortlaut festgelegt: „In der Bundeswehr sind Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit für alle Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften gewährleistet. […] Die Vorgesetzten sind verpflichtet, allen Soldatinnen und Soldaten freie und ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten, gleich welcher Glaubensgemeinschaft diese angehören“. Das beinhaltet, dass die Religionsangehörigkeit des Einzelnen für den Dienst in der Bundeswehr ohne Bedeutung ist. Einstellungen und Beförderungen sind davon unabhängig. Auf die Ausübung der unterschiedlichen religiösen Gebräuche ist Rücksicht zu nehmen. Verstöße gegen das Recht auf Religionsfreiheit sind durch die Vorgesetzten aufzuklären und disziplinarrechtlich zu werten. Nachteile, die sich aus der jeweiligen Religionszugehörigkeit ergeben können, sind zu vermeiden. Damit besteht für den Einzelnen, der sich der Riten und Auslegungen seiner Religion bewusst ist und diese ausübt, die größtmögliche Freiheit, die der Staat ihm einräumen kann. Beschränkt wird diese nur dort, wo es mit der Pflicht der Soldatinnen und Soldaten zum Dienst kollidiert. Die Neutralität des Staates und seiner Bediensteten ist zu gewährleisten. Gottesdienst auf dem Oberdeck. Foto: JS-Magazin/Marc Wittkowski (EKA) Was aber passiert, wenn die Soldatinnen und Soldaten gerade durch ihre Dienstpflichten – insbesondere im Einsatz – in Konflikt mit ihren religiösen Regeln kommen? Wer hilft den Vorgesetzten, wenn es zu Vorgängen kommt, die nur in Kenntnis der jeweiligen religiösen Regeln und Riten gelöst werden können? 2 Mit den Inhalten, die hinter diesen Fragen stehen, der Auseinandersetzung und Wertung von außerhalb der Befehlsordnung der Bundeswehr stehenden anerkannten Ordnungen und Vorgaben, beschäftigten sich schon die Gründungsväter der Bundeswehr. Wenn auch zum damaligen Zeitpunkt unter einem anderen Fokus. Denn damals spielten die Erfahrungen der agierenden Generation eine wesentlichere Rolle. Seinerzeit war die deutsche Gesellschaft durch die Historie mit einem eigenständigen Militär, das vor dem Ersten Weltkrieg als Staat im Staate agierte, und durch die Instrumentalisierung des Militärs im Zweiten Weltkrieg durch den nationalsozialistischen Diktator geprägt. Parallel zur Gründung der Bundeswehr wurde bei der Erarbeitung der Konzeption der Inneren Führung deshalb die Seelsorge und die freie Religionsausübung als Gestaltungsfeld der Inneren Führung aufgenommen. Zur damaligen Zeit – aufgrund der Zugehörigkeit von etwa 96 Prozent der Bevölkerung – beschränkte sie sich auf die Angehörigen des christlichen Glaubensbekenntnisses. Die Militärseelsorge wurde 1957 zwei Jahre nach Gründung der Bundeswehr eingerichtet. Im Vordergrund stand dabei aufgrund der Einbindung in die Konzeption der Inneren Führung nicht nur eine reine religiöse Betreuung der Angehörigen der jungen Bundeswehr, sondern auch deren Unterweisung in ethischen Fragen und Werten. Getragen wurde dies vom Vorbild des Staatsbürgers in Uniform, der im Einklang mit den Werten der deutschen Gesellschaft und Rechtsordnung steht. So wurde das Aufgabengebiet der Militärseelsorge von einer passiven sakralen Betreuung von Anfang an um die Unterweisung zur aktiven und persönliche Auseinandersetzung des Einzelnen mit ethischen Fragestellungen erweitert. Mit den Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorgern in den Militärpfarrämtern an den Standorten stehen seitdem den Angehörigen der Streitkräfte direkte Ansprechpersonen für religiöse Fragen zur Verfügung, die sich aus dem täglichen Dienstbetrieb ergeben und ihre Grundlage in den christlichen Glaubensbekenntnissen haben. Indem die