Predigtvom5.So.n.Tr.,26.06.2016 St.Andreaskirche,Weißenburg LiebeGemeinde, Fußball-Europameisterschaft – überall sehen wir wieder Nationalflaggen und Länder- und Teamsymbole. Die Fans der verschiedenen Teams erkennt man schon von ferne. So wie uns Christen an unserem Symbol, über alle Konfessionsgrenzen hinweg: Das zentrale Symbol unseres Glaubens ist das Kreuz. So selbstverständlich,sonormal,esgehörtzuunserer Kultur. Überall sind Kreuze: auf Berggipfeln,anWanderwegen,inKlassenzimmern,klar auchinKirchen.WirtragensieumdenHals.Wir haben uns an sie gewöhnt, so dass wir nicht mehr wirklich sehen, um was es sich da handelt: Es ist ein Galgen, ein Hinrichtungsinstrumentalso,wiedasFallbeiloderderelektrische Stuhl. Etwas Blutiges ist das Kreuz, es hat zu tunmitVerbrechen,mitStrafe,mitWillkürund Grausamkeit. Es ist Zeichen des Todes, genauer:desvonMenschenverhängtenTodes.Kreuzigung.DaswardieweitverbreiteteTodesstrafederRömer,vorallemSklavenundpolitischen Verbrechern vorbehalten, nicht jedoch für römische Bürger. Kreuze, tausendfach aufgestellt. Warnung und Erinnerungszeichen dafür, dass der römische Kaiser Herr über Leben und Todist.DasistdasSymbolunseresGlaubens. Undwirhabenunssodarangewöhnt,dasswir nichtmehrmerken,wieanstößigundwidersinnig dieses Symbol ist. Wir haben das Kreuz ja auchabgewischt.DaistkeinDreckmehrdran, keinBlut.Wirhabenesblankpoliert,damitwir es ertragen und uns um den Hals hängen können,diesenGalgen.OderwirmachenKunstobjekte daraus, von denen wir uns notfalls leicht distanzierenkönnen. Schonklar:DasKreuzistunserSymbolgeworden, weil der, an den wir glauben, an ein solches genagelt wurde und daran starb. Das ist unsere zentrale christliche Botschaft. Paulus bringt es auf den Punkt (ich lese es gleich im Zusammenhang): Wir verkünden Christus, den gekreuzigtenMessias.DashabenPaulusunddie anderen Apostel tatsächlich getan. Und entweder haben die Leute das verstanden und sindinsStaunengeraten–odersiehabendiese BotschaftfürSchwachsinngehalten.– Graffitis bringen aktuelle Stimmungen in einer Gesellschaft oft auf den Punkt. Das war wohl schon immer so. Auch im alten Rom. Gut, es gab damals keine Spraydosen, aber Archäologen haben in Rom ein Grafito aus dem 2. Jh. entdeckt, das mit irgendeinem scharfen Gegenstand in eine Mauer geritzt worden war. Darauf ist ein Kreuz zu sehen, an dem ein Menschhängt,nurhatdieserMenschdenKopf einesEsels.DavorknieteinSoldatunddaneben wurde in Stein geritzt: „Alexamenos betet seinen Gott an“. Will heißen: „Das ist lächerlich! Was sind das für Idioten, die an einen gekreuzigtenGottglauben?Dasistwirklicheineeinzige Eselei!“ Nüchtern betrachtet – kann man den Grafiti-Kritzler nicht verstehen? Das mit demKreuzistjawirklichnichtleichtzuverstehen!SchonPaulusschreibtjaandieGemeinde inKorinth(1.Kor1,18-25,NGÜ): MitderBotschaftvomKreuzistesnämlichso:In den Augen derer, die verloren gehen, ist sie etwasvölligUnsinniges;fürunsaber,diewirgerettet werden, ist sie ´der Inbegriff von` Gottes Kraft.NichtumsonstheißtesinderSchrift:»Die KlugenwerdeichanihrerKlugheitscheiternlassen; die Weisheit derer, die als weise gelten, werde ich zunichte machen.