Agiler Festpreis – oder Change Management par excellence? Wie dieser Widerspruch Ihnen bei der agilen Transition hilft. Agile Vorgehensweisen setzen sich in der Softwareentwicklung immer stärker durch. Flexibilität und frühzeitige Releases bei vagen Anforderungen sind vielleicht die prägnantesten Vorteile. Aber beim Geld hört die Freundschaft auf. Das Risiko, nicht zu wissen, wie viel Budget benötigt wird, möchte kein Management eingehen. Hier setzt der agile Festpreis an und kämpft mit dem Vorurteil des Widerspruchs. Der Begriff Agilität bedeutet „Beweglichkeit“ und enthält somit die Eigenschaft der Änderung. Demgegenüber steht das Wort Festpreis, unter dem eher das Gegenteil verstanden wird. Was passiert also, wenn diese beiden Begriffe zusammengebracht werden? Der Festpreis gibt den Rahmen vor, in dem sich agil bewegt wird. Denn auch wenn Termin, Budget und Leistung am Ende eingehalten wurden, ist das Projekt gescheitert, wenn keiner das Ergebnis braucht oder haben will. Somit wird ein Rahmen geschaffen, der zwar Flexibilität in Bezug auf den Termin und die Leistung gewährleistet, aber gleichzeitig auch Sicherheit beim Budget. Die Grundidee liegt darin, von Story-Points1 über Personentage auf einen Festpreis zu gelangen und ein Kontingent an Story-Points festzulegen. Beim Austausch von Anforderungen ändert sich nichts am Festpreis, solange der Wert eines Story-Points gleich bleibt. Der Faktor Zeit ist allerdings häufig ebenfalls ein kritisches Thema. Wird ein Werkvertrag abgeschlossen, ist dieser zumeist mit einem Liefertermin verbunden. Der Rahmen des agilen Festpreises gestaltet sich dann ebenfalls über die zeitliche Komponente. VORGEHENSWEISE 1. Anforderungen sammeln: Zusammentragen aller bekannten Anforderungen nach gleichem Schema (User Stories) zum Aufbau eines Backlogs. Dieses Backlog verhält sich (später) wie ein unvollständiges und flexibles Pflichtenheft. Unvollständig deshalb, da sich im Laufe der Zeit neue Anforderungen ergeben können. Flexibel, da bestehende aber noch nicht umgesetzte Anforderungen im Laufe der Zeit obsolet werden oder sogar nachträglich noch angepasst werden können. 2. Story-Points (SP) ermitteln: Jede User Story erhält gemäß ihres Funktionsumfangs SP. Dies geschieht mittels agiler Schätzungsmethoden, wie z.B. Planning Poker2 o.ä.. Im Vordergrund steht dabei die Komplexität oder auch die Menge an Funktionen, die mit dieser User Story verbunden sind. Eine gemeinsame Schätzung und gegenseitige Rechtfertigung erhöht die Qualität und die Einigkeit. Die Story Points sind dabei nicht gleichzusetzen mit einer Aufwandsberechnung in Personentagen, sondern spiegelt nur das Verhältnis 1 2 3. 4. 5. der Komplexität verschiedener User Stories zueinander wider. User Stories mit weniger SP benötigen also gemäß der Expertenschätzung voraussichtlich auch geringere Aufwände für eine Umsetzung als vergleichbare. Definition of Done: An diesem Punkt wird zusammen mit dem Kunden festgelegt, wann eine User Story als abgeschlossen oder geliefert gilt. Dazu gehören auch Akzeptanz- und Qualitätskriterien. Umrechnung SP in PT: Beim kritischsten Punkt werden einige User Stories ausgewählt und weiter in kleinere Aufgaben zerlegt. Mit Hilfe der „Definition of Done“ wird eine Expertenschätzung für diese Aufgaben eingeholt, welche dann wiederum einen Aufwand in Personentagen für die geschätzte User Story als Ergebnis hat. Ist dies für mehrere User Stories erfolgt, kann ein Umrechnungsfaktor von Story-Points auf Personentage ermittelt werden. Gesamtaufwand und Festpreis: Mittels des Umrechnungsfaktors lässt sich der Aufwand für das gesamte Backlog errechnen. Dieser kann dann mit einem durchschnittlichen Tagessatz (des de- http://www.ksimons.de/2011/06/story-points-verstandlich-erklart/ http://www.planningpoker.de/ Abb. 1: Festpreis eines Backlogs signierten Entwicklungsteams) multipliziert werden und ergibt den Festpreis. Wichtig dabei ist, dass der so berechnete Festpreis sich auf die Story-Points des Backlogs und nicht auf dessen Inhalt bezieht (siehe Abb. 1). Änderungen von Anforderungen sind jetzt jederzeit möglich, ohne den Preis in die Höhe zu treiben. Hat die neue User Story tatsächlich mehr SP als diejenige, die ersetzt wird, greift am besten ein definierter Change Management Prozess. Die Schätzung von neuen Anforderungen hat zwar im Einvernehmen mit dem Auftragnehmer oder nach objektivierbaren Kalkulations- und Bemessungsverfahren zu erfolgen, aber dabei helfen wir Ihnen auch gerne. EIN KURZES BEISPIEL Die Praxis bestätigt, dass hierbei Festpreis (Teil-)Gewerke über Laufzeiten von mehr als sechs Monaten und einer externen agilen Projektorganisation von ca. 30 FTE keine Hürden darstellen. Im Rahmen eines OmnichannelProjektes und der damit verbundenen Project Partners Management GmbH | Nördliche Münchner Str. 16 | D-82031 Grünwald b. München T: 089/ 447 18 004 | www.project-partners.de Abb. 2: Planungsvariationen Einführung der E-Commerce Plattform „Hybris“ wurden mit Hilfe der Schätzmethode „Planning Poker“ Story-Points für Storys im Backlog ermittelt. Eine Story war dann abgeschlossen, wenn sie genau vier Punkte erfüllt hat: 1. Die festgelegten Akzeptanzkriterien sind erfüllt, 2. die Code-Implementierung ist abgeschlossen, 3. die Dokumentation ist eingearbeitet und 4. Entwicklungs-, sowie Funktionstests seitens des externen Partners sind erfolgt. Danach wurden die Ergebnisse im gemeinsamen Review präsentiert und abgenommen. Im beschriebenen Beispiel wurden Teilgewerke definiert und über die Velocity (Teamgröße) dann der Umfang bestimmt. Für das gesamte Projekt reichten 1,7 Mio Euro aus. Die entscheidendste Erkenntnis war, dass vor allem durch das Austauschen von Anforderungen im Scope-Rahmen und die notwendige Spezifikation der Stories zur angemessenen Zeit während der Umsetzungsphase die not- wendige Flexibilität in großen Projekten gibt. Die Konzentration auf das Aktuelle unterstützt eine effiziente und schlagkräftige Ablauforganisation. So ist es ohne Probleme möglich kurzfristig zu agieren, ganz im Sinne des Stakeholder Managements. OPTIONAL: TERMIN FIXIEREN Wie schon erwähnt ist oft auch ein Liefertermin notwendig, um z. B. Abhängigkeiten gerecht zu werden oder den Wünschen von Kunden nachzukommen. Eine Möglichkeit ist es dabei zwei oder drei Sprints durchzuführen und zu messen, wie viele Story-Points im Durchschnitt pro Sprint abgearbeitet werden können. Daraus wird eine Gesamtdauer für alle restlichen StoryPoints errechnet. Eine mögliche Steigerung der Velocity darf dabei berücksichtigt werden. FAZIT In neuen agilen Partnerschaften im internen und externen Verhältnis empfehlen wir zum Start die Gewerke überschaubar zu halten. Zusätzlich können weitere Qualitätssicherungsmaßnahmen, die über den Anforde- rungen eines klassischen Werkvertrags im Wasserfallmodell liegen, vereinbart werden. Dabei lernen beide Partner voneinander, das schafft Vertrauen, da die Ergebnisse sofort messbar sind. Der agile Festpreis ist ein Kompromiss zwischen Flexibilität und BudgetDeckelung, wenn gewünscht sogar Liefertermin. Dabei schlägt er eine Brücke zwischen agilem und klassischem Projektmanagement. Ob Sie von Sprint zu Sprint die absolute Flexibilität genießen, ein Budget vorgeben oder sogar nur Freiheiten beim Funktionsumfang genehmigen (siehe Abb. 2), egal, wie Sie sich entscheiden: Vom Set-Up über Schätzmethoden und „Definition of Done“, bis hin zum Product Owner unterstützt Sie Project Partners mit Erfahrung und Expertise. Clemens Bedbur GREENPAPERS sind Expertenpapiere von Project Partners in denen wir unsere Erfahrung speziell für IT Entscheider zusammenfassen. Gerne stehen wir auch Ihnen bei ITProjekten mit Rat und Tat zur Seite. www.project-partners.de Project Partners Management GmbH | Nördliche Münchner Str. 16 | D-82031 Grünwald b. München T: 089/ 447 18 004 | www.project-partners.de
© Copyright 2024 ExpyDoc