Grzegorz Poźniak Die rekonstruierte Weiß-Orgel in Jarischau / Jaryszów (Polen) Jarischau, kath. Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, Inneres mit der Weiß-Orgel. Jarischau (poln. Jaryszów) ist ein Dorf in der Gemeinde Ujest in der Woiwodschaft Oppeln. Es gehörte bis 1945 zum Landkreis Groß Strehlitz im Deutschen Reich, kam dann unter polnische Verwaltung und wurde in Jaryszów umbenannt. 2008 erhielt der Ort zusätzlich den amtlichen deutschen Ortsnamen Jarischau. Die kleine Ortschaft hat eine lange und verhältnismäßig gut dokumentierte Geschichte. Zum ersten Mal wurde Jarischau als villa Iarssou in einer Urkunde aus dem Jahre 1260 erwähnt. Das Bestehen des Dorfes wurde von Heynzone de Iarissou, einem Ritter des Oppelner Herzogs, bezeugt. In dem lateinischen Bestandsverzeichnis der bischöflichen Besitzrechte und Einkünfte Liber fundationis episcopatus Vratislaviensis, das zur Zeit des Bischofs Heinrich von Würben in den Jahren 1295 – 1305 niedergeschrieben wurde, ist wiederum der Ortsname in latinisierter Form Jarissow angegeben. 1 Auch laut der juristischen Beschrei- 1 H. Markgraf, J. W. Schulte (Red.), Codex Diplomaticus Silesiae, Bd.14: Liber Fundationis Episcopatus Vratislaviensis, Breslau 1889; Zugänglich auf der Webseite: <www.wbc.poznan.pl/dlibra/ docmetadata?id=19747>; 31. X. 2013. 1 bung der Auseinandersetzung zwischen dem Herzog Wladislaus von Oppeln und dem Breslauer Bischof Thomas gehörte der Ort Jarischau zu den bischöflichen Gütern. Die Geschichte der Pfarrgemeinde und der Kirche ist mit der Gründung des Dorfes nach deutschem Recht verbunden. Damals wurde die Parochie errichtet und die Kirche erbaut. Sie wurde urkundlich 1305 bestätigt. 2 Das Gotteshaus befindet sich im Verzeichnis des Peterspfennigs seit 1447. Die Pfarrgemeinde unterstand der Erzdiözese Breslau und dem Erzpresbyteriat Ujest. Im 19. Jahrhundert gehörte Jarischau dem Haus Hohenlohe. Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde das Gut parzelliert und von Ortsbewohnern erworben. Nach der Errichtung der Diözese Oppeln nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ort diesem kirchlichen Verwaltungsbezirk zugeordnet. Die Kirche Mariä Himmelfahrt wurde im 14. Jahrhundert im gotischen Stil erbaut. Aus dieser Zeit stammt das Hauptschiff. Der erste Umbau und Eingriff in die Archi- J. Kopiec, J. Pyka (Red.), Schematyzm diecezji opolskiej 2010. Opole 2010, S. 362. 2 Ars Organi · 64. Jhg. · Heft 2 · Juni 2016 Jarischau, Prospekt der Weiß-Orgel. Links die Spielanlage. Vor der Restaurierung: Verwurmte Holzpfeifen. tektur erfolgte an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert (1687 – 1720). Der Kirchtum wurde anlässlich von Umbauarbeiten an der Kirche in den Jahren 1861 – 1884 errichtet. 1921 – 1922 wurde die Kirche um das Presbyterium erweitert. 3 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie 1956 saniert. 