Zur Zukunft der Hochschulfinanzierung in Deutschland Zehn Punkte 1. Der Hochschulpakt 2020 von Bund und Ländern ist ein großer Erfolg – sein Ende in 2023 keine Option. Der Hochschulpakt hat einer stark gestiegenen Zahl Studieninteressierter ein erfolgreiches Studium ermöglicht. Heute nimmt rund die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland ein Studium auf: in 2016 sind das über eine halbe Millionen Studienanfänger. Die Zahl der Studierenden in Deutschland ist damit seit 2007 von 1,9 Mio. auf 2,7 Mio. kontinuierlich gestiegen. Trotz leicht sinkender Prognosen werden im Jahr 2025 mit 456.000 immer noch 100.000 Studienanfänger mehr als im Jahr 2007 (Beginn des Hochschulpaktes) erwartet. Der Hochschulpakt ist damit ein großer Erfolg, sein Auslaufen im Jahr 2023 keine Option. 2. Deutschland bildet heute einen gemeinsamen Hochschulraum, der auch Studierende aus dem Ausland anzieht. Studierende sind heute heterogener und mobiler. Das zeigt das Beispiel Thüringen: Der Anteil „auswärtiger“ Studierenden betrug vor 10 Jahren 40 %, im letzten Wintersemester waren es fast zwei Drittel (64,5 %) der Studierenden. Mittlerweile kommen mit 37,4 % mehr Studierende aus den alten Bundesländern als aus Thüringen (35,5 %). Auch die Zahl der Studienanfänger aus dem Ausland hat sich seit 2005 von 12 auf 23 % fast verdoppelt. Das Thüringer Beispiel zeigt, Hochschulen sind heute nicht mehr nur für die „Landeskinder“ attraktiv. 3. Hochschulfinanzierung ist immer noch weitestgehend Ländersache. Im Jahr 2014 stellten die Länder 23,1 Mrd. Euro Grundmittel für die Hochschulen zur Verfügung 1. Auch der Bund leistet mit 5 Mrd. Euro – und damit ein Sechstel des Finanzvolumens – einen wichtigen Beitrag. Die Hochschulfinanzierung ist eine gemeinsame Aufgabe der Länder und des Bundes. Sie bedarf auch in Zukunft eines substantiellen, nicht nur befristeten Beitrags des Bundes. Die neue Fassung des Artikels 91b des Grundgesetzes eröffnet genau diese Möglichkeit: Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre auf unbestimmte Zeit abzuschließen. 1 Siehe GWK Umsetzungsbericht zum Hochschulpakt 2020. 4. Hochschulen brauchen Planungssicherheit und stabile Finanzausstattungen. Viele Länder unternehmen erhebliche finanzielle Anstrengungen und haben die Hochschulfinanzierung in langfristigen Vereinbarungen mit ihren Hochschulen gesichert. Sie folgen damit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates von 2013. Baden-Württemberg steigert mit dem Hochschulfinanzierungsvertrag „Perspektive 2020“ die Grundmittel um drei Prozent und stellt weitere zusätzliche Mittel zur Verfügung. Der Hessische Hochschulpakt sichert den Hochschulen bis 2020 einen Inflationsausgleich plus einen Zuwachs von einem Prozent. In Thüringen steigen die Mittel für die Hochschulen bis 2019 jährlich um 4 Prozent. Jetzt ist auch der Bund am Zug: Gemeinsam mit den Ländern muss die Finanzierung der Lehre im Hochschulpakt 2020 verstetigt und eine Perspektive für den Hochschulbau und wissenschaftliche Infrastruktur (nach Auslaufen der Entflechtungsmittel 2019) geschaffen werden. 5. Es braucht einen neuen umfassenden Hochschulfinanzierungsvertrag von Bund und Ländern Dieser muss die drei Kernbereiche Lehre, Forschung und wissenschaftliche Infrastruktur umfassen. Der Bund muss mit 4 Mrd. Euro jährlich in eine dauerhafte Finanzierung der Hochschulen einsteigen. Wir dürfen keine Zeit verlieren: Der Vertrag sollte bis Ende 2017 vorbereitet sein, um ihn Anfang 2018 von der neuen Bundesregierung und den Ländern unterzeichnen zu können. 