Einsatzkontingente durch die Militärseelsorge in den Einsatzgebieten vor Ort betreut werden, ist diese seelsorgerische Betreuung umfassend. Dabei können die Angehörigen der Bundeswehr im Einsatz auf Grundlage der Vereinbarungen zur Zusammenarbeit mit den verbündeten Streitkräften auch deren Angebote zur Militärseelsorge nutzen. Andersgläubige werden von den Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitbetreut. Fragen von Vorgesetzten zu anderen Religionen stehen die Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger der Bundeswehr ebenso offen gegenüber. Doch sind diesen durch die Organisation und Auslegung der Militärseelsorge dabei Grenzen gesetzt. Denn deren Stärke und Auftrag begrenzt sie auf die Angehörigen der christlichen Religionen. Außerhalb der Militärseelsorge wurde – zeitgleich zu den vermehrten Einsätzen der Bundeswehr im Ausland – eine Zentrale Koordinierungsstelle Interkulturelle Kompetenz (ZKIkK) am Zentrum Innere Führung eingerichtet. Dort werden seit über 20 Jahren begleitend Unterlagen zu den kulturellen Eigenheiten der Bewohnerinnen und Bewohner in den Einsatzgebieten erstellt. Für den Dienstbetrieb im Inland wurden zudem am Zentrum schon 2010 und 2011 Arbeitspapiere zum Umgang mit Angehörigen von Glaubensrichtungen außerhalb des christlichen Glaubensbekenntnisses in den Streitkräften erarbeitet1. Damit stehen den Vorgesetzen Unterlagen zur Information zur Verfügung, um sich auf die Besonderheiten im Umgang mit Soldatinnen und Soldaten 1 Vgl. Zentrum Innere Führung: Deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens in der Bundeswehr (Arbeitspapier II/2010); Zentrum Innere Führung: Deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens in der Bundeswehr (Arbeitspapier 1/2011). Beide Papiere werden zurzeit aktualisiert. 3 dieser Glaubensrichtungen insbesondere in Extremsituationen wie Todesfällen einstellen zu können. Militärpfarrer Andreas Vogelmeier im Gespräch mit einem Soldaten. Foto: KMBA/Marlene Beyel Veränderungen in der Gesellschaft – Veränderungen in der Bundeswehr? Im Oktober 2012 wurde auf Antrag der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss beschlossen, das Bundesministerium der Verteidigung zu beauftragen, „dafür zu sorgen, dass im Rahmen der Militärseelsorge den Soldatinnen und Soldaten neben den katholischen und evangelischen Militärgeistlichen auch Vertreter anderer Glaubensrichtungen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Hierfür muss ein Bedarf ermittelt und anschließend Planstellen vorgesehen werden“2. Mit diesem Beschluss wurde die damalige andauernde Diskussion, ob der Islam zu Deutschland gehört, aufgegriffen. Durch den Anspruch der Bundeswehr ein Spiegel der Gesellschaft zu sein sowie durch entsprechende Anfragen beim Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages ergab sich die Frage zum Betreuungsangebot für Soldatinnen und Soldaten, die sich zu Religionen außerhalb des christlichen Glaubensbekenntnis bekennen. Gibt es in der Bundeswehr eine religiöse Vielfalt? Angaben über das religiöse Bekenntnis werden aus datenschutzrechtlichen Gründen in der Bundeswehr grundsätzlich nicht erhoben. Eine Ausnahme davon besteht für die Angehörigen des christlichen Glaubensbekenntnisses, für die die Bundeswehr als Arbeitgeber im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens zur Abführung der Kirchensteuer verpflichtet ist. Deshalb wurde in einem ersten Schritt zur Bedarfsfeststellung das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr mit einer internen Studie zur Militärseelsorge beauftragt3. Neben Fragen, ob das bestehende Angebot der 2 Ausschussdrucksache 17(12)1062 vom 16. Oktober 2012. 