Koblenz: Ultranet Politik will mehr Schutz für die Bürger

21.6.2016
Koblenz: Ultranet ­ Politik will mehr Schutz für die Bürger ­ Rhein­Zeitung Koblenz ­ Rhein­Zeitung
20.06.2016, 17:23 Uhr Koblenz: Ultranet ­ Politik will mehr Schutz für die
Bürger
Koblenz. Keine Technik ohne Risiko: Dieser Grundsatz gilt auch für die
politisch gewollte, aber nicht unumstrittene Energiewende. Der Siegeszug der
Windkraft erfordert auch die Umstellung oder den Neubau des überregionalen
Hochspannungsnetzes. Damit sind nicht nur Investitionen in hoher
zweistelliger Milliardenhöhe erforderlich. Um die Sache möglichst
wirtschaftlich zu gestalten, sollen die bestehenden Hochspannungsmasten
nach Möglichkeit umgerüstet werden ­ auch im Raum Koblenz. Und genau bei
diesem Punkt haken Kritiker nach. Sie befürchten gesundheitliche Spätfolgen
für die Bürger, wenn das geplante Ultranet direkt über Wohngebieten realisiert
wird. Genau das ist für Wallersheim vorgesehen.
Von unserem Mitarbeiter Reinhard Kallenbach
Nach Aussage des ausführenden Unternehmens Amprion ist für Koblenz und
Umgebung kein Neubau, sondern eine Umrüstung vorgesehen. Hierfür gibt es vor
allem ökonomische, aber auch praktische Gründe, da viel Zeit gespart werden kann.
Schon 2021 soll der Umbau der überregionalen Netze abgeschlossen sein. Denn
diese Umrüstung ist Voraussetzung für den deutschen Komplettausstieg aus der
Kernkraft im Jahr 2022. Das bedeutet: Amprion steht unter Zeitdruck, die Nutzung
bestehender Infrastrukturen wäre ein Schlüssel dazu, den straffen Terminplan zu
halten. Allerdings weist Pressesprecher Andreas Preuß auch darauf hin, dass es
eine Alternativplanung gibt, die einen kompletten Neubau vorsieht.
Zu einer Alternativplanung ist das Unternehmen im Rahmen des sogenannten
Planfeststellungsverfahrens verpflichtet, über das die Bundesnetzagentur wacht. Ein
Sonderfall, denn normalerweise sind für solche Verfahren die Länder zuständig. Da
es sich aber um ein länderübergreifendes Projekt handelt, ist die
Regulierungsbehörde mit Sitz in Bonn verantwortlich. Und genau dort hat Detlev
Pilger Widerspruch eingelegt. Vorsorglich. "Uns geht es nicht darum, das Projekt zu
verhindern", betont der Koblenzer SPD­Bundestagsabgeordnete, den eine Sorge
treibt: dass sich verstärkte elektromagnetische Felder langfristig negativ auf die
Gesundheit der Bürger auswirken könnten. Deswegen setzt er wie seine
Ratskollegin und Fraktionschefin Marion Lipinski­Naumann auf regionale
Alternativen bei der Planung. Das gemeinsame Problem: Es gibt zwar
Untersuchungen, aus denen zum Beispiel ein erhöhtes Krebsrisiko abgeleitet
werden könnte, aber sicher ist gar nichts.
"Ich bin mir sicher, dass der Netzbetreiber Amprion alle Vorschläge für Alternativen
aufnehmen und auf Genauste prüfen wird", erklärt MdB Michael Fuchs auf Anfrage
der RZ. Der Koblenzer, der auch Mitglied im Berliner Wirtschaftsausschuss ist
ergänzt: "Wer die Energiewende haben möchte, muss auch Ja zum Trassenausbau
sagen. Ich glaube, die Planer können vor Ort am besten sagen, welche Lösung die
jeweils sachgerechteste ist. Politik sollte nicht der Versuchung unterliegen, hier
schwarz­weiße Lösungen zu fordern, nur weil die Leute sie vermeintlich gerne
hören." Auch weist Michael Fuchs darauf hin, dass eine komplette Erdverkabelung
in Region "technisch schwierig auszugestalten ist" und für die Bürger deutlich teurer
würd als eine Modernisierung.
"Das ist ein Thema, das man nicht mit Schaum vor dem Mund angehen kann",
meint denn auch Ratsmitglied Fritz Naumann und verweist darauf, dass die Sache
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kein Steckenpferd der SPD ist. Ganz im Gegenteil: Die BIZ hat ebenfalls
nachgedacht, und in der jüngsten Ratssitzung gab es sogar eine Resolution, hinter
der alle Fraktionen stehen. Der CDU­Ortsverband Wallersheim lädt für kommenden
Donnerstag, 23. Juni, 19 Uhr, zu einer Bürgersammlung ins Gasthaus Krämer ein.
Mit gutem Grund: Der Stadtteil wird besonders von der Umrüstung betroffen sein ­
und das, obwohl ein Abstand von 400 Metern zu Wohngebieten empfohlen wird.
Dieser Grundsatz ist dort nicht zu halten, und auch wenn sich die Bürger an
Hochspannungsmasten gewöhnt haben, dürfte angesichts der jüngsten Vorgänge in
Güls auch bei ihnen die Skepsis wachsen.
Zwar ging es im Moselstadtteil "nur" um einen Mobilfunkmast, doch stellte sich beim
Nachhaken einer Bürgerinitiative heraus, dass nicht alles so ablief, wie es ein sollte.
Sogar von einem nicht genehmigten Testbetrieb war die Regel. Auch beim Thema
Hochspannungsnetze stand diese Annahme im Raum, die sich allerdings als
Gerücht entpuppte. "Wir haben doch noch gar nicht angefangen", betont Andreas
Preuß. Der Pressesprecher verweist darauf, dass dies gar nicht möglich ist, weil es
noch keine Genehmigung für den Planungsabschnitt gibt.
Gleichstrom statt Wechselstrom
Der große Blackout am 4. November 2006 offenbarte nicht nur die komplexen
Zusammenhänge in der europäischen Stromversorgung, sondern auch einen
milliardenschweren Sanierungsstau. Seitdem sind die Netzbetreiber bemüht, diesen
Sanierungsstau zu beheben. Die Umstellung von Wechselstrom auf Gleichstrom im
Zuge der Anbindung der großen Windparks auf dem Meer stellt sie nun vor neue
Herausforderungen und milliardenschwere Investitionen. Diese sind erforderlich,
weil die Anlagen mehr Strom erzeugen als verteilt werden kann. Und deshalb
müssen neue „Stromautobahnen“ geschaffen werden, die zum Teil unterirdisch,
zum Teil überirdisch verlegt werden. In dem Abschnitt, der auch die Stadt Koblenz
und den Kreis Mayen­Koblenz betrifft, ist nach Aussage von Amprion derzeit keine
unterirdische Verlegung vorgesehen. Die Gesellschaft mit Hauptsitz in Dortmund,
die 1100 Mitarbeiter beschäftigt, betreibt nach eigenen Angaben ein
Übertragungsnetz mit den Spannungsstufen 380 000 und 220 000 Volt. Dieses Netz
hat eine Gesamtlänge von 11 000 Kilometern. Außerdem betreibt Amprion 160
Schalt­ und Umspannanlagen im Bundesgebiet. Die Anteilseigner der Amprion
GmbH sind die M31 Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. Energie KG (74,9 Prozent)
und die RWE AG (25,1 Prozent). Hinter der Beteiligungsgesellschaft steht ein
Konsortium institutioneller deutscher Anleger
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