Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft ID-Nummer 6437280268-55 zum Leitfaden zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden („Schimmelleitfaden“) gegenüber dem Umweltbundesamt Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin Postfach 08 02 64, 10002 Berlin Tel.: +49 30 2020-5000 Fax: +49 30 2020-6000 51, rue Montoyer B - 1000 Brüssel Tel.: +32 2 28247-30 Fax: +32 2 28247-39 Ansprechpartner: Christoph Gerwin Sach- und Technische Versicherung, Schadenverhütung, Statistik E-Mail: [email protected] www.gdv.de Inhaltsübersicht 1. 2. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4. 2.5. 2.6. Einleitung Einzelne Kritikpunkte Bezugnahme auf andere Leitfaden-Entwürfe Qualitätsanforderungen an Untersuchungslaboratorien Ausdehnung des Schimmel-Begriffs auf alle Mikroorganismen Desinfektion als Sanierungsmaßnahme Einsatz von Schimmelspürhunden Gesundheitsgefährdung Zusammenfassung Die deutsche Versicherungswirtschaft befürwortet das Vorhaben des Umweltbundesamtes, die bestehenden Schimmelpilzleitfäden des Umweltbundesamtes aus den Jahren 2002 und 2005 durch einen neuen Schimmelleitfaden zu ersetzen. Dadurch besteht die Chance, allen, die mit der Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden befasst sind, eine wertvolle Orientierungshilfe an die Hand zu geben. Der Leitfaden könnte dazu beitragen, bestehende Unklarheiten zu beseitigen und dadurch Konflikte rund um die Behebung von Schimmelschäden in der Praxis zu vermeiden. Der vorgelegte Entwurf ist jedoch in einigen Punkten widersprüchlich, teilweise praxisfern oder zu unklar formuliert. Hier sind Korrekturen und Klarstellungen erforderlich. Insbesondere die pauschale, grundsätzliche Ablehnung der Desinfektion (oder Biozideinsatz) als Sanierungsmethode ist im Schimmelleitfaden nicht hinreichend begründet. In der Praxis kann sie aber eine Verschlechterung der Sanierungsergebnisse bei steigendem Aufwand zur Folge haben. Die Bezugnahme auf bislang nicht in einer Endfassung vorliegende Entwürfe der UBA-„Handlungsempfehlung: Beurteilung von Feuchteschäden in Fußböden“ und des WTA-Merkblatts „Schimmelpilzschäden: Ziele und Kontrolle von Schimmelpilzschadensanierungen in Innenräumen“ von 2015 machen eine abschließende Bewertung der Inhalte und Auswirkungen des Schimmelleitfadens schwierig. Hier wäre unbedingt eine Harmonisierung der Konsultationen und Veröffentlichungstermine vorzunehmen. Seite 2 / 7 1. Einleitung Der Verband begrüßt die Vorlage des neuen UBA-Leitfadens zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden („Schimmelleitfaden“). Der Leitfaden kann eine nützliche Hilfestellung bei der Behebung von Schimmelpilzschäden in der Praxis sein und zur Versachlichung der Diskussion beitragen. Positiv ´hervorzuheben ist, dass der Leitfaden – anders als noch die bisherigen Schimmelpilzleitfäden des UBA den Jahren 2002 und 2005 – das Thema Gesundheitsgefährdung nur noch am Rande behandelt und sich weitgehend auf den Umweltaspekt und die Gebäudehygiene beschränkt. Denn Ausführungen zu medizinischen Risiken können im vorgegebenen Rahmen eines UBALeitfadens nicht befriedigend abgehandelt werden und verursachen allenfalls mehr Unsicherheit bei den von Schimmelpilzschäden Betroffenen. Gleichwohl gibt es eine Reihe von Kritikpunkten, die nachfolgend zusammengefasst sind. Diese werden aber parallel auch detailliert anhand der beigefügten Kommentartabelle von der UBA-Homepage eingereicht. 