Warten auf den Zyklus

Helaba Volkswirtschaft/Research
IMMOBILIENREPORT
21. Juni 2016
Warten auf den Zyklus
AUTOREN
Dr. Stefan Mitropoulos
Yi Wang, Weiying Jiang
[email protected]


REDAKTION
Dr. Gertrud R. Traud

HERAUSGEBER
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirt/Leitung
Research
Landesbank
Hessen-Thüringen
MAIN TOWER
Neue Mainzer Str. 52-58
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 0 69/91 32-20 24
Telefax: 0 69/91 32-22 44
1 Auf einen Blick ........................................................................................................................... 1
2 Ausgewählte Immobilienanalysen ............................................................................................ 2
2.1 Der Immobilienzyklus lebt! ..................................................................................................... 2
2.2 Chinesische Immobilieninvestitionen im Ausland ................................................................... 3
2.3 Büromarkt Warschau und Prag: Erholung zeitversetzt ........................................................... 4
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Dr. Stefan Mitropoulos
Tel.: 069/91 32-46 19
Auch wenn es im anhaltenden Niedrigzinsumfeld nicht so aussieht: Der Immobilienmarkt ist zyklisch und dies wird sich früher oder später auch wieder zeigen.
Chinesische Anleger investieren immer mehr in internationale Immobilien. Dafür gibt
es gute Gründe, aber auch Rückschritte sind nicht auszuschließen.
Zentraleuropa: Der Büromarkt Prag erholt sich. Wegen hoher Fertigstellungsvolumina
bleiben die Büromieten in Warschau zunächst noch unter Druck.
Auf einen Blick
Gemischtes Bild bei globalen Immobilienaktien
Aktienindizes, 1. Januar 2016 = 100
110
EPRA USA*
105
S&P 500
100
EPRA
Europe*
EPRA
Japan*
Stoxx50
Europe
95
90
85
Nikkei
80
75
1. Jan.
Die Publikation ist mit größter
Sorgfalt bearbeitet worden.
Sie enthält jedoch lediglich
unverbindliche Analysen und
Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen
Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen,
die wir für zuverlässig halten,
für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir
aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in
dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht
als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.
110
105
100
95
90
85
80
75
25. Jan.
16. Feb.
9. Mrz.
31. Mrz.
22. Apr.
*Immobilienaktienindizes von FTSE EPRA/NAREIT, Gesamtrendite in lokaler Währung
Quellen: Datastream, Helaba Volkswirtschaft/Research
16. Mai.
7. Jun.
Stand: 20. Juni 2016
Wie am Aktienmarkt weltweit war im bisherigen Jahresverlauf auch mit Immobilienaktien kein großes Geschäft zu machen. Globale Immobilienaktien liegen per Mitte Juni in Euro-Rechnung nur
3 % und in US-Dollar-Rechnung 7 % im Plus. In den USA, in Europa und auch in Japan schnitten
die Betonwerte zumindest besser ab als der jeweilige Gesamtmarkt. Wie auch am gesamten Aktienmarkt liegen hierbei die US-Werte im internationalen Vergleich vorne. Mit dem langsamer als
ursprünglich erwarteten Zinserhöhungspfad der US-Notenbank hat sich ein Belastungsfaktor für
Immobilienaktien relativiert. Immobilienwerte in Europa und Japan liegen derzeit fast gleichauf, der
Abstand zum gesamten Aktienmarkt ist allerdings im größten asiatischen Immobilienaktienmarkt
weiter als in Europa. Gemäß unserem positiven Aktienausblick sollten auch die Immobilienwerte
bis Jahresende über Kurspotenzial verfügen.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 1 . J U N I 2 0 1 6 · © H E L A B A
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IMMOBILIENREPORT
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Dr. Stefan Mitropoulos
Tel.: 069/91 32-46 19
Ausgewählte Immobilienanalysen
2.1 Der Immobilienzyklus lebt!
Immobilien sind der große Profiteur von Niedrigzins und Anlagenotstand. Ein Ende dieser Entwicklung scheint angesichts der weiter sehr expansiven Geldpolitik nicht absehbar. Trotz guter
Argumente für einen anhaltenden Aufwärtstrend darf aber der zyklische Charakter der Assetklasse nicht vergessen werden.
Geldpolitik scheint
Immobilienzyklus noch
auf Jahre zu stützen…
Die Immobilienwirtschaft bewegt sich wie die Gesamtwirtschaft in mehr oder weniger ausgeprägten Zyklen. Dies gilt sowohl für die Wertentwicklung von Immobilien am Investmentmarkt als auch
für die Entwicklung an den Vermietungsmärkten. Diese eher triviale Tatsache, die durch die Empirie hinreichend zu belegen ist, wird jedoch vor allem in länger anhaltenden Aufschwungphasen nur
allzu gerne verdrängt. Auch heute gehen viele Marktteilnehmer davon aus, dass der Aufwärtstrend
an den Immobilienmärkten noch einige Jahre anhält. Dabei wird in der Regel auf die anhaltend
extrem expansive Geldpolitik der führenden Notenbanken verwiesen. So hat die Europäische Zentralbank gerade erst den Expansionsgrad nochmals erhöht, so dass wohl nicht vor dem Jahr 2018
mit ersten Leitzinserhöhungen zu rechnen ist. In den USA hat der Zinserhöhungszyklus zwar im
letzten Dezember begonnen. Allerdings legt die Fed hier ein so behutsames Tempo vor, dass eine
restriktive Wirkung auf Jahre nicht zu erwarten ist.
…Zyklus wird aber
nicht allein durch Geldpolitik gemacht
Diese Argumentation unterstellt aber, dass Schwankungen am Immobilienmarkt allein von der
Geldpolitik abhängen und nur diese für das Zinsniveau verantwortlich ist. Tatsächlich sind jedoch
Immobilienzyklen eng mit den allgemeinen konjunkturellen Schwankungen verbunden. Auch zeigt
die historische Erfahrung, dass Konjunkturzyklen durch ganz unterschiedliche Störfaktoren ausgelöst oder verstärkt werden. Diese können über Zinserhöhungen von den Notenbanken ausgehen,
aber auch z.B. auf zu optimistische Erwartungen, die zu Überinvestitionen führen, auf externe
Störungen wie ein Ölpreisschock, politische Konflikte u.v.m. Wann und wo es zu solchen Störungen kommt, lässt sich kaum prognostizieren. Ein „Brexit“ würde für die britische Wirtschaft und den
Immobilienmarkt sicher ein solches Ereignis darstellen. Konjunkturelle Schwankungen können
zudem am Immobilienmarkt durch die langen Planungs- und Realisierungszeiten bei der Bautätigkeit noch verstärkt werden.
Viele Immobilienmärkte befinden sich im siebten Jahr ihres Aufschwungs. Dies gilt beispielsweise
für den britischen Gewerbeimmobilienmarkt, wo sich bereits eine zyklische Abschwächung abzeichnet, wie auch für den US-Markt, der bislang noch keine Ermüdungserscheinungen zeigt. Die
Immobilienpreise haben in beiden Märkten ein hohes Niveau erreicht und sind damit zunehmend
korrekturanfällig. Dazu haben ohne Zweifel Niedrigzins und Anlagenotstand beigetragen. Die in
vielen Segmenten spät und nur langsam anziehende Bautätigkeit dürfte dem Zyklus diesmal zwar
eine besondere Langlebigkeit verleihen. Grundsätzlich nehmen Bauaktivität und Risikoneigung der
Investoren aber zu. Dies zeigt, dass der Aufschwung in immer mehr Immobilienmärkten in eine
„reife“ Phase eintritt.
Nicht jeder zyklische
Abschwung führt
zum Crash
Nur weil der Aufschwung diesmal vielleicht etwas länger dauert als in früheren Zyklen, bedeutet
dies nicht gleich, dass es keinen Zyklus mehr gibt. Vielmehr ist zu vermuten, dass umso länger der
Aufwärtstrend läuft und die Überbewertungen zunehmen, desto heftiger die folgende Korrektur
ausfällt. Durchhalteparolen wie „Die Party geht weiter“ oder – frei nach Reinhart/Rogoff – „This
time is different“ helfen da nicht weiter. Die Akteure am Immobilienmarkt sollten nicht leichtsinnig
werden und alleine auf die weiter extrem expansive Geldpolitik vertrauen, sondern diversifizieren,
besonders überhitzte Immobilienmärkte meiden und Risikoszenarien in ihre Investitionsentscheidungen einbeziehen. Auf der anderen Seite mag zwar die jüngste große Finanzmarktkrise in unseren Köpfen noch sehr präsent sein. Diese muss und sollte jedoch nicht der Maßstab für künftige
zyklische Entwicklungen sein – denn nicht jeder zyklische Abschwung ist mit dem Platzen einer
Immobilienblase gleichzusetzen.
H E L A B A V O L K SW I R T S C H A F T / R E S E A R C H · 2 1 . J U N I 2 0 1 6 · © H E L A B A
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IMMOBILIENREPORT
Yi Wang, Weiying Jiang
Repräsentanz Shanghai
2.2 Chinesische Immobilieninvestitionen im Ausland
Die Investitionen privater und institutioneller chinesischer Anleger in ausländischen Immobilienmärkten haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Rückschritte sind vor dem Hintergrund der jüngsten Maßnahmen zur Eindämmung der Kapitalabflüsse nicht auszuschließen.
Mehrere Gründe für
zunehmende Immobilienanlagen im Ausland
Die Gründe für die verstärkte Aktivität chinesischer Investoren am globalen Immobilienmarkt liegen
hauptsächlich in den begrenzten Anlagemöglichkeiten im Inland, sowie der relativ günstigen Bewertung von Immobilien vor allem in Europa und den USA nach der Finanzkrise 2008. Daneben
haben die Risiken im heimischen Immobilienmarkt durch die strikte Regulierung, kontinuierlich
steigende Preise und Überhitzungserscheinungen zugenommen, weshalb vor allem vermögende
Privatanleger sowie institutionelle Anleger wie Banken und Versicherungen nach alternativen Anlagemöglichkeiten im Ausland suchen. Hinzu kommt, dass die wachsende Zahl an sehr vermögenden Chinesen (High-Net-Worth Individuals) ihre Kinder verstärkt im Ausland studieren lassen
bzw. mit der gesamten Familie ins Ausland emigrieren. Die attraktivsten Länder für Chinesen zum
Studieren sind die USA, Großbritannien, Australien und Kanada, die gleichzeitig auch die bevorzugten Ziele für Immobilieninvestitionen im Ausland darstellen. Bei Investitionen in die heimischen
Immobilienmärkte bieten viele Länder zudem vereinfachte Visaregularien an.
Chinesen investieren mehr in ausländische Immobilien
Chinesische Investitionen am globalen Immobilienmarkt, Mrd. Euro
35
35
30
30
25
25
20
20
15
15
10
10
5
5
0
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
0
Quellen: Knight Frank, Helaba Volkswirtschaft/Research
Das weltweite Investitionsvolumen von Chinesen in ausländische Immobilien hat seit 2010 stark
angezogen und sich 2015 im Vorjahresvergleich sogar auf rund 30 Mrd. Euro verdoppelt. Während
es zunächst hauptsächlich institutionellen Anlegern, staatlichen Immobilienfonds (Sovereign
Wealth Funds) sowie großen Versicherungen vorbehalten war, im Ausland zu investieren, wurden
die Regularien in den letzten Jahren gelockert und damit die ausländischen Immobilienmärkte
einer breiteren Schicht an Investoren zugänglich gemacht. Neben Privatpersonen zählen zur
Gruppe der Investoren auch z.B. Unternehmen, die im Ausland in Immobilienprojekte investieren
und diese teilweise auch selbst entwickeln.
Vor allem Großbritannien
und Deutschland im Fokus
Die chinesischen Direktinvestitionen im Ausland haben bereits um die Jahrtausendwende eingesetzt, als China damit begonnen hat, sich schrittweise für die Weltwirtschaft zu öffnen und im
Rahmen der „Go-out“-Strategie Barrieren und Regulierungen vereinfacht wurden. Im Jahr 2015
betrugen die Investitionen chinesischer Anleger im europäischen Immobilienmarkt rund 2,7 Mrd.
Euro, wobei sich insbesondere Großbritannien und Deutschland wachsender Beliebtheit erfreuen.
Die zunehmenden Investitionen von Chinesen im Ausland und die damit verbundenen Kapitalströme haben aber auch Auswirkungen auf die Stabilität bzw. die Volatilität der chinesischen Währung. Deshalb haben die chinesischen Währungshüter Ende 2015 eine Reihe von Maßnahmen
eingeführt, um den Kapitalabfluss einzudämmen bzw. stärker zu kontrollieren. Davon betroffen
sind vor allem private Anleger, die den größten Teil der Investoren darstellen und weniger institutionelle Anleger sowie Unternehmen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Auslandsinvestitionen
dadurch eingedämmt werden.
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2.3 Büromarkt Warschau und Prag: Erholung zeitversetzt
Dr. Stefan Mitropoulos
Tel.: 069/91 32-46 19
Der Büromarkt in Prag erholt sich. Mit einigem zeitlichen Abstand sollte Warschau folgen. Im
laufenden Jahr dürfte die Flächennachfrage im Zuge der guten gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung hoch bleiben. Allerdings belasten speziell in der polnischen Hauptstadt noch sehr
hohe Fertigstellungsvolumina.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Büromärkte in den zentraleuropäischen Standorten
sind eigentlich hervorragend. Gemessen am Wirtschaftswachstum hat sich die Region zum europäischen „Powerhouse“ entwickelt. Mit 4,2 % in Tschechien und 3,6 % in Polen fiel der Anstieg des
realen Bruttoinlandsprodukts 2015 mehr als doppelt so stark aus wie in der Eurozone (1,6 %).
Dieses hohe Tempo wird zwar im laufenden Jahr nicht durchzuhalten sein. Dies zeigt das schwächere erste Quartal, das allerdings vor allem mit Sondereffekten zu erklären ist. Im Jahresdurchschnitt dürften beide Volkswirtschaften aber weiterhin deutlich stärker expandieren als die Währungsunion. Die gute wirtschaftliche Performance schlägt sich auch am Arbeitsmarkt nieder: Bei
der harmonisierten Arbeitslosenquote nimmt Tschechien mit 4,1 % inzwischen sogar (noch vor
Deutschland) den Spitzenplatz in der gesamten EU ein, auch Polen liegt mit zuletzt 6,3 % auf
einem der vorderen Plätze. Dies geht einher mit einem robusten Stellenwachstum, das in den
führenden Bürostandorten Warschau und Prag zu einer kräftig gestiegenen Flächennachfrage
geführt hat. Entsprechend kam es im vergangenen Jahr zu rekordhohen Vermietungsumsätzen.
Büroflächennachfrage
profitiert von kräftigem
Wirtschaftswachstum
Mietrückgang in Warschau noch nicht beendet
Leerstand sinkt in Prag, in Warschau weiterer Anstieg
Durchschnittliche Büromieten in guten Lagen, Euro/m² monatlich
Büroleerstandsrate, %
28
26
24
Warschau
22
28
18
18
26
16
16
24
14
22
12
14
Prag
12
Warschau
20
10
18
18
8
8
16
16
6
6
14
4
20
10
Prag
14
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15 16e
Quellen: Feri, Helaba Volkswirtschaft/Research
Unterschiedliche Entwicklung auf der Angebotsseite
4
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15 16e
Quellen: Feri, Helaba Volkswirtschaft/Research
In Warschau folgt auf die schon in den letzten Jahren hohe Neubautätigkeit 2016 mit voraussichtlich mehr als 450.000 m² ein neuer Fertigstellungsrekord – das entspräche mehr als 7 % des Bestands. Trotz weiterhin guter Nachfrage kann dies nicht vollständig absorbiert werden, so dass die
Büromieten in der polnischen Hauptstadt unter Druck bleiben und die Leerstandsrate nochmals
zunehmen wird. Auf dem flächenmäßig kleineren Prager Büromarkt wird der Flächenbestand dagegen 2016 wohl nur wenig um 1 % zulegen. Dank weiterhin positiver Nachfrage erlaubt dies,
einen Teil der hohen Flächenzugänge aus den beiden Vorjahren zu absorbieren. Schon für das
kommende Jahr sind allerdings wieder deutlich höhere Fertigstellungszahlen zu erwarten.
Die Büroleerstandsquote nahm in Warschau in Folge der anhaltend hohen Flächenzugänge seit
dem Tiefstand im Jahr 2008 kontinuierlich auf zuletzt 15 % zu. Ende dieses Jahres dürfte mit rund
16 % vermutlich der Höchststand in diesem Zyklus erreicht sein. Auch in Prag standen zuletzt fast
16 % der Büroflächen leer. Hier wurde jedoch inzwischen die Trendwende eingeleitet. Nicht zuletzt
dank der Entspannung auf der Angebotsseite dürfte der Anteil leerstehender Büroflächen 2016
deutlich auf etwa 14 % zurückgehen. Entsprechend unterschiedlich ist die Entwicklung der Büromieten in den beiden zentraleuropäischen Standorten. Während die durchschnittlichen Mieten in
guten Lagen 2014 in beiden Städten noch fielen, konnten sie sich in Prag im vergangenen Jahr
stabilisieren. Hier ist nun erstmals seit sieben Jahren ein nennenswerter Anstieg wahrscheinlich.
Dagegen hält der Abwärtsdruck in Warschau zunächst noch an, hier sollte es erst 2017 zu einer
Stabilisierung kommen. 
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