4 und diagonal profilierten Gesimsen bekrönt. Die Seitenwände des Gehäuses wurden mit einem durchbrochenen Gitterwerk versehen. Zu den bislang unerforschten Ausstattungselementen des Gotteshauses zählte die Orgel. Auf Wunsch des Pfarrers Krystian Krawiec wurde von dem Referat für Kirchenmusik der Diözese Oppeln ein Gutachten erstellt. Schon auf den ersten Blick zeigte sich, dass die Orgel sehr alt und außergewöhnlich ist. Der Zustand, in dem sie sich 2008 befand, war – kurz gesagt – erschreckend. Jedes Element und Funktionssystem der Orgel war stark beschädigt, so dass das Werk im Wesentlichen rekonstruiert werden musste. Das Instrument befindet sich auf einer Holzempore an der Emporenbrüstung und ist zentral, in der Kirchenachse, aufgestellt. Es ist eine einmanualige Orgel mit mechanischer Traktur und Schleifladen. Die Orgel besteht aus Manual- und Pedalwerk. Sie befindet sich in einem geschlossenen Gehäuse mit den Abmessungen 315 x 251 x 181 cm. Die Rückwand wurde rekonstruiert. Hinter dem Orgelprospekt im Barockstil befindet sich die Manuallade. Das Gehäuse ist mit Ölfarbe weiß gestrichen, die Gesimsränder wurden vergoldet. Die drei Pfeifenfelder sind mit vergoldeten staffelförmig eingeschnitzten Schleierbrettern gekrönt (Verzierung mit Floral-Motiven und Ohrmuschelwerk). Die äußeren Felder in Form kleiner Pfeifentürme, die mit halbrunden Risaliten abgeschlossen sind, stehen auf abgeflachten halbrunden Konsolen. Das verbindende Mittelfeld ist rechteckig und flach. Alle Prospektteile sind von umfassenden Umrahmungen gefasst, die Türmchen werden von Abschnitten eines reduzierten, gebrochenen Gebälks Siehe Wojewódzki Urząd Ochrony Zabytków (WUOZ) Opole: kościół parafialny pw. Wniebowzięcia NMP w Jaryszowie; Denkmalregister – 1133/66. 4 Vgl. <www.opolskie.regiopedia.pl/zdjecie/jaryszow-kosciol-52175>; 31. X. 2013. 3 Ars Organi · 64. Jhg. · Heft 2 · Juni 2016 Die Spielanlage ist an der linken Seite des Gehäuses eingebaut. Die Schleiflade des Manuals wurde rekon struiert unter Verwendung der originalen Schleifen. Spielund Registermechanik wurden rekonstruiert, die Manualklaviatur überholt und die Pedalklaviatur rekonstruiert. Das Windwerk besteht aus einem elektrischen Gebläse, das im Kirchturm aufgestellt ist. Der Wind wird durch einen Holzkanal in die neuen Keilbälge unten im Orgelgehäuse geführt, die als Magazin dienen. Die Balgtritte für den Kalkanten befinden sich auf der dem Spielschrank gegenüberliegenden Seite. Das Pfeifenwerk war sehr stark verschmutzt und beschädigt. Die Metallpfeifen mussten deshalb rekonstruiert werden. Die Holzpfeifen sind erhalten. Die Wiederherstellung der Disposition war lediglich aufgrund der Beschriftungen neben den Registerzügen möglich. Allein aufgrund des Befunds konnten der Erbauer der Orgel und das Baujahr nicht ermittelt werden. Dies verlangte weitere Untersuchungen, deren Ergebnisse im Folgenden dargestellt werden. Bei der Demontage der Orgel für die Instandsetzung zeigten sich auf der Rückseite der Füllung über der Manualklaviatur Bleistift-Inschriften. Sie lauten: diese Orgel ist gebaut 1796 durch Franz Josef Weiss Orgelbauer aus Nabburg in Oberpfalz Bayern umgebaut 183[oder 5]7 durch V. H. Hoffmann Jarischau [unleserlich: und oder ähnlich] 1877 durch Hoffmann [in anderer Schrift:] Orgel gereinigt und repariert von V. Klimosch & Dürschlag Orgelbauer aus Rybnik (Gleiwitz) August 1920. Hellmuth Schroetter [?] Gehilfe [?]. Die erste der Inschriften stammt wahrscheinlich von Vincenz Hoffmann, der aus Jarischau stammte und nach Burgemeister 1873 die Orgel der St.-Brixius-Kirche des Wallfahrtsortes St. Brixen bei Kostenthal (Gościęcin) 2
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