3 Vgl. Maike Wanner/ Klaus Ebeling: Militärseelsorge – Ergebnisse der Bundeswehrbefragung 2013, Strausberg 2013. 4 Militärseelsorge als ausreichend erachtet wird oder ein Bedarf an einer Erweiterung für andere Religionsgemeinschaften gesehen wird, wurde auch das angebotene Spektrum der Militärseelsorge hinterfragt. Angaben zum religiösen Bekenntnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfolgten auf freiwilliger Basis. An dieser Studie beteiligten sich etwa 7.400 Soldatinnen und Soldaten. Im Ergebnis wurde das Angebot der bestehenden Militärseelsorge sowohl in seinen Inhalten als auch seiner Breite als ausreichend beurteilt. Hinsichtlich der in der Bundeswehr vertretenen Religion ergab sich, dass in der Bundeswehr Angehörige der evangelischen, römisch-katholischen, orthodoxen und neuapostolischen Kirche sowie Juden und Muslime dienen. Sehr hoch, aber aufgrund der freiwilligen Angabe als Datum nicht valide, war der Anteil der Konfessionslosen. Besteht ein Bedarf an einer Erweiterung der Militärseelsorge? Weder durch die mittels Hochrechnung berechnete Anzahl von Angehörigen anderer Glaubensrichtungen noch durch die mehrheitlichen Antworten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnte ein nachvollziehbarer und nachhaltiger Bedarf an der Erweiterung der Militärseelsorge festgestellt werden. Deshalb wurde ein dreistufiges Konzept zur Ermittlung des seelsorgerischen Bedarfs durch das Bundesministerium der Verteidigung erarbeitet und durch den damaligen Staatssekretär Rüdiger Wolf im Dezember 2013 gebilligt. Danach soll in einem ersten Schritt der Bedarf an seelsorgerischer Betreuung für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen durch die Einrichtung einer Ansprechstelle weiter ermittelt werden. Weiter soll ein Netzwerk aufgebaut werden, auf das, soweit sich ein Bedarf an religiöser Beratung ergibt, zurückgegriffen werden kann. Neben der Vermittlung einer seelsorgerischen Beratung soll diese Ansprechstelle auch den Vorgesetzten als beratende Stelle im täglichen Umgang mit Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen zur Seite stehen. Soweit sich aus der Evaluierung ein nachhaltiger Bedarf an seelsorgerischer Betreuung ableiten lässt, soll in einem zweiten Schritt eine nebenamtliche Seelsorge für diese Glaubensrichtung eingerichtet werden. In einem dritten Schritt, soweit sich der Bedarf durch das Angebot oder in anderer Weise dauerhaft und entsprechend umfangreich darstellt, wird eine hauptamtliche Militärseelsorge für die entsprechende Glaubensrichtung eingerichtet werden. Seit dem 1. Juli 2015 besteht die Zentrale Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen (ZASaG) am Zentrum Innere Führung. Damit wurde der erste Schritt im oben genannten Konzept umgesetzt. Diese Ansprechstelle steht gewollt außerhalb der Militärseelsorge, da sie keine direkte seelsorgerische Betreuung, sondern nur eine Vermittlung dieser Betreuungsleistung leistet. Damit steht den Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen und Vorgesetzten, die diesen Soldatinnen und Soldaten vorstehen, eine Zentrale Ansprechstelle zur Verfügung. Für die Soldatinnen und Soldaten besteht dieses Angebot des Dienstherrn neben der Möglichkeit, als Mitglieder einer jüdischen Gemeinde oder eines örtlichen Moscheevereines sich auch an die dortigen Seelsorger zu wenden. Problematisch ist im Rahmen dieser Seelsorgegespräche der Austausch von Informationen. Denn die Ratsuchenden müssen dabei immer ihre Verpflichtung zu Verschwiegenheit über sicherheitsrelevante Informationen beachten. Insbesondere 5 fehlen den Seelsorgern außerhalb der Bundeswehr die Erfahrungen aus dem täglichen Dienstbetrieb