« Wie steht es denn mitihnen,denKlugen,denGebildeten,denVordenkernunsererWelt?HatGottdieKlugheitdieserWeltnichtalsTorheitentlarvt?Dennobwohl sich seine Weisheit in der ganzen Schöpfung zeigt, hat ihn die Welt mit ihrer Weisheit nicht erkannt.Deshalb hat er beschlossen, eine scheinbar unsinnige Botschaft verkünden zu lassen,umdiezuretten,diedaranglauben.DieJuden wollen Wundersehen, die Griechen fordern kluge Argumente. Wir jedoch verkünden Christus, den gekreuzigten Messias. Für die Juden ist diese Botschaft eine Gotteslästerung(wörtlich: ein Skandal) und für die anderen Völker völliger Unsinn. Für die hingegen, die Gott berufen hat, Juden wie Nichtjuden, erweist sich Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn hinter dem scheinbar so widersinnigen Handeln Gottes steht eine Weisheit, die alle menschliche Weisheit übertrifft; Gottes vermeintliche Ohnmacht stelltallemenschlicheStärkeindenSchatten. Wenn ich das recht verstehe, dann geht es beim Kreuz darum, tiefer zu sehen. Genauer hinzugucken. Sich nicht irritieren zu lassen. Es kommt scheint’s darauf an, von welchem Standpunkt aus man die Botschaft betrachtet, also: von welchen Voraussetzungen man ausgeht.WennmansievomrichtigenStandpunkt aus betrachtet, so Paulus, dann ist die Botschaft vom gekreuzigten Messias so widersinnig nicht. Im Gegenteil: Dann steckt in ihr eine ungeheure Kraft, Gottes Kraft. Dann wird die Ohnmacht Jesu am Kreuz als vermeintliche Ohnmacht erkannt, die eigentlich die größte MachtderWeltistundallemenschlicheStärke in den Schatten stellt. Die scheinbar unsinnige BotschafterweistsichdannalsunsereRettung. Alsosehenwirgenauerhin. Wir verkünden Christus, den gekreuzigten Messias.UmdieseBotschaftgeht.UmdenGekreuzigtengehtes. Für Menschen jüdischen Glaubens, so Paulus, ein unmöglicher Gedanke. Sie erwarteten den verheißenen König, der mit Macht Israel wiederherstellen würde. Er würde Israel von aller Unterdrückung befreien, zur damaligen Zeit vor allem von der Unterdrückung durch die Römer.DanachwürdeereinFriedensreichaufbauen,indemallesneuundwohlgeordnetwäre, bis hinein in die Schöpfung. Der von Gott gesandt Messias wäre ein Mann der Macht, demkeinerwiderstehenkönnte.Folglichistein Messias, der gekreuzigt wird und dann stirbt, geradenichtderversprocheneRetter.Erkann es nicht sein. Der Messias muss leben. „Also,“ das mussten sich die Apostel oft genug anhören, „hört auf, mir irgendetwas von einem gekreuzigten Messias zu erzählen! Das ist ein Skandal! Ihr zerstört unseren Glauben und unsereHoffnung!“ Auf der anderen Seite, die Paulus beschreibt, siehtesauchnichtvielbesseraus.DieGriechen, alsodienicht-jüdischenBevölkerungdesdamaligen römischen Weltreiches, halten die Rede vom Kreuz für Schwachsinn. Für die großen griechischenPhilosophengehörtGottinsReich des Geistes. Alles Körperliche gilt ihnen als minderwertig,weilesvergänglichundsterblich ist.GottaberistperDefinitionunsterblich.Also einGott,derMenschwird?DerkörperlicheGestalt annimmt? Gar ein Gott, der leidet und stirbt?Schwachsinn!„Gottkommtnichtzuuns, wir müssen uns vielmehr auf den Weg zu ihm machen.Daswäreentwürdigend!