Den Kühen gerecht werden

Betrieb
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17. Juni 2016
Beratung und Märkte
Hans Baumann / Der Landwirt hält zurzeit
einen 4000er-Pouletproduktionsstall.
Er möchte in Zukunft noch ausbauen. Seite 31
Den Kühen gerecht werden
Melior-Milchviehtage / Auf dem Betrieb von Beat von Felten aus Kestenholz SO referierten Fachleute über die Fütterung und Tiergesundheit.
KESTENHOLZ Für den wirtschaftlichen Erfolg eines Milchviehbetriebs ist die Gesundheit
der Kühe ein zentraler Faktor.
Denn nur gesunde Kühe können
auch nachhaltig hohe Leistungen erbringen. Doch gerade Gesundheitsprobleme mit den damit verbundenen Leistungseinbrüchen und Fruchtbarkeitsstörungen zählen heutzutage zu
den häufigsten Abgangsursachen von Milchkühen.
könne ursprünglich eine Lahmheit stecken. Zu einer funktionalen Kuh gehören gesunde Klauen. Ein grosser Teil der
Lahmheiten liesse sich vermeiden, wenn im Lauf- wie im Anbindestall mindestens zweimal
jährlich den Kühen die Klauen
gepflegt würden. Die Klauen der
Aufzuchtrinder sollten ebenfalls
rund sechs Wochen vor dem Abkalben kontrolliert und nötigenfalls gepflegt werden. Denn eine
Lahmheit zu Beginn der Laktation kann der Anfang vom Ende
einer Kuhkarriere sein, bedeutet
aber mit Sicherheit Einbussen in
der Milchleistung.
Die Nutzungsdauer erhöhen
An den 7. Schweizer Milchviehtagen von Melior in Kestenholz
SO und in Wängi TG kam von
den Referenten deutlich zum
Ausdruck, dass es mit den aktuellen Milchpreisen wichtiger
denn je sei, die Nutzungsdauer
der Kühe zu erhöhen. Damit
könne man die Remontierungsrate und nicht zuletzt auch die
Aufzuchtkosten deutlich senken.
Aber was führt dazu, dass Kühe
frühzeitig aus der Herde ausscheiden? An oberster Stelle stehen Fruchtbarkeitsprobleme, gefolgt von Mastitis und hohen
Zellzahlen, Klauenleiden und
ungenügender Milchleistung.
Die Zuchtziele verlagern sich
Langlebige und gesunde Kühe sind das Ziel jedes Milchviehbetriebs. Dabei spielt auch die Fütterung
eine grosse Rolle. (Bild Peter Fankhauser)
«Mit einer ausgeglichenen und
bedarfsgerechten Fütterung
kann man hier schon viele Probleme beheben», sagten Peter
Bringold und Konrad Lusten-
berger von Melior. Im Schnitt
werden Milchkühe heute nur
noch 5,5 Jahre alt und kalben 3,4
Mal ab. Die Leistungsspitze wird
aber erst ab der vierten Laktation
erreicht. Um die Kühe länger
nutzen zu können, gilt es besonders der Klauenpflege höchste
Beachtung zu schenken. Hinter
vielen anderen Abgangsgründen
Auch in der Viehzucht soll mit
der verfügbaren Genetik eine
neue Stossrichtung gegeben werden. Man wünscht sich, dass diese Stiere problemlosere und gesündere Kühe hervorbringen.
Hochleistungskühe wurden bislang vor allem auf Leistung gezüchtet. Langfristig sei das keine Basis für eine profitable und
nachhaltige Milchproduktion.
So werden die funktionellen
Merkmale wie Zellzahl, der Ge-
burtsablauf, die Fruchtbarkeit,
die Persistenz usw. wichtiger
denn je beim Berechnen eines
Gesamtzuchtwerts. «Wir sind
daran, unsere Stiere auch dementsprechend so auszuwählen»,
sagte Andreas Bigler von Swissgenetics. Ein wichtiges Hilfsmittel sei dabei die genomische Selektion, so könne man schon
früh die Spreu vom Weizen trennen. Für Bigler bleibt weiterhin
die Kuhfamilie mit starkem Hintergrund ein wichtiges Argument beim Stiereneinkauf. Beim
KB-Anbieter Semex ist man da
schon einen Schritt weiter. Seine
Stiere, welche über eine hohe
Immunreaktion verfügen, werden als «Immunity+» bezeichnet
und so verkauft. Nach 20 Jahren
For-schungsarbeit hat Semex
einen patentierten Test für die
Identifizierung von Stieren mit
einer hohen Immunreaktion
entwickelt. Die Töchter dieser
Stiere haben nicht nur eine bessere Biestmilch, sondern auch
eine erhöhte natürliche Abwehrkraft gegenüber Krankheiten.
Uno, Doorman oder Seaver sind
wohl die bekanntesten «Immunity+»-Stiere. Peter Fankhauser
Ammate – die neue Lösung im Raps
Stähler-Tag / Das feuchtwarme 2016 war für alle Ackerkulturen ein extremes Jahr. Neue Produkte halten die Ackerpflanzen gesund.
DÖTTINGEN Auf dem Sunnehof
in Döttingen AG fand der so genannte «Stähler-Tag», veranstaltet von Stähler Suisse SA, statt.
Der Sunnehof präsentierte sich
am Donnerstag letzter Woche
eher als «Regenhof». Pflanzenbauberater Alois Ostermeyer
vom Pflanzeschutzmittelhersteller Dupont stellte den Frassstopper Ammate vor, der im Raps
gegen den immer häufiger vorkommenden Rapsglanzkäfer
eingesetzt wird.
Wirkstoffwechsel dringend
Ammate mit dem Wirkstoff Indoxacarb sei das neue Mittel
gegen den gefürchteten Frassschädling, denn die Resistenz
gegen die alten Pyrethroid-Mittel nehme zu. Es sei höchste Zeit
für einen Wirkstoffwechsel. Innert zwei Stunden nach der Behandlung mit Ammate stellten
90 Prozent der Käfer den Frass
ein, nach vier Tagen finde man
keinen Käfer mehr auf dem Raps.
Alois Ostermeyer betonte, dass
der in Ammate enthaltene Wirkstoff Indoxcarb ein Kontakt- und
Frassgift sei und Schlupfwespen
und Laufkäfer nicht schädige,
aber als «bienengiftig» eingestuft
sei. «Ammate ist bei sachgerechter Anwendung, das heisst vor
der Blüte, unbedenklich für Bienen», betonte Ostermeyer. Bienen flögen nur geöffnete Raps-
Rund 150 Landwirte besichtigten die Versuchsfelder am Stähler-Tag in Döttingen. Dabei erfuhren sie vieles über Unkrautregulierung,
Fungizid-Behandlung und Schutz gegen Rapsglanzkäfer.
(Bild Hans Rüssli)
blüten an, der Spritzbelag werde
ungefährlich sobald er angetrocknet ist. Ostermeyer folgerte, durch die ausgesprochene
Nützlingsschonung erhalte Ammate die Biodiversität und damit
das natürliche Gleichgewicht
von Nützlingen im Rapsbestand.
Wie weiter mit Glyphosat?
«Nicht wichtig ist, was richtig ist,
sondern was die Massen überzeugt.» So zitierte Stephan Lack,
Geschäftsführer von Stähler
Suisse SA, den Psychologen Gustave Le Bon. Dies habe seit jeher
gegolten und gelte auch bei den
jüngsten Auseinandersetzungen
bezüglich dem Krebsrisiko von
Glyphosat. «Der Grenzwert von
Glyphosat in Bier wird wegen
den gefundenen Rückständen
erst überschritten, wenn jemand
1000 Liter Bier pro Tag trinkt»,
verglich Lack und betonte:
«Round-up ist wissenschaftlich
gesehen unbedenklich!», betonte Lack, aber das Trauerspiel zu
diesem Thema gehe weiter.
Anschliessend ging es gruppenweise hinaus aufs Feld.
Getreide: Auf den nicht behandelten Getreideparzellen war
ein extremer Krankheitsdruck
durch Septoria, echter Mehltau
und Braunrost festzustellen. Der
Berater Roman Keusch meinte
dazu: «Sollten wir noch zwei
Wochen feuchtwarmes Wetter
haben, kippen diese Bestände
um.» 2016 sei für alle Ackerkulturen ein extremes Jahr. Das
habe schon damit begonnen,
dass die Herbizide im vergangenen, zu trockenen Herbst nicht
oder nur mangelhaft gewirkt
hätten. Vor allem der Fuchsschwanz hätte die Herbstbehandlungen überlebt, und im
Frühjahr sei er schwieriger zu
bekämpfen.
Im 2- bis 3-Blattstadium
Im Frühjahr müsse die Behandlung der Getreidebestände wegen der Ungräser schon im 2bis 3-Blattstadium erfolgen. Die
mit Fungiziden und Unkrautvertilger behandelten Getreidefelder präsentierten sich in guter Verfassung. Roman Keusch
empfiehlt eine Kombination
von Talis, Concert SX und Gon-
dor, denn mit dieser «Lohnunternehmermischung» erziele man im Frühjahr eine breite
Wirkung gegen Kräuter und
Gräser in Weizen, Korn, Triticale und Rogen. Bei Gerste hat
sich dieses Jahr für die Verkürzung die Mischung mit Medax
und Dartilon bewährt. Bei den
Krankheiten sind die nicht behandelten Parzellen jetzt Anfang Juni fast «abgedorrt». Bei
den zweimal behandelten Gerstenparzellen sind laut Pflanzenbauberater Keusch 90 bis
100 kg Ertrag je Are nach wie vor
möglich. Keusch warnte davor,
Mittel nach Lust und Laune selber zu mischen. Es lohne sich,
erst den Berater vor einem solchen Tun anzufragen.
Gemüse und Kartoffeln: Bei den
Versuchsparzellen mit Verarbeitungsgemüsen erfuhren die Besucher, dass bei den Bohnen
nicht das letzte Unkraut entfernt
werden muss, weil die Bohnen
von der Erntemaschine abgezupft werden. Bei den Erbsen
mag es nichts leiden: Keine Kartoffelkäfer oder sonstige Käfer,
«denn die schwimmen in der
Büchse obenauf», hiess es. Auch
Blattläuse hätten in den Erbsen
nichts zu suchen. Absolut unkrautfrei muss hingegen der Spinat sein, denn niemand will Unkräuter mit Spinat gemixt essen.
Beim Raps erfuhren die interessierten Landwirte vom Techniker Simon Gasser viel über den
neuen Unkrautregulierer Salsa,
welcher erst zu Versuchszwecken in der Schweiz angewendet
wird. In den Versuchsparzellen
wurde es in Kombination mit
Gondor und mit Successor 600
eingesetzt.
Leimay wirkt bei Kartoffeln
Auch die Mischung Salsa und
Spectrum und Gondor hielt das
Rapsfeld sauber. Weiter erfuhr
man an diesem Tag Neues über
Leimay, welches mit dem neuen
Wirkstoff Amisulbron auf den
Kartoffelfeldern auch im schwierigen 2016 sehr gut gegen die
Kraut- und Knollenfäule wirkt.
Hans Rüssli