B4-74/15

Fallbericht
30.06.2016
Prüfung einer Fusion von Back-Office-Dienstleistern der Sparkassenfinanzgruppe
Branche:
Finanzdienstleistungen
Aktenzeichen:
B4-74/15
Datum der Entscheidung:
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Das Bundeskartellamt hat die Fusion zwischen der DSGF Deutsche Servicegesellschaft für
Finanzdienstleister mbH („DSGF“) und der Sparkassen-Marktservice GmbH („SMS“) im
Hauptprüfverfahren gemäß § 40 Absatz 1 GWB vertieft geprüft. Die Beteiligten haben die
Anmeldung zurückgenommen, nachdem das Vorhaben abgemahnt worden war, da es nach
vorläufiger Einschätzung des Bundeskartellamtes die Untersagungsvoraussetzungen des § 36
Abs. 1 GWB erfüllte, und das Bundeskartellamt auch nach einer Stellungnahme der Beteiligten
signalisiert hatte, dass es den Zusammenschluss untersagen würde.
Die Beteiligten hatten im vergangenen Jahr vorsorglich angemeldet, die SMS auf die DSGF zu
verschmelzen, jedoch die Anmeldepflicht des Vorhabens bestritten. Gesellschafter der DSGF
sind die Beteiligungsgesellschaft für Sparkassendienstleistungen Ost mbH & Co., die
Sparkassen Dienstleistung Rheinland GmbH & Co. KG sowie die IZB SOFT Verwaltungs-GmbH
& Co. KG, die jeweils 30% der Anteile an der DSGF halten, sowie die WeLi S AG mit einem
Anteil von 2,5 %. Die Ermittlungen haben nach Überzeugung des Amtes ergeben, dass die
DSGF von wenigstens drei ihrer Gesellschafter faktisch gemeinsam beherrscht wird, da sie
gemeinsame
geschäftspolitische
Strategien
verfolgen.
Die
Aufgreifschwellen
der
Fusionskontrolle waren damit aufgrund der Einbeziehung der Umsätze der Müttergesellschaften
erreicht.
Mit dem Vorhaben wollten DSGF und SMS ihre „Back-Office-Dienstleistungen“ für
Kreditinstitute
bündeln.
Back-Office-Dienstleistungen
für
Kreditinstitute
umfassen
sehr
unterschiedliche Bereiche wie unter anderem die Abwicklung von Krediten („Marktfolge Aktiv“),
die mit der Kontenführung und dem Einlagengeschäft verbundenen Leistungen („Marktfolge
Passiv“), die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und Leistungen im Zusammenhang mit dem
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Wertpapiergeschäft. Wettbewerblich bedenkliche Überschneidungen in der Tätigkeit der
Beteiligten ergaben sich allein im Bereich der Abwicklung des beleghaften Zahlungsverkehrs.
Sachlich ist der Markt auf die Verarbeitung der Belege auf dem sogenannten BZV-System der
Finanzinformatik („FI“), dem zentralen IT-Dienstleister der Sparkassenfinanzgruppe, begrenzt,
weil diese Anwendung in die von allen Sparkassen verwendete Gesamtbanklösung fest
integriert ist und die Sparkassen hierfür in jedem Fall die Kosten tragen müssen. Nach dem
Ergebnis der umfangreichen Marktuntersuchung beziehen Sparkassen Leistungen in diesem
Bereich im Wesentlichen von Anbietern der Sparkassenfinanzgruppe. Ein wesentlicher Grund
liegt darin, dass die entsprechenden Leistungen mit dem von allen Sparkassen einheitlich
verwendeten IT-System, dem Kernbanksystem „OSPlus“ der FI, kompatibel sein müssen.
Neben
der
Einbindung
in
das
IT-System
führt
auch
die
Vertrautheit
der
zur
Sparkassenfinanzgruppe gehörenden Anbieter mit der Prozessorganisation in Sparkassen
dazu, dass Sparkassen in erster Linie auf diese Anbieter zurückgreifen. Hinzu kommt, dass die
Sparkassenregionalverbände und der Deutsche Sparkassen- und Giroverband OutsourcingProzesse der Sparkassen aktiv begleiten und z.B. durch Entwicklung entsprechender
Standards
fördern.