2. Einzelne Kritikpunkte 2.1. Bezugnahme auf andere Leitfaden-Entwürfe Der Schimmelleitfaden nimmt u. a. Bezug auf die „Handlungsempfehlung zur Beurteilung von Feuchteschäden in Fußböden“ des UBA vom 8. Juli 2013 sowie auf das WTA-Merkblatt „Schimmelpilzschäden: Ziele und Kontrolle von Schimmelpilzsanierungen" (Gelbdruck, 2015). Beide Papiere befinden sich noch in der Diskussion bzw. sind noch nicht offiziell veröffentlicht. Gleichwohl macht sich der Schimmelleitfaden wesentliche Inhalte wie Fragen zum Schimmelbefall in Fußböden und Hohlräumen (Handlungsempfehlung) und zur Messung der Ausgleichsfeuchte von Materialien (WTA-Merkblatt) zu Eigen. Das erscheint problematisch, weil die betreffenden Fragen in Fachkreisen durchaus kontrovers diskutiert werden. Die Positionen des UBA büßen durch diese Verweise an Transparenz ein und sind dadurch schwerer nachvollziehbar. Konflikte in der Sanierungspraxis ließen sich durch klare Aussagen in nur einem Leitfaden eher vermeiden. Zumindest sollten nur geltende Regelwerke in Bezug genommen bzw. die Konsultationsfristen und Veröffentlichungstermine der im Entwurf befindlichen Papiere harmonisiert werden. Seite 3 / 7 In Zusammenhang mit dem Entwurf der „Handlungsempfehlung zur Beurteilung von Feuchteschäden in Fußböden“ wurde bis dato nach unserer Kenntnis noch kein einziger Einwand oder Kommentar beantwortet oder berücksichtigt. Das gilt auch für die Stellungnahme des GDV vom 21. Juli 2014. Umso befremdlicher erscheint uns daher der Verweis auf die Handlungsempfehlung im neuen Leitfaden. 2.2. Qualitätsanforderungen an Untersuchungslaboratorien Gemäß Schimmelleitfaden sollen mit Untersuchungen auf Schimmelpilze in Innenräumen bevorzugt Untersuchungsinstitute beauftragt werden, „die für diese Verfahren gemäß DIN EN ISO 17025 akkreditiert sind (siehe DAkkS Datenbank für akkreditierte Untersuchungsstellen)“. Akkreditiert sind aber nur ganz wenige Untersuchungsinstitute. Und es wird im Leitfaden auch nicht begründet, warum eine Akkreditierung in diesem Zusammenhang erforderlich sein soll. Aufwand und Kosten für die Akkreditierung würden in keinem angemessenen Verhältnis zum – aus unserer Sicht fraglichen – Nutzen stehen. Zu tragen hätte sie letztlich der Auftraggeber der Untersuchungen. Mit der Anforderung der Akkreditierung an Untersuchungsinstitute greift das UBA also ohne zwingenden Grund in den Wettbewerb ein und treibt unnötig die Kosten für die Schimmelpilzbehebung in die Höhe. Zu begrüßen ist der Ansatz, dass die mikrobiologischen Prüflabore hohe und nachvollziehbare Qualitätsstandards aufweisen müssen. Dies kann aber beispielsweise auch durch den Nachweis entsprechender Qualitätsmanagement-Systeme erreicht werden. 2.3. Ausdehnung des Schimmel-Begriffs auf alle Mikroorganismen Der neue Schimmelleitfaden dehnt den Schimmel-Begriff auf „das Wachstum aller Mikroorganismen bei Feuchteschäden“ aus (vgl. Vorbemerkung, Seite 4, Abs. 3). Auch Bakterien, Milben und Protozoen müssten „bei der Bewertung von Feuchteschäden und Schimmelbefall berücksichtigt werden“ (vgl. Kasten Seite 7). Zwar ist gegen die Betrachtung weiterer Mikroorganismen in einem Schimmelleitfaden an sich nichts einzuwenden. Die Darstellung im Leitfaden ist jedoch sehr undifferenziert. Es wäre zu erläutern, in welcher Weise etwa Bakterien die hygienische Situation in Räumen beeinflussen und wann sie tatsächlich relevant sind für die Schadenbehebung. Im Leitfaden wird jedoch an keiner Stelle beschrieben, wie und auf welchen Grundlagen Bakterien, Milben und Protozoen berücksichtigt werden sollen. Seite 4 / 7 In der Praxis könnte die Einbeziehung aller Mikroorganismen durch den Schimmelleitfaden bedeuten, dass selbst dann eine Schimmelsanierung erforderlich sein kann, wenn der Sachverständige vor Ort gar keinen Schimmel findet. Es würde dann genügen, wenn zum Beispiel im stehenden Wasser in der Estrich-Dämmschicht Bakterien (oder Milben bzw. Protozoen) nachgewiesen werden. In der Konsequenz müsste beim Leitungswasserschaden praktisch jede nasse Estrich-Dämmschicht ausgetauscht werden, wenn sie nicht in unrealistisch kurzer Zeit getrocknet wird. Das wäre aber unnötig, praxisfern und kostentreibend. Tatsächlich ändert das Vorhandensein anderer Mikroorganismen in der Praxis nichts an der Vorgehensweise bei der Schimmelpilzsanierung. „Leitorganismen“ sind die Schimmelpilze. Wir halten es daher für zwingend notwendig, sich im Leitfaden ausschließlich auf Schimmelpilze zu beschränken. Der Verweis auf die genannten anderen Mikroorganismen ist zu streichen, zumal im weiteren Verlauf des Leitfadens auch nur noch auf Schimmelpilze eingegangen wird. Konsequenterweise müssten ansonsten für Milben, Protozoen etc. Mess-, Untersuchungs- und Bewertungsverfahren angegeben werden, um Fehlinterpretationen in Bezug auf diese Organismen zu vermeiden. 2.4. Desinfektion als Sanierungsmaßnahme Problematisch sind aus unserer Sicht die sehr pauschal ablehnenden Aussagen des Schimmelleitfadens zur Desinfektion als Sanierungsmaßnahme. Bereits in den Vorbemerkungen auf Seite 5 heißt es: „Sogenannte Desinfektionsmaßnahmen sind bei Schimmelsanierungen in den meisten Fällen nicht sinnvoll und werden in der Praxis viel zu häufig angewendet.“ Ferner auf Seite 116: „Ein Fluten der Bodenkonstruktion mit Bioziden (in der Praxis oft fälschlicherweise Desinfektion genannt) ist keine nachhaltige Sanierungsmaßnahme.“ Weiter wird dort darauf hingewiesen, es gebe „keine Nachweise, dass damit eine anhaltende Abtötung von Schimmelpilzen und Bakterien erreicht werden kann (…)“. In fachlich begründeten Fällen kann eine Desinfektion aber durchaus sinnvoll sein. Auch der Schimmelleitfaden hält eine „Biozidbehandlung“ unter Umständen für akzeptabel (vgl. Abschnitt 6.3, Seite 124). Wenn laut Schimmelleitfaden geringfügige Schäden „durch die Anwendung im Handel erhältlicher alkoholischer Präparate oder handelsüblicher, sich sofort abbauender Reinigungsmittel (bspw. auf Basis von H2O2) entfernt werden“ können, dann kann auch für größere Schäden grundsätzlich nichts anderes gelten. Auch nach dem Schimmelleitfaden ist „an schwer zugänglichen Seite 5 / 7 Oberflächen in Fußboden- oder Deckenkonstruktionen“ eine Biozidbehandlung „im Einzelfall akzeptabel“. Zur Wirksamkeit von Wasserstoffperoxid als Desinfektionsmittel verweisen wir auf folgende Publikationen: • „Use of hydrogen peroxide as a biocide: new consideration of its mechanisms of biocidal action“, eine Studie der Universität Cardiff, veröffentlicht im