oder die Erlebnisses aus den Einsätzen, in denen die Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger die Soldatinnen und Soldaten begleiten. Ferner haben diese Seelsorgerinnen und Seelsorger nicht die Möglichkeit, Probleme im Dienstbetrieb mit den verantwortlichen Personen oder verantwortlichen Stellen anzusprechen, wie dies die der Bundeswehr angehörigen Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger können. Die Jugendkirche Samuel und die Yavuz Sultan Selim Moschee am Luisenring in Mannheim sind Nachbarn. Foto: mannheim.de Auch ist es für die Bundeswehr nicht möglich, auf die Inhalte, die diese Seelsorger den Soldatinnen und Soldaten vermitteln, Einfluss zu nehmen, noch nicht einmal diese einheitlich zu gestalten. Da gerade diese seelsorgerischen Gespräche unter den besonderen Schutz der Religionsfreiheit aufgrund des oben zitierten Artikels 4 GG fallen. Diese Bedenken scheinen mit Hinweis auf die bestehende Struktur der Militärseelsorge nicht in allen Punkten gerechtfertigt. Militärseelsorge in den Streitkräften Als die Bundesregierung 1957 mit der Evangelischen Kirche in Deutschland den noch heute in Kraft befindlichen und per Gesetz nachfolgend als allgemein gültigen Militärseelsorgevertrag geschlossen hatte, folgte dieser ihrer in Artikel 140 GG in Verbindung mit Artikel 136 der Weimarer Reichsverfassung gebotenen Verpflichtung für den Bedarf an Seelsorge in den Streitkräften die Religionsgesellschaften unabhängig gewähren zu lassen. Mit der Katholischen Kirche bestand schon durch das fortgeltende Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich von 1933 eine rechtliche Grundlage für eine Katholische Militärseelsorge, die 1957 durch das Bundesverfassungsgericht als völkerrechtlich verbindlich erklärt wurde4. Aufbau der Militärseelsorgeorganisation Aufgrund der damaligen Struktur und der Stärke der Bundeswehr wurde ein dreistufiger Aufbau für die Militärseelsorge gewählt, der zwischenzeitlich entsprechend der Reduzierung der Streitkräfte in seinem Umfang angepasst wurde. 4 Vgl. BVerfGE 6, 309 – 367. 6 Als Bundesoberbehörden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung agieren das Evangelische Bundesamt für die Bundeswehr (EKA) und das Katholische Militärbischofsamt (KMBA). Deren Behördenleiter (Militärgeneraldekan (EKA) und Militärgeneralvikar (KMBA) haben eine Doppelstellung. Sie sind neben ihrer Funktion als Behördenleiter die Vertreter der jeweiligen Militärbischöfe, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zur Bundeswehr stehen. Die Militärbischöfe sind die Vertreter der Kirchen und haben die Dienstaufsicht über die Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger inne, soweit es um sakrale Themen geht. Sie werden durch die Kirchen benannt und sind somit keine Angehörigen der Bundeswehr. Den Bundesoberbehörden EKA und KMBA sind jeweils vier Militärdekanate (Standorte Kiel, Berlin, Köln, München) nachgeordnet. Von dort wird die Fachaufsicht über heute insgesamt 164 Militärpfarrämter wahrgenommen, die für mehrere Standorte verantwortlich sind. Die Militärpfarrämter bestehen aus jeweils zwei Personen. Einer Militärseelsorgerin bzw. einem Militärseelsorger, die zugleich Dienststellenleiter sind und einer Pfarrhelferin bzw. Pfarrhelfer. Sie sind in der Regel aufgrund der Personenanzahl an den Standorten für mehrere Standorte zuständig. Das Personal in diesen Behörden und Dienststellen steht in seiner Gesamtheit in einem zivilen Beschäftigungsverhältnis zur Bundeswehr. Die Angehörigen der Militärseelsorge in der Bundeswehr unterstehen damit den gleichen Gesetzen, Vorgaben, Rechten und Pflichten wie jeder zivile Angehörige der Bundeswehr. Segen für die Gemeinde Militärdekan Peter Schmidt vom Evangelischen Militärpfarramt Berlin I. Foto: Ev. Militärseelsorge/Sven Weigert Mit Ausnahme der Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger stehen alle weiteren Angehörigen der Militärseelsorge in einem Dauerbeschäftigungsverhältnis. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger sind Beamtinnen und Beamte auf Zeit, die für die Dauer von sechs oder bis zu maximal zwölf Jahren Angehörige der Bundeswehr sind. Danach gehen diese wieder in ihre jeweiligen Kirchen in zivile Gemeinden zurück. Während ihrer Tätigkeit in der Bundeswehr, soweit sich diese auf ihre seelsorgerische Tätigkeit bezieht, sind diese weiterhin an die Vorgaben ihrer Religionsgesellschaften gebunden und haben die gleichen Rechte und Pflichten wie Seelsorgerinnen und Seelsorger in den zivilen Gemeinden. Mit ihrem zivilen Status stellt die Militärseelsorge in der Bundeswehr im Vergleich zu anderen europäischen Streitkräften eine Besonderheit dar, da sie dort in der Regel in die Streitkräfte integriert sind. Der aktuelle Aufbau der Militärseelsorge wurde als gute 7 Organisation mit einem bedarfsgerechten Angebot durch den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages in seinem Jahresbericht 2015 besonders hervorgehoben. Erweiterung der Militärseelsorge Aufgrund der Veränderungen in der Gesellschaft ist absehbar, dass sich ein nachhaltiger Bedarf an der Erweiterung der Militärseelsorge ergeben wird. Voraussichtlich wird es sich dabei um die Religionsgemeinschaft des Islam handeln. Die Herausforderungen bestehen darin, dass zum einen die innerhalb dieser Religion bestehenden Glaubensströmungen schwerlich in einer einheitlichen Organisation nach dem Vorbild der bestehenden Militärseelsorge zusammengefasst werden könnten. Zu weit entfernt sind in der Wahrnehmung von außen allein die Glaubensströmungen der Schiiten und Sunniten. Die Verbände und Vereine, in denen sich die Moscheevereine zusammengeschlossen haben, haben keine gemeinsame Dachorganisation, die die unterschiedlichen Glaubensströmungen für die Muslime in Deutschland – vergleichbar mit der Evangelischen Kirche in Deutschland – zusammenführt. Damit fehlt diesen die Organisation, die als Anerkennung für eine Religionsgemeinschaft maßgeblich ist und der Bundeswehr fehlt ein einheitlich agierender Ansprechpartner. Soldaten aller Glaubensrichtungen melden sich zum Dienstantritt. Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke Weiter ist der Begriff der Seelsorge im Islam nicht eindeutig definiert. Die Seelsorge in der Art und Weise wie sie im Christentum durchgeführt wird, befindet sich im Islam erst im Entstehen. Dabei basiert sie auf Einflüssen, die der Islam aus dem Christentum übernimmt. So erfahren Muslime beispielsweise durch die aktive christliche Seelsorge in den Krankenhäusern über die christliche Art der Religionsausübung und fordern eine solche Betreuung auch von ihren Moscheevereinen ein. Wären die Voraussetzungen für die Einrichtung einer nebenamtlichen Militärseelsorge gegeben (2. Stufe zur Erweiterung der Militärseelsorge), dann müssten auch für die Inhalte der islamischen Seelsorge – nicht für die Ausübung der Riten oder Glaubensinhalte – möglichst einheitliche Standards für alle Glaubensströmungen innerhalb des Islam entwickelt werden. Dies wäre erstrebenswert, damit – unter Berücksichtigung der Eigenheiten der Glaubensströmungen – unter den Soldatinnen 8 und Soldaten islamischen Glaubens in der Bundeswehr eine einheitliche Werteordnung besteht. Außerdem sollten einheitliche Voraussetzungen für die Einstellung der islamischen Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger geschaffen werden, die an diejenigen der bestehenden Militärseelsorge angepasst sind und so innerhalb der Militärseelsorge ein Gleichgewicht gewahrt bleibt. Dabei sind vorrangig die beamtenrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen. Aussichten Die Bundeswehr hat im Februar 2012 die Charta der Vielfalt unterzeichnet. Sie hat sich damit auch verpflichtet, die religiöse Vielfalt in der Bundeswehr zu fördern und allen Gruppierungen in der Bundeswehr die gleichen Möglichkeiten und Betreuungsmaßnahmen zukommen zu lassen. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sich die Bundeswehr in der Deutschen Islam Konferenz (DIK) bei der derzeitig behandelten Thematik der Seelsorge aktiv einbringt. In der DIK werden in dieser Legislaturperiode die Themen Wohlfahrt und Seelsorge behandelt. Nachdem das Thema Wohlfahrt Ende 2015 abgeschlossen wurde, beginnt der Arbeitsausschuss der DIK nunmehr die Thematik der Seelsorge zu diskutieren. Dabei steht neben der Seelsorge in Anstalten und Krankenhäusern auch die Militärseelsorge im Fokus. Es wäre erstrebenswert, wenn die in den Sitzungen des Arbeitsausschusses teilnehmenden muslimischen Verbände und Vereine nach Abschluss der Thematik einen gemeinsamen Ansprechpartner für die Bundeswehr zur Einrichtung einer islamischen Militärseelsorge benennen könnten. Indem die Diskussion zwischen der Bundeswehr und den muslimischen Vereinen und Verbänden in diesem Forum ermöglicht wird, kann die Grundlage für eine gemeinsame Verständigung über die Organisation und die Standards einer muslimischen Militärseelsorge gelegt werden. Deren Einrichtung würde für die Integration der Muslime sowohl in der Bundeswehr als auch in der Gesellschaft, einen wesentlichen Beitrag leisten. Die Bundeswehr hat in ihren Bestrebungen, sich als attraktiver Arbeitgeber für alle Gruppen unserer Gesellschaft darzustellen, bereits aktiv rechtliches Neuland betreten. Es wäre wünschenswert, wenn diese Bestrebungen auch von anderer Seite ernst genommen und unterstützt würden und nicht in einer rein emotional geführten Diskussion untergehen. Autorin Annette Freiin von Hoiningen, Jahrgang 1970, ist Rechtsassessorin und als Referentin im Referat FüSK III 3 - Innere Führung und Militärseelsorge im Bundesministerium der Verteidigung tätig. Literatur Bundesministerium der Verteidigung (Pol II 2), Impulspapier zur Gestaltung der Vielfalt (Diversität) in der Bundeswehr (IGVBw) vom 28. Januar 2016 Ines Michalowski, Der Umgang mit religiöser Diversität im Militär. Deutschland und die USA im Vergleich. In: Gerhard Kümmel (Hrsg.): Die Truppe wird bunter, Baden-Baden 2012, S. 111-124 9 Angelika Dörfler-Dierken, Zur Entstehung der Militärseelsorge und zur Aufgabe der Militärgeistlichen in der Bundeswehr. Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr, Forschungsbericht 83, Straußberg 2008 Muslime in Deutschland. In: Politik & Unterricht. Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung, Heft 3/4 - 2012, Nachdruck Mai 2013 (http://www.politikundunterricht.de/3_4_12/muslime_nachdruck.pdf) Riem Spielhaus/ Martin Herzog, Die rechtliche Anerkennung des Islams in Deutschland. Ein Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2015 Weiterführende Links www.dik.de Deutsche Islam Konferenz www.innerefuehrung.bundeswehr.de Zentrum Innere Führung www.bmvg.de Hinweise auf die Internationale Konferenz zu Diversity und Inklusion in den Streitkräften 2015 unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin der Verteidigung www.bpb.de/politik/extremismus/islamismus/ Bundeszentale für Politische Bildung - Islamismus 10
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