“ Diesen beiden Betrachtungsweisen stellt Paulus nun zwei ganz andere gegenüber und macht damit deutlich, dass die Vorraussetzungen dieser beiden Betrachtungsweisen nicht richtigsind. (1)ErstenswirddieWeltnichtdadurchanders, dass ein Messias neues Herrschaftssystem etabliert, sondern dadurch, dass er Menschen verändert. Der wahre Feind des Menschen ist wederRom,nochirgendeinanderermächtiger Staat(derwahreFeindistauchnichtEuropa!)– esistderMenschselbst.DerMensch,dersich selbst an die Stelle Gottes setzt. Der Mensch, der meint zu wissen, was gut für ihn und für alle ist. Der Mensch, der sich mit den Mitteln der Macht durchsetzten will, der für vermeintlich höhere Ziel meint, über Leichen gehen zu können. Der Mensch, der niemanden mehr über sich duldet. Das sind wir. Das ist es, was die Bibel Sünde nennt. Und Menschen, die so lebennenntsie„Sünder“. Solange dieses Problem nicht angegangen wird, kann und wird sich nichts Wesentliches ändern. Ein kleiner Blick in die Geschichte bestätigt dies. Wie viele schon versprachen sich von einem politischen Systemwechsel den HimmelaufErden.DochsolangesichdieMenschen nicht verändern, solange das Problem der Sünde nicht angegangen wird, hilft nichts. Genaudasistes,sodieBotschaftderChristen, was Gott im gekreuzigten Jesus von Nazareth getan hat. Er hat das Problem der Sünde, der Rebellion des Menschen gegen Gott gelöst. Wie? Indem er für unsere Schuld bezahlt und sie uns vergeben hat. Das Kreuz war kein Betriebsunfall, kein Versehen, kein tragisches Scheitern.Eswargenaudas,wasJesuswollte. Füruns. Ein seinem großartigen Film „Gran Torino“ erzählt Clint Eastwood die Geschichte des alten griesgrämigen Kriegsveteranen Walter Kowalsky. Er lebt in einem Siedlungsgebiet am RandevonChicagoalleininseinemHaus.Esist einWohngebiet,dassichstarkverändertdurch ZuzugvonAusländern,vorallemausAsien.So ziehtinsNachbarhauseinekoreanischeFamilie ein, die Kowalsky zunächst vollkommen ablehnt.Aberdann,soerzähltderFilmfreundet, ersichmitdemjugendlichenSproßderFamilie, Tao,an,dergerneeinenBeruflernenundsich integrieren will. Das will Taos Cousin unterbinden, indem er ihn versucht zu zwingen, sich seiner Gang anzuschließen, die in dem Viertel ihr Unwesen treibt mit Drogen, Gewalt und Schutzgelderpressungen.AberdieGanghatdie RechnungohneKowalskygemacht.Dernimmt TaounterseineObhutundverteidigtihngegen die Gang, bis förmlich ein Kleinkrieg zwischen KowalskyundderkoreanischenFamilieaufder einen und der Gang auf der anderen Seite herrscht. Eine Spirale der Gewalt kommt in Gang, die in der Vergewaltigung von Taos Schwester gipfelt. Tao sinnt auf Rache. Er fordert Kowalsky auf, sein Waffenarsenal zu öffnen,dannwürdensiedasHausderGangaufsuchenundblutigeRachenehmen. KowalskyabersperrtdenzeterndenTaoinseinenKeller.Erwilldasalleineerledigen.Taound seineFamiliesollenleben.UndamAbendsteht erunbewaffnetvordemHausderGang.Alsdie entdeckt,werdavorderTürsteht,kommensie alle heraus, ihre Feuerwaffen im Anschlag. KowalskyprovoziertdieGang-MitgliedermitWorten, die Stimmung wird immer angespannter. Alle Nachbarn stehen mittlerweile am Fenster. Als Kowalsky seine Hand ins Jacket steckt, um seinFeuerzeugherauszuholen,mitdemersich eineletzteZigaretteansteckenwill,missdeuten die Gangmitglieder diese Geste und eröffnen das Feuer. Kowalsky stirbt im Kugelhagel dort auf der Straße. Kurz darauf ist die Polizei da und nimmt alle Gang-Mitglieder fest wegen Mord an einem Unbewaffneten unter den Augen von vielen Zeugen. Das Ende der Gang. – Kowalsky wählte freiwillig den Tod, damit Tao und seine Familie leben können, in Freiheit, in Sicherheit,ohneFurcht. Dasist,wasJesusgetanhat.Erstarb,damitwir leben.Warumtuterdas?AusLiebe.DieseLiebe verändert alles. Sie verändert mich. Sie steckt michan,lässtmichandersleben. 