Auch
Anbieter
anderer
Institutsgruppen,
z.B.
der
Volks-
und
Raiffeisenbanken, bieten für nicht ihrer Institutsgruppe angehörende Institute nur selten BackOffice-Leistungen im Bereich des beleghaften Zahlungsverkehrs an, etwa wenn diese
Drittinstitute das gleiche Kernbanksystem verwenden. Der Umfang von Dienstleistungen
gegenüber Instituten anderer Institutsgruppen ist deshalb marginal.
Räumlich ist der Markt deutschlandweit abzugrenzen. Back-Office-Leistungen für die
Abwicklung des beleghaften Zahlungsverkehrs werden deutschlandweit angeboten und
nachgefragt. Die Marktuntersuchung hat ergeben, dass die räumliche Nähe des Anbieters der
entsprechenden Leistungen zu seinen Abnehmern nur eine untergeordnete Rolle spielt. Soweit
Belege verarbeitet werden müssen, werden diese zum Teil vor Ort digitalisiert, um die
betreffenden Vorgänge ortsunabhängig weiterverarbeiten zu können. Dennoch spielen Anbieter
aus dem Ausland keine Rolle, weil die mit der Beauftragung eines Dienstleisters mit Sitz im
Ausland verbundenen regulatorischen Kosten aus Sicht der Sparkassen zu hoch sind.
Entstanden
sind
Ausgliederung
der
die
Back-Office-Anbieter
entsprechenden
der
Sparkassenfinanzgruppe
Fachabteilungen
aus
der
meist
Organisation
durch
einzelner
Sparkassen und Übertragung auf rechtlich verselbständigte Gesellschaften, deren Anteile
zunächst vollständig bei der betreffenden Sparkasse verbleiben und die Back-Office-Leistungen
im Wesentlichen für ihre jeweiligen Muttergesellschaften erbringen. Nach wie vor wird auch ein
erheblicher Teil der Back-Office-Leistungen als unternehmensinterne Leistung durch mit der
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jeweiligen Sparkasse verbundene Tochtergesellschaften erbracht. In den letzten Jahren ist es
aber vermehrt zu Zusammenschlüssen dieser Anbieter gekommen, die zunehmend als
Dienstleister über ihre ursprüngliche Muttergesellschaft hinaus auch für dritte Sparkassen
auftreten.
Im Ergebnis war für den Markt der Abwicklung des beleghaften Zahlungsverkehrs eine
erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs, insbesondere die Verstärkung einer
marktbeherrschenden Stellung auf Grund des Zusammenschlusses festzustellen.
Die Ermittlungen haben ergeben, dass die DSGF bereits jetzt über eine marktbeherrschende
Stellung
auf
dem
auf
Deutschland
beschränkten
Markt
für
die
Verarbeitung
von
Zahlungsverkehrsbelegen für Sparkassen verfügt. Diese wäre durch den Zusammenschluss
weiter verstärkt worden. Die DSGF verfügt bereits vor dem Zusammenschluss mit der SMS
über sehr hohe Marktanteile von mindestens 60-70%. Durch den Erwerb der SMS stiege dieser
Anteil um weitere 10-20%. Von den verbleibenden Anbietern ist kein Wettbewerbsdruck zu
erwarten, und die Nachfrager verfügen über keine Möglichkeiten, den Verhaltensspielraum der
Beteiligten nach dem Zusammenschluss hinreichend zu kontrollieren.
Vor diesem Hintergrund wäre der Zusammenschluss zu untersagen gewesen, wenn die
Beteiligten die Anmeldung nicht zurückgenommen hätten. Das gesetzliche Vollzugsverbot des
§ 41 Abs. 1 GWB gilt weiterhin, da es sich um einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss
handelt.
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