Der Jahresbericht 2015 +++ Bevölkerungsschutz ist ... +++ Schutz Kritischer Infrastrukturen +++ vernetzte Information +++ Psychosoziales Krisenmanagement +++ Warnung der Bevölkerung +++ Ausstattung und Übung +++ international +++ Krisenmanagement +++ Förderung des Ehrenamtes +++ akademische Ausbildung +++ und vieles mehr BBK. Gemeinsam handeln. Sicher leben. Der Jahresbericht 2015 Das BBK im Internet Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in den Texten häufig nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen. 2015 im Fokus 122.000 Downloads der NINA-App* 41.780 Views des BBK-YouTube-Kanals 902 im GMLZ* bearbeitete Fachverfahren mit dem Schwerpunkt internationale Gesundheitsvorschriften 105.011 Besuche auf der „Max und Flocke Helferland“Webseite für Kinder 216 9.500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen an der AKNZ* Bewerbungseingänge zum Förderpreis „Helfende Hand 2015“ 359 durchgeführte Seminare und Großveranstaltungen an der AKNZ* * NINA-App = Notfall-Informations- und Nachrichten-App ; GMLZ = Gemeinsames Melde- und Lagezentrum; AKNZ = Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz 16.892 Einsätze der Zivilschutz-Hubschrauber des Bundesministeriums des Innern 4 | JAHRESBERICHT 2015 | INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN Inhalt 02 Zahlen und Fakten 06 Vorwort Dr. Thomas de Maizière 08 Vorwort Christoph Unger Bevölkerungsschutz ist … 10 10 Schutz Kritischer Infrastrukturen 14 14 vernetzte Information 18 18 Psychosoziales Krisenmanagement 22 22 Warnung der Bevölkerung 26 26 Ausstattung und Übung 30 30 international 34 34 Krisenmanagement 38 38 im Fokus des Bundespräsidenten 42 42 Förderung des Ehrenamtes 46 46 akademische Ausbildung 50 Zahlen und Fakten 52 Impressum 53 Checkliste zum Herausnehmen | 5 06 | JAHRESBERICHT 2015 | VORWORT VON DR. THOMAS DE MAIZIÈRE LIEBE LESERINNEN UND LESER, 2015 war ein bewegtes, ein schwieriges Jahr. Dominiert von der weltweiten Migrationsbewegung war es auch für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ein bewegtes Jahr. Vorwort von Dr. Thomas de Maizière, MdB Bundesminister des Innern Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BBK haben sich in der Flüchtlingshilfe engagiert - häufig über ihre eigentlichen Aufgaben hinaus. Für diese Leistung, für den Beitrag jedes Einzelnen von ihnen, bedanke ich mich herzlich. Hervorheben möchte ich zum einen die Angehörigen des BBK, die unter der Leitung des Vizepräsidenten Ralph Tiesler die Koordinierungsstelle Flüchtlingsverteilung des Bundes aufgebaut und betrieben haben. Über Wochen und Monate waren sie in München rund um die Uhr im Einsatz, um den Transfer ankommender Flüchtlinge zu koordinieren. Zum anderen gilt mein besonderer Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BBK, die kurzerhand einen Teil ihrer Akademie für Flüchtlinge zur Verfügung stellten, dort zupackend und warmherzig Flüchtlinge unterbrachten und betreuten. Der Lehrbetrieb an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz konnte trotzdem fortgeführt werden. Mit 359 Veranstaltungen hat das BBK im vergangenen Jahr erneut sein Know-How im Bevölkerungsschutz kompetent an 9.500 Teilnehmer weitergegeben. Das vergangene Jahr war für das BBK aber auch geprägt von seinem Einsatz nach dem schrecklichen Absturz des Germanwings-Flugzeugs in Südfrankreich. Hier war die Koordinierungsstelle Nachsorge, Opferund Angehörigenhilfe des BBK sofort einsatzbereit, half einfühlsam den Angehörigen und unterstützte bei der Vorbereitung des Staatsaktes für die vielen Opfer im Kölner Dom. VORWORT VON DR. THOMAS DE MAIZIÈRE | 07 Und das Jahr 2015 stand für das BBK unter dem Zeichen der Vorarbeiten zur Neukonzeption der Zivilen Verteidigung und Notfallvorsorge des Bundes. Die gegenwärtige Konzeption stammt aus dem Jahr 1995 und ist von der sicherheitspolitischen Entspannung nach Beendigung des Kalten Krieges geprägt. Nun wird das Konzept an die aktuellen Gefährdungen und geänderten Bedrohungslagen angepasst. Schließlich standen 2015 im Fokus des BBK zahlreiche weitere Aufgaben im Bevölkerungsschutz und in der Katastrophenhilfe: • die ergänzende Ausstattung mit Fahrzeugen des Zivilschutzes an die Länder; 129 Spezialfahrzeuge hat der Bund 2015 für die Feuerwehren und Hilfsorganisationen übergeben, • die internationale Ausbildungs- und Ausstattungshilfe als wichtiger Beitrag zur Festigung der Zivilgesellschaft, vor allem in Tunesien und Jordanien, und • der Start der neuen Warn-App des Bundes „NINA“, die standortbezogen vor Gefahren warnt und informiert und damit das bundeseigene Modulare Warnsystem sinnvoll ergänzt. Für die im vergangenen Jahr geleistete Arbeit danke ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BBK ganz herzlich. Ich bin sicher, dass wir für die kommenden Herausforderungen im Bevölkerungsschutz und in der Katastrophenhilfe auch dank der Fähigkeiten des BBK gut gewappnet sind. Ihr Dr. Thomas de Maizière, MdB Bundesminister des Innern 08 | JAHRESBERICHT 2015 | VORWORT VON CHRISTOPH UNGER N ational wie international stand 2015 die Aufnahme vieler Flüchtlinge im Fokus. Diese Aufgabe war zugleich ein Auftrag an die Behörden auf allen staatlichen Ebenen, ihren Beitrag zu leisten. Selbstverständlich war das BBK mit großem Engagement aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv: Innerhalb weniger Tage hat ein Team des GMLZ unter Führung unseres Vizepräsidenten in München einen Stab aufgebaut, der im Auftrag des BMI die Verteilung der Flüchtlinge von Bayern aus in das restliche Bundesgevon Christoph Unger, Präsident des biet organisiert hat. Dies ist unter außerorBundesamtes für Bevölkerungsschutz dentlicher Belastung und trotz – oder gerade und Katastrophenhilfe wegen – der großen politischen Bedeutung und intensiver Begleitung gut gelungen. Hervorheben möchte ich die sehr positive Erfahrung der Zusammenarbeit mit den bayerischen Landesbehörden, der Bundeswehr und anderen Organisationen, Unternehmen und Behörden. Unser Ansatz der „vernetzten Sicherheit“ wurde hier realisiert – insbesondere die Kooperation in der „Zivil-Militärischen Zusammenarbeit“ mit der Bundeswehr, die vor dem Hintergrund einer veränderten Sicherheitslage künftig wichtiger wird. Vorwort Fast zeitgleich zum Aufbau des Stabes in München bat das Land Rheinland-Pfalz um die Errichtung und den Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung an unserer Akademie: Dort sollte eine Flüchtlingsunterkunft für bis zu 300 Personen geschaffen werden. Auch dies haben mit Unterstützung vieler die Mitarbeitenden des BBK geschafft. Die strahlenden Augen der Kinder, die erstmals nach den Wochen des Krieges und der Flucht friedlich spielen konnten, waren Dank genug. Die Erfahrung hat uns vor Augen geführt, wie wichtig ein gut vorbereitetes und eingeübtes Krisenmanagement ist. Gleichzeitig mussten wir erkennen, dass das Aufgabenfeld der Betreuung neu justiert und für die Zukunft wieder mit mehr personellen und materiellen Ressourcen unterlegt werden muss. Bis das BBK Ende 2015 von beiden Aufträgen entbunden wurde, hat es seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Zur Anerkennung haben die Bundeskanzlerin und der Bundesinnenminister Angehörige des BBK und des THW am 18. April 2016 bei einer Veranstaltung in Berlin gewürdigt. Auch ich als Präsident des BBK möchte meinen Dank und meine Anerkennung noch einmal zum Ausdruck bringen. VORWORT VON CHRISTOPH UNGER | 09 Ein weiterer besonderer Erfolg in 2015 war der Ausbau unseres modularen Warnsystems (MoWaS) inklusive der Warn-App „NINA“. Mit NINA können die Menschen in unserem Land bei Gefahren schnell gewarnt und informiert werden. In einer modernen Informationsgesellschaft muss auch der Bevölkerungsschutz eine zeitgerechte, schnelle und angepasste Risiko- und Krisenkommunikation gewährleisten. Das BBK hat lange bei seinen Empfehlungen „Es ist sehr wichtig, dass zur Selbsthilfe und zum Selbstschutz der Bevölkerung die Bürgerinnen und Bürger auf klassische Medien gesetzt, seit 2015 sind auch wissen, wie sie sich selbst schützen Twitter und YouTube im Einsatz. Die Dynamik technischer Entwicklungen eröffnet uns auch bei können. Menschen und Behörden der Kommunikation mit der Bevölkerung neue müssen sich gemeinsam vorbereiten Möglichkeiten. und an einem Strang ziehen – so haben wir schon große Krisen wie die Hochwasser an Elbe und Donau gemeinsam gemeistert.“ Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Weiterhin essenziell für den Bevölkerungsschutz und damit für das BBK ist die Ausstattung des Bundes für die Länder, etwa mit ergänzenden Fahrzeugen. 2015 hat außerdem gezeigt, dass der Bedarf an Ausbildung in Notfallplanung, Krisenmanagement und -kommunikation in Deutschland weiterhin wächst. Lassen Sie mich mit einem kleinen Ausblick schließen: In einigen Fällen sind neue Gefahren eigentlich ganz alte. Unter Federführung des BMI befassen wir uns mit der Überprüfung der Zivilschutz- und Zivilverteidigungsfähigkeit. Zum Beispiel sind lebensnotwendige Einrichtungen mittlerweile größtenteils in privater Hand statt in staatlicher und auch die Bedrohungsformen haben sich verändert, wie u. a. Angriffe aus dem Cyberraum zeigen. Die Fortentwicklung bzw. Anpassung von Planungen, Konzepten oder rechtlichen Grundlagen im Zivilschutz werden die besonderen Herausforderungen des Jahres 2016 und darüber hinaus sein. Wir werden uns dieser neuen, letztlich aber „alten“ und originären Aufgabe stellen! Ihr Christoph Unger Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 10 | JAHRESBERICHT 2015 | SCHUTZ KRITISCHER INFRASTRUKTUREN Infrastrukturen sind heute nicht nur gefährdet durch Naturgefahren, technisches und menschBevölkerungsschutz ist ... liches Versagen oder Angriffe. Je komplexer und vernetzter ein System ist, desto höher ist die Anfälligkeit für Störungen, anders als bei isolierten Infrastrukturen. Im digitalen Zeitalter sind Informations- und Telekommunikationstechnologien zunehmend betroffen – und damit Kritische Infrastrukturen (KRITIS), die diese Technologien nutzen. Ziel des BBK ist es, Betreiber Kritischer Infrastrukturen für ein proaktives Risiko- und wirkungsvolles Krisenmanagement auch im IT-Bereich zu sensibilisieren und sie hierbei zu unterstützen, um die Funktionsfähigkeit und die Verfügbarkeit von Kritischen Infrastrukturen zu erhalten. Schutz Kritischer Infrastrukturen SCHUTZ KRITISCHER INFRASTRUKTUREN | 11 Ein Gedankenexperiment: Zu Hause fällt der Strom aus. Bald wird es dunkel, für die Taschenlampe noch eben Batterien kaufen. Der Geldautomat auf dem Weg zum Supermarkt spuckt kein Geld aus. Auf der Straße ein Hupkonzert, weil an einer KRITISCHE INFRASTRUKTUREN Kreuzung alle Ampeln ausgefallen sind. Im Supermarkt gehen die Türen nicht sind Organisationen oder Einrichauf, das Licht ist aus, gähnende Leere – bei einem längeren Stromausfall tungen mit wichtiger Bedeutung bleiben die Nachlieferungen aus. Vieles im Alltag funktioniert nur, wenn für das staatliche Gemeinwesen, bei die gewohnte Infrastruktur vorhanden ist. Und diese hängt in unserer deren Ausfall oder Beeinträchtigung digitalisierten Welt zunehmend von der Informationstechnologie (IT) ab. nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der Wie wichtig Infrastrukturen sind, merken wir oft erst, wenn sie fehlen. öffentlichen Sicherheit oder andere Aber welche Infrastrukturen sind besonders wichtig, wodurch können sie dramatische Folgen eintreten würden. gestört werden und was sind dann die Folgen? Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen Kritische Infrastrukturen sind Einrichtungen, die für das tägliche Leben notwendige Dienstleistungen zur Verfügung stellen, im Beispiel etwa Stromversorger, Banken, Verkehrsbetriebe und der Lebensmitteleinzelhandel. Sie sind in neun Sektoren eingeteilt (siehe Infografik nächste Seite). CYBER-SICHERHEIT ALS BESONDERE AUFGABE BEIM SCHUTZ VON KRITIS Besonders schutzbedürftig in der digitalen Welt ist die IT dieser KRITIS-Einrichtungen, weil nahezu alle Kritischen Infrastrukturen in unterschiedlichem Maße durch Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gesteuert werden. Eine Störung oder ein schwerwiegender, nicht abzuwehrender Angriff auf IT-Systeme würde somit auch unmittelbare Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit anderer Infrastrukturen, schlimmstenfalls auf die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Dienstleistungen haben. Bild rechts: Im Forschungsprojekt SKRIBTPlus „Schutz kritischer Brücken und Tunnel“ wurde eine Risikoanalyse entwickelt, die allgemeine und IT-Sicherheitsfragen behandelt: „Risikoanalyse Tunnelleitzentrale: Empfehlungen für eine einrichtungsbezogene Risikoanalyse (Praxis im Bevölkerungsschutz, Band 14)“. Daher bildet dieses Thema einen immer größeren Schwerpunkt der Arbeit des BBK beim Schutz Kritischer Infrastrukturen. 2015 wurde ein Meilenstein erreicht: Das IT-Sicherheitsgesetz wurde verabschiedet. DAS NEUE IT-SICHERHEITSGESETZ Im Juli 2015 ist das neue IT-Sicherheitsgesetz in Kraft getreten. Dessen Ziel ist es, IT-Sicherheit in Deutschland auf einem hohen Niveau zu sichern. Wichtig dafür ist ein eng abgestimmtes Vorgehen aller Akteure in Staat, Wirtschaft und Forschung. Das BBK hat von Beginn an intensiv am Gesetzentwurf mitgearbeitet und das Gesetzgebungsvorhaben begleitet. Auch die Verordnung, die auf dem neuen Gesetz basiert, wird seit 2015 mit anderen Stellen zusammen vom BBK erarbeitet. Mit ihr werden erstmals auf Bundesebene Betreiber Kritischer Infrastrukturen identifiziert und auf diese Weise die Adressaten des 12 | JAHRESBERICHT 2015 | SCHUTZ KRITISCHER INFRASTRUKTUREN Gesetzes bestimmt. Das BBK hat seine langjährige Expertise in der Entwicklung einer Identifizierungsmethodik und Ergebnisse von Sektoranalysen in diesen Prozess eingebracht. IT-Störungen, die zu Ausfällen Kritischer Infrastrukturen führen, stellen eine besondere Bedrohung dar – egal ob sie auf technischem oder menschlichem Versagen beruhen oder absichtlich durch einen Angriff hervorgerufen werden. Zur behördenübergreifenden Analyse der aktuellen Bedrohungslage und zur Erhöhung der IT-Sicherheit hat die Bundesregierung 2011 das Cyber-Abwehrzentrum (Cyber-AZ) eingerichtet. SEKTOREN KRITIS ENERGIE Elektrizität, Gas, Mineralöl WASSER Versorgung, Entsorgung ERNÄHRUNG Lebensmittelhandel, Ernährungswirtschaft KULTUR UND MEDIEN Rundfunk, Presse, Kulturgut AM CYBER-AZ BETEILIGTE BEHÖRDEN: INFORMATIONSTECHNIK • • • • • • • • • Telekommunikation, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Bundeskriminalamt (BKA) Bundesnachrichtendienst (BND) Bundespolizei (BPol) Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Bundeswehr (BW) Amt für den militärischen Abschirmdienst (MAD) Zollkriminalamt (ZKA) Informationstechnik FINANZEN Finanzdienstleister, Versicherungen, Banken, Börsen GESUNDHEIT Medizinische Versorgung, Labore, Arznei, Impfstoffe VERKEHR Luftfahrt, Schifffahrt, „Ziel ist es, die operative Zusammenarbeit der relevanten staatlichen Stellen zu optimieren und die Schutzund Abwehrmaßnahmen gegen IT-Vorfälle besser zu koordinieren.“ Dr. Thomas de Maizière, Bundesinnenminister Schiene, Straße, Logistik STAAT, VERWALTUNG Parlament, Regierung, Justiz, Notfall-, Rettungsdienste SCHUTZ KRITISCHER INFRASTRUKTUREN SYNERGIE FÜR DIE IT-SICHERHEIT – DAS NATIONALE CYBER-ABWEHRZENTRUM Die Behörden im Cyber-AZ analysieren über die Ressortgrenzen hinweg wichtige IT-Vorfälle, wobei jede Behörde ihre speziellen Kompetenzen einbringt und alle vom gemeinsamen Wissen profitieren und Synergien nutzen können. Aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Behörden, etwa technische Analysen des BSI, Täterermittlung durch die Polizei, nachrichtendienstliche Bewertungen des BND oder Folgenanalysen durch das BBK, werden Abwehrmaßnahmen entwickelt und Handlungsempfehlungen vorgeschlagen. „Schutz Kritischer Infrastrukturen: Risikoanalyse Krankenhaus-IT“ (Hrsg. BSI), ein Leitfaden entwickelt von BSI, BBK, Senatsverwaltung Berlin, Unfallkrankenhaus Berlin | 13 CYBER-RAUM Virtueller Raum aller auf Datenebene vernetzten IT-Systeme im globalen Maßstab. Dem Cyber-Raum liegt als universelles und öffentlich zugängliches Verbindungs- und Transportnetz das Internet zugrunde, welches durch beliebige andere Datennetze ergänzt und erweitert werden kann. Definition des BMI, Cybersicherheitsstrategie 2011 Das BBK leitet innerhalb des Cyber-AZ den Arbeitskreis KRITIS und bringt hier seine Kompetenzen im Bevölkerungsschutz ein. Dabei werden insbesondere potenzielle Auswirkungen von IT-Problemen auf Kritische Infrastrukturen untersucht und bewertet, beispielsweise welche Folgen ein langanhaltender Stromausfall für die Rettungsleitstellen haben kann, oder wie ein technischer Defekt zu einem Versorgungsengpass führen kann. Damit werden die Erfahrungen des BBK auf dem Gebiet des Schutzes von KRITIS und des Risiko- und Krisenmanagements auch in die Umsetzung des IT-Sicherheitsgesetzes eingebracht. Ein Beispiel für die Vielzahl der Vorfälle, die 2015 vom BBK im Cyber-AZ bearbeitet wurden, waren Netzwerkprobleme bei einem IT-Finanzdienstleister, die zu Störungen und zu Ausfällen von Bankautomaten in mehreren Bundesländern ausgerechnet an einem Freitagmittag führten. Auch eine technische Störung bei der Deutschen Flugsicherung, die im Sommer 2014 zu Verzögerungen und Ausfällen im Flugverkehr geführt hat, war Gegenstand einer Kurzanalyse des BBK. Und nicht zuletzt der „Bundestags-Vorfall 2015“ wurde zum Anlass genommen, auf die steigende Abhängigkeit von der IT hinzuweisen und Maßnahmen zu ihrem Schutz in einem ganzheitlichen Risiko- und Krisenmanagement angemessen zu berücksichtigen, aber auch alternative Systeme und Lösungen bei einem Ausfall der IT im Blick zu haben. 14 | JAHRESBERICHT 2015 | VERNETZTE INFORMATION Bevölkerungsschutz ist ... vernetzte Information 2015 stand für das BBK auch im Zeichen eines Paradigmenwechsels von der EinwegEinwegKommunikation zur Mehrweg-KommuniMehrweg-Kommunikation. Der Dialog über soziale Medien wie Twitter und YouTube verbessert die Vernetzung aller Akteure im BevölBevölkerungsschutz. Das BBK bietet auf seinen Kanälen neben dem Service für die breite Bevölkerung viele Informationen für Fachleute und Journalisten. VERNETZTE INFORMATION | 15 Bild links: Startschuss für das BBK auf Twitter Bild rechts: Was gehört in den Notvorrat und wofür brauche ich den? Der Ratgeber „Katastrophenalarm“ mit Checkliste wird regelmäßig getwittert. BEVÖLKERUNGSSCHUTZ-GEZWITSCHER Am Montag, dem 2. Februar 2015, um 9:08 Uhr setzte das BBK seinen ersten Tweet ab. 24 Stunden später folgten schon 1000 Personen dem BBK-Account, um regelmäßige Informationen über die vielfältigen Themen im Bevölkerungsschutz, zu Veranstaltungen und Presseterminen des BBK und Sicherheitstipps für den Alltag über Twitter zu empfangen. Seitdem kommen täglich etwa 10 Follower dazu, bis zum 31. Dezember 2015 waren es 4187. Für eine Behörde, die konzeptionell und organisatorisch andere Anforderungen an einen solchen Social-Media-Start stellen muss als private Nutzer oder die freie Wirtschaft, gleicht das einem Paukenschlag. Ziel der Twitter-Nutzung für das BBK war und ist, einen Einblick in den Bevölkerungsschutz zu geben und gleichzeitig den Dialog zu ermöglichen. Zwei Gruppen erreicht das BBK dabei besonders gut über Twitter: Zum einen kommen die Follower des BBK aus der „Fach-Community“, sind also Angehörige der Feuerwehren, von Hilfsorganisationen und Partnerbehörden. Zum anderen nutzen inzwischen auch viele Journalisten und Medien das Twitter-Angebot des BBK. Für diese Gruppe sind vor allem die Tweets zu Fachthemen relevant, Informationen vor und von Veranstaltungen, Einladungen zu „Unsere Strategie hat sich Presseterminen, weiterführende Lesetipps, etwa zu Artikeln bewährt. Der Twitter-Account aus dem BBK-Magazin „Bevölkerungsschutz“, und die klasund auch der YouTube-Kanal sischen Servicethemen: Wie verhalte ich mich bei Katastrophen? Und wie kann ich vorsorgen? funktionieren seit dem Start gut und leben von der Community. Wir können unsere Themen aktiv kommunizieren und auf Fragen direkt antworten – und bekommen auch offline viel positives Feedback.“ Katja Evertz, Social-Media-Referentin BBK Diese Themen interessieren auch die breite Bevölkerung, die nicht unbedingt fachlich eingebunden ist. Ihr bietet der BBK-Twitter-Account Tweets mit Servicecharakter, Tipps zum richtigen Verhalten in gefährlichen Situationen, Selbstschutz, Notvorrat und allgemeine Informationen. Die Bilanz nach einem Jahr Twitter ist sehr positiv. Der große Vorteil dieses Mediums, auch für Behörden, ist die Möglichkeit, Feedback von den Nutzern zu bekommen und nahezu in Echtzeit 16 | JAHRESBERICHT 2015 | VERNETZTE INFORMATION „Ich freue mich sehr, dass die Links auf die Filme, die ich mit dem BBK produziert habe, so oft auf YouTube angesehen, gepostet und auf Twitter geteilt werden. Früher nannte man es Mundpropaganda. Die effektivste Art, Informationen zu verbreiten, die auch heute noch besser funktioniert als teure Werbekampagnen. Heute findet das verstärkt im Netz statt. Der Empfehlung eines Freundes folgt man ja lieber als einer Empfehlung aus der Zeitung.“ Christoph Biemann, Autor, Regisseur und Moderator Im BBK-YouTube-Kanal gibt es Verhaltenstipps zum richtigen Verhalten bei Gefahren. Alle Videos mit Christoph Biemann für Kinder gibt es auch in Gebärdensprache. zu kommunizieren. Die aktive Betreuungszeit des Accounts ist den realen Servicezeiten im BBK angepasst, aber bei Fragen und natürlich im Krisenfall reagiert das Social-Media-Team jederzeit. VIDEOS AUF YOUTUBE Seit dem Sommer 2015 nutzt das BBK auch YouTube regelmäßig, um Informationsvideos zu veröffentlichen. Neben dem Vorteil, dass YouTube als zweitgrößte Suchmaschine für Internetnutzer enorm wichtig ist, können Nutzer die Videos auch einfach auf anderen Plattformen teilen und verbreiten. Im Laufe des Jahres veröffentlichte das BBK mit insgesamt neun informativen Videos zum baulichen Bevölkerungsschutz die Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt. Diese erzeugten auch große Aufmerksamkeit in der Presse. Die alltagsnahen Tipps, wie jeder sein Heim vor verschiedenen Gefahren schützen kann, etwa Eisregen, Hagel oder Gewitter, kamen in der breiten Bevölkerung sehr gut an. Außerdem wurden drei Videos darüber veröffentlicht, wie sich Bürger bei Stromausfall und CBRN-Gefahren (chemisch, biologisch, radiologisch, nuklear) verhalten sollen, sowie über die Möglichkeiten zur Notstromversorgung zu Hause. In einem vom BBK selbst produzierten Video begleitet das Kamerateam die Jungs der Jugendfeuerwehr Bonn-Endenich und zeigt, wie Trinkwassernotbrunnen im Notfall die deutsche Bevölkerung mit Wasser versorgen. Dabei wird auch deutlich, wie wichtig frühes Verantwortungsbewusstsein und Engagement im Bevölkerungsschutz ist. Die insgesamt 20 Videos des BBK auf YouTube wurden bis Ende 2015 insgesamt über 40.000-mal angesehen – eine Erfolgsgeschichte bereits nach wenigen Monaten aktiver Nutzung. BEVÖLKERUNGSSCHUTZ FÜR DIE KLEINEN MIT MAX UND FLOCKE Videos haben den Vorteil, dass sie komplexe Zusammenhänge verständlich erklären können. Sie vermitteln lebhafte Eindrücke, die sich der Zuschauer leichter merken kann als Text. Das funktioniert nicht nur bei Erwachsenen, sondern besonders gut bei Kindern. Das BBK bietet für Kinder das Angebot „Max und Flocke Helferland“ und betreibt dazu eine zertifizierte Seite für Kinder. VERNETZTE INFORMATION | 17 Bild links: Social Media bedeutet crossmediales Denken. Die Verbindung von Twitter und YouTube vergrößert die Reichweite der Informationen. Bild rechts: Was macht das BBK eigentlich? Mit der Twitter-Reihe „Bevölkerungsschutz ist …“ werden die vielfältigen Aufgaben und Expertisen des BBK vorgestellt. Kinder können dort mit dem Hund Flocke und seinem Herrchen Max wichtige Verhaltensregeln zu den Themen Brandschutz, Erste Hilfe, Notruf, Gesundheit und Selbsthilfe erlernen und erhalten Informationen über Rettungsdienst, Feuerwehr und das Ehrenamt. Vor allem soll ihnen die Angst vor Notfällen und Katastrophen genommen und ihre Selbsthilfefähigkeit gestärkt werden. Das „Helferland“ mit Max und Flocke ist für Kinder von 7-12 Jahren Über 100.000 Klicks hatte „Max und Flocke Helferland“ in 2015 von etwa 40.000 unterschiedlichen Besuchern. Damit war die Website noch stärker besucht als in den Vorjahren. Einen wichtigen Teil dazu beigetragen hat sicherlich Christoph Biemann, bekannt aus der „Sendung mit der Maus“. Drei Filme hat das BBK mit ihm gemeinsam produziert und dann auf dem YouTube-Kanal und im Helferland veröffentlicht. Darin wird den Kindern altersgerecht erklärt, wie sie sich auf einen Notfall, etwa einen Stromausfall, vorbereiten können oder wie sie sich bei Gewitter richtig verhalten. Die Videos werden von einem Gebärdendolmetscher für Gehörlose übersetzt – ein Angebot, das in Zukunft in allen Videos des BBK eingesetzt werden wird. @BBK_BUND <3 COMMUNITY Ein wichtiges Ziel und zugleich auch ein Grund für den Erfolg von Social Media ist die Vernetzung vieler Akteure. Das BBK bedankt sich an dieser Stelle bei allen Nutzern und Partnern, die geholfen haben, die Twitter- und YouTube-Aktivitäten des BBK nicht nur zu etablieren, sondern zum Erfolg zu führen, insbesondere bei den Feuerwehren, den Hilfsorganisationen und unseren Followern und Abonnenten. FOLGEN SIE UNS! @BBK_BUND Das BBK und Social Media: Seminare und Kongresse an der AKNZ, Finanzierung von Forschungsprojekten (INSIGHT, VASA, SMARTER) , Arbeitsgruppe Bund und Länder zur Entwicklung von Rahmenempfehlungen „Einsatz sozialer Medien im Bevölkerungsschutz“ 18 | JAHRESBERICHT 2015 | PSYCHOSOZIALES KRISENMANAGEMENT Wenn Deutsche im Ausland Opfer eines schweren Unglücks werden und sie oder ihre Angehörigen Unterstützung brauchen, hilft ihnen die Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH) des BBK. 2015 betreute das NOAH-Team vor allem Angehörige der Opfer des Germanwings-Unglücks. NOAH knüpft bei jedem Einsatz ein engmaschiges Betreuungsnetzwerk, das zwischen In- und Ausland, verschiedenen Disziplinen und unterschiedlichen Organisationen verbindet und akute, mittel- und langfristige Hilfe bietet. Bevölkerungsschutz ist ... Psychosoziales Krisenmanagement PSYCHOSOZIALES KRISENMANAGEMENT | 19 NOAH VERBINDET BETREUUNG IM IN- UND AUSLAND Bild rechts: In der NOAHKoordinierungsstelle werden Notfallopfer beraten und auch bei rechtlichen Fragen unterstützt Wenn eine Reise eines Bundesbürgers ins Ausland durch einen schweren Unglücksfall, etwa eine Naturkatastrophe oder einen Terroranschlag, tragisch endet, sind deutsche Botschaften und Konsulate im Ausland die ersten Ansprechpartner für Betroffene vor Ort. Sie leiten psychosoziale Betreuung ein und leisten ersten administrativen Beistand. Wenn die Betroffenen dann nach Deutschland heimkehren, brauchen viele in den ersten Stunden und Tagen, manche auch über einen längeren Zeitraum, psychosoziale oder organisatorische Unterstützung und Beratung. Aber auch ihre Angehörigen im Inland benötigen Hilfe, wenn sie vom Unglück erfahren, die Betroffenen verletzt zurückkehren oder ihnen mitgeteilt werden muss, dass ein nahestehender Mensch im Ausland ums Leben gekommen ist. Die Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH) im BBK übernimmt die psychosozialen und administrativen Betreuungsaufgaben an der Nahtstelle zwischen Ausland und Inland und dann im Inland. Dafür ist es wichtig, dass der Informationsfluss in Betreuungsfragen zwischen allen beteiligten Institutionen im Ausland und den zuständigen Stellen im Bundesgebiet gut funktioniert. NOAH VERBINDET DISZIPLINEN Betroffene können sich mit ihren Fragen 24 Stunden täglich an die NOAHHotline wenden Die zurückgekehrten Notfallopfer oder ihre Angehörigen befinden sich emotional in einem Ausnahmezustand. Die meisten brauchen geschulte Akuthelfer wie Notfallseelsorger oder Kriseninterventionsdienstmitarbeiter, die zu ihnen nach Hause kommen, Zeit für sie haben, und ihnen helfen, sich zu orientieren. Viele andere, sehr unterschiedliche Hilfestellungen folgen in den Tagen und Wochen danach durch Beratungsdienste, Bestattungsunternehmen, Opferberatungsstellen, Polizeien, Trauma-Ambulanzen, Kliniken, Anwälte, Behörden und viele weitere. Die Bedarfssituationen der Betroffenen sind individuell sehr verschieden und verändern sich im Laufe der Zeit. Die Koordinierungsstelle NOAH stellt über ihre immer geschaltete 24-Stunden-Hotline sowohl in der Akutsituation als auch später Kontakt zur passenden Unterstützung her. NOAH stützt sich dabei auf ihr engmaschiges, interdisziplinäres Netzwerk im gesamten Bundesgebiet und auf die verschiedenen Kompetenzen im elfköpfigen NOAH-Team, das sich aus erfahrenen Fachkräften der Psychologie, Sozialwissenschaften, Trauerbegleitung, Sozialarbeit, Verwaltungswissenschaft und Theologie zusammensetzt. 20 | JAHRESBERICHT 2015 | PSYCHOSOZIALES KRISENMANAGEMENT Damit die Koordinierungsstelle NOAH ihre Aufgaben erfüllen kann, ist nicht nur ein multiprofessionelles Betreuungsnetzwerk verschiedener Disziplinen notwendig, sondern auch die Verknüpfung aller Kooperationspartner auf administrativer Ebene. Für die Betroffenen von Unglücken im Ausland bedeuten etwa die Identifizierung und Rückführung der Opfer eine enorme Belastung. Daher unterstützt NOAH sie neben der psychologischen Betreuung bei der nüchternen Kommunikation mit Bundes- und Landesbehörden, Versicherern, Reiseveranstaltern, Flughäfen oder Reedereien. Häufig wird bei Todesopfern im Ausland die Identifizierungskommission (IDKO) des Bundeskriminalamtes tätig. NOAH stellt einen schnellen Informationsaustausch und abgestimmtes behördliches Handeln sicher, was für die Betroffenen eine wichtige Orientierung in einer schwierigen Zeit des Chaos KOOPERATIONSPARTNER und der Verunsicherung Mit ihrem interdisziplinären Netzwerk kann NOAH bedeutet. im gesamten Bundesgebiet Kontakte herstellen. PSYCHOSOZIALES KRISENMANAGEMENT | 21 GERMANWINGSUNGLÜCK Trauer verarbeitet jeder anders. Vielen Menschen hilft ein Ort des Gedenkens – wie hier die Gedenkstelle für die Opfer des Germanwings-Unglücks. 2015 koordinierte das NOAH-Team neben vielen anderen Einsätzen Hilfe für Angehörige des Germanwings-Unglücks. Als am 26. März 2015 die ersten Meldungen über das Auswärtige Amt und das GMLZ (Gemeinsames Meldeund Lagezentrum von Bund und Ländern im BBK) das NOAH-Team erreichten, wurden die vorbereiteten Krisenmechanismen hochgefahren. Zunächst mussten mehr Informationen zum Unglück recherchiert werden. Kontaktiert wurden dazu als Erstes die verschiedenen behördlichen Kooperationspartner wie das Auswärtige Amt, das Bundeskriminalamt, die Lagezentren der Bundesländer und die Landeszentralstellen der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV), die Partner der Kirchen und Hilfsorganisationen, das betroffene Unternehmen Germanwings/Lufthansa und der ursprüngliche Ankunftsflughafen. In der Folgezeit war NOAH mit allen diesen Partnern und weiteren im kontinuierlichen Austausch, um sich in Betreuungsfragen abzustimmen. Sobald klar war, woher die deutschen Opfer stammten, stellte NOAH eine Übersicht der wohnortnahen Hilfsangebote zusammen und vermittelte den betroffenen Angehörigen Akuthilfen. Auf Anfrage des französischen Zivilschutzes aktivierte NOAH sofort ein speziell auf Auslandseinsätze geschultes und erfahrenes Kriseninterventionsteam (KIT) des Arbeiter-Samariter-Bundes München, das im Auftrag des BBK sofort in die französischen Alpen flog, um die dort anreisenden Angehörigen zu betreuen und die deutsche Botschaft vor Ort zu unterstützen. 14 Tage blieb das KIT vor Ort, wobei die jeweiligen Mitglieder nach spätestens drei Tagen ausgewechselt wurden, da die Belastung auch für die Helfer bei solchen Betreuungsaufgaben extrem hoch ist. Eine weitere wichtige Aufgabe der Koordinierungsstelle NOAH im Germanwings-Einsatz war die Beratung bei der Vorbereitung des Staatsaktes im Kölner Dom gut drei Wochen nach dem Absturz. Für die meisten Betroffenen ist es sehr wichtig, dass ihre Trauer öffentlich wahrgenommen wird. Allerdings möchten sie bei einer öffentlichen Gedenkfeier nicht zu Statisten der politischen Amtsträger werden. Vielmehr haben sie eigene Vorstellungen und Wünsche zum Ablauf. Diese Anliegen vertritt NOAH in Kooperation mit den Kirchen und im Austausch mit den involvierten Behörden. Zusätzlich bereitete NOAH politische Amtsträger auf die Begegnung mit den Betroffenen vor. Der akute NOAH-Einsatz ist zwar inzwischen beendet. Doch sind bestimmte Tage für die Betroffenen besonders sensibel und stellen für sie eine große emotionale Herausforderung dar, wie z.B. Geburtstage, Weihnachten, Neujahr, Hochzeitstage oder der 1. Jahrestag des Unglücks. An NOAH können sich die Betroffenen daher auch weiterhin jederzeit wenden. 22 | JAHRESBERICHT 2015 | WARNUNG DER BEVÖLKERUNG Bevölkerungsschutz ist ... Mit der Notfall-Informations- und Nachrichten-App NINA hat das BBK die erste App zur Warnung der Bevölkerung für ganz Deutschland geschaffen. Am 9. Juni 2015 gab der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder auf der Messe INTERSCHUTZ den Startschuss für die Warn-App des Bundes. NINA warnt auf dem Smartphone standortbezogen vor Gefahren und gibt direkt zusätzliche Information zum richtigen Verhalten. Außerdem weckt sie auf Wunsch sogar nachts, wenn Radio und Fernsehen nicht angeschaltet sind. Warnung der Bevölkerung WARNUNG DER BEVÖLKERUNG | 23 NINA – DIE SIRENE IN DER TASCHE Nach Ende des Kalten Krieges wurde das Sirenennetz des Bundes abgebaut und teilweise an die Kommunen übergeben. Diese nutzen die Sirenen teils bis heute, meistens zur Alarmierung von Einsatzkräften. Außerdem gibt es weiterhin regional gefährliche Situationen, in denen die Bürger schnell gewarnt werden müssen, etwa Gewitter, Hochwasser, Havarien in technischen Anlagen oder Bombenentschärfungen. Bund und Länder einigten sich damals darauf, bei Großschadenslagen, Katastrophen und im Verteidigungsfall den Rundfunk als Hauptwarnmittel einzusetzen. Das hat den Vorteil, nicht nur Gefahren ankündigen, sondern auch Verhaltensregeln an die Bevölkerung weitergeben zu können. Aber weder Radio noch Fernsehen oder das Internet wecken nachts aus dem Schlaf. Welches Medium ist also immer zur Hand und ansteuerbar für Warnungen? Das Smartphone. DIE TECHNISCHE GRUNDLAGE: MOWAS BBK-Präsident Unger stellt auf der INTERSCHUTZ die App NINA vor Im Hinblick auf den fehlenden Weckeffekt entwickelte das BBK für Bund und Länder das Modulare Warnsystem (MoWaS), das seit 2013 in Betrieb ist. MoWaS kann als einheitliches System zusätzlich von angeschlossenen Leitstellen ohne Umwege angesteuert werden. Dadurch wird erreicht, dass ein im Bevölkerungsschutz Verantwortlicher mit einer Handlung die Warnung gleichzeitig an Radio, Fernsehen, Internetprovider, Paging-Dienste und die Deutsche Bahn AG senden kann. Das BBK stellt mit NINA nun zusätzlich die technische Infrastruktur für eine weitere Warnmöglichkeit zur Verfügung Diese erscheint nach der Eingabe sofort als Push-Nachricht mit Alarmton auf dem Smartphone. NINA ist – auf MoWaS basierend – nun ein zusätzlicher Kanal, der direkt jeden Bürger auf seinem Smartphone warnt und wichtige Verhaltenstipps gibt. WAS KANN NINA? Jeder Nutzer kann die App nach seinen Wünschen und Gewohnheiten personalisiert einrichten und so nur die Warnungen erhalten, die für ihn relevant sind. Zum einen warnt NINA auf Wunsch standortbezogen vor Gefahren in dem Bereich, in dem der Nutzer sich aufhält. Zusätzlich können Orte abonniert werden. So werden auch Warnungen und Informationen für diese Regionen als Push-Nachricht angezeigt, etwa die Wohnorte von Familie und Freunden. Die Warnungen in der App sind in drei Kategorien eingeteilt: Amtliche Warnmeldungen und Gefahreninformationen Bild rechts: Gerrit Möws, Leiter des Referats Warnung der Bevölkerung im BBK, zeigt dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Ole Schröder wie er eine Warnung auslösen kann Informationen und Warnungen der für den Zivil- und Katastrophenschutz zuständigen amtlichen Stellen (Innenministerien von Bund und Ländern, Untere Katastrophenschutzbehörden, Lagezentren, Leitstellen), z.B. Großbrand, Bombenentschärfung, Havarie technischer Anlagen, Evakuierungen. 24 | JAHRESBERICHT 2015 | WARNUNG DER BEVÖLKERUNG Wetterwarnungen Vom Deutschen Wetterdienst (DWD), z.B. Gewitter, Sturm, Extremwetter Hochwasserwarnberichte Aus den Hochwasserzentralen der Länder Für jede Kategorie können die Push-Nachrichten einzeln aktiviert und unterschiedliche Warntöne eingestellt werden. NINA löst dann – abhängig von den individuellen Einstellungen – einen Alarm aus, um auf eingehende Warnungen aufmerksam zu machen. Ereignisbezogene Verhaltenshinweise und allgemeine Notfalltipps helfen dann dabei, sich auf mögliche Gefahren vorzubereiten. So kann jeder Bürger sich und andere besser schützen. Über MoWaS (Bildschirm linke Seite) kann eine Warnmeldung an die NINA-App (Bildschirm rechte Seite) gesendet werden Die Kartenansicht funktioniert genauso wie andere Kartenanwendungen. Auch dort kann ausgewählt werden, welche der drei Kategorien angezeigt werden soll. ALLE WARNUNGEN ENTHALTEN FOLGENDE INHALTE: • • • • • • den Zeitpunkt der Warnung bzw. der letzten Aktualisierung den betroffenen Bereich den Inhalt der Warnung: Wovor wird gewarnt? eine Handlungsanweisung mit Verhaltenshinweisen der herausgebenden Behörde bzw. Leitstelle Hinweise, wo weitere Informationen abgerufen werden können Behörde oder Leitstelle, die die Warnmeldung herausgegeben hat Über die Teilen-Funktion kann eine Warnung oder Information über verschiedene auf dem Smartphone verfügbare Kanäle geteilt werden, z. B. per E-Mail, SMS oder über Social Media wie Facebook und Twitter. NINA 2.0 Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder startete im Juni 2015 auf der INTERSCHUTZ die Warn-App NINA. Parallel zur komplexen technischen Entwicklung hat das BBK Ideen für einen passenden Namen der App aus der Bevölkerung gesucht. Das Interesse war groß, über 700 Vorschläge gingen ein. Eine Experten-Jury traf die Vorauswahl, in einer zweiten Runde konnten die Leser der BBK-Website für ihren Favoriten abstimmen. Die Wahl fiel auf den Namen NINA, kurz für Notfall-Informations- und Nachrichten-App. Der Gewinner, Peter Krämer, gewann als Preis einen Notvorrat, mit dem er seine Bild links: Am 28. August 2015 löste die Feuerwehr Düsseldorf zum ersten Mal eine Warnmeldung wegen einer Bombenentschärfung aus WARNUNG DER BEVÖLKERUNG | 25 Der Namensgeber der NINA-App, Peter Krämer, kauft mit Unterstützung des „Ratgebers für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ einen Notfallvorrat ein Familie im Notfall zwei Wochen lang versorgen könnte. Der gemeinsame Einkauf wurde vom WDR begleitet. Unter Berücksichtigung der Wünsche vieler Nutzer wurde die App zu NINA 2.0 weiterentwickelt. In der neuen Version sind für beide Betriebssysteme standortbezogene Warnungen möglich. Für Android: Für Apple: Ende 2015 hatte NINA 125.000 aktive Nutzer, das heißt, diese Personen erhalten Warnungen und Informationen, weil sie die Push-Nachrichten aktiviert haben. Die Nutzerzahl steigt weiterhin, besonders nach den Updates. Das wichtigste Update auf NINA 2.0 fand im Frühjahr 2016 statt, dabei wurden die zwei hybriden Versionen der App, jeweils für iOs und Android, zu nativen Apps weiterentwickelt. Erheblichen technischen Aufwand bedeutete bei der Weiterentwicklung, dass jeder gleichzeitig Orte abonnieren und sich standortbezogen warnen lassen kann. NINA wird, angeregt durch das Feedback der Nutzer, kontinuierlich verbessert. Die App ist nun beispielweise barrierearm, weil sie durch verschiedene Verbesserungen für Screenreader (App, die Bildschirmtext vorliest) optimiert wurde, wodurch Menschen mit Sehbehinderung NINA 2.0 einfacher nutzen können. 26 | JAHRESBERICHT 2015 | AUSSTATTUNG UND ÜBUNG Bevölkerungsschutz ist ... Ausstattung und Übung Der Bund stattet die Länder mit Fahrzeugen für den Zivilschutz aus. 2015 hat das BBK 129 spezielle Fahrzeuge an die Feuerwehren und Hilfsorganisationen der Länder übergeben. Ein Teil der Ausstattung wurde auf der Messe INTERSCHUTZ dem Fachpublikum präsentiert. Auf Übungen wie der ATFEX 2015 lernen Fachkräfte Fahrzeuge, Material und Einsatztaktik besser kennen. Bei der Fahrzeugübergabe in Stuttgart wurden insgesamt 46 Fahrzeuge übergeben AUSSTATTUNG UND ÜBUNG | 27 2007 vereinbarten Bund und Länder ein gemeinsames Ausstattungskonzept. Danach stattet das BBK die Länder mit Fahrzeugen aus. Diese Fahrzeuge sind Spezialanfertigungen für den ergänzenden Katastrophenschutz, die aber gleichzeitig von Feuerwehren und Hilfsorganisationen im täglichen Betrieb benutzt werden. So stellt der Bund sicher, dass im Zivilschutzfall die verschiedenen Einsatzfahrzeuge funktionieren und die Einsatzkräfte den Umgang damit gewohnt sind. Ein neues LF-KatS im Bestückungslager Dransdorf Die jeweilige Ausrüstung und die Fahrzeuge, die damit ausgestattet werden, werden vom BBK getrennt beschafft, den Ländern zugewiesen, im Lager in Bonn-Dransdorf für die jeweiligen Zwecke speziell bestückt und dann an die Empfänger übergeben. Die Besatzungen werden noch in Dransdorf an den Fahrzeugen geschult. 2015 konnten so insgesamt 129 in Dransdorf „verheiratete“ Fahrzeuge ausgeliefert werden. DREI KOMPONENTEN DER FAHRZEUGAUSSTATTUNG Die ausgelieferten Fahrzeuge lassen sich in die Bereiche Sanitätswesen, Brandschutz und CBRNSchutz einordnen. Sanitätswesen Im Bereich Sanitätswesen hat das BBK das Konzept der Medizinischen Task Force (MTF) ins Leben gerufen. Das sind mehrere Fahrzeuge, die in einer Region im Regelbetrieb genutzt werden, aber in einer Notlage sehr schnell zu einem Einsatzverband zusammengezogen werden können. Die MTF wird im Zivilschutzfall und der bundeslandübergreifenden Katastrophenhilfe für die Bewältigung eines Massenanfalls Verletzter (MANV) gebraucht, insbesondere in dynamischen Flächenlagen bei zu erwartender zerstörter Infrastruktur. Der Regelrettungsdienst kann als Grundversorgung in solch einer Situation überlastet sein. Die Aufgaben der MTF wären dann die Dekontamination von Verletzten, der Aufbau und Betrieb einer Verletztendekontaminationsstelle und eines Behandlungsplatzes und der weiträumige Patiententransport. Die MTF ist modular konzipiert und als Verband einsetzbar. Aus dem Bereich Sanitätswesen wurden 2015 40 Gerätewagen Sanität (GW-San) übergeben. Brandschutz Bild rechts: BBK-Präsident Unger erklärt Innenminister Gall (BW) und Dr. Lorenz Menz, Präsident DRK Landesverband BW, das Konzept der Medizinischen Task Force (MTF) Für den Bereich Brandschutz hat das BBK 2015 insgesamt 16 Löschgruppenfahrzeuge Katastrophenschutz (LF-KatS) und 18 Schlauchwagen Katastrophenschutz (SW-KatS) bestückt und den Feuerwehren in den Ländern übergeben. Beide Fahrzeuge wurden auch auf der INTERSCHUTZ, der Internationalen Leitmesse für Brand- und Katastrophenschutz, Rettung und Sicherheit in Hannover den über 150.000 Besuchern vorgestellt. 28 | JAHRESBERICHT 2015 | AUSSTATTUNG UND ÜBUNG Der Schlauchwagen für den Katastrophenschutz (SWKatS) wird hauptsächlich zur Wasserversorgung über lange Wegstrecken eingesetzt. Insgesamt 2000 Meter B-Schlauch liegen gefaltet in Kassetten und können während der Fahrt verlegt werden. Da der Schlauch so lang ist, ist das Fahrzeug zusätzlich mit einer Tragkraftspritze ausgestattet, um den Druck im Schlauch aufrechtzuhalten. Außerdem sind 12 Schlauchbrücken verladen, damit die Schläuche von querenden Autos nicht beschädigt werden. Zusätzlich gibt es auf dem Fahrzeug einen Faltbehälter mit einer Kapazität von 5000 Litern Wasser. Das Löschgruppenfahrzeug für den Katastrophenschutz (LK-KatS) ist neben der normalen Beladung mit einer eingebauten Fahrzeugpumpe mit einer Förderleistung von 2.000 Litern/min und einem Löschmittelbehälter mit 1.000 Litern ausgestattet. Beide Fahrzeugtypen verfügen über automatisierte Schaltgetriebe, den für Katastrophenschutzfahrzeuge typischen Allradantrieb und sind mit analoger und digitaler Funktechnik ausgestattet. Bundesinninminister Dr. Thomas de Maizière bei einer großen Übergabe von Brandschutzfahrzeugen in Manching CBRN-Schutz CBRN-Ereignisse (chemisch, biologisch, radiologisch, nuklear) sind beispielsweise denkbar durch Unfälle in chemischen Anlagen oder bei Gefahrguttransporten, aber auch nach einem terroristischen Anschlag mit Gefahrstoffen. Ein Beispiel dafür stellt der Sarin-Anschlag der Aum-Sekte auf die Tokioter U-Bahn im Jahr 1995 dar, bei dem Tote und mehrere Tausend Verletzte zu beklagen waren. Der CBRN-Schutz im Ausstattungskonzept des BBK besteht aus zwei Elementen: zum einen aus der standardisierten Ausstattung für CBRN-Gefahrenlagen, zum anderen hat das BBK die Länder mit einer Analytischen Task Force (ATF) ausgestattet. Damit wird die örtliche Einsatzleitung bei komplexen CBRN-Lagen mit Fachwissenschaftlern und Spezialmesstechnik unterstützt. In Deutschland wird die ATF an sieben Standorten verteilt vorgehalten (Hamburg, Dortmund, Köln, Leipzig, Mannheim, München, Berlin), damit sie flächendeckend eingesetzt werden kann. Von den Standorten kann jeder Ort in Deutschland innerhalb von zwei Stunden nach Alarmierung erreicht werden, was besonders für nicht planbare Lagen (Unglücksfälle, aber auch vorsätzliche Freisetzung) sehr wichtig ist. Das BBK hat die Standorte mit Messtechnik und Einsatzfahrzeugen im Gesamtwert von rund 10 Millionen Euro ausgestattet, es beteiligt sich an den Unterhaltskosten der Standorte und koordiniert die erforderliche Spezialausbildung. Bild links: An sieben strategisch entscheidenden Standorten wurden ATF-Einsatzteams ausgestattet, aufgebaut und ausgebildet AUSSTATTUNG UND ÜBUNG Bild rechts: Bei Übungen wie der ATFEX werden auch die Schutzanzüge unter Realbedingungen erprobt | 29 DIE AUFGABEN DER ATF IN KURZFORM: • • • • • Detektion und Identifikation gefährlicher chemischer Substanzen und Substanzgemische Überwachung großer Areale mittels Fernerkundung Lokalisation und Identifikation luftgetragener Schadstoffe Situationsbewertung basierend auf Analyseergebnissen und toxikologischen Aspekten, Einschätzung der Lageentwicklung, Empfehlung von Gegenmaßnahmen (z. B. Warnung der Bevölkerung, Evakuierung, Dekontaminationsmaßnahmen) ATFEX 2015 2015 hat das BBK erneut, wie alle zwei Jahre, eine groß angelegte Übung für die ATF organisiert, die ATFEX. Übungen sind generell sehr wichtig im Bevölkerungsschutz, sie bieten die Möglichkeit, unter realitätsnahen Auslieferungen in 2015 Bedingungen zu üben und so Einsatzstrategien zu erproben und zu verbessern. ∙ 55 Gerätewagen Dekontamination Personal (GW Dekon P) ∙ 40 Gerätewagen Sanität (GW-San) 40 Einsatzkräfte der ATF wurden im November 2015 beim IdF NRW ∙ 16 Löschgruppenfahrzeuge (Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen) zusammengezogen Katastrophenschutz (LF-KatS) und dort mit verschiedenen Szenarien konfrontiert, in denen es um ∙ 18 Schlauchwagen die Probenahmen und die Analytik unbekannter chemischer Stoffe Katastrophenschutz (SW-KatS) ging. Sie mussten beispielweise die Chemikalienbestände in einem illegalen Kellerlabor identifizieren und aufdecken, wie die Verletzungen von Arbeitern in einer Lagerhalle für chemische Stoffe entstanden waren. Fünf Experten für chemische Analytik vom Labor SPIEZ des Schweizer Bundesamts für Bevölkerungsschutz (BABS) unterstützten dabei die ATF-Teams. Insgesamt waren rund 100 Personen an dieser Vollübung beteiligt. Da die Analytische Task Force immer häufiger auch international zu Einsätzen gerufen wird und die Standorte dabei zusammenarbeiten müssen, wurden bei der Übung gemischte Teams gebildet. So konnten die ATF-Fachkräfte ihre Vorgehensweise bei der Analytik miteinander abstimmen. Im föderalen System Deutschlands sind die Länder für den Katastrophenschutz zuständig. Gemäß dem Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz (§ 13 ZSKG) ergänzt der Bund den Katastrophenschutz der Länder. Im Verteidigungsfall ist der Bund für den Zivilschutz verantwortlich. Aus personellen, technischen und finanziellen Gründen ist es jedoch nicht sinnvoll, wenn Bund und Länder für die Bekämpfung von Schadenssituationen, die zwar unterschiedliche Ursachen, aber ähnliche Auswirkungen haben, voneinander unabhängige Hilfeleistungssysteme unterhalten. Es besteht daher eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Der friedensmäßige Katastrophenschutz nimmt auch im Verteidigungsfall Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung wahr. Umgekehrt steht das durch den Bund finanzierte Ergänzungspotenzial für den Zivilschutz den Ländern auch für die Gefahrenabwehr im Frieden zur Verfügung. Eine wichtige Aufgabe des BBK ist demnach die Entwicklung und Beschaffung von ergänzender Ausstattung für die Länder. 30 | JAHRESBERICHT 2015 | INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN Wissensaustausch im Bevölkerungsschutz ist eine wichtige Komponente für mehr Sicherheit weltweit Bevölkerungsschutz ist ... international Das BBK gibt seine Kompetenz im Bevölkerungsschutz auch international an Einsatzkräfte und Behörden weiter. Mit den Schwerpunktländern Tunesien und Jordanien wurden 2015 Kooperationen gefestigt und ausgebaut. Ziel der umfassenden Projekte ist die Sicherheit der Zivilbevölkerung, auch in krisengeschwächten Gebieten. INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN | 31 STÄRKUNG DES INTERNATIONALEN ZIVILSCHUTZES Bild rechts: Mit fünf neuen Pick-ups, ideal für die Waldbrandbekämpfung, wird die Arbeit des tunesischen Zivilschutzes unterstützt Bei internationalen Kooperationen fördert das BBK die Verbesserung der Krisenbewältigungsstrukturen auf mehreren Ebenen. Dieser ganzheitliche Ansatz beinhaltet drei Hauptpunkte: praktische Schulung der operativen Kräfte, Schulung der administrativen Ebene in Form der zuständigen Behörden und Ausstattung mit speziellen Fahrzeugen und Material. WALDBRANDBEKÄMPFUNG IN TUNESIEN Mit Tunesien arbeitet das BBK im Auftrag des Auswärtigen Amtes seit 2012 zusammen. Der Schwerpunkt liegt dort auf der Bekämpfung der saisonal sehr häufigen Waldbrände, die die Forstund Agrarwirtschaft schädigen und so Lebensgrundlagen vernichten. Gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Frankfurt und dem ONPC (Office National de la Protection Civile), der Nationalen Zivilschutzbehörde Tunesiens, wurde ein Ausstattungskonzept erarbeitet, das genau auf tunesische Bedürfnisse ausgerichtet ist. Die Slip-on Units auf den Fahrzeugen können je nach Bedarf ausgetauscht werden Die Feuerwehrfahrzeuge, die das BBK den tunesischen Kräften übergeben konnte, sind Spezialanfertigungen, die Brände schnell erreichen und löschen können. Die Einheiten bestehen neben Löschfahrzeugen und Großtanklöschfahrzeugen (GTLF) aus wendigen Pick-ups, ausgestattet mit sogenannten Slip-on Units. Diese austauschbaren Aufbauten beinhalten einen 450-Liter-Wassertank, Schutzausrüstungen und Geräte zur Brandbekämpfung und können schnell gewechselt werden. In der Fortsetzung des Projektes werden ähnliche Units für die technische Hilfeleistung entwickelt, damit die Fahrzeuge auch außerhalb der Waldbrandsaison effizient eingesetzt werden können. Zusätzlich reisten auch 2015 wieder Dozenten von der BBK-eigenen Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) in Ahrweiler nach Tunesien. Dort schulten sie die Einsatzkräfte an der Ausstattung und bildeten Experten aus, die nun selbstständig weitere Kräfte ausbilden werden, also ein Train-the-Trainer-Prinzip. So können sie ihr Wissen im Zivilschutz, im Krisenmanagement und in der Stabsarbeit nun weitergeben und den tunesischen Staat dabei unterstützen, seine Schutzverantwortung wahrzunehmen. 32 | JAHRESBERICHT 2015 | INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN JORDANIEN Auch die Kooperation mit Jordanien wurde 2015 fortgesetzt. Finanziert vom Auswärtigen Amt, stärkt das BBK seit 2013 den Zivilschutz und damit die Zivilgesellschaft Jordaniens. Weltweit besteht durch Unfälle im CBRN-Bereich (chemisch, biologisch, radiologisch und nuklear) oder terroristische Gruppen grundsätzlich die Gefahr, dass chemische Stoffe die Bevölkerung bedrohen. Das haschemitische Königreich setzt auf die Fähigkeiten des BBK, um den CBRN-Schutz und speziell die medizinischen Behandlungskonzepte auszubauen. Im Mai 2015 übergab BBK-Präsident Unger notwendige Ausstattung, darunter Atemschutzgeräte, an die Kräfte des jordanischen Zivilschutzes. Das Projekt umfasst drei Aspekte. Im ersten Teilprojekt hat das BBK „La protection civile est une affaire für den JCD (Jordan Civil Defence), die jordanihumanitaire qui dépasse toutes les sche Zivilschutzbehörde, CBRN-Ausstattung beschafft und später um vorhandene frontières. Nous devons être tous Ausstattung erweitert, etwa um Messgeconscients des dangers qui nous räte zur Detektion und persönliche menacent à cause des catastrophes Schutzausrüstung. Auf dieser Basis naturelles ou autres. N’hésitez pas wurden im zweiten Teilprojekt Zivilschutzkräfte in der CBRN-Technik à venir en aide à toute personne en ausgebildet. Experten der AKNZ wiesen danger, afin d’accomplir ensemble un sentiment de sécurité et de sûreté supérieur à nos populations.“ Colonel-Major Kais BEN NACEUR (Office National de la Protection Civile – ONPC), Projektpartner des BBK in Tunesien (Übersetzung siehe S. 53) Jordanische Zivilschützer probieren Schutzanzüge für biologische Gefahren an der AKNZ aus INTERNATIONALE ANGELEGENHEITEN Jordanische Zivilschützer üben den Aufbau eines Dekontaminationszelts, das vom BBK übergeben wurde Bild rechts: Jordanische Delegation informierte sich beim BBK und der Charité Berlin zum Thema MANV | 33 sie im Train-the-Trainer-Prinzip in Jordanien und an der Akademie in Ahrweiler in Einsatztaktik und Messtechnik ein. Der dritte Fokus lag auf dem medizinischen C-Schutz und dem MANV (Massenanfall von Verletzten). Im präklinischen (Rettungsdienst) und klinischen Bereich wurden jordanische Fachkräfte speziell auf Großschadensereignisse und C-Lagen vorbereitet. Der Schutz der eigenen Einsatzkräfte spielt dabei eine grundlegende Rolle, in Deutschland wie in Jordanien. STÄRKUNG DER ZIVILGESELLSCHAFT Wie in Tunesien hat auch das Projekt in Jordanien das langfristige Ziel, den Zivilschutz zu stärken. Die Bevölkerung und ihre Lebensgrundlagen, in Tunesien beispielsweise die wichtige Forstwirtschaft, sollen dadurch geschützt werden. Auch werden neben besser ausgebildeten und ausgestatteten Fachkräften in den Regionen mehr ehrenamtliche Helfer aktiviert. So kann der Staat seine Bürger mit in die Verantwortung nehmen, eine stabile Zivilgesellschaft zu bilden. Das Projekt „Schutz und Rettung von Menschen“ in Tunesien wird aus Mitteln finanziert, die der Bundestag dem Auswärtigen Amt für die Gestaltung des Transformationsprozesses nach dem Arabischen Frühling in Nordafrika zur Verfügung gestellt hat. In der Transformationspartnerschaft trägt das BBK-Projekt seit 2012 mit Ausstattung, Schulungen und Expertenaustausch dazu bei, den tunesischen Staat im Katastrophenfall handlungsfähig zu machen. 34 | JAHRESBERICHT 2015 | KRISENMANAGEMENT Bevölkerungsschutz ist ... Krisenmanagement In Zusammenhang mit dem Flüchtlingsaufkommen ab Sommer 2015 hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) an verschiedenen Stellen seine Expertise im Krisenmanagement eingesetzt und schnell Strukturen zur Bewältigung der Krise aufgebaut und etabliert. Das BBK hat auf dem Gelände seiner Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) eine Erstaufnahmestation für 300 Personen eingerichtet. Außerdem hat in der Koordinierungsstelle Flüchtlingsverteilung des Bundes (KoSt-FV Bund) ein einsatzerprobtes, mobiles Team des BBK (fliegender Krisenstab) logistische und organisatorische Aufgaben in der Flüchtlingsverteilung übernommen. Dank des großen Engagements der Mitarbeiter des BBK konnten in Kürze notwendige Strukturen geschaffen werden, die einen wesentlichen Beitrag zum bundesweiten Management der Lage leisteten. Auf dem Gelände der AKNZ wurden zunächst Hallen hergerichtet und dann Shelter für die Erstaufnahme von knapp 300 Flüchtlingen aufgebaut FLÜCHTLINGSVERTEILUNG DES BUNDES Bild rechts: In der KoSt-FV Bund in München arbeiteten rund um die Uhr alle Beteiligten sehr eng zusammen Aufbau Erstaufnahmeunterkunft für Flüchtlinge an der AKNZ. Die Sanitärshelter wurden am dringendsten benötigt und daher zuerst aufgebaut. Eine wichtige Aufgabe des BBK im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsaufkommen bestand im Aufbau der Koordinierungsstelle Flüchtlingsverteilung des Bundes (KoSt-FV) in München. Nach dem Ergebnis der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder am 15. September 2015 wurde die bisher von Bayern wahrgenommene Verteilung der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge dem Bund zugewiesen. Das BMI (Bundesministerium des Innern) hat daraufhin dem Vizepräsidenten des BBK, Ralph Tiesler, den Verteilprozess übertragen. Das BBK entsandte seine einsatzerprobten Mitarbeiter aus dem GMLZ (Gemeinsamen Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern) nach München, sozusagen als „fliegenden Stab“. So hat die KoSt-FV Bund Mitte September 2015, innerhalb von wenigen Tagen den Betrieb aufgenommen. Aufgabe der KoSt-FV Bund ist die Koordination und Abwicklung des Transports von in Deutschland ankommenden Flüchtlingen. Dazu gehört die Disposition von Transportmitteln, die Abstimmung mit zuständigen Behörden und Ländern, den Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern, die enge Zusammenarbeit mit der Bundes- und Landespolizei und die anschließende Bestellung von Sonderzügen und Bussen. Mit einem Team von zehn Mitarbeitern, überwiegend aus dem GMLZ, war das BBK in wechselnder Zusammensetzung über sechs Wochen 24 Stunden am Tag im Einsatz. Neben dem BBK waren noch das Bundesamt für den Güterverkehr, Bundeswehr, THW, Hilfsorganisationen sowie Verbindungspersonen zu den Ländern, das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, die Bundespolizei, die Landespolizei, die Deutsche Bahn AG und Busunternehmen an der KoSt-FV Bund beteiligt. Am 1. November 2015 wurde die gesamte Koordinierungsstelle in München nach einer gemeinsamen Übergabephase an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und dort an das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) weitergegeben. Das BAG hat die bestehenden Strukturen übernommen und führt diese fort. Die Leitung der KoSt-FV Bund hat nach Erich Schmid vom BMVI, Herr Hoffmann vom BAG übernommen, die stellvertretende Leitung BBK-Mitarbeiter Tobias-Maximilian Luley im Auftrag für das BMI. FLÜCHTLINGSUNTERKUNFT AN DER AKNZ Fast parallel zur KoSt-FV in München, am Mittag des 11. September 2015, erreichte das BBK das erste Amtshilfeersuchen des Landes Rheinland-Pfalz mit der Bitte, noch am gleichen Tag 150 Flüchtlinge 36 | JAHRESBERICHT 2015 | KRISENMANAGEMENT aufzunehmen. In wenigen Stunden wurden die Voraussetzungen geschaffen, sodass die Männer, Frauen und Kinder aufgenommen, erstversorgt und untergebracht werden konnten. Die AKNZ hatte bereits einen Führungsstab vorbereitet, der sofort eingerichtet werden konnte. Dieser koordinierte alle Maßnahmen der Aufnahme, Betreuung und Versorgung sowie Unterbringung der Flüchtlinge. Bei diesen Maßnahmen wurde der Stab der AKNZ maßgeblich durch die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) und das Deutsche Rote Kreuz (DRK) sowie eine ökumenische Flüchtlingshilfe aus der Region unterstützt. Gemeinsam mit den Unterstützern bereitete das BBK das Gelände der AKNZ vor, richtete Hallenkomplexe her, baute Zelte und Betten auf, stellte Sanitäranlagen bereit, beschaffte Hygiene-Kits für die Erstaufnahme, organisierte eine erste medizinische Versorgung und Registrierung und stellte die Versorgung mit Nahrungsmitteln sicher. SOZIALE UND ORGANISATORISCHE STRUKTUREN Bereits eine Woche später wurden die Kapazitäten auf Bitte des Landes auf 300 Personen verdoppelt. Eine besondere Herausforderung bestand in der 24-stündigen Betreuung der Flüchtlinge. Diese übernahmen anfangs rund um die Uhr BBK-Mitarbeiter. Neben der Infrastruktur für die Grundbedürfnisse wurden auch Strukturen für die soziale Betreuung geschaffen. Essenziell dafür waren die Dolmetscher, die aus der Region verfügbar waren. Als eine erste Integrationsmaßnahme „Die gute Zusammenarbeit vor Ort war organisierten BBK-Mitarbeiter ein beispielhaft. Trotz der Herausforderungen „Welcome-Programm“, das dankbar angenommen wurde. Die Kinder ist es in einer großen Kraftanstrengung haben im Spielzelt gemalt und schnell gelungen, die bayerischen gebastelt und konnten an „TromGrenzkommunen zu entlasten und die mel-Stunden“ teilnehmen, Flüchtlinge auf das gesamte Bundesgebiet Frauen und Männer haben ihre ersten deutschen Wörter und gleichmäßig zu verteilen. Die KoSt-FV Bund Grundlegendes über die deutsche ist ein gutes Beispiel dafür, wie erfolgreich Kultur gelernt. ein wirksames Krisenmanagement vor allem durch querschnittliches und vernetztes Handeln aller Akteure sein kann.“ Um die Wohnsituation der Flüchtlinge zu verbessern und ihnen ein Mindestmaß an Privatsphäre zu ermöglichen, wurden ab Ralph Tiesler, Vizepräsident BBK und ehem. Leiter KoSt-FV Bund Oktober auf dem Gelände der AKNZ 50 sogenannte Shelter gebaut. Das sind mobile, im Baukastenprinzip gebaute Betonhäuser in Containergröße, etwa 15 Quadratmeter groß mit Platz für sechs bis acht Personen. Wegen des dringenden Bedarfs und der Neben Schlafplätzen in Hallen wurden 50 Wohnshelter für je 6–8 Personen errichtet KRISENMANAGEMENT Bild rechts: Kurze Zeit nach der Anfrage kamen die ersten Flüchtlinge an der AKNZ an. Nach sieben Wochen wurde der Betrieb der Einrichtung vom BBK an das DRK übergeben. | 37 zunehmend kälteren Temperaturen wurden zuerst Dusch- und WC-Shelter errichtet. So entstand auf dem Gelände ein gut funktionierendes Flüchtlingsdorf. UNTERSTÜTZUNG DURCH AUSSTATTUNG UND AUSBILDUNG Wichtig war dabei, dass auf dem Gelände der AKNZ parallel zur Versorgung der Flüchtlinge die Seminare im Lehrbetrieb weiterlaufen sollten, weil die Themen der Akademie gerade in der Zeit, in der sehr viele Flüchtlinge die Grenzen der Bundesrepublik erreichten, besonders gefragt waren. Es war und ist zudem der ausdrückliche Wunsch, im Sinne einer gelebten Willkommenskultur Begegnungen zwischen Flüchtlingen, Teilnehmern und Mitarbeitern zu ermöglichen. Zum 1. November 2015 hat das örtlich ansässige Deutsche Rote Kreuz (DRK) die Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Gelände der AKNZ übernommen und betreibt sie weiterhin in Amtshilfe für das Land Rheinland-Pfalz. Innerhalb kürzester Zeit wurde ein Führungsstab gebildet, der den Aufbau der Erstaufnahmeeinrichtung plante und umsetzte Der Lehrbetrieb an der Akademie sollte auch deshalb parallel weiterlaufen, weil eine langfristige Aufgabe für das BBK in Zusammenhang mit dem Flüchtlingsaufkommen darin besteht, als zentrale Aus- und Fortbildungseinrichtung des Bundes im Bevölkerungsschutz das Bildungs angebot noch weiter zu verstärken. Gerade im Umgang mit dem Flüchtlingsaufkommen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sind Stabsarbeit, Krisenmanagement und -kommunikation, sowie die Planung von Krisenbewältigungsstrategien enorm wichtig. So kann das BBK Kompetenzen im Krisenmanagement für den Zivil- und Katastrophenschutz weiter ausbauen und die gute Zusammenarbeit mit allen Partnern weiterhin stärken. 38 | JAHRESBERICHT 2015 | IM FOKUS DES BUNDESPRÄSIDENTEN Bevölkerungsschutz ist ... im Fokus des Bundespräsidenten An einem sonnigen und besonders warmen Tag im Sommer, dem 31. August 2015, besuchte Bundespräsident Joachim Gauck das BBK und das THW. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt und in Begleitung von Staatssekretärin Dr. Emily Haber informierte er sich über die vielfältigen Aufgaben und Leistungen des BBK im Bevölkerungsschutz. Für die handelnden Menschen in Haupt- und besonders im Ehrenamt fand der Bundespräsident viele lobende Worte. IM FOKUS DES BUNDESPRÄSIDENTEN Im GMLZ wurden dem Bundespräsidenten anhand eines fiktiven Szenarios die Mechanismen in einer Lage demonstriert | 39 40 | JAHRESBERICHT 2015 | IM FOKUS DES BUNDESPRÄSIDENTEN Links: Ausstattung und Ausbildung im Bevölkerungsschutz, beides gehört zum Leistungsspektrum des BBK. Der Bundespräsident und Frau Schadt lernen hier speziell den CBRN-Erkundungswagen kennen. Unten: Im Anschluss stellt die Koordinierungsstelle NOAH dem Bundespräsidenten ihre Aufgaben im Einsatz der psychosozialen Nachversorgung von Opfern und Angehörigen vor Nachdem der Bundespräsident die strategische und konzeptionelle Kompetenz des BBK kennengelernt hat, suchte er das Gespräch mit den ehrenamtlichen Katastrophenschützern, die u.a. die Ausstattung in ihrem operativen Alltag anwenden „Wir brauchen hochaktive, handlungsbereite staatliche Stellen und gleichzeitig eine Unterstützung aus der Zivilgesellschaft, aus der Bevölkerung heraus.“ Joachim Gauck, Bundespräsident, zum ehrenamtlichen Engagement im Bevölkerungsschutz In den letzten Jahrzehnten hat sich der Bevölkerungsschutz veränderten Herausforderungen gestellt, sich angepasst und weiterentwickelt. Das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern war und ist dabei eine wichtige Säule, um den modernen Bevölkerungsschutz in der Gesellschaft zu verankern. Bundespräsident Joachim Gauck suchte bei BBK und THW das Gespräch mit den ehrenamtlich Engagierten. Der Bundespräsident informierte sich bei seinem Besuch im BBK über die vielen verschiedenen Aspekte, die für einen umfassenden Schutz der Bevölkerung ineinandergreifen müssen. Mitarbeitende des BBK erläuterten die Rolle der Behörde als Koordinator und Kompetenzzentrum anhand einer länderübergreifenden Hochwasserlage. In dem fiktiven Szenario kam das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) ebenso zum Einsatz, wie vom Bund entwickelte spezialisierte Ausstattung, das Modulare Warnsystem (MoWaS) und die App NINA, die Analytische Task Force (ATF) oder die Medizinische Task Force (MTF) und BBK-Experten im Bereich Schutz Kritischer Infrastruktur. FÜR DEN NOTFALL VORGESORGT Im Fokus von Krisen und Katastrophen stehen die betroffenen Menschen. BBK-Mitarbeitende stellten Bundespräsident Gauck ihre Arbeit in der Koordinierungsstelle Nachsorge Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH) vor. Damit die Bevölkerung Krisensituationen gut überstehen kann, sind Tipps und Informationen zur Selbsthilfe wichtig. Für die Kleinsten gibt es einen Film der IM FOKUS DES BUNDESPRÄSIDENTEN | 41 Augsburger Puppenkiste „Rettet die Retter“. Das Kinderinformationsportal „Max und Flocke Helferland“ zeigt Kindern zwischen 7 und 12 Jahren, wie sie sich auf Notfälle vorbereiten können. Eine Gruppe Schulkinder stellte dem Bundespräsidenten den vom BBK empfohlenen Notvorrat vor. Zum Abschied bekamen er und die „First Lady“ einen „Notfallrucksack“, gefüllt mit Wasser, Konserven, Taschenlampe und einem Kurbelradio. „Damit Ihnen nichts passieren kann, wenn Sie mal in einen Notfall geraten“, kommentierte eines der Kinder, das die Rucksäcke überreichte. Zum Abschluss überreichten die Kinder dem Bundespräsidenten und Frau Schadt jeweils einen eigenen Notfallrucksack MAX UND FLOCKE AUF DEM BÜRGERFEST DES BUNDESPRÄSIDENTEN Nur einen Monat später, im September 2015, durfte sich das BBK dann mit einem Stand auf dem Bürgerfest des Bundespräsidenten revanchieren. Joachim Gauck lud zum vierten Bürgerfest in das Schloss Bellevue in Berlin ein, um das Ehrenamt als wichtigen Teil der Zivilgesellschaft und das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer in Deutschland zu ehren. Der Bundespräsident öffnete interessierten Bürgern die Türen von Schloss Bellevue und gewährte Einblick in seinen Amtssitz. Unter dem Motto „Tag des offenen Schlosses“ präsentierte das BBK sein Bevölkerungsschutz-Angebot für Kinder mit Max und Flocke. Das Team hatte beispielsweise ein Kinderquiz zum Thema „Sicherheit im Alltag“ im Gepäck. Gemeinsam mit dem KiKa-Moderator Juri Tetzlaff sorgten Max und Flocke im Kinderbereich „Bellevue Kunterbunt“ für Unterhaltung und spielerisches Wissen. 42 | JAHRESBERICHT 2015 | FÖRDERUNG DES EHRENAMTES Gold, Silber, Bronze, die Trophäen des Förderpreises „Helfende Hand“ zur Unterstützung ehrenamtlichen Engagements im Bevölkerungsschutz Bevölkerungsschutz ist ... Förderung des Ehrenamtes Die über 1,7 Millionen ehrenamtlichen Helfer in Feuerwehren, Hilfsorganisationen und THW sind eine tragende Säule für den deutschen Bevölkerungsschutz. Auch Kinder und Jugendliche lernen damit schon früh, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Das BBK unterstützte das Ehrenamt auch 2015 mit dem Förderpreis „Helfende Hand“ sowie einem Filmprojekt mit der Jugendfeuerwehr Bonn-Endenich und wurde selbst als „Partner der Feuerwehr“ ausgezeichnet. FÖRDERUNG DES EHRENAMTES Bild rechts: Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière verleiht die Preise an alle Gewinner persönlich | 43 Vom Retten beim Verkehrsunfall über das Löschen von Bränden, bis hin zu technischen Hilfeleistungen und dem Hochwasserschutz, überall helfen ehrenamtliche, aber hochprofessionelle ausgebildete Kräfte. In Deutschland gibt es in Großstädten hauptberufliche Retter, aber 90 Prozent aller Einsätze werden von Ehrenamtlichen getragen. Ohne das große zivilgesellschaftliche Engagement der über 1,7 Millionen Menschen in den Organisationen des Bevölkerungsschutzes wäre die Sicherheit der Bevölkerung nicht flächendeckend zu leisten. FÖRDERPREIS „HELFENDE HAND“ Jedes Jahr verleiht das Bundesministerium des Innern den Förderpreis „Helfende Hand“ an Projekte, die mit ihren Ideen das Ehrenamt stärken. Das BBK übernimmt dabei als Geschäftsstelle die fachliche Koordination, organisiert das Bewerbungsverfahren und wählt die Jury aus den Hilfsorganisationen. Alle mit der Preisverleihung verbundenen Maßnahmen und Veranstaltungen werden durch das BBK vorbereitet, der Preis wird über den Haushalt des BBK finanziert. Die dotierte Auszeichnung wird an Organisationen und Gruppen verliehen, die mit Ideen und Nachwuchsarbeit den ehrenamtlichen Einsatz für den Schutz der Bevölkerung fördern. Der Preis dient außerdem dazu, von staatlicher Seite Danke zu sagen für das freiwillige Engagement, die Mühe und den Zeitaufwand der Helfer. Jeweils fünf Projekte in den Kategorien Nachwuchsarbeit, Innovative Konzepte und Unterstützung des Ehrenamtes werden vom Bundesinnenminister ausgezeichnet. Neben der fachkundigen Jury kann seit 2011 auch jeder Bürger für die Projekte abstimmen. 2015 haben über 10.000 Menschen ihre Stimme abgegeben. Projektbeschreibungen zum Nachlesen und 216 Projekte haben sich 2015 selbst beworben oder wurden von anderen Nachmachen: vorgeschlagen. Sie kommen aus Hilfsorganisationen, Feuerwehren, Vereinen, Verbänden oder anderen Organisationen, die sich in einem Bereich des Bevölkerungsschutzes stark machen. Die „Helfende Hand“ ist auch als Symbol zu verstehen. Sie steht für die dankend gereichte Hand derjenigen, die sich auf die Hilfe der Freiwilligen im Bevölkerungsschutz verlassen können. Gleichzeitig steht die Hand für Zusammenarbeit. Helfer packen an, Unternehmen unterstützen ihre Angestellten und schaffen so die Basis für mehr Engagement in Deutschland. 44 | JAHRESBERICHT 2015 | FÖRDERUNG DES EHRENAMTES GEWINNER UND PLATZIERUNGEN 2015 KATEGORIE „NACHWUCHSARBEIT“ 1. 2. 3. 4. 5. Nachhaltig Nachwuchs fördern, DLRG Plön (SH) Kleine Helden ganz groß, DRK Witten (NW) Die neue Willkommenskultur, DRK Mannheim (BW) Gemeinsame Nachwuchsarbeit in Sondershausen, JRK, JFW und THW (TH) Ehrenamt macht Schule, Evangelisches Gymnasium Bad Marienberg und MHD (RP) KATEGORIE „INNOVATIVE KONZEPTE“ 1. 2. 3. 4. 5. Eine starke Feuerwehr braucht starke Partner, Kreisfeuerwehrverband Dahme Spreewald (BB) Ehrenamt und Studium gehen Hand in Hand, AG Augsburger Hilfsorganisationen und Hochschule Augsburg (BY) Rettung aus der Luft, BRK-Bergwacht Allgäu Man lernt nie aus, TU und THW Braunschweig (NI) Erste Hilfe für die Seele, evangelische und katholische Kirche, ASB, DLRG, DRK, THW, FF aus dem Landkreis Schwäbisch Hall (BW) KATEGORIE „UNTERSTÜTZUNG DES EHRENAMTES IM BEVÖLKERUNGSSCHUTZ DURCH UNTERNEHMEN, EINRICHTUNGEN ODER PERSONEN“ 1. 2. 3. 4. Win-win-Situation fürs Ehrenamt, Kreissparkasse Göppingen (BW) Ständige Unterstützung des Ehrenamts, K+S AG Bad Salzdetfurth (NI) Schneller Erste Hilfe leisten, Freiwillige der Großgemeinde Burgthann (BY) Gelebte Integration, THW Mainz (RP) 5. Zukunft menschlich gestalten, Universität Siegen (NW) Verteilung der Bewerbungen auf Kategorien Alle Gewinner des Förderpreises „Helfende Hand“ 2015 FÖRDERUNG DES EHRENAMTES | 45 PARTNER DER FEUERWEHR Dass Ehrenamt, Beruf und vor allem schnelle Einsatzbereitschaft trotz des hohen Zeitaufwandes vereinbar sind, beweist das BBK selber. 2015 wurde es vom DFV (Deutscher Feuerwehrverband) mit einer Ehrenplakette als „Partner der Feuerwehren“ ausgezeichnet. Damit werden Arbeitgeber ausgezeichnet, die in ihrem Betrieb ehrenamtliche Feuerwehrangehörige beschäftigen und diese bei der Ausübung ihrer Feuerwehrpflichten unterstützen, wie das BBK. DFV-Präsident Hans-Peter Kröger übergab dem BBK die Ehrenplakette „Partner der Feuerwehren“ Bei der Übergabe der Plakette an das BBK und sein Einsatzteam (bestehend aus Mitarbeitern des BBK und der Partnerbehörde Technisches Hilfswerk) stellte Hans-Peter Kröger, Präsident des DFV, die Bedeutung des Einsatzes im öffentlichen Dienst heraus: „Es ist ein bemerkenswertes Engagement, dass aktive Feuerwehrleute vom BBK während ihrer Arbeitszeit ausrücken! Gerade die öffentliche Hand hat bei Freistellungen eine besondere Verantwortung. Lobenswert ist auch die tolle Zusammenarbeit mit der Feuerwehr Bonn, durch die hier ein Fahrzeug stationiert werden konnte.“ Kurz vor seiner Pensionierung freute er sich, nach jahrelanger enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit auf beiden Seiten das BBK auszeichnen zu können. TRINKWASSERNOTBRUNNEN Mit 42 % kommt der größte Teil der Bewerbungen für die „Helfende Hand“ 2015 aus der Kategorie „Nachwuchsförderung“. Das zeigt, dass der Einstieg junger Menschen in ehrenamtliche Tätigkeiten aktuell besonders wichtig ist. Das Ehrenamt hat zunehmend mit Problemen zu kämpfen: der demografische Wandel, die Mobilität durch die Berufswahl junger Menschen, der Trend des Umzugs von den Dörfern in die Städte, der Wegfall des Wehrersatzdienstes als Einstieg in eine ehrenamtliche Tätigkeit. Dadurch wird es für die Organisationen immer schwieriger, aktive Mitglieder zu behalten und neue zu bekommen. Die Unterstützung des Ehrenamts nimmt also im Bevölkerungsschutz eine immer wichtigere Rolle ein. Dabei ist Ehrenamt keine heldenhafte, lebensfremde Tat, sondern etwas, das jeder selbst in seinem Alltag für die Gesellschaft tun kann. Ein großer Vorteil einer ehrenamtlichen Tätigkeit ist, dass Kinder und Jugendliche damit früh lernen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Neben dem Spaß, den sie bei Übungen haben, wird der soziale Zusammenhalt gestärkt und dies kann auch die Integration von Migranten fördern. Außerdem erwerben die jungen Helfer schon früh spezielle Fähigkeiten, die nicht selten im späteren Berufsleben eine Rolle spielen. Bild rechts: Die Jugendfeuerwehr Bonn-Endenich hat schon Routine bei der Wartung des Brunnens Ein gutes Beispiel für die frühe Übernahme von Verantwortung ist die Jugendfeuerwehr Bonn-Endenich. In Deutschland gibt es über 5.000 Trinkwassernotbrunnen des Bundes, die regelmäßig gewartet werden müssen. In Endenich übernehmen das die Jungs der Jugendfeuerwehr. Zweimal im Jahr überprüfen und warten sie die Trinkwassernotbrunnen, die im Katastrophenfall die Bevölkerung mit Trinkwasser versorgen können. Für die NachwuchsFeuerwehrleute ist das gleichzeitig eine wichtige Übung, die ihnen auch Spaß macht. Das BBK hat die engagierten Jungs dabei im Sommer 2015 mit der Kamera begleitet und daraus einen sehenswerten Film für den eigenen YouTube-Kanal gemacht. 46 | JAHRESBERICHT 2015 | AK ADEMISCHE AUSBILDUNG Zupackende Hände sind die Basis des Bevölkerungsschutzes in Deutschland. Immer wichtiger wird aber die akademische Ausbildung auf der taktischen Führungsebene und in der Forschung. Das BBK fördert diese in seiner eigenen Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ) und dem Studiengang Katastrophenvorsorge und -management (KaVoMa), der 2015 seinen 10. Geburtstag feierte. Die Absolventen profitieren beruflich sehr von der engen Verzahnung von Praxis und Theorie und setzen ihre im Studium erworbenen Kompetenzen in ihrem beruflichen Werdegang ein. Bevölkerungsschutz ist ... akademische Ausbildung Für die Präsenzphasen des Masterstudiums KaVoMa treffen sich die Studierenden an der AKNZ AK ADEMISCHE AUSBILDUNG | 47 AKADEMISCHE AUSBILDUNG FÜR DEN BEVÖLKERUNGSSCHUTZ Der praktischen Seite und dem Ehrenamt wurden im Bevölkerungsschutz schon immer große Bedeutung zugemessen. In deutschen Fachkreisen galt ein theoretisches Studium im Feld des Katastrophenmanagements lange als Überqualifikation, diese Ansicht änderte sich aber seit Beginn des Jahrtausends. Mittlerweile gibt es rund 100 Bachelor-, Master- und Diplomstudiengänge, die künftigen Führungskräften Qualifikationen in den Bereichen Sicherheit, Gefahrenabwehr, Risiko- und Katastrophenmanagement vermitteln. Das BBK gestaltet die akademische Ausbildung bereits seit zehn Jahren gemeinsam mit der Universität Bonn. GENERALISTISCHES DENKEN, SPEZIFISCHES HANDELN Die Gründe für diesen Perspektivwechsel hin zur akademischen Ausbildung sind vielfältig. Gefahren werden in unserer modernen Gesellschaft zunehmend komplexer. Erdbeben, Hochwasser, Extremwetterereignisse, Pandemien oder Havarien können große Schäden anrichten. Die steigende Abhängigkeit von Kritischen Infrastrukturen, aber auch Bevölkerungsmigration erfordern das Erkennen von Zusammenhängen, um im Notfall die Handlungen aller Beteiligten zu koordinieren. Neben den operativen Einsatzkräften werden also zunehmend Generalisten gebraucht, • • • • die mit komplexen Risiken und Katastrophensituationen umgehen können, die einen ganzheitlichen Blick auf krisenhafte Lagen werfen und die Zusammenhänge verstehen, bei denen die Fäden zusammenlaufen und die wissen, welche Spezialisten für spezifische Fragestellungen benötigt werden. Um der heutigen Lagen Herr zu werden, sind enorme Wissens- und Datenmengen nötig. Diese müssen wissenschaftlich erhoben und ausgewertet werden, was nur im fachübergreifenden Kontext möglich ist. Die vernetzte Hightech-Gesellschaft, in der wir leben, erzwingt eine umfassende Denk- und Handlungsweise bei allen Beteiligten. 2015 feierte KaVoMa 10-jähriges Bestehen. Das BBK unterstützt die Uni Bonn bei der Umsetzung des Studiengangs. Auf der Jubiläumsfeier trafen sich Absolventen, Studierende, Dozenten und Verantwortliche an der Uni Bonn 48 | JAHRESBERICHT 2015 | AK ADEMISCHE AUSBILDUNG 10 JAHRE KAVOMA „In disaster risk reduction the first issue is to organise it in such way as to Aus diesen Gründen entstand ein gemeinsames Projekt von Uni Bonn und BBK. Professor give a broad education or training that Richard Dikau, erster Leiter des späteren Stuemphasises the need for all participants to diengangs und Dietrich Läpke, damals Leiter understand the big picture. In emergency der AKNZ, hatten die Idee, verschiedenste management, half of the work is to understand Einrichtungen und wissenschaftliche Disziwhat others are doing, as well as one’s own role. plinen zu kombinieren, um den sich wan[…] The next important issue is to use teaching to delnden Anforderungen gerecht zu werden. help break down the barriers between disciplines Daraus entstand 2006 der Studienand see problems, and their solutions, holistically. gang Katastrophenvorsorgemanagement This requires teachers who are able to span the (KaVoMa) mit dem Masterabschluss „Disaster disciplines and not see matters purely from one Management and Risk Governance“. narrowly defined perspective.“ David Alexander, Professor für Risiko- und Katastrophenvorsorge am University College London (Übersetzung siehe S. 52) Der zehnte Jahrgang des Studienganges, der 2015 das Studium aufnahm, war bisher der personenstärkste Jahrgang, das Interesse am Studiengang steigt weiter. Seit Juni 2014 leitet Prof. Dr. Lothar Schrott den Studiengang. KaVoMa ist ein Studiengang der beruflichen Weiterbildung. Er richtet sich an Berufstätige, die nach ihrer fachlichen Ausbildung zum Beispiel im Rettungswesen vertiefende theoretische Fähigkeiten im Katastrophenmanagement suchen. Die Studierenden kommen aus Behörden, Unternehmen, Hilfsorganisationen, Rettungsdiensten, Kliniken, von Polizei oder Bundeswehr. Die Zusammenarbeit mit der BBK-eigenen Akademie AKNZ hat viele Vorteile für die Studenten und unterstreicht die generalistische Ausrichtung des Studiengangs. So stellt das BBK eine Reihe von Dozenten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, die den Studierenden die Inhalte mit dem notwendigen Praxisbezug vermitteln. Die Präsenzphasen des Studiengangs KaVoMa finden an der AKNZ statt. Diese Kooperation passt sehr gut in das Konzept der Ausbildungseinrichtung des BBK. Das Alleinstellungsmerkmal der AKNZ ist nämlich, dass die Akademie die verschiedensten Akteure des Bevölkerungsschutzes zusammenbringt und handlungsorientiert ausbildet. 2015 ließ sich nach zehn Jahren KaVoMa eine sehr positive Bilanz ziehen. Mit einem abgeschlossenen Studium in Katastrophenmanagement sind die Studierenden gut vorbereitet auf die nächste Stufe der Karriereleiter. Viele der Absolventen entwickeln sich durch das Studium beruflich weiter und übernehmen verantwortungsvolle Führungsaufgaben, da sie die durch KaVoMa erworbenen Fähigkeiten in der ausgeübten Funktion erfolgreich einsetzen können. Damit hat der Studiengang KaVoMa einen erheblichen Anteil daran, den Bevölkerungsschutz in Deutschland zu stärken und weiterzuentwickeln, um in der modernen Welt zu bestehen. BBK-Präsident Unger gratuliert der Absolventin Marlis Cremer zu ihrem bestandenen Abschluss auf der Jubiläumsfeier zum 10-jährigen Bestehen von KaVoMa AK ADEMISCHE AUSBILDUNG Gabriele Gotthardt, Leiterin Ordnungsamt der Gemeinde Sylt Henning Winkler, Abteilungsleiter Nationale Hilfsgesellschaft, DRK Landesverband Thüringen „Die Studieninhalte habe ich von Anfang an beruflich genutzt und mein erworbenes Wissen konsequent im beruflichen Alltag eingesetzt/ umgesetzt, z.B. durch Initiieren eines Gefahrenabwehrplanes für die Insel Sylt anhand der Systematik des BBK für die Risikoanalyse.“ „Die logische Weiterentwicklung meiner bisherigen Tätigkeiten im Katastrophenschutz und der internationalen Soforthilfe war der Master in KaVoMa. Das Studium hat meine Sichtweise auf den Bevölkerungsschutz erweitert und mir bei meiner beruflichen Weiterentwicklung Türen geöffnet. Auch das Netzwerk um KaVoMa wächst durch jeden Jahrgang und lässt sich aus der Welt des deutschen Katastrophenschutzes nur noch schwer wegdenken.“ Marlis Cremer, Leiterin des Amtes für Ordnungsangelegenheiten, Rettungswesen und Bevölkerungsschutz der Städteregion Aachen „Die Mitarbeiter in den unteren Katastrophenschutzbehörden haben in der Regel eine Ausbildung zum gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienst. Diese vermittelt gute Grundlagen. Themen aus dem Bereich Krisen- und Katastrophenmanagement sind jedoch nicht enthalten, wie z.B. die Rechtsgrundlagen für den Zivil- und Katastrophenschutz auf Bundes- und Landesebene. Manche Personalabteilungen versuchen daher, Personen aus dem THW, den Feuerwehren oder den Hilfsorganisationen zu bekommen, die dann „nur“ operativ-taktisch ausgebildet sind, aber nicht in der Verwaltung. Erfahrungen von KaVoMaAbsolventen Ich habe das Studium KaVoMa für mich persönlich als anspruchsvolle Fortbildung betrachtet. Daher hat es mich gefreut, dass auch einer meiner Mitarbeiter im Bereich Katastrophenschutz das Studium erfolgreich absolviert hat.“ Katja Scholtes, Ärztliche Leiterin der Zentralen Notaufnahme im Krankenhaus Merheim der Kölner Kliniken „Im Klinikum Niederberg war ich nach dem KaVoMaStudium fünf Jahre lang als „Krisenmanager“ eingesetzt und damit beauftragt worden, den Krankenhausalarm- und Einsatzplan zu erstellen. […] Es hat sogar so weit geführt, dass ich mit Gleichgesinnten eine Arbeitsgruppe (Deutsche Arbeitsgemeinschaft Krankenhauseinsatzplanung = DAKEP) gegründet habe. Ich bin nun in den Kölner Kliniken und aus der Arbeitsgruppe ist ein gemeinnütziger Verein geworden, der weiter wächst. Das KaVoMa-Studium hat mir persönlich den Blick auf das Risiko- und Krisenmanagement generell, aber auch detailliert auf die Alarmund Einsatzplanung im Krankenhaus geschärft.“ | 49 1.928.668 Besuche auf der BBK-Webseite 132 ausgelieferte Fahrzeuge des Bundes an Feuerwehren und Hilfsorganisationen für den Katastrophenschutz 1.868 4.187 Veröffentlichungen zum BBK in der Presse Follower auf Twitter 337 Besuchergruppen und internationale Delegationen im GMLZ** Bonn GMLZ Unsere FIS* empfiehlt: Publikationen des BBK 2004-2015 271 Einsätze seit Einrichtung der Koordinierungsstelle NOAH* 670 bearbeitete Anfragen über das Bürgertelefon 161.830 19.502 ausgelieferte flüssigkeitsdichte Schutzanzüge für Einsatzkräfte im CBRN*-Schutz * GMLZ = Gemeinsames Melde- und Lagezentrum; FIS = Fachinformationsstelle des BBK ; NOAH = Koordinierungsstelle Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe; CBRN = chemisch, biologisch, radioaktiv, nuklear verteilte Exemplare des Ratgebers für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen Impressum Herausgeber: Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) Provinzialstraße 93 53127 Bonn Stand: Mai 2016 Auflage: 3.000 Realisation, Bildredaktion: Julia Lechner Redaktion, Texte: Danielle Schippers Gestaltung, Layout, Satz: Fink & Fuchs Druck: Warlich Druck Meckenheim GmbH Urheberrechte: Das Copyright für Texte und Bilder liegt beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), soweit nicht anders ausgewiesen. Bildnachweise: Titelillustration: Jonas Schwarz Seite 2-3, depositphotos Seite 8, ©BBK / Michael Muntzberg Seite 11, ©BASt / René Legrand Seite 13, ©ukb / Dorothea Scheurlen DGPh Seite 18, ©Pixelio / Rosel Eckstein Seite 21, ©REUTER / Robert Pratta Seite 26, ©IMBW / Thomas Klink Seite 27, ©BBK / Nikolaus Stein Seite 28, ©StMI Bayern / Christoph Schedensack Seite 29 und 45, ©BBK/Danielle Schippers Seite 34, ©Bundespolizei Seite 38-40, ©BBK / Oliver Gansen Seite 40-41, ©THW / Ina Kortenjann Seite 42-43, ©BBK / Mike Auerbach Seite 47-48, ©UniBonn / Sabrina Müller Seite 50-51, Fotolia „Die Katastrophenvorsorge sollte derart organisiert werden, dass ein breites Ausbildungsspektrum geboten wird, um allen Beteiligten zu ermöglichen, das große Ganze zu verstehen. Größtenteils besteht das Krisenmanagement daraus, in Erfahrung zu bringen, was andere tun sowie die eigene Rolle zu verstehen. […] Der nächste wichtige Schritt ist einerseits, die Lehre dazu zu verwenden die Hindernisse zwischen den einzelnen Disziplinen abzubauen, und andererseits Probleme und deren Lösungen ganzheitlich zu betrachten. Dazu benötigt man Lehrkräfte, die die verschiedenen Disziplinen überblicken und die Dinge nicht rein aus einer eng definierten Perspektive betrachten.“ David Alexander, Professor für Risiko- und Katastrophenvorsorge am University College London „Der Katastrophenschutz ist eine humanitäre Angelegenheit, die alle Grenzen überschreitet. Wir müssen uns der drohenden natürlichen und anderen Gefahren bewusst sein. Lassen Sie uns bei keiner Person in Gefahr zögern, damit wir gemeinsam ein hohes Schutzniveau für unsere Bevölkerung erreichen und ihr ein Gefühl der Sicherheit geben.“ Colonel-Major Kais BEN NACEUR (Office National de la Protection Civile – ONPC), Projektpartner des BBK in Tunesien Für Ihre persönliche Notfallvorsorge eine Checkliste zum Herausnehmen, damit die wichtigen Dinge im Notfall nicht fehlen. Bereiten Sie sich auf den Fall der Fälle vor. Empfehlungen finden Sie in unserem „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln in Notsituationen“ JAHRESBERICHT 2014 | K APITEL +++ Bevölkerungsschutz ist ... +++ Schutz Kritischer Infrastrukturen +++ vernetzte Information +++ Psychosoziales Krisenmanagement +++ Warnung der Bevölkerung +++ Ausstattung und Übung +++ international +++ Krisenmanagement +++ Förderung des Ehrenamtes +++ akademische Ausbildung +++ und vieles mehr www.bbk.bund.de
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