2. Den Griechen gegenüber macht Paulus klar: Gott ist kein ferner, unnahbarer Gott, sondern er begibt sich mitten hinein in das Leid dieser WeltbiszumTod. Gott hält sich nicht heraus. Er wird Mensch (nebenbei:DasChristentumistdieeinzigeReligion,diedasbehauptet),leidetwiewir,stirbt. AbererhatdasLeidverwandelt.Dasfeiernwir anOstern.DasLeidistnichtdasEnde.Dergekreuzigte Auferstandene ist deshalb heute nochanderSeitederer,dieleidenundruftuns, es ihm in seiner Kraft gleichzutun. Manfred SiebaldhatdasinseinemGebets-Lied„Gekreuzigter“besserinWortegefasst,alsicheskönnte: 1.Siesagenmir,weraufdichschaut,derverliertden BlickfürdieWelt,/fürdieMenscheninihrenLeiden undihrerNot. AlswärstdunichtvollerWunden,nichtgeschlagen undnichtgequält,/undalsrissedieSchuldderWelt dichnichtindenTod. Gekreuzigter,woisteinLeid,dessenSpurichnicht säheindeinemGesicht?/Dochichsehsovielmehr nochandirunddutauchstmirdieWeltineinanderesLicht. 2.IchsahalldiefernenBilder,vollvonKriegenund Tyrannei,/undGemeinheitsahich,undUnrechtvor meinerTür. ImZornballteichdieFäuste,dochichmerkteschon balddabei:Das,wogegenichkämpfte,stecktedoch auchinmir. Gekreuzigter,duträgstdieSpurenandirvonGewalt undvonFolterundSchwert,/dochichsehauchdie LiebeindeinemGesicht,diedenHassunddieBosheit verzehrt. 3.IchsuchtedasLeidderMenschen,undichfandes ummichherum:/IchsahKrankesichkrümmen,Sterbendevonmirgehn. Ichhabegebangtmitihnen,aberirgendwannwarich stumm./Konnteichdenndietrösten,dievordem Todestehn? Gekreuzigter,ichsehandirunsernSchmerzundich ahnevordirunserGrab.Dochichseheauchden,der vomTodauferstandundunsHoffnungundZuversichtgab. 4.Siesagenmir,weraufdichschaut,dermussblind fürdieErdesein,/dochnochnirgendwoanderssah ichdieWeltsoklar. DulässtmichdasElendsehen,undmitdirwagich michhinein,/umzulieben,woohnedichnichtszu hoffenwar. Auferstandener,allesistneuseiddemTag,alsder Todfliehenmusstevordir./Undnungeheichhierin dasLeid,dochichtragdeineLiebeundHoffnungmit mir. „Auferstandener,allesistneuseitdemTag,als derTodfliehenmusstevordir.“LiebeGemeinde, das Kreuz ist nur deshalb Gottes Weisheit undKraft,wennundweilwiresvonOsternher sehen.DergekreuzigteAuferstandeneistnicht nurineinemsymbolischenSinnanderSeiteder Leidenden, er ist es tatsächlich, wirklich. Mittendrin.MitderMachtseinerLiebe,dieinsLebenführt.DurchLeidenundTodhindurch.Wer den Tod besiegt, kann alles ändern. Auch uns, auch mich. Das ist unser Herr. Das ist unsere Botschaft.Werdasentdecktundversteht,der fängt zu staunen an; der findet die Kraft Gottes, die uns fähig macht, hinauszugehen in unsere Welt und wie Christus die Menschen aufzusuchenundihnendasLichtderHoffnungzu bringen. Wir verkünden Christus, den gekreuzigten Messias. Das ist die Botschaft, die die Welt verändert hat und bis heute verändert. Amen. Pfr.FriedemannBüttel
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