Die Wände hoch Mit ihren Ranken, Blättern und Blüten verschönern Kletterpflanzen Häuserfassaden, Mauern und Zäune, nutzen die Vertikale Platz sparend aus und spenden als Laube Schatten. Spalierobst, auf der Südseite des Hauses gepflanzt, verschafft sich den entscheidenden Vegetationsvorsprung – zur genussvollen Freude der Hausbewohner. Text und Fotos: Markus Brupbacher 120 traumhaus 03 I 2010 Aussenraum Kletterpflanzen & Spaliere Ein Geissblatt mit rosa Blüten rankt elegant die Hauswand empor, daneben eine stattliche Kletterhortensie. Die blauviolette Glyzinie stürzt wie ein Wasserfall hinab in die kühle Oase – ein verwunschener, kleiner Innenhof mitten in der Stadt. Die Vielfalt an ein- und mehrjährigen Kletterpflanzen ist schier endlos. Und: Kletterpflanzen und Spalierobst wachsen an vertikalen Flächen und sind so äusserst Platz sparend und daher auch für sehr kleine Gärten oder Innenhöfe geeignet. Solche Pflanzen eröffnen eine zusätzliche Dimension, sorgen für ein besonderes Raumerlebnis. So wirkt eine an der Hauswand blühende Klematis oder Glyzinie wie eine bunte Kaskade, die in eine Schlucht, den Innenhof oder Sitzplatz, stürzt. Hoch hinaus Der Begriff «Spalier» meint nur die Konstruktion aus Holz oder Metall, an der Kletterpflanzen oder Spalierobst wachsen. Das Spalier kann wie ein Zaun freistehen oder an einer Mauer angebracht sein. Umgangssprachlich spricht man auch von Spalieren und meint damit Spalierobst wie Birne, Aprikose, Kirsche, Pfirsich u. a., das an einem Holzlattenrost oder einer Drahtkonstruktion gezielt gezogen wird. Birne und Co. werden am Spalier «flach gehalten», d. h. sie bilden keine Krone aus und sehen aufgrund des geleiteten Wuchses wie ein Kandelaber aus. Da Spalierobst – mit Ausnahme von Weinrebe und Kiwi – nicht klettert, werden die Äste (insbesondere der Jungpflanzen) mit Schnüren oder Drähten am Spalier befestigt. Aus vertikalen Spalieren und horizontalen Elementen wie beispielsweise Bögen entstehen Pergolen, Lauben oder Pavillons, die ein tiefes Raumemp finden sowie angenehm schat tige Oasen schaffen. Spaliere an der Südseite des Hauses schützen Obstbäume, die in exponierten Bereichen des Gartens sonst erfrieren würden, vor Kälte. So sorgen Feigen, Aprikosen, Pfirsiche, Japanische Wollmispel, Kiwi oder gar Kaki für ein paradiesisch-mediterranes Ambiente im eigenen Garten. Auch können Kletterpflanzen unschöne, graue (Lärmschutz-) Wände begrünen oder auf dem Sitzplatz einen Sichtschutz schaffen. Obere Reihe: Gebäudefassaden strahlen schon im Frühjahr Wärme ab, schützen vor Wind und kaltem Wetter und sorgen so für den entscheidenden Vegetationsvorsprung – Pfirsichspalier, Japanische Wollmispel, Aprikosenspalier. Untere Reihe: Blühende Kletterpflanzen, die hoch hinauswollen – Passionsblume, Geissblatt, Kletterrose. Vorabklärungen Bevor man sich eine Kletterpflanze oder einen Spalierobstbaum anschafft, sollten ein paar Dinge abgeklärt werden: Wie gross wird die ausgewachsene Pflanze? Welche Rankhilfe (Höhe, Stabilität) benötigt diese Pflanze entsprechend ihrer Grösse? Ist der gewählte Standort schattig oder besonnt? Ist der Zugang zur ausgewachsenen Pflanze für den Schnitt auch in der Höhe gewährleistet? Solche Vorabklärungen sind wichtig, zumal eine starkwüchsige Kletterpflanze wie die Glyzinie sonst aus dem Ruder läuft, ehe man sich versieht. Kletterhilfen Kletterpflanzen haben verschiedene Methoden entwickelt, um in die Höhe zu wachsen. So besitzen zum Beispiel Kletter rosen und Bougainvillea hakige Stacheln, Wicken Blattranken, Passionsblumen Sprossranken, Wilder Wein Haftscheiben, Klematis rankende Blattstiele, Glyzinien windende Triebe und Efeu und Trompetenblume sogenannte Haftwurzeln. Insbesondere Kletterpflanzen ohne Haftwurzeln oder -scheiben sowie Spalierobst benötigen eine Kletterhilfe. Das Gewicht mehrjähriger Kletterpflanzen wird oft unterschätzt. Eine Kletterrose oder Trompeten blume kann mit den Jahren ein stattliches Gewicht erreichen, das in der Vertikale gehalten werden muss – auch bei Sturm. Ob einzelne Drähte, ein Metallgitter oder ein Holzlattenrost: Die Kletterhilfe sollte stabil montiert sein sowie auf Grösse und Gewicht der ausgewachsenen Pflanze ausgerichtet sein. Je nach Pflanze ist eine regelmäs sige Pflege (Schnitt, Triebe anbinden) nötig, damit die Pflanze in die gewünschte Richtung wächst. Rank- und Kletterhilfen können selber entworfen und traumhaus 03 I 2010 121 Obere Reihe: Die Glyzinie – auch «Blauregen» genannt – ist nicht nur ein Hingucker, sondern sie duftet auch betörend. Spaliere sind aber auch äusserst Platz sparend, wie z. B. Kirschenspaliere. Ein fruchttragender Schattenspender ist beispielsweise ein Birn-Pavillon. Untere Reihe: Wilder Wein – ein Feuerwerk im Herbst! Doch Fenster und Türen sollten frei gehalten werden. Dezente Drähte können als Rank- und Kletterhilfe dienen. Und Vorsicht: Die kräftigen bis armdicken Ranken der Glyzinie können Fensterläden und Rollläden blockieren oder Regenfallrohre zerquetschen. Selbstklimmer – Sorgenkinder? Efeu, Wilder Wein oder Trompetenblume mit ihren Haftscheiben und -wurzeln beschädigen die Hausfassade, heisst es oft. Ist die Oberfläche aber intakt und rissfrei, gibt es kaum Schäden. Wird die Pflanze jedoch nach vielen Jahren entfernt, ist wahrscheinlich ein neuer Anstrich oder Verputz fällig. Ungeeignet sind jedoch Holzoberflächen sowie alte, bereits schadhafte Hausfassaden. Auf alle Fälle im Auge behalten muss man Fensterläden, Dachrinnen, Regenfallrohre und Ziegel, die überwuchert, blockiert, angehoben, verstopft oder zerquetscht werden können. Schädigungen des Hausfundaments durch Bodenwurzeln gibt es nur bei tropischen, sehr wüchsigen Kletterpflanzen. 122 traumhaus 03 I 2010 gebaut oder in Einzelteilen gekauft und montiert werden. So gibt es vorgefertigtes Gitterwerk, Bögen, Pergolen, Lauben oder Klettergerüste – auch in Tierform. Insbesondere junge Kletterpflanzen sollten «erzogen» werden, damit sie in die gewünschte Richtung und einem nicht über den Kopf wachsen. Doch wer die Triebe zu stramm festbindet, der hemmt deren Dickenwachstum. Nährstoffe, Wasser, Sonne Die oft frostfreie, windgeschützte Lage an einer Mauer bekommt Kletterpflanzen und Spalierobst an sich sehr gut, nur: Der Boden nahe der Mauer – und oft unter einem Dachvorsprung – ist aufgrund von Lehm, Kies und Sand in Fundament nähe meist nährstoffarm und infolge Wärmeabstrahlung, Bodenbeschaffenheit und wenig Regen besonders trocken. Werden Kletterpflanzen, meist einjährige oder nicht winterharte, in Kübeln gezogen, ist noch stärker auf die drohende Austrocknung zu achten. Kompost oder Mist im ausgehobenen Pflanzenloch sorgen für die nötigen Nährstoffe. Schnitt Damit besonders starkwüchsige Kletterpflanzen nicht unkontrolliert Hausfassade und Dach überwuchern, gilt es den rechtzeitigen Rückschnitt nicht zu versäumen. Die meisten blühenden Kletterpflanzen tragen Blüten an den vorjährigen Trieben. Wer also die verblühten Triebe gleich abschneidet, damit die nachwachsenden Triebe noch vor dem Winter kräftig wachsen können, der wird im Folgejahr mit einer reichen Blüte beschenkt. Kletterpflanzen hingegen, die an diesjährigen Trieben blühen, schneidet man im Winter zurück. Akzentuierungen Üppig blühende Kletterpflanzen und stattliche Spalierobstbäume verleihen einem Haus Charme und Charakter. Doch moderne Häuser haben, gerade auf der Südseite, oft grosse Fensterfronten und somit dort nur begrenzt Platz. Kletterpflanzen sollten architektonische Details nicht verdecken, sondern akzentuieren – eine Glyzinie als blühender oder eine Weinrebe als fruchttragender «Rahmen» zwischen den Fenstern wirkt gediegen.
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