Personalien

Personalien
DAVIDE LANZILAO / CONTRASTO / LAIF
Der Heimatkundler
„Der Feind ist überall“,
schreibt John le Carré, 84, in
seiner neuen Publikation. Ausnahmsweise bezieht sich der
Thrillerautor nicht auf Spione,
Waffenhändler oder Staatsfeinde. Der britische Schriftsteller, der seit über 40 Jahren
ein Anwesen in Cornwall
besitzt, sorgt sich um den
Zustand seiner Heimat. Sein
Beitrag steht in einem Buch,
das anlässlich des 90-jährigen
Bestehens eines „Vereins zum
Schutz der ländlichen Gegenden Englands“ erschienen ist.
SVEN DOERING / AGENTUR FOCUS / DER SPIEGEL
Stolz auf ihren Nachnamen
ist Rachele Mussolini, 42, Enkelin des einstigen italienischen
Diktators Benito Mussolini.
Für sie sei es in erster Linie
der Name ihres verstorbenen
Vaters, des Jazzpianisten
Romano Mussolini, nicht der
des „Duce“, gibt die Soziologin zu Protokoll. Rachele, die
nach ihrer Großmutter väterlicherseits benannt ist, findet:
„Der Faschismus ist Geschichte.“ Das sieht ihre 53-jährige
Halbschwester, die einstige
Neofaschistin Alessandra
Mussolini, bekanntlich ein
bisschen anders. Beide treten
im Juni bei der Kommunalwahl in Rom an. Alessandra,
derzeit Europaabgeordnete
der Forza Italia, ist Spitzenkandidatin für ein rechtskonservatives Bündnis, das den
Unternehmer und Polospieler
Alfio Marchini zum Bürgermeister der Hauptstadt machen will. Rachele, die bisher
politisch nicht in Erscheinung
getreten ist, kandidiert für
die postfaschistische Partei
Fratelli d’Italia. Sie betont in
Interviews, dass die politische Konkurrenz nichts am
guten Verhältnis zu ihrer
Halbschwester ändere. Das
Onlinemagazin Lettera
Donna diagnostiziert unterschiedliche Charaktere:
„Rachele schreit nie, zumindest nicht in der Öffentlichkeit.“ and
Der Augenzeuge
„Wildeste Theorien“
Jens Müller, 48, ist Bürgermeister des sächsischen Kurorts
Bad Schlema. Weil viele hier das legendäre Bernsteinzimmer vermuten, kommen immer wieder Schatzsucher in
die Region.
Le Carré prangert darin
„korrupte Gemeindevertreter“ an, „gesichtslose Unternehmer“ und Politiker. Alle
gemeinsam seien für die
fortschreitende Verschandelung der englischen Landschaft verantwortlich. Wie
man sich dem entgegenstellt,
hat le Carré bereits 1999 demonstriert. Damals verhinderte er, dass nahe seiner Grundstücksgrenze ein großer Stall
gebaut wird. Im Jahr darauf
schenkte der Experte für den
Kalten Krieg dem National
Trust ein Stück wild-romantischen Küstenstreifen. ks
ADRIAN SHERRATT
Wenn das
der Duce wüsste
„Ich bin seit 2004 im Amt, und jeden Monat erreichen
uns Hinweise oder sogar Handskizzen, wo das Bernsteinzimmer angeblich zu finden sei. Das ist hier unter den
vielen privaten Schatzsuchern immer wieder ein Thema
und natürlich auch im Netz, da geistern abenteuerliche
Vermutungen herum. Es gibt ja viele Leute mit großer
Fantasie, die sich gern Mysterien ausmalen. Ein lokales
Bergbauunternehmen hat erst im letzten Jahr nach Einholung aller Genehmigungen einen stillgelegten Wasserhochbehälter abgerissen. Viele Hobbysucher hatten
darunter ein altes Bergwerk vermutet. Aber Hohlräume
oder gar einen Stolleneingang haben sie nicht gefunden.
Es gibt die wildesten Theorien, aber keinen einzigen
Beleg, wissenschaftlich haltbar ist das alles nicht. Aber
wenn Medien mal wieder, wie vor Kurzem die ,Bild‘-Zeitung, über das Thema berichten, strömen in der Regel sofort die Hobbysucher zu uns in den Poppenwald. Das ist
ein Hype und für die Leute hier ein echtes Problem: Der
Wald muss geschützt werden, ein Großteil des Gebiets
beherbergt einen der ältesten Mischwälder hier im Erzgebirge mit vielen wertvollen Buchen. Daher dürfen in
dem Gebiet nur offiziell genehmigte Suchen unter Einbindung des Eigentümers stattfinden. Wir brauchen nicht
noch mal Baggerspuren dort oder andere Hinterlassenschaften privater Suchtrupps. Die Kirche, der weite Teile
des Waldes gehören, hat da schon schlechte Erfahrungen
gemacht.
Natürlich nehmen wir Hinweise trotz allem erst einmal ernst und gleichen sie mit unseren Karten und allen
verfügbaren Archivinformationen ab. Aber wenn das
nichts ergibt, wird schnell ein Haken daran gemacht. Die
Suche nach dem Bernsteinzimmer ist nun wirklich
nicht unsere Hauptaufgabe als Kommune. Über die
zusätzlichen Besucher freuen wir uns, es gibt hier viele
friedliche Wanderwege und Auen. Aber Buddeln im
Wald geht natürlich nur mit einer Erlaubnis.“
Aufgezeichnet von Christian Schweppe
DER SPIEGEL 22 / 2016
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