André Schwämmlein

Die Zukunft der Mobilität und Infrastruktur aus Fernbus-Sicht
1
Wirtschaftstag 2016, Podium IV Mobilität 4.0 – Zukunft von Mobilität und Infrastruktur
Thesen:
1. Ohne staatlichen Anschub, rechtliche Schutzmaßnahmen oder steuerfinanzierte Wachstumsprogramme, sondern nur aufgrund einer einfachen Gesetzesänderung ist in Europa
ein völlig neuer, eigenwirtschaftlicher und funktionierender Verkehrsmarkt entstanden:
Der Fernbusverkehr. Hauptanschub für den Erfolg ist die große Verbrauchernachfrage nach
dieser neuen Dienstleistung. Hauptgrund für das Wachstum ist die Digitalisierung und die
konsequente Anwendung digitaler Netzwerke/Abläufe durch FlixBus.
2. Fernbusse sind Gewinner der Digitalisierung. Der konsequente IT-Einsatz bei FlixBus zeigt,
dass FlixBus ein modernes Produkt der Digitalisierung ist – mit großen Auswirkungen auf
klassische Bereiche: Hoher Facharbeiterbedarf, Anbindung/Belebung ländlicher Regionen,
Ermöglichung sozialer Mobilität, Verbindung von europäischen Nationen durch eine hohe
Zahl an grenzüberschreitenden Verkehren. Klassische Linienverkehre wie Bahn/Flugzeug
können dies nicht oder nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen bzw. Metropolen leisten.
3. Das Wachstum macht regulatorische Probleme deutlich, die sich auf den Betrieb und die
Verwaltungen negativ auswirken: Äußerst unterschiedliche Genehmigungsregularien in Europa. Zu starre und (auch für Verwaltungen) zu bürokratische Genehmigungsverfahren auf
altertümlichen Niveau (z.B. keine digitalen Genehmigungen, sondern nur Originale in Papierform an Bord der Busse. Hoher Aufwand bei Genehmigungsverfahren bezüglich einfachen Änderungen der Linienabläufe. Entlastung der Verwaltung usw.).
4. Der Stand der Technik bezüglich Infrastruktur wird dem Digitalisierungsfortschritt nicht gerecht: Keine Datenverbindungen zwischen Fahrplänen unterschiedlicher Verkehrsträger,
Haltestellen auf einfachsten Niveau (meist ohne Technik), Bustechnik ohne Fernbustauglichkeit (Abstimmung zwischen Standort und Fahrplänen).
5. Der Fernbusmarkt ist sehr beweglich. Anbieter sind ausgeschieden, neue meist ausländische Unternehmen drängen auf den interessanten deutschen Markt. Der Druck auf den
Fernbusmarkt durch Tiefpreise bei Bahn/Flieger nimmt zu. Anpassungen und Reduzierungen von Linienbeständen werden beobachtet. Dies zeigt, dass der Fernbusmarkt äußerst
sensibel und noch immer eine zarte Pflanze ist, bei dem zusätzliche Belastungen (z.B. Maut)
oder regulatorische Verschärfungen (Bedienverbote) massiven Schaden anrichten können.
6. Die fraktionsübergreifende Entscheidung durch Bund und Länder zur Fernbusfreigabe gehört zu den beliebtesten politischen Entscheidungen der letzten Jahre und wird nachhaltig
von allen Bevölkerungs- und Gesellschaftsschichten immer stärker genutzt.
7. Die Politik kann von der Beliebtheit der Fernbusse hervorragend partizipieren. Dies gilt gerade in Zeiten mit allgemeiner Verunsicherung bezüglich politischer Entscheidungen.
8. Auf der anderen Seite: Wer Fernbusse angreift, weiter belasten oder übermäßig regulieren
will, geht unnötigerweise einen unpopulären Weg, setzt sich den Vorwurf aus, die Komfortzone anderer (subventionierter) Linienenverkehre zu zementieren und starken Lobbyverbänden nachzugeben. Letztlich würden die gerade aufgekommenen Möglichkeiten der sozialen Mobilität, die Generation 50+ sowie der internationale Reiseverkehre angegriffen.
9. Linienverkehre von Bahnen und Bussen sind in Deutschland in der Minderheit (nur knapp
20%), 80% aller Verkehre sind Motorisierte Individualverkehre (MIV). Anstatt sich innerhalb
der 20%-Anteile zu bekämpfen, sollte es um den wirklichen Zuwachsmarkt (den 80% MIV)
gehen. Von hier gewann der Fernbus die meisten seiner Kunden.
Die Zukunft der Mobilität und Infrastruktur aus Fernbus-Sicht
2
Stand und Entwicklungen:
 Die Nachfrage nach und die Nutzung von Fernbussen ist enorm. Der innovative Mittelstandsverbund
des Startups FlixBus kann der hohen Nachfrage nach dieser beliebten Dienstleistung gerecht werden.
 Mit dem Fernbus ist ein gewaltiger Schritt des gesellschaftlichen Ziels, weniger Individualverkehr
und mehr gemeinsames Reisen auf längeren Strecken zu schaffen, erreicht. Annahmen, wonach
Fernbusse lediglich Metropolen verbinden werden, bestätigten sich bezüglich FlixBus nicht. Durch
das flächendeckende Unternehmensnetz entstehen in vielen Regionen neue Fernverkehrsanbindungen sowie neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze in mittelständischen Bus-Unternehmen und angeschlossenen Bereichen wie Werkstätten, Serviceeinrichtungen, Berufsschulen usw.
 Die Freigabe des deutschen Fernbusverkehrs hat in Europa einen Impuls ausgelöst. In knapp 20 Länder organisiert FlixBus grenzüberschreitende Linienverkehre, die bislang fast ausschließlich nur über
den Luftverkehr angeboten wurden. Auf diese ökologische und kostengünstige Art sind die Menschen Europas verbunden. FlixBus ist lebendiger Antreiber der europäischen Integration – ohne
Subventionen.
• Bund und Länder haben mit der Öffnung des Fernlinienbetriebes für Busse vieles richtig gemacht.
Dennoch ist der Fernbus in der Lebenswirklichkeit vieler Entscheidungsträger noch nicht angekommen. Fernbus wird verniedlicht als kleine Verkehrssparte angesehen. Insbesondere FlixBus aber ist
ein IT-basierter Mobilitätsdienstleister, der in einem europäischen Mittelstandsverbund komfortables, preissensibles und unkompliziertes Reisen per Fernbus anbietet.
• Dabei ist jede einzelne Linie und jeder einzelne Bus eine immense Herausforderung und große Investition, die bei falschen Weichenstellungen und Rahmenbedingungen schnell beschädigt werden kann.
 Fernbusse eröffnen soziale Mobilität für Menschen mit geringerem Einkommen, sozial Schwächere,
Auszubildende, Studenten, Rentner. Fahrpreiserhöhungen oder zusätzliche Regulierungen wirken
sich, auch bei subjektiv kleinen Beträgen, drastisch auf Reisemöglichkeiten aus.
 Nachdem v.a. jüngere Menschen das Fernlinienangebot wahrnahmen, steigt die Nachfrage bei den
Generationen 50+ rasant. Tages-, Städte-, Kulturreisen nehmen einen immer größeren Anteil unter
den Reisegründen ein. Ältere Generationen haben einen signifikanten Anteil unter den Fernbuspassagieren.
 Durch den hohen Anteil an ehemaligen PKW-Fahrern unter den Fernbusreisenden sowie die besonders gute Öko-Bilanz der Busse ist Deutschland einen deutlichen umweltpolitischen Schritt nach vorn
gegangen. 80 % der Fernbusgäste nutzen vor und/oder nach der Fahrt den ÖPNV oder das Fahrrad
bzw. sind zu Fuß unterwegs. Die Vernetzung zwischen ÖPNV und Fernbus ist äußerst wichtig.
 Der beklagte Preisdruck im Fernbus-Markt geht laut Studien von Unternehmen mit Konzernen oder
staatlicher/halbstaatlicher Unternehmen im Hintergrund aus. Privatwirtschaftliche und seit der Liberalisierung entstandene Unternehmen gehören nicht zu den Tiefpreistreibern.
 Gravierender als der Preisdruck „im Markt“ ist der Druck „auf den Markt“. Extreme Tiefpreise des
Fernverkehrs der Bahn (19 € Tickets) schaden SPNV und Fernbus. Dazu kommt der Aufwuchs im innerdeutschen Flugverkehr sowie die erschreckend günstigen Tickets. Mittlerweile ist das Fliegen für
10 - 20 € innerhalb Deutschlands keine Ausnahme mehr.
 Fernbus-Wettbewerber insbesondere mit staatlichem/kommunalem Hintergrund (v.a. Bahn, SPNV,
ÖPNV) attackieren Fernbusse massiv. Sie fordern Fernbus-Belastungen und zeitgleich weitere Zuschüsse und Schutzklauseln für die eigenen Betriebe. Unterstützung erhalten sie dabei durch starke
Lobbyverbände, die auch staatlichen Schutz einfordern und die Einsicht in Reformnotwendigkeiten
vermissen lassen.
 Politik und Verwaltungen stehen diesen Vorstößen häufig skeptisch gegenüber und misstrauen
massiven Forderungen nach mehr Geld und staatlichen Schutz. Zurecht befürchten Politik und Verwaltungen, dass sich Entscheidungen gegen den Fernbus nachteilig für die Kommune oder das Land
auswirken.
Die Zukunft der Mobilität und Infrastruktur aus Fernbus-Sicht
3
Stichwort Herausforderungen und Chancen neuer (vernetzter) Mobilitätsangebote:
 FlixBus nutzt Digitalisierungschancen konsequent und konzentriert sich als IT-Startup v.a. auf die intensive IT-Vernetzung der Angebote, Linienführungen und Betriebssteuerung. Das Thema Digitalisierung machte FlixBus aus eigener Kraft zu einem Gewinnerthema für die Branche, während andere
Linienverkehre mit der Digitalisierung Probleme haben.
 FlixBus hat die Chance genutzt, die die digitalisierte Vernetzung von Bussen, unterschiedlicher Busunternehmen und Verkehrsunternehmen bietet. Die Erstellung und der Betrieb des umfangreichen
Liniennetzes, sowie der Vertrieb des Angebotes und die Kundenbetreuung sind v.a. eine digitale Leistung und Grundlage für den FlixBus-Erfolg.
 Eine Vernetzung von MIV (für die erste und letzte Meile), ÖPNV, Fernbussen und anderen Linienverkehre findet praktisch nicht statt, obwohl unkompliziertes, günstiges und umweltfreundliches Linienreisen ermöglicht werden muss. Wenige Portale im Netz verbinden Verkehrsinformationen miteinander, eine Abstimmung der Verkehrsträger findet nicht statt.
 Grundvoraussetzung für die Vernetzung der Verkehrssysteme ist Diskriminierungsfreiheit. Gleiche
Wettbewerbsbedingungen sind für alle Verkehrsträger nötig.
• Moderne Mobilität darf sich nicht auf Metropolen beschränken. Voraussetzung für die Einbindung
ländlicher Regionen sind entsprechende Rahmenbedingungen. Eine Anhebung des Bedienverbotes
für Fernbusse auf 100 Kilometer würde massiv zu Lasten ländlicher Regionen / kleinerer Kommunen
gehen.
 Digitaler Vorsprung: Die FlixBus-Ticketbuchung ist komplett papierlos, jederzeit und überall per App
/ Website möglich. FlixBus hat die Buchungs- und Fahrplansoftware selbst entwickelt. Kunden, Fahrpersonal, Kundenservice und Betriebsstelle können per App, Homepage oder Software die Passagiere
einfach und schnell einchecken. Alle FlixBusse sind mit kostenlosem Wlan und z.T. auch mit einem
Mediacenter ausgestattet. Die Fahrgäste haben auch bei grenzüberschreitenden Verkehren ins Ausland die Möglichkeit kostenlos im Internet zu surfen.
Stichwort Bereitstellung, Umrüstung und Finanzierung entsprechender Infrastrukturen:
a.
b.
c.
d.
Qualität der Halte: Oftmals vermuten Kommunen bei Bushaltestellen ähnliche Anspruchshaltungen, wie sie Bahn oder Flieger gegenüber der öffentlichen Hand äußern: Glas-Paläste und HighClass-Gebäude. Fernbushaltestellen haben indes zumeist eine vergleichsweise geringe Ausstattung
und müssen v.a. funktional und sicher sein mit. Ausschlaggebend ist die Lage. Eine Haltestelle am
Stadtrand, auf der grünen Wiese oder an der Autobahn nutzen Verbraucher nicht. Nötig sind zentrumsnahe Haltestellen Bei dezentralen Haltestellen fällt der Anteil der ÖPNV-Nutzung drastisch
und der Anteil der PKW-Nutzung steigt enorm.
Infosysteme/Anzeigetafeln: Die Entwicklung von Informationssystemen und damit massive Investitionen bei Flug- und Schienenverkehr gab es im Fernbusbereich nicht. In aller Regel gibt es keinen
Stand der Technik und schon gar nicht einen einheitlichen Standard. Die Informationsweitergabe ist
zurzeit nur per Anruf / SMS möglich. Eine Zusammenführung von Daten findet nicht statt. Nur selten gibt es Anzeigetafeln die den Fahrgästen Informationen anzeigen. FlixBus entwickelte eigene
Softwarelösungen und Verfahren, um Reiseinformationen zu erhalten, bündeln und weiterzugeben.
Finanzierung: Fernbusse entlasten Straßen vom Verkehr und decken 130 % ihrer Wegekosten. Die
überproportional belastende Wirkung einer Maut würde sich auf Fahrpreise auswirken und damit
Schäden bei sozialer Mobilität und Unternehmen herbeiführen. Die geringen Einnahmen könnten
den eintretenden Schaden für Politik, Unternehmen und Verbraucher nicht rechtfertigen.
Stationsgebühr / „Haltestellenmaut“: Forderungen nach Haltestellengebühren in Kommunen gehören meist in den Katalog zur Schwächung des Fernbussektors. In den meisten Fällen sind die Sta-
Die Zukunft der Mobilität und Infrastruktur aus Fernbus-Sicht
4
tionen aufgrund fehlender Infrastruktur nicht geeignet, gesonderte Gebühren zu nehmen. Flächendeckende Stationsgebühren nehmen den Kommunen zudem Gestaltungshoheit. Gebühren müssen
indes in einem angemessenen Verhältnis zu den Fahrgastzahlen und der Ausstattung der Haltestellen stehen (Infosysteme, Größe, Bewirtschaftung etc.) und bestenfalls zwischen Kommune und
Fernbusunternehmen verhandelt werden.
Stichwort Koordinierung der Forschung und Förderung weltweiter Standards
-
-
-
-
Brauchbare Technik: Aufgrund fehlender Fernbusse gab es bislang keine entsprechenden Systeme.
ÖPNV- / Frachtsysteme des Güterverkehrs stellen kein passendes Produkt dar. FlixBus entwickelte
ein eigenes System, in dem GPS-Daten mit Fahrplänen sowie Fahrtprognosen (z.B. Stau) kombiniert
werden.
Schaffung eines international harmonisierten Rechtsrahmens: Die nationalen Fernbus-Gesetzgebungen sind in Europa sehr unterschiedlich. Angesichts des großen Fernbusnetzes sind die unterschiedlichen Regelungen schädlich für Bürger und Verbraucher, sowie Unternehmen und Politik.
Der europäische Flickenteppich besteht aus Schutzklauseln und Monopolstellungen, aus überholten Regulierungen aber auch aus modernen und liberalisierten Fernbusfreigaben, wie in Frankreich. Hier macht es Sinn, dass Europa mit einer Stimme spricht und Vereinheitlichungen vornimmt.
Dringende Modernisierung des deutschen Genehmigungsrechts für Linienverkehre: (Aktuell muss
auf jedem Bus jeder Linie ein Original-Exemplar der Konzession mitgeführt werden.) Diesen erheblichen Aufwand, die große Menge an Papier sowie der Postversand durch die Republik ist durch
eine digitale Lösung ersetzbar. Sowohl Fernbusunternehmen als auch für Verwaltungen und Kontrollorgane werden entlastet und Verbraucher nicht belästigt.
Korrekte Anwendung bestehender Vorschriften: Immer wieder versuchen Kommunen, das PBefG
auf Umwegen zu unterlaufen und z.B. Haltestellen zu verlegen oder ganz aus der Stadt zu verbannen. Das Beispiel Köln zeigt, dass sich die Städte der Vorteile des Fernbusses bewusst werden und
erkennen müssen, dass der unerwünschte Individualverkehr, der die Innenstädten füllt, durch den
Fernbus reduziert und nicht verstärkt wird.
Zu FlixBus:



FlixBus ist ein führender internationaler Mobilitätsanbieter, der in den letzten Jahren das größte
zusammenhängende Verkehrsnetz Europas entwickelte. Kerngeschäft ist der Betrieb von Fernbuslinien. Seit 2012 (ca. 200.000 Passagiere) wuchs die Nachfrage enorm, sodass 2015 mehr als
20 Millionen Verbraucher an Bord der Grünen Fernbusse begrüßt werden konnten.
Als europäischer Mittelstandsverbund entwickelte FlixBus ein Liniennetz in 19 europäische Länder mit mehr als 800 Zielen und über 300 Linien. Dafür sind etwa 1.000 Busse mit mehr als 4.000
Fahrerinnen und Fahrer von 250 Buspartner-Unternehmen unterwegs. Bei FlixBus selbst sind in
den deutschen Standorten Berlin und München sowie den Landesgesellschaften in Italien, Frankreich, den Niederlanden und Osteuropa ca. 900 Mitarbeiter aus knapp 40 Nationen tätig. Gemeinsam ist es gelungen, das ökologische und nachhaltige Reisen für alle Schichten der Gesellschaft zu ermöglichen.
Grundlage für das Wachstum von FlixBus ist die enorme Nachfrage nach Reisemöglichkeiten,
die bequem, unkompliziert und preisgünstig sind. Dieser Nachfrage konnte FlixBus durch beständige Linienerweiterung und neuer Buspartner aber auch durch Innovation und starke Konzentration auf die IT gerecht werden.