EIN ZUKUNFTSPAKT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST IN BERLIN

EIN ZUKUNFTSPAKT FÜR DEN
ÖFFENTLICHEN DIENST IN BERLIN
Die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und die Politik sind Partner bei der Erbringung von
Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger – wenn auch mit unterschiedlichen Rollen und
Kompetenzen. Die BerlinerInnen müssen sich darauf verlassen können, dass staatliche Leistungen
rechtzeitig erfolgen und bei Eingriffen nach Recht und Gesetz gehandelt wird.
Der Öffentliche Dienst steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Quer durch alle Bereiche scheiden bis
2020 altersbedingt 25.000 Beschäftigte aus, deren Stellen neu besetzt werden müssen. Das betrifft
fast ein Viertel aller Landesbeschäftigten. Gleichzeitig wächst Berlin, und mit dem Wachstum kommen
neue Aufgaben auf die Stadt zu. Das Land Berlin muss jetzt einen Mentalitätswechsel einleiten, um
den Öffentlichen Dienst wieder zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen.
Die Berliner Verwaltung steht vor enormen Herausforderungen. Nicht nur bei der Bewältigung des
Zuzugs von geflüchteten Menschen hat sich gezeigt, dass mehr Flexibilität notwendig ist. Zugleich
fällt es Berlin schwer, schnell qualifiziertes Personal zu verpflichten. Dazu trägt auch der enorme
Besoldungsrückstand im Vergleich zu anderen Bundesländern und zum Bund bei.
Die Menschen in Berlin brauchen ein Personalentwicklungs- und ein Personalbedarfskonzept. Beides
hat der rot-schwarze Senat immer wieder angekündigt doch nie vorgelegt. Darum fordern wir Grüne,
dass die Aufgaben künftig in der Hand eines Staatssekretärs für Personal gebündelt werden.
Wir schlagen einen Zukunftspakt für den Öffentlichen Dienst in Berlin vor, der einen fairen Ausgleich
von Interessen vorsieht. Der Zukunftspakt bedeutet: mehr Flexibilität und schnellere Einstellungen,
eine Besoldungsanpassung bis 2022, Engagement gegen prekäre Beschäftigungen und Lohndumping
im öffentlichen Auftrag und Berlin als gute Arbeitgeberin.
Bündnis 90/Die Grünen Berlin | Zukunftspakt für den Öffentlichen Dienst in Berlin
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1. MEHR FLEXIBILITÄT UND SCHNELLERE EINSTELLUNGEN
Vom Stellenabbau zu einem deutlichen Ausbau der Stellen in wenigen Jahren – das ist eine
Herausforderung. Dabei gilt es mehr Flexibilität zu ermöglichen, um schnelle Besetzungen und eine
effizientere Bewältigung von außergewöhnlichen Belastungssituationen sicherzustellen.
Wer sich in Berlin um eine Stelle im Öffentlichen Dienst bewirbt, muss viel Geduld mitbringen. Im
Schnitt dauern Einstellungsverfahren zwischen sechs und neun Monaten. Ziel muss es sein, eine Stelle
innerhalb von drei Monaten neu besetzen zu können.
Grüne Kernforderungen – Wir wollen...

...Standardisierungen im Ausschreibungs- und Bewerbungsprozess.

... die Bewilligung der Standardausschreibungen beschleunigen, indem diese einmalig durch
den Hauptpersonalrat bewilligt werden. Danach gilt nur noch das Widerspruchsrecht bei
verkürzten Fristen. In dem Zusammenhang schlagen wir außerdem vor, eine
Landesfrauenvertretung zu etablieren.

...mehr Rechte der einzelnen Verwaltungen bei Stellenbewertungen im Rahmen der KostenLeistungs-Rechnung. Dadurch ist keine Beteiligung der zentralen Personalverwaltung mehr
notwendig.

...ein automatisiertes Benachrichtigungsverfahren für die Behördenleitung bei absehbar frei
werdenden Stellen einrichten.

…das E-Recruiting-Verfahren mit Leben füllen. Alle Behörden müssen zur Teilnahme verpflichtet werden. Ausnahmen sollen nur in begründeten Fällen möglich sein.

...eine (Pensionärs-) Taskforce zur Bewältigung von Bearbeitungsspitzen einrichten. Wir fordern
eine Taskforce von ca. 200 Beschäftigten, die der Regierende Bürgermeister zur Bewältigung
besonderer Lagen (etwa bei Bearbeitungsstaus im Bürgeramt) „entsenden“ kann. Dafür können
auch Pensionäre eingesetzt werden, wenn Sie es wollen.

...beschleunigte Verfahren zur Besetzung befristeter Stellen von maximal 24 Monaten, für die
eingeschränkte Anforderungen an die Auswahl- und Beteiligungsrechte gelten. Dafür muss es
strenge Richtlinien geben: So dürfen reguläre Stellen nicht befristet sein, sondern nur
Vertretungen oder Stellen zur Bewältigung von Arbeitsspitzen.

...einen besseren Wissenstransfer durch mehr Doppelbesetzungen, bevor der Stelleninhaber in
Pension geht.
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2. FAIRER LOHN FÜR GUTE ARBEIT – BIS 2022 BESOLDUNGSANPASSUNG SCHAFFEN
Zu einem attraktiven öffentlichen Dienst gehört weit mehr als nur eine gute Bezahlung. Mit Blick auf
die Berliner Historie fordern wir Senat und Abgeordnetenhaus unmissverständlich dazu auf, sich an
Versprechen aus den Zeiten des Solidarpakts zu halten. Der Lohnverzicht war als vorübergehender
Beitrag der Beschäftigten und ihrer Familien geplant und sollte Schritt für Schritt zurückgenommen
werden.
Berlin ist im bundesweiten Ländervergleich mit Abstand Schlusslicht in der Besoldung. Für die Jahre
2014/15 wurden von CDU und SPD Erhöhungen von 3 bzw. 3,2 Prozent beschlossen. Zukünftig soll
Berlin 0,5 Prozent über dem Durchschnittswert der Bundesländer in Bezug auf das Tarifergebnis
liegen. Dies genügt jedoch nicht, denn eine Angleichung an den Durchschnitt der Bundesländer kann
auf diese Weise erst im Jahr 2031 erreicht werden – an die Bezüge des Bundes sogar im Jahr 2048.
Wir wollen eine Gleichstellung mit den anderen Bundesländern bis 2022 erzielen. Darum fordern wir
zusätzlich zur prozentualen Mehrerhöhung eine pauschale Erhöhung um 200 Euro pro Jahr. Das
entspricht nochmals circa 0,5 Prozent, bevorteilt die unteren Besoldungsgruppen jedoch stärker. Auf
diese Weise können wir die Besoldungsgruppen bis zum Jahr 2022 angleichen. Die Mehrkosten liegen
bei ca. 13 Millionen Euro kumulativ pro Jahr im Vergleich zum Senatsfahrplan.
3. GUTE ARBEIT FÜR BERLIN – GEGEN PREKÄRE BESCHÄFTIGUNG UND LOHNDUMPING IM ÖFFENTLICHEN AUFTRAG
Berlins Bevölkerung wächst, die Beschäftigtenzahl steigt und die Wirtschaft befindet sich im
Aufschwung. An vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geht dieser Aufschwung vorbei, sie sind
VerliererInnen durch Prekarisierung. Wir wollen das schleichende Outsourcing öffentlicher Daueraufgaben, das eine Flucht aus der Tarifbindung bedeutet, beenden.
Lohndumping, schlechte Arbeitsbedingungen sowie Zeit- oder Honorarverträge sind auch im
Öffentlichen Dienst keine Ausnahme – insbesondere bei Beschäftigten in der bezirklichen Bildungs-,
Jugend- und Kulturarbeit sowie beim Großteil des wissenschaftlichen Nachwuchses. Wir sagen
prekären Arbeitsbedingungen in Berlin den Kampf an.
Auch in öffentlichen Betrieben geht der Trend hin zur Ausgliederung und schlechten Bezahlung von
Personal wie die Beispiele Vivantes (im Bereich Ergotherapie) und Freie Universität Berlin
(Lohndumping beim Reinigungspersonal des Botanischen Garten) zeigen.
Diesen Trend wollen wir stoppen und umkehren. So fordern wir beispielsweise für Musikschulen
langfristig 50 Prozent mehr Festanstellungen. Für (Langzeit-) Erkrankte muss es Regelungen geben.
Sogenannte „feste freie Honorarkräfte“ brauchen einen Tarifvertrag. Und im Wissenschaftsbereich
braucht es mehr unbefristete Stellen zum Beispiel für Post-Docs. Außerdem wollen wir den
Tarifvertrag für studentische MitarbeiterInnen sichern.
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4. BERLIN ALS ATTRAKTIVE ARBEITGEBERIN
Berlin muss seine besondere arbeits- und beamtenrechtliche Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wahrnehmen. Der Öffentliche Dienst muss Vorbild sein für Arbeitsplatzsicherheit, Familienfreundlichkeit, Qualifikation und Aufstieg – ein Arbeitgeber, der seinen MitarbeiterInnen etwas bietet und sie motiviert.
Darüber hinaus muss die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen in unserer Stadt vorangetrieben
werden: Wir wollen, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern endlich mit moderner
Informationstechnik das notwendige Handwerkszeug zur Verfügung gestellt wird.
Grüne Kernforderungen – Wir wollen…

...Berlins Verwaltung ins digitale Zeitalter holen:
Nahezu alle Bereiche im Öffentlichen Dienst werden heute durch Informations- und
Kommunikationstechnik (IKT) unterstützt oder durch sie geprägt. Unter dem rot-schwarzen
Senat herrscht Stillstand bei der Weiterentwicklung von Digitalisierung und E-Government.
Erst kurz vor Ende der Legislaturperiode wurde das Berliner E-Government-Gesetz
verabschiedet, nachdem es sechs Jahre im Senat beraten worden war. Die flächendeckende
Einführung der elektronischen Aktenführung (E-Akte) wird aber nur gelingen, wenn vorhan dene und geplante IT-Fachverfahren eingebunden werden.
Hinzu kommt, dass die vom Senat immer wieder angeführten Personaleinsparpotenziale durch
IKT in vielen Behörden weitgehend erschöpft sind. Personalabbau geschah bisher auf Grundlage einer Effizienzerwartung, die nur durch eine vollständige Digitalisierung und kommende
Technik eingelöst werden kann.

...eine familienfreundliche, vielfältige Verwaltung und anonymisierte Bewerbungsverfahren:
Jedes Team kann mehr leisten, wenn sich Menschen mit den unterschiedlichsten und
vielfältigsten Erfahrungen und Kompetenzen einbringen. Wir fordern, dass der Öffentliche
Dienst endlich ernsthaft auf eine moderne Personalentwicklung ausgerichtet ist und die
gesellschaftliche Realität abbildet.
Frauen sollten die Hälfte der höheren Führungspositionen besetzen. Insbesondere im Vollzugsdienst besteht hier Nachholbedarf. Die Geschichte – etwa der Berliner Polizei – das Dienstrecht
aber auch das konkrete Arbeitsumfeld beinhalten Aufstiegshürden für Frauen, die wir sukzessive abbauen müssen. Flexible Arbeitszeiten oder der Wiedereinstieg nach der Familienzeit
dürfen nicht länger als Ausnahme behandelt werden oder gar Beförderungen verhindern. Vor
diesem Hintergrund wollen wir eine Landesfrauenvertretung anregen, um diese Anliegen noch
stärker zu verankern.
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Außerdem wollen wir mehr Menschen mit Migrationshintergrund für den Öffentlichen Dienst
gewinnen. Um in dieser Stadt effektiv arbeiten zu können, braucht die Verwaltung das Wissen
von MigrantInnen. Das Projekt „Berlin braucht dich!“ kann einen Beitrag leisten, muss aber
weiter ausgebaut werden. Die Einführung der anonymisierten Bewerbung halten wir ebenfalls
für wichtig. Die gesetzlichen Vorgaben des Partizipations- und Integrationsgesetzes zur
Verankerung interkultureller Kompetenz als Stellenbesetzungs- bzw. Beförderungskriterium im
Laufbahnrecht sind konsequent umzusetzen und die datenschutzrechtlichen Probleme zur
Erfassung des Migrationshintergrundes – ohne die keine Überprüfung der Maßnahmen möglich
ist – müssen schneller gelöst werden.

...Weiterbildung, Sabbaticals und Gesundheitsmanagement:
Wir wollen, dass alle Altersgruppen in den Verwaltungen mindestens einmal pro Jahr auf
Fortbildung gehen können. Darüber hinaus fordern wir verpflichtende Fortbildungen für
Führungskräfte. Aber auch Sabbaticals, Teilzeitmodelle, freie Nachmittage und ähnliches sollen
nicht nur einer bestimmten Altersgruppe vorbehalten bleiben. Darüber hinaus sollten
SchülerInnen und Studierende die Möglichkeit haben, bezahlte Praktika in der Verwaltung und
den öffentlichen Einrichtungen unserer Stadt zu absolvieren. Wir setzen uns ebenso dafür ein,
dass VerwaltungsmitarbeiterInnen dazu ermutigt werden, praktische Erfahrungen in anderen
Einrichtungen zu sammeln.
Zu einem umfassenden Personalentwicklungskonzept gehört das Thema Gesundheitsmanagement. Auch hier hat Berlin immensen Nachholbedarf. Wir wollen, dass die Dienststellen ihr
Gesundheitsmanagement für die Dauer von zwei bis drei Jahren ausschreiben. Krankenkassen
(gesetzlich, privat oder in Kooperation) oder andere Gesundheitsdienstleister sollen konkret
auf die unterschiedlichen Tätigkeitsprofile zugeschnittene Behandlungen entwickeln. Das
fördert auch den Wettbewerb unter den Krankenkassen in Berlin, so dass dem Land weniger
Ausgaben entstehen.
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