Sucht im Alter: Epidemiologie, Therapie und Versorgung Hans-Jürgen Rumpf Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Forschungsgruppe S:TEP (Substanzbezogene und verwandte Störungen: Therapie, Epidemiologie und Prävention) Universität zu Lübeck [email protected] Sucht im Alter Tabak Prävalenz sinkt im Alter Schwerere Verläufe Schlechtere Motivation Änderungsbereitschaft bei Rauchern Absichtslosigkeit Absichts- Vorbereitung bildung Sucht im Alter Medikamente Prävalenz steigt im Alter Häufig unentdeckt Hohe Komorbidität Sucht im Alter Alkohol Prävalenz sinkt Riskanter Konsum häufig Gute Prognose Sucht im Alter Drogen Neues Phänomen Neue Versorgungstrukturen erforderlich Überblick ? Epidemiologie ? Therapeutische Maßnahmen ? Versorgungssituation Überblick ? Epidemiologie ? Therapeutische Maßnahmen ? Versorgungssituation Bevölkerungsentwicklung Bevölkerungsentwicklung Die Zahl der Menschen über 65 wird bis zum Jahr 2030 um etwa die Hälfte ansteigen. Die Zahl der Hochbetagten wird sich bis 2050 nahezu verdreifachen. Bevölkerungsentwicklung Es wird geschätzt, dass sich in den USA die Zahl der Personen mit Alkohol- oder Drogenproblemen, welche 50 Jahre oder älter sind, bis zum Jahr 2020 etwa verdoppelt haben wird (Han, Gfroerer, Colliver & Penne, 2009). Erhebliche Herausforderung für das Gesundheits- und Sozialwesen Behandlungsbedürftiger Alkoholismus 5 4 3,1 3 2 1,5 1 0,7 0 15-44 45-64 Oberbayern-Studie; Dilling & Weyerer (1984) >64 Riskanter Alkoholkonsum 40 35 30 25 Männer Frauen Gesamt 20 15 10 5 0 30-39 40-49 50-59 >59 Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus Bühringer et al. 2000 Riskanter Alkoholkonsum (AUDIT-C) 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Männer Frauen 18-29 30-39 40-49 50-59 60-69 ab 70 Hapke et al. (2009), Sucht Alkoholabhängigkeit oder –missbrauch im Allgemeinkrankenhaus 15 10 Männer Frauen Gesamt 5 0 65-69 70-74 75-79 80-84 >80 Rumpf, Bromisch, Botzet, Hill, Hapke & John (1998) Alkoholbezogene Störungen bei Menschen in Einrichtungen der stationären Altenhilfe Männer (N=988) Frauen (N=3488) Gesamt (N=4476) Abstinent 72,0 85,4 82,5 (9,3-100%) Leichtes bis moderates Trinken 27,1 14,4 17,2 (0%-90,7%) 0,8 (0%-12,5%) 0,2 (0%-5,6%) 0,3 (0%-4,4%) 17,2 (0 % - 50,0%) 2,6 (0% – 11,1%) 5,8 (0% – 30,6%) Alkoholkonsum (in den vergangenen vier Wochen) Riskantes Trinken (>20 g pro Tag bei Frauen; >30 g pro Tag bei Männern) Alkoholdiagnosen in der Pflegedokumentation Sucht 2009, Themenheft „Riskanter Alkoholkonsum im höheren Lebensalter“ Weyerer, Editorial Schäufele Häufigkeit, Risiken und Folgen Hapke et al. Daten bundesweite Studie Rumpf et al. Möglichkeiten der Intervention Gründe für die Abnahme des Alkoholkonsums und der alkoholbezogenen Störungen • Veränderung des Stoffwechsels • Verschlechterung der Gesundheit / chronische Erkrankungen • Zunahme eines gesundheitsorientierten Lebensstils • Mortalität • Remission Alkoholbezogene Mortalität Anteil an allen Todesfällen 40 35 30 27,4 25 25,3 20 15 10 15,2 14,3 5 0 7,2 4,3 Bis 34 3544 4554 John & Hanke, 2002 23,5 Männer Frauen 12,2 11,4 9,7 8,8 3,6 2,3 5564 6574 2,7 7584 >84 Alkoholbezogene Mortalität Kumulierte Prozente 100 100 88,9 80 71,2 60 50,2 39,8 40 54,4 21,3 17,9 20 0 76,5 1,9 1,6 -34 8,2 7,3 -44 -54 John & Hanke, 2002 -64 -74 -84 >84 Männer Frauen Remissionsrate 100 80 66 63 61 60 77 69 Männer Frauen 49 40 40 36 20 0 18-29 30-44 45-64 ECA Studie; Robins & Regier, 1991 >64 Überblick ? Epidemiologie ? Therapeutische Maßnahmen ? Versorgungssituation Behandlungsprognose bei Alkoholabhängigkeit im Alter Kurzfristig gleich gut im Vergleich zu jüngeren Altersgruppen (Rice et al., 1993; Satre et al., 2003). Langfristig bessere Resultate als bei Jüngeren (Oslin et al., 2003; Lemke & Moos, 2003; Weisner et al., 2003) Ältere Patienten wiesen weniger alkoholbezogene Probleme auf. (Lemke & Moos, 2002, 2003) Behandlungsprognose bei Alkoholabhängigkeit im Alter Bessere Prognose nicht durch das Alter an sich erklärbar sondern durch andere Merkmale (Satre et al., 2004; Oslin et al., 2002): Häufiger verheiratet Schlechtere Gesundheit Seltener komorbide Drogenproblematik Seltener Probleme mit dem Gesetz und im familiären Bereich Längere Behandlungsdauer Ich denke, wir sollten Ihre Medikamente reduzieren und durch acht Umarmungen pro Tag vor und nach den Mahlzeiten ersetzten. Interventionen • Metaanalyse (Benzodiazepine) • Minimalinterventionen (n=3): OR 2,8 • Systematisches Absetzen (n=26): große Heterogenität • Allein (n=1): OR 6,1 • Plus kognitive Verhaltenstherapie (n=5/2): OR 5,5 • Plus pharmakologische Unterstützung (n=21) •Imipramin (p=0,03) •Carbamazepin (p=0,06) Voshaar et al. (2006). Br. J. Psychiatry 189, 213-20 Interventionen • Computergenerierte Intervention • 4000 Hausarztpatienten • 861 Antworten, 508 teilgenommen • Brief vom Hausarzt • Einmalige Rückmeldung • Dreimalige Rückmeldung Ten Wolde (2008). Addiction 103, 662-670 12-Monats-Katamnese 60 Eine Intervention 51,7 50 Drei Interventionen 40 35,6 Brief Hausarzt 30 24,5 23,7 20 14,5 15,2 14,1 9,7 14,5 10 0 Gesamt Motivierte Nicht Motivierte Ten Wolde (2008). Addiction 103, 662-670 Ergebnisse 3-Monats-Katamnese 70 Intervention Kontrollen 60 51,8 50 p=0,02 ES=0,45 40 30 20 10 p=0,17 ES=0,28 30 17,9 8,6 0 Absetzen Reduktion >25% Zahradnik et al. (2009) Addiction (104): p.109-17. Ergebnisse 12-Monats-Katamnese 70 Intervention Kontrollen 60 p=0,83 50 50 49 40 p=0,45 30 20 25 20 10 0 Absetzen Reduktion >25% Otto et al. (2009) Drug and Alcohol Dependence Komorbidität 100,00% 50,00% 30,6% 38,9% 38,60% 22,2% 0,00% Angststörungen Substanzstörungen Fach, Bischof, Schmidt & Rumpf, 2007 Affektive Störungen Keine Überblick ? Epidemiologie ? Therapeutische Maßnahmen ? Versorgungssituation Zugang zur Zielpopulation proaktiv Zugangswege über Einrichtungen der medizinischen Versorgung und Altenhilfe Krankenhäuser Arztpraxen Apotheken Altenheime Ambulante Hilfen Alkoholabhängigkeit oder –missbrauch in Allgemeinarztpraxen 20 15 14,7 11,4 10 9,8 7,7 5 4,5 3,2 0 14-29 30-44 45-64 64-75 Hill, Rumpf, Hapke, Driessen & John (1998) Männer Frauen Gesamt Prävalenz im Krankenhaus 18-64 Jahre 12,7% Abhängigkeit 2,6% Remission 4,8% Missbrauch 9,7% Verdacht John, Hapke, Rumpf, Hill & Dilling, 1996 Prävalenz im Krankenhaus >64 Jahre 3,1% Abhängigkeit 2,2% Remission 0,4% Missbrauch 3,5% Verdacht John, Hapke, Rumpf, Hill & Dilling, 1996 Kurzinterventionen bei älteren Menschen 5 Studien belegen die Wirksamkeit (Fleming et al., 1999; Gordon et al., 2003; Fink et al., 2005; Oslin et al., 2006; Moore et al., 2012) In allen Studien Trinkmengenreduktion nachweisbar Effekte auch noch nach 24 Monaten (Mund et al., 2005) Keine Unterschiede in der Wirksamkeit verglichen mit jüngeren Patienten Gordon et al., 2003) Kurzinterventionen bei älteren Menschen Moore et al, 2011, Addiction Primary care centers, 631 Patienten Interventionsgruppe: Persönliches Feedback (mündlich und schriftlich), Trinktagebuch, Risiken (zusammen mit Medikation) etc. Kontrollgruppe: Broschüre 3.2.3.6 Empfehlungen Statements Empfehlungsgrad Ältere Menschen Kurzinterventionen sollen auch bei älteren Menschen (>65) mit Alkoholproblemen eingesetzt werden. Die Wirksamkeit ist bei dieser Altersgruppe in mehreren Studien nachgewiesen. KKP Empfehlungsgrad: KKP LoE: 1b Literatur: (27, 28, 30, 51, 55, 64) Zusammenfassung Häufigkeit nimmt eher ab Trotzdem häufige Störungen Gute Behandlungsprognose Kurzinterventionen wirksam Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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