Sicherheitfüralle? - ad-rem

28. Jahrrga
gang | Nr. 10 | 22. Juni 2016 | w
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Die unabhängige Hochschulzeitung – W
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Zwickauer Straße 42, 01069
Sicherheit für alle?
Warum Verhütungsmittte
tel
für Geringverdiener
kostenfrei sein sollten –
oder eben nicht. Seite 5
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SPEEZMIAL
Sichere Versorgung
Wie Medizinstudenten der TU Dresden
in der Flüchtlingsversorgung ausgebildet
werden. Seite 2
Warum ein Chor nicht nur Kulturen,
sondern auch Menschen zueinanderbringt. Seite 3
Foto: Amac Garbe
Austausch gesicherrtt
ZUR SACHE.
2
UNI INTERN
Henna Riemenschneider koordiniert
die studentische Ausbildung in der
Flüchtlingsambulanz. Foto: Amac Garbe
Von Bianca Seidel *
Sie fahren links, reden ständig
übers Wetter, duzen sich und
schütten Milch in ihren Tee –
die Briten tanzen bei einigen
Dingen aus der Reihe. Nichtsdestotrotz sind sie seit 1973
Mitglied der Europäischen
Union. Seitdem gibt es Diskussionen, inwiefern Großbritannien von der Mitgliedschaft profitiert. Brexit oder
Bremain? Bei diesem Thema
scheint das Land gespalten zu
sein. Bürokratie, Angst vor
Flüchtlingen, hohe Zahlungen
an Brüssel stehen gegen Vorteile in der Sicherheit und im
Handel sowie positive Auswirkungen durch Arbeitsmigranten. Monatelang hängen das
Referendum und die Diskussion über die Auswirkungen
über dem Vereinigten Königreich. Cameron verkündete im
Februar, dass er die Entscheidung in die Hand des Volkes
legt und bestimmte den
23. Juni als den Tag, an dem
die Briten ihr Kreuzchen setzen können. Fakt ist: Die Debatte hat nicht nur Auswirkungen auf die Finanzwelt.
Der Mord an der proeuropäischen Labour-Politikerin Jo
Cox soll mit dem Referendum
in Verbindung stehen. Angesichts dieser Tat fragt man
sich, ob die Debatte über diesen Teil Europas aus dem Ruder gelaufen ist.
* studiert Anglistik/Amerikanistik und
Germanistik an der TU Dresden und
schreibt seit April 2016 für „ad rem“
Die unabhängige Hochschulzeitung in Dresden
Nadine Faust,
Tel.: 0351 4864-2227, Mail: [email protected]
Marie-Therese
Franziska Goebel,
Greiner-Adam,
Lisa NeuLuise Martha Anter, Martin Linke,
gebauer, Johanna Mechler, Alisa Sonntag,
Nane Krüger,
Julius Meyer,
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: Tanja Rudert,
Lehmann, Alexander Stark,
Lion Schulz,
Susanne Magister,
Philipp Waack,
Marie-Luise Unteutsch,
Amac Garbe,
Norbert Scholz
Tobias Spitzhorn, Anne Zickler
Ostra-Allee 20, 01067 Dresden
Tel.: 0351 4864-2721, Fax: 0351 4864-2835
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Die 693. Ausgabe erscheint am
.
Interkulturelle Versorgung
Seit diesem Sommersemester können Medizinstudenten der TU Dresden
das Wahlpflichtfach
Flüchtlingsversorgung belegen. Neben theoretischen
Aspekten umfasst
das Fach auch eine
praktische Komponente in der Flüchtlingsambulanz
Dresden.
Das neue Wahlpflichtfach Flüchtlingsversorgung
an der TU Dresden ist ein Modellprojekt, für das
aus 35 Bewerbern zehn Studenten ausgewählt
wurden. Sie kommen in unterschiedlichen
Schichten in die Flüchtlingsambulanz, die es seit
September 2015 gibt. „Da die Versorgung von geflüchteten Menschen neu in Deutschland ist, haben wir nun eine Praxis, die ausschließlich auf die
Behandlung dieser Patientengruppe ausgerichtet
ist“, sagt Dr. Stephanie Taché, die die ärztliche
Leitung der Flüchtlingsambulanz der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) in Dresden
übernommen hat und Mitinitiatorin des neuen
Wahlpflichtfaches ist.
Vor Ort werden die Studenten individuell betreut.
Sie begleiten die Ärzte, diskutieren und evaluieren. Die Leiterin des Bereichs Allgemeinmedizin
an der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus
und Mitinitiatorin des neuen Wahlpflichtfaches,
Prof. Antje Bergmann, ist schon gespannt auf die
Ergebnisse: „Die Evaluation ist ganz wichtig für
uns, um zu sehen, wie es überhaupt ankommt.“
Das Praktikum wird im Abschlussseminar evaluiert, die Studenten berichten von ihren Erfahrungen und jeder Student verfasst ein Portfolio. In
der Ambulanz nehmen die Studenten die Rolle
des Beobachters ein. „Wir denken,
es ist eine gute Erfahrung für Medizinstudenten zu sehen, was man be„Das Ziel der Flüchtlingsachten muss, um solche Patienten
ambulanz ist es, eine
zu behandeln“, erklärt Taché. Das
kulturell und sprachlich
Fach, das teils auf Englisch und teils
auf
Deutsch unterrichtet wird,
angepasste medizinische
kommt gut bei den Studenten an.
Betreuung zu bieten.“
Im nächsten Semester wird die Zahl
Dr. Stephanie Taché
der Plätze auf 15 erhöht.
Die Flüchtlingsambulanz befindet
sich in Haus 28 des Universitätsklinikums Dresden und hat täglich von 9 bis 17 Uhr
geöffnet. Es ist eine Hausarztpraxis mit Allgemeinärzten, Kinderarzt, Psychiatrie und Gynäkologie, die jede Person mit Asylstatus in Anspruch
nehmen darf. Aufgrund der interkulturellen
Komponente nimmt die Behandlung mehr Zeit in
Anspruch. Neben neun Ärzten besteht die Ambulanz auch aus einem Farsi- und zwei ArabischDolmetschern. Im Schnitt werden 80 Patienten
pro Tag behandelