MITTELBADISCHE PRESSE www.bo.de Donnerstag, 23. Juni 2016 ORTENAU-REPORTAGE Kulturenmix auf schmalen Feldstreifen: Die Solidarische Landwirtschaft Ortenau (Solavie) beackert ihre Flächen. Hier wachsen Kartoffeln (von links) und Lauchzwiebeln. Empfindliches ist noch unter Vlies versteckt. D ie Tomaten ranken sich an den braunen Schnüren hoch und setzen erste gelbe Blüten an. Daneben entwickeln sich die großen Blätter der Zucchini. Es ist kühl und nass an diesem Morgen. Wie immer in diesem Frühjahr. Eine kleine, verregnete Besuchergruppe des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) steht auf dem Feld der »Solidarischen Landwirtschaft Ortenau« – kurz Solavie. Die Teilnehmer informieren sich über die Arbeit der Genossenschaft. Während alles friert und bibbert, steht Vivian Detmer in kurzen Hosen auf dem Feld von Solavie in Altenheim. Der Verein baut im ersten Jahr Gemüse und Früchte an – im Auftrag derjenigen, die Solavie-Aktien halten, um den Betrieb zu finanzieren. Diejenigen, die hier Tag für Tag gegen Beikraut, Regen und hungrige Hasen kämpfen, standen Rede und Antwort. E s war schwierig«, blickt Detmer auf den Start des Projekts zurück. Das größte Problem des Feldes sei der Boden. »Den müssen wir erst einmal kennenlernen.« Ein Minutenboden sei das, sagt sie. Wenn er trocknet, werde die oberste Schicht sofort hart. Es sei schwierig für die Pflanzen zu keimen – und noch schwieriger für die nächste Ladung Wasser, in die Feldversuch Wer Anteile zeichnet, bekommt Gemüse aus Bioanbau: Auf den Äckern der »Solidarischen Landwirtschaft Ortenau« – kurz Solavie – reift die erste Ernte heran. Ein Feldbesuch. Von B et t i na K ü h n e (T ext) Erde einzudringen. Die Eigenheiten des Bodens hätten die Solavie-Landwirte anfangs an den Rand der Verzweiflung getrieben. »Ich habe nicht einmal Radieschen hingekriegt«, gibt Detmer freiheraus zu. Und Radieschen seien ja Kindergartengemüse: Jeder Steppke hat die roten Knollen schon mal aus einem Blumentöpfchen geerntet. Und sie? Fehlanzeige! »Wir sind im ersten Jahr und müssen eben ausprobieren«, sagt Detmer. Immerhin: Kartoffeln und Wicken werden schon was. Ein bisschen Salat konnte Solavie den Mitgliedern auch schon anbieten und ein wenig Gemüse, das noch keinen Preis für Schönheit oder Größe erwirbt. Aber: »Es kommt alles direkt vom Acker in die Biokiste.« Ziel ist es, pro Mitgliedereinheit selbst Er- und zeugtes für eine Woche bereitzustellen. Und damit es noch besser wird, ackern die Gärtnerinnen fleißig – unter anderem mit verschiedenen Gründüngungen. Beispielsweise Senfsaaten können den Boden durch ihren Wuchs verbessern. D ies ist der Part von Angelika Weber: Die Gärtnerin steht mit einer Gruppe Neugieriger am Eingang des Geländes und erklärt, mit welchen Pflanzen als Zwischenfrucht der Boden verbessert werden soll. Doch wachsen lassen und untergraben ist nur die eine Möglichkeit. Insbesondere setzt Solavie auf eines: Kompost. Der soll dafür sorgen, dass die Ernte hier bald üppiger ausfällt. Der nährstoffreiche Kompost sitzt zum Teil C h r istoph B r ei t h au p t (F otos) am Rand des Feldes und ist ebenfalls bepflanzt: Zucchini und Gurken gedeihen hier, samenfeste Sorten, die die Gärtner-Azubis des Christlichen Jugenddorfes zum Teil im Auftrag von Solavie vorziehen. Nebenan erklärt ein Geologe, weshalb der Boden es den Nutzern so schwer macht. Die Zuhörer lauschen nicht nur. Sie diskutieren auch eifrig mit. Bodenverschiebungen, Überschwemmungen und anderes sind die Themen, während Weber sich zu einer Pflanze befragen lässt, deren Blätter niemand so richtig zuordnen kann. »Das sind Süßkartoffeln«, wird aufgeklärt. Das sei ein Experiment von vielen. Auch zu den Freilandtomaten lassen sich die Helfer löchern. Die Paradiesäpfel stehen neben einer Reihe Paprika. Bekommen die keine Braunfleckenkrankheit? »Doch«, jede Tomate hat sie, aber Gegenmaßnahmen greifen. Der gefürchtete Japanstaudenknöterich kommt hier zum Einsatz, um das Virus zu bekämpfen. Allgemeine Zufriedenheit zeichnet sich auf den Gesichtern der Zuhörtr ab, als Detmer sagt: »So ist der Neophyt wenigstens zu etwas gut.« Nicken, dann kommt die Nachfrage, wie der Knöterichsud aufgebracht wird. »Entweder ansetzen und verjauchen oder als Tee«, stellt die Gärtnerin ihre »Geheimnisse« auch ihren Besuchern zur Verfügung. Weiterhin kämpft Solavie um die Anerkennung als landwirtschaftlicher Betrieb: So verzögert sich der Bau eigener landwirtschaftlicher Hallen. Immerhin, so Detmer, kön- ne Solavie ein Firmengelände in Schutterwald nutzen: Dort lässt sich die Ernte auch kühlen. Auf dem Feld ist aber trotzdem etwas entstanden, was das Areal freundlicher macht. Von den Mitgliedern ist ein Weidenpavillon gebaut worden. Darin wird bei Arbeitseinsätzen zusammengesessen. Zum anderen gibt es einen Wohnwagen, in dem die Mitarbeiterinnen bei schlechtem Wetter oder zu viel Sonne während der Pausen Schutz finden. D ort informiert Helga Schmidt die Besucher über Biodiversität. Das bedeutet nicht nur Artenvielfalt, sondern auch ein individuelles Spektrum eines Individuums. Zur Anschauung hat sie Feuerbohnen keimen lassen: Während die einen schon lange Schosse haben, setzen die anderen erste Wurzeln an. Und sie weist auf ein kleines Versuchsfeld hin, auf dem Soja wächst: »Wir beteiligen uns am 1000-Gärtenprojekt, weil Soja wertvolles Eiweiß liefert.« Die Gymnasiallehrerin aus Kehl ist von Solavie beeindruckt, weil es »außerhalb des kapitalistischen Systems und der Handelswege läuft«. Ob sich der idealistische Ansatz hält? Das wird die Zukunft entscheiden. Nächste Woche lesen Sie: Wie wirken Farben auf die Ausstrahlung? Es gedeihen zwar keine Radieschen auf dem Acker, dafür stehen die Zucchini schon in voller Blüte. Wie Solavie funktioniert und wie sich die Gärtner die Arbeit aufteilen, berichtete Vivian Detmer den Besuchern des Rundgangs.
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