Götz Bornemann, Hamburg Codiertes Aufmaß, eine Alternative zur klassischen Aufnahme mit Feldbuch Ein Verfahren wird vorgestellt, welches das aufwändige, zeit- und somit kostenintensive Erstellen von Feldbüchern für topografische Aufmaße erspart. Bei den heutzutage gegebenen Möglichkeiten moderner Messinstrumente kann davon ausgegangen werden, dass diese alle in der Lage sind, zusätzliche Sachinformationen zu speichern. Investitionen in zusätzliche Hardware sind nicht erforderlich. Ausgangslage Klassischerweise werden bei der Erstellung von Lageplänen zuvor Feldbücher gezeichnet, in die jeder gemessene Punkt mit seiner Punktnummer eingetragen wird. Je besser die Qualität des Feldbuches ist, desto weniger besteht für den Innendienst die Notwendigkeit von Rückfragen an den Außendienst, ein Feldvergleich ist i. d. R. nicht notwendig. Der Aufwand bei der Erstellung der Feldbücher ist jedoch beträchtlich. Aus diesem Grund werden verstärkt Verfahren gesucht, die diesen Aufwand deutlich reduzieren. Eine Alternative zu der bisherigen Vorgehensweise ist die Koppelung der Totalstation an einen Feldcomputer. Damit kann der Lageplan im Felde weitestgehend vollständig erstellt werden, da die Kontrolle über die Plausibilität und die Vollständigkeit der Aufnahme gegeben sind. Diese Technik konnte sich derzeit noch nicht am Markt durchsetzen. Aus Sicht des Autors sind die Gründe hierfür in den noch vorhandenen technischen Unzulänglichkeiten, dem hohen Investitionsbedarf bei Hardund Software sowie in der Notwendigkeit zu finden, dass CAD-Fähigkeiten des Innendienstes auf den Außendienst übertragen werden müssen. Codiertes Aufmaß Eine andere (fast kostenlose) Möglichkeit besteht darin, unter Verzicht auf die Fertigung von Feldbüchern die symbol- und linienförmigen Informationen an der Totalstation codiert zu erfassen. Für die Symbole ist diese Vorgehensweise Stand der Technik, die Symbole VDVmagazin 2/07 l werden dabei über Punktarten codiert. Eine vergleichbare Codierung kommt nun für linienförmige Elemente hinzu. Dazu werden Informationen über Anfangs-, Folge- und Endelemente erfasst und es muss die Geometrie des Elementes (Linie oder Bogen) registriert werden. Mischformen von Symbolen und Linien treten hinzu wie Straßeneinläufe (Symbole), die entlang eines Bordes (Linie) ausgerichtet werden sollen. Auch die Ausrichtung von Richtungspfeilen, Fahrbahnmarkierungen, Kästen und Schächten ist bei diesem Verfahren möglich. Nicht alle Informationen können im Außendienst erfasst werden, eine Nachbearbeitung im Innendienst ist also notwendig. In der Regel ist ein Feldvergleich notwendig, sofern dieser nicht durch Fotos und/oder Videoaufnahmen ersetzt werden kann. Vorteile sind: ● Die Vermessung wird wirtschaftlicher durchgeführt, da die Feldbucherstellung entfällt. ● Durch den Datenfluss beim Einlesen des codierten Aufmaßes werden Übertragungsfehler beim „Malen nach Zahlen“ des Feldbuches vermieden. Dieser Vorteil wird umso größer, je komplexer die einzuhaltenden Zeichnungsstrukturen sind. Andererseits erfordert die Erfassung am Gerät einen höheren Aufwand und eine höhere Qualifikation der Außendienstmitarbeiter: ● Der Außendienst muss CAD-mäßig denken (Beispiel: Eine Bogenfolge über vier Punkte ist nicht eindeutig zu konstruieren). ● Der Außendienst muss die zugrunde liegenden Vorschriften zur Erstellung von digitalen Lageplänen (Normierung) für verschiedene Auftraggeber genauso gut kennen wie der Innendienst. ● Der Außendienst muss die Kontrolle über die schon erfassten Bereiche behalten. Das beschriebene Verfahren ist realisiert im „codierten Aufmaß“, entwickelt von Bosse-engineering, Wolfsburg, im Rahmen der Bosse_tools (Applikation für AutoCAD). Codiertes Aufmaß, eine Alternative zur klassischen Aufnahme mit Feldbuch Es existieren zwei technisch gleichwertige Erfassungsarten für die Zusatzinformationen: ● Es werden alle Codierungen mit den Ziffern 0 bis 9 in zwei sog. REM-Wörtern gespeichert. Die Länge der REM-Wörter darf maximal 8 Zeichen betragen. ● Es werden alphanumerische Zeichen verwendet (A = Anfang, E = Ende, K = Kreis, L = Linie ...), die fast im Klartext lesbar und damit visuell sehr gut prüfbar sind. Die alphanumerischen Codierungen werden ebenfalls in zwei REM-Wörtern gespeichert, es ist keine Begrenzung der Zeichenlänge vorgegeben. Das alphanumerische Verfahren wurde vom Ingenieurbüro Spanheimer-Bornemann-Ingenieure (SBI), Hamburg, entwickelt. Voraussetzungen ● Benötigt wird ein AutoCAD-Arbeitsplatz 2000 oder höher, auf dem das „codierte Aufmaß“ der Bosse_tools installiert ist. ● Weiterhin muss eine Codierungsliste erstellt worden sein, in der Symbolen und Linienelementen Codenummern zugeordnet sind sowie Zusatzinformationen, die z. B. zum automatischen Ausrichten von Symbolen erforderlich sind. Die zulässigen Codierungen werden aus dieser Codierungsliste abgeleitet und auf der Station installiert. ● Zuletzt wird eine Vorlagenzeichnung benötigt, in der die Blockdefinitionen für die Symbole und die Layerstruktur enthalten sind. Vom Feld zur CAD-Zeichnung ● Die Topografie wird mittels Totalstation oder GPS aufgemessen. In den registrierten Datensätzen müssen zusätzliche Codierungen für die Linienart und -geometrie enthalten sein. ● Daraus wird eine Koordinatendatei mit den Codierungen abgeleitet; die Koordinaten werden entweder im Feld erzeugt oder aus den originären Messwerten berechnet. ● Es folgt das Einlesen der Koordinatendatei mit den Bosse_tools am AutoCADArbeitsplatz, die Rohzeichnung wird automatisch generiert. ● Diese wird zur Verwendung für einen Feldvergleich geplottet. ● Es folgt die Durchführung des Feldvergleichs. ● Am AutoCAD-Arbeitsplatz werden die Feldvergleichsergebnisse eingearbeitet. Elemente, die codiert werden Bei Symbolen wird zwischen „genordeten“ und automatisch auszurichtenden Symbolen unterschieden. Letztere können automatisch ausgerichtet werden, wenn das Aufmessen mit zwei oder drei Punkten erfolgt. Anhand von Zusatzinformationen, die in der Codierungsliste gespeichert sind, werden die Symbole beim Einlesen in AutoCAD mit ihren Sollmaßen verglichen und bestmöglich eingepasst (Bild 1). Zu Symbolen ist eine zusätzliche Erfassung von Informationen zur Darstellung in Attributen möglich, wie z. B. Deichkilometerstein („12.9 km“) oder Durchlässe („DN 500“). Bild 2: Codierung eines Linienzuges Bild 3: Profilcodierung: zusammenfassen mehrerer Linienzüge Bild 1: Automatisch auszurichtende Symbole Linienzüge können aus den Elementen Linie und Bogen kombiniert werden, jedem Element kann über die Objektcodierung in AutoCAD ein eigener Layer zugewiesen werden (Folge von Hochbord, Hänger, abgesenktem Hochbord etc. ...). Bögen können tangential an das Vorelement anschließen. Beim Element Bordstein wird die im Feld erfasste Auftrittshöhe als Oberkante Bord zusätzlich erzeugt, das Ausrichten der Straßenabläufe entlang des Bordes erfolgt automatisch. Für den gesamten Linienzug ist die Registrierung einer parallelen Linie mit anderer Objektcodierung möglich, z. B. ein Wasserlauf als Parallele zum Bord oder eine parallele Radwegkante (Bild 2). Mittels geschlossener Parallelen lassen sich z. B. Mauerpfeiler definieren. Die Messpunkte eines Linienzuges sind in der Regel aufeinanderfolgend zu messen, allerdings kann der Linienzug jederzeit zur Messung von Punktsymbolen (Bäume, Laternen etc. ...) unterbrochen werden. Eine Profilcodierung fasst mehrere Linienzüge zur Optimierung der Laufwege im Außendienst zusammen. Diese Aufnahmetechnik eignet sich in Bereichen, die eine gleichmäßige Struktur (und somit jedes Profil dieselbe Anzahl von Profilpunkten) aufweist. Die Profile können sägezahnförmig und/oder mäanderförmig aufgemessen werden, zwischen den einzelnen Profilen Bild 4: Beispiel geschlossener Linienzug können wiederum Linienzüge und Punktsymbole codiert werden (Bild 3). Der Einsatz der Profilcodierungen ermöglicht im Außendienst ein Einsparungspotenzial von ca. 35% der Laufwege gegenüber denen eines nur linienorientierten Aufmaßes. Folgendes Beispiel (Bild 4) stellt die Koordinatendateien mit REM-Wörtern für beide Codierungsverfahren dar: Numerische Codierung Pn Y X Z REM1 REM2 11 ... ... ... 00002002 00000000 12 ... ... ... 00002002 00000000 13 ... ... ... 00002002 00000000 14 ... ... ... 00002002 20030120 15 ... ... ... 00002002 00000000 16 ... ... ... 00002002 93000000 REM1: Spalte 5: Linieninformation Spalte 6 bis 8: Objektcode (Zaun) REM2 beinhaltet Zusatzinformationen, z. B. die Baumcodierung bei Punkt 14 oder das Schließen des Linienzuges bei Punkt 16. Codiertes Aufmaß, eine Alternative zur klassischen Aufnahme mit Feldbuch l VDVmagazin 2/07 Innendienst Alphanumerische Codierung Pn Y X Z REM1 REM2 11 ... ... ... 1 AL-2 12 ... ... ... 1 WL-2 13 ... ... ... 1 WL-2 14 ... ... ... 1060 BM-0.3-12-Ki 15 ... ... ... 0 WL-2 16 ... ... ... 0 SL-2 REM1: Symbol- oder Liniencodierung REM2: Das erste Zeichen enthält das „Wo?“ (A = Anfang, W = Weiter, E = Ende, S = Schließen) Das zweite Zeichen enthält das „Welche Geometrie?“ (L=Linie, B=Bogen ...) Hinter dem Bindestrich ist der Objektcode (hier: 2 = Zaun) enthalten. Wenn das erste und zweite Zeichen ein Schlüsselwort enthält, z. B. „BM“, dann wird eine Baumcodierung erwartet. Die Koordinatendatei mit den Codierungen wird mit Hilfe der Bosse_tools in AutoCAD eingelesen. ● Texten (Layer, Schriftstil, ...) werden bei SBI für alle Normierungen (Hamburger Normierungskatalog, Digitales Liegenschaftsmodell, ...) in einer ACCESSDatenbank geführt. Die Verwendung von ACCESS anstelle von z. B. EXCEL bietet zwei entscheidende Vorteile: ● Plausibilitätsprüfungen sind möglich ● Zielgenauer Informationsexport durch Abfragen Die ACCESS-Datenbank hat die „Datenführerschaft“, alle weiteren Darstellungen, z. B. eine Codierungsliste einschließlich der zugehörigen Vorlagenzeichnung für das „codierte Aufmaß“, werden bei SBI aus dieser Datenbank abgeleitet. Bild 7: Startmaske Das Ergebnis ist die Rohzeichnung (Bild 8). Durch die Ausarbeitung des Feldvergleichs entsteht die fertige CAD-Zeichnung (Bild 9). Vorbereitung des Verfahrens bei SBI Alle notwendigen Vereinbarungen hinsichtlich ● Symbolen (Blockname, Einfügelayer, ...), ● Linien (Layer, Linientyp, Linienstärke, ...) und Weitere Tools Es wird Anwender geben, die für die Ableitung der Codierungslisten nicht den von SBI beschrittenen Weg bevorzugen. Für diese Anwender sind Tools vorhanden, die die Erstellung und Verwaltung von Codierungslisten für die verschiedenen Einsatzbereiche (Topografie, Innenaufmaß, ...) im Rahmen der Bosse_tools ermöglichen. Außendienst Die folgenden beiden Abbildungen zeigen die Eingabefenster an den bei SBI verwendeten Totalstationen. Bild 8: Das Ergebnis ist die Rohzeichnung Bild 5: Aussuchen des passenden Codes (hier: Liniencode 6404 = Li HoBrd [Hochbord]) Bild 6: Eingabe der Geometrie: Weiter mit Linie (WL), Auftritt rechts in Laufrichtung mit 12 cm. VDVmagazin 2/07 l Bild 9: Durch die Ausarbeitung des Feldvergleiches entsteht die fertige CAD-Zeichnung Codiertes Aufmaß, eine Alternative zur klassischen Aufnahme mit Feldbuch Das „codierte Aufmaß“ wird sinnvollerweise ergänzt durch Tools zur Erzeugung von Fahrbahnmarkierungen, Böschungsschraffen und Mauersignaturen. Das Tool „Zeichnungsprüfung“ kontrolliert die Einhaltung der Normierung. Eine Rahmenroutine und ein Tool zur Erstellung der Legende vervollständigen die CAD-Zeichnung. Alle vorgenannten Tools sind bei SBI im Einsatz. Fazit Die Einführung des „codierten Aufmaßes“ hat bei SBI unerwartet wenig Probleme verursacht. Nach zwei Testprojekten, in denen Verständnismängel beseitigt wurden, ist das Verfahren im Herbst 2005 für drei Messtrupps eingeführt worden. Aus unserer Erfahrung heraus ist das „codierte Aufmaß“ wirtschaftlich. Weiterhin ist das Verfahren für die vielfältigen und immer umfangreicheren Zeichnungsstrukturen ideal. Beispielweise umfasst der in Hamburg verwendete „Normierungskatalog für den Bestand“ ca. 650 Layer und ca. 450 Blockdefinitionen. Eine manuelle Zuweisung beim „Abzeichnen“ eines klassischen Feldbuches ist dabei sehr arbeitsintensiv und fehleranfällig. Dieser Arbeitsschritt wird weitgehend durch den Automatismus des „codierten Aufmaßes“ übernommen. Die Umstellung vom klassischen Feldbuchaufmaß hin zum „codierten Aufmaß“ beinhaltet in erster Linie ein Umdenken für den Außendienst. Der Außendienstmitar- beiter muss mehr Verständnis für die CADBearbeitung aufbringen, da er beim „codierten Aufmaß“ die Grundlage für die CAD-Zeichnung schafft. Die Codierung selbst ist in kurzer Zeit erlernbar, wichtig ist eine gute Vorbereitung der Codierungslisten und der Vorlagenzeichnung sowie eine gute Kooperation mit dem Innendienst. Autor Dipl.-Ing. Götz Bornemann SBI Spanheimer-Bornemann-Ingenieure Hasselbrookstraße 33, 22089 Hamburg Tel. 0 40/25 19 57-0 www.sbi.de Software Tel. 0 53 61/8 97 77 77 www.bosse-engineering.com Neuerscheinung VDV-Schriftenreihe Band 25 Aktueller Gleisbau Planung – Bau – Dokumentation -Schriftenreihe Band 25 Der Vermessungsingenieur in der Praxis Ausgesuchte überarbeitete Beiträge der Fachgruppe „Gleisbau“ des Bildungswerkes VDV, insbesondere der Jahrestagungen in Berlin Aktueller Gleisbau Planung – Bau – Dokumentation Aus dem Inhalt: Laserscanning, Feste Fahrbahn, Neigetechnik, DB-REF, DB-GIS, Weichen, U-Bahn Dortmund.... Broschur, 148 Seiten Umfang, ISBN 978-3-87124-331-8, € 21,80 zzgl. Versandkosten/inkl. USt. Laserscanning, Feste Fahrbahn, Neigetechnik, DB_REF, DB-GIS, Weichen, Berlin Hauptbahnhof, U-Bahn Dortmund Ausgesuchte überarbeitete Beiträge der Fachgruppe „Gleisbau“ des Bildungswerkes VDV, insbesondere der Jahrestagungen in Berlin Verlag Chmielorz GmbH – Postfach 2229 – 65012 Wiesbaden – Telefax: 0611/301303 – www.chmielorz.de Codiertes Aufmaß, eine Alternative zur klassischen Aufnahme mit Feldbuch l VDVmagazin 2/07
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