Journal of Antimicrobial Chemotherapy von April 2012 • „The use of hydrogen peroxide for disinfection and sterilization applications” von Gerald McDonnell, aus dem renommierten Chemiekompendium Patai's Chemistry of Functional Groups, 2014 Zur Anwendung von Desinfektionsmitteln in Innenräumen vergleiche auch den Aufsatz „Quo vadis? Innenraumhygiene - Probleme der „modernen Innenraumhygiene“ bei der Bewertung und Sanierung von Schäden in Innenräumen“ von Dr. Mario Blei, Wohnmedizin Bd. 53 (2015) Nr. 2. Die Dokumente sind als Anlagen beigefügt. Es ist zu bedenken, dass der Schimmelleitfaden in der Praxis nicht immer im Zusammenhang zitiert, gelesen und angewendet werden wird. Durch Pauschalaussagen sind Konflikte zwischen den Beteiligten vorprogrammiert, die ein Schimmelleitfaden eigentlich vermeiden helfen sollte. Der Begriff „Desinfektion“ ist darüber hinaus in der Sanierungspraxis absolut üblich und sollte in einem Leitfaden für die Praxis deshalb auch nicht als falsch oder „sogenannt“ bezeichnet werden. Hilfreicher für die an der Schadenbehebung Beteiligten wäre es, den Begriff Desinfektion – oder den Einsatz von Bioziden – zu definieren und sinnvoll einzugrenzen. 2.5. Einsatz von Schimmelspürhunden Der Einsatz von Schimmelspürhunden wird als Möglichkeit genannt, verdeckten Schimmelbefall zu lokalisieren. Wir erachten es als nicht seriös, auf diese Weise eine bisher nur in Einzelfällen und mit fraglichen Ergebnissen angewandte Methode im Leitfaden offiziell anzuerkennen. Es eröffnet fachfremden „Scharlatanen“ die Möglichkeit, entsprechende Untersuchungen durchzuführen. Unserer Meinung nach entspricht der Hinweis auf den Einsatz von Schimmelspürhunden nicht dem qualitativ hohen Anspruch, den der Leitfaden und die Schimmelpilzuntersuchungen haben sollten. Wir empfehlen, die entsprechenden Hinweise komplett zu streichen. Seite 6 / 7 2.6. Gesundheitsgefährdung Wir begrüßen, dass das UBA versucht, die teilweise sehr emotional geführte Diskussion zum Thema „Gesundheitsgefährdungen durch Schimmelpilze“ zu versachlichen. Ein wichtiger Punkt ist dabei der Hinweis in Abschnitt 5.3, dass Gutachten keine Aussagen über die pauschale gesundheitliche Wirkung der nachgewiesenen Schimmelpilze treffen sollten. Allerdings sollte Kapitel 2 noch überarbeitet werden. Denn in Tabelle 10 auf Seite 31 ist unter „unzureichende Hinweise für einen Zusammenhang“ u. a. das „Auftreten einer Allergie“ genannt. Im Widerspruch dazu werden jedoch auf Seite 33 Allergien als mögliche Reaktion des Körpers auf erhöhte Schimmelpilzkonzentrationen bezeichnet. Durchgängig finden sich hierzu im Leitfaden widersprüchliche Aussagen, die der unbedingt erforderlichen Versachlichung dieses Themas entgegenstehen werden. An anderen Stellen im Text werden die möglichen gesundheitlichen Probleme hervorgehoben, z. B. Abschnitt 1.1.3, Seite 16: „Das folgenschwerste Problem von Schimmelschäden sind die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen auf die Raumnutzer“. In Abschnitt 2.2 wird im Kasten auf Seite 35 festgestellt, dass das „Ausmaß und die Bedeutung reizender…Wirkungen…nicht hinreichend bekannt sind“. In den folgenden Absätzen wird dann jedoch zu den reizenden Wirkungen lange ausgeführt. Berlin, den 28. Juni 2016 Seite 7 / 7
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