SWR2 Tagesgespräch

SÜDWESTRUNDFUNK
Anstalt des öffentlichen Rechts
Radio  Fernsehen  Internet
PRESSE Information
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an.
Chefredaktion Hörfunk
Zentrale Information
SWR Tagesgespräch
Postadresse 76522 Baden-Baden
Hausadresse Hans-Bredow-Straße
76530 Baden-Baden
Johanna Uekermann (SPD), Juso-Bundesvorsitzende, Telefon
gab heute, 01.07.16, dem Südwestrundfunk ein Interview
zum Thema: Zukunft der Rente.
Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marion Theis.
Telefax
07221/929-23981
07221/929-22050
Internet
www.swr2.de
Datum:
01.07.2016
Mit freundlichen Grüßen
Zentrale Information
Juso-Chefin Uekermann: Rentenmodelle müssen viel flexibler werden
Baden-Baden: Die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann fordert, das Rentenniveau auf
Dauer bei mindestens 50 Prozent zu halten. Das sei eine teure Angelegenheit, aber trotzdem
richtig, sagte Uekermann im SWR (Südwestrundfunk).Dafür könne man einen leicht höheren
Rentenbeitrag in Kauf nehmen oder den Steuerzuschuss anheben.
Die SPD-Politikerin sprach sich insbesondere dafür aus, ein Rentensystem für alle zu schaffen,
in das auch Beamte und Selbständige einzahlten. Das würde die Einnahmebasis der
Rentenversicherung verbreitern, argumentierte Uekermann. Außerdem sei es eine
Gerechtigkeitsfrage. „Warum soll eine Arbeit im Alter mehr wert sein als eine andere?“
Uekermann erwartet für die nächsten Jahre deutlich flexiblere Rentenmodelle, was das Ein- und
Austrittsalter angeht. Bis dahin müsse sich aber die Wirtschaft darauf einstellen, dass manche
Menschen länger arbeiten wollten, und altersgerechte Arbeitsplätze einrichten.
Dass die Rentner von heute in den Genuss der größten Beitragserhöhung seit 23 Jahren
kommen, freut die 28-jährige. „Diese Generation hat das verdient“, so Uekermann wörtlich.
Wortlaut des Live-Gesprächs:
Theis: Ein dicker Zuschlag für die deutschen Rentner. Kann denn eine 28-jährige Frau
wie Sie sich darüber freuen?
Uekermann: Ja, ich freue mich schon, weil, ich kenne natürlich auch ältere Menschen, habe
selber auch Großeltern, und da freut man sich natürlich, wenn es da ein deutliches Plus gibt.
Und ich glaube, die Generation hat es auch verdient. Die Frage ist, können wir über diese
Momentaufnahme hinaus, die jetzt ein deutliches Plus eben ist, können wir über diese
Momentaufnahme hinaus die Zukunft der Rente auch wirklich sichern. Und da fehlen mir noch
einige Schritte.
Theis: Ja, die fehlen mir auch. Was würden Sie denn vorschlagen: Wie können wir die
sichern?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Uekermann: Ich glaube, wir müssen erstmal auch über das Rentenniveau sprechen. Das sinkt
ja kontinuierlich ab. Das bedeutet natürlich insbesondere, dass junge Leute wie ich später
weniger Rente haben und auch unsere Elterngeneration schon. Das heißt, wir brauchen eine
Diskussion, wie wir das Rentenniveau tatsächlich stabilisieren können. Ich bin dafür, dass wir
auf jeden Fall ein Rentenniveau über 50 Prozent haben, weil nur das, glaube ich, eine
Lebensstandard sichernde Rente garantieren kann.
Theis: Im Moment heißt es, wenn wir bis 2030 so weiter machen, wird das Rentenniveau
auf 44 Prozent sinken. Sie sagen, man bräuchte mindestens eines von 50 Prozent. Das
wird den Beitragszahler 52 Milliarden Euro kosten, wenn das so käme. Wo wollen Sie das
Geld hernehmen?
Uekermann: Ganz klar, dass das eine teure Angelegenheit ist. Ich glaube, es ist trotzdem
richtig. Wir haben ja gerade ein System, wo wir zum Beispiel viele Leute haben, die gedacht
haben, sie können auch privat vorsorgen und sich da noch irgendwie das Alter sichern. Das
funktioniert ja nicht, wenn wir die jetzige Riester-Rente einfach anschauen. Das hat nicht
funktioniert. Deswegen müssen wir die gesetzliche Rente stärken, damit die Leute später nicht
in Altersarmut abrutschen. Und damit wir das Rentenniveau sichern können, gibt es aus meiner
Sicht mehrere Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist natürlich, dass auch der Beitragssatz leicht
steigen wird, damit wir einfach ein Polster, eine Reserve aufbauen. Eine weitere Möglichkeit ist,
dass wir auch einen höheren Steuerzuschuss reinstecken in die Rente. Und, was ich langfristig
auf jeden Fall wichtig fände, ist, dass wir grundsätzlich zu einem Wechsel bei der Rente
kommen. Das heißt, dass wir ein Rentensystem für alle schaffen, wo quasi alle einzahlen und
alle später davon profitieren, also auch Beamte, auch Selbständige. So können wir die
Einnahmebasis auch verbreitern. Und ich glaube, dann profitieren auch einfach alle davon.
Theis: Vor allen Dingen Beamte zahlen ja jetzt auch schon und bekommen auch
wiederum Geld vom Staat. Das ist ja nur ein Verschieben der Töpfe. Unter dem Strich
gibt es aber nicht mehr Geld. Glauben Sie, dass das so zu lösen ist?
Uekermann: Ich glaube, die Rente für alle oder die Erwerbstätigenversicherung ist vor allem
auch eine Gerechtigkeitsfrage. Warum sollte die eine Arbeit später im Alter mehr wert sein als
die andere. Deshalb glaube ich, ist das langfristig richtig. Es ist natürlich klar, das braucht eine
gewisse Zeit, das kann man nicht von heute auf morgen machen. Das ist eher ein Projekt über
die nächsten Generationen. Aber langfristig ist es, glaube ich, eines, was einfach die
Einnahmebasis verbreitert, dadurch die Rente auch sicherer und zukunftsfest macht.
Theis: Es wird wahrscheinlich trotzdem nicht reichen, um unter dem Strich bei Null
rauszukommen. Was spricht denn dagegen, dass Menschen, die das möchten, länger
arbeiten, zumal viele von ihnen in der Wirtschaft gebraucht werden?
Uekermann: Aus meiner Sicht spricht da überhaupt nichts dagegen. Wer länger arbeiten kann
und möchte, der soll das auch gerne tun. Es ist ja auch heutzutage schon möglich, dass man
das macht. Und die Bundesregierung hat ja jetzt auch nochmal die Flexi-Rente beschlossen,
die das ebenfalls nochmal erleichtert. Ich glaube, das ist überhaupt gar nicht das Problem,
sondern das Problem sind eigentlich nach wie vor die Leute, die eben nicht länger arbeiten
können oder die einfach keinen Job mehr finden, wenn sie schon älter sind. Um die müssen wir
uns eigentlich kümmern, und das ist unser Problem. Und wenn wir da, wie vielfach
vorgeschlagen wird auch von Konservativen, einfach das Rentenalter immer weiter nach oben
setzen, also das Regelrenteneintrittsalter, dann führt das faktisch zu einer Rentenkürzung bei
denjenigen, die eigentlich am meisten von Altersarmut betroffen sind. Und diese Verschärfung,
die können wir meiner Meinung nach nicht wollen.
Theis: Aber selbst bei denjenigen, die nicht mehr arbeiten können, vielleicht schon bevor
ihr Rentenalter erreicht ist, die können in der Regel zumindest noch ein paar Stunden
arbeiten. Könnte man so eine Kombination aus Rente und Teilzeitarbeit für Rentner, die
fit genug sind, nicht noch mehr zur Verpflichtung machen und dadurch alle mit
einbeziehen?
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
Uekermann: Ich glaube, dass auf jeden Fall in den nächsten Jahren es noch deutlich flexiblere
Modelle geben muss beim Rentenein- und austrittsalter quasi. Dem steht auch gar nichts im
Wege. Aber ich glaube, bis dahin muss sich auch zum Beispiel die Wirtschaft, müssen auch die
Unternehmen sich nochmal echt an die Nase fassen und auch Arbeitsplätze schaffen, die eben
altersgerecht sind, die auch „alternsgerecht“ sind, so dass man das tatsächlich auch
ermöglichen kann, dass Leute länger arbeiten, wenn sie das wollen. Wogegen ich aber strikt
bin, ist, nur das Renteneintrittsalter immer weiter nach oben zu setzen, solange wir eben
erstens nicht garantieren, dass es genügend Jobs gibt, zweitens nicht garantieren, dass die
Leute auch tatsächlich länger arbeiten können. Eine faktische Rentenkürzung möchte ich
einfach nicht. Da haben ja auch die jungen Leute, die jetzt so alt sind wie ich, nichts davon und
sie haben eben auch nichts davon, weil sie selber vielleicht später mal Führungspositionen
haben wollen, und die sind dann natürlich auch blockiert.
- Ende Wortlaut -
Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)