6. Die Finanzierung der Lehre im Rahmen des Hochschulfinanzierungsvertrages sollte sich zukünftig auf Studierende in der Regelstudienzeit beziehen. Der Bund sollte jährlich einen festen Betrag von 1.000 Euro je Studierenden in der Regelstudienzeit zur Verfügung stellen. Gemessen am durchschnittlichen jährlichen Aufwand von 10.000 Euro pro Studierenden entspricht dieser Beitrag einem Anteil von 10 %. Die Zahl der Studierenden in der Regelstudienzeit wird in der Hochschulstatistik bundesweit erfasst. Eine Pauschalfinanzierung je Studierenden ist einfacher und transparenter als das bisherige prognosebasierte System mit nachgelagerten Ausgleichs- und Rückzahlungen. Die Zahl der Studierenden in der Regelstudienzeit ist geringeren temporären Schwankungen unterworfen. So werden auch Master-Studierende gefördert, Fehlanreize durch eine Fixierung auf Studienanfänger vermieden sowie Hochschulwechsler bei der „aufnehmenden“ Hochschule berücksichtigt. Der jährliche Aufwand für den Bund würde etwa 1,8 Mrd. Euro betragen. Die Mittel sollten auch für Maßnahmen der Qualitätssicherung verwendet werden, um Studienabbrüche zu vermeiden. 7. Forschung und Lehre bedürfen leistungsfähiger Infrastrukturen. Im Frühjahr 2016 hat die KMK den Bericht „Solide Bauten für leistungsfähige Hochschulen – Wege zum Abbau des Sanierungs- und Modernisierungsstaus im Hochschulbereich“ vorgelegt. Die darin enthaltenen Vorschläge sind eine geeignete Basis, um auch in Zukunft eine moderne Gebäudeinfrastruktur für die Hochschulen zu sichern. Ihre Umsetzung wird ohne ein 2/3 finanzielles Engagement des Bundes nicht möglich sein, um die Finanzierungslücke von 8 Mrd. Euro bis 2025 zu schließen. Daher ist es notwendig, dass der Bund nach Auslaufen der Entflechtungsmittel jährlich 1,6 Mrd. Euro für den Hochschulbau und Investitionen in leistungsfähige IT-Infrastrukturen zur Verfügung stellt. Die Verteilung der Mittel sollte zweckgebunden nach einem einfachen Schlüssel erfolgen. 8. Die Digitalisierung der Wissensbestände, ihrer Zugänge und Vermittlungsformen stellen die Hochschulen vor große Herausforderungen. Der Hochschulfinanzierungsvertrag sollte vorsehen, dass sowohl ein Teil der Mittel für die Lehre aber vor allem für Infrastrukturmittel zweckgebunden zur Verfügung gestellt werden. Jährliche Investitionsmittel von 400 Mio. Euro für den Aufbau leistungsfähiger digitaler Lehrund Forschungsplattformen können die Hochschulen fit für die Zukunft machen. 9. Die Förderung der Forschung durch die DFG ist das wichtigste Instrument der wettbewerblichen Forschungsfinanzierung in Deutschland. Die Bewilligungssumme von 2,7 Milliarden Euro für knapp 30.000 Projekte im Jahr 2014 übersteigt die Förderung aus der Exzellenzinitiative um ein Vielfaches. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Förderung ist seit 2007 die Programmpauschale für indirekte, zusätzliche und variable Projektausgaben. Sie beträgt gegenwärtig 22 % von denen 20 % der Bund trägt, im Jahr 2016 sind das knapp 400 Mio. Euro. Die Hochschulen fordern schon lange eine bedarfsgerechte Erhöhung auf 30 %. Diese Steigerung sollte der Bund übernehmen und ab 2021 insgesamt 600 Mio. Euro für die Pauschalen zur Verfügung stellen. 10. Der Hochschulfinanzierungsvertrag sollte unbefristet abgeschlossen und regelmäßig den aktuellen Bedürfnissen angepasst werden. Der Hochschulfinanzierungsvertrag sollte auf unbestimmte Zeit geschlossen werden und eine Kündigung frühestens 2030 möglich sein, um die Vorteile des 91b GG-Änderung zu nutzen. Alle fünf Jahre sollten die drei Förderlinien (Lehre, Programmpauschalen für die Forschung, Infrastruktur) durch den Wissenschaftsrat evaluiert und bei Bedarf nachjustiert werden. 3/3
© Copyright 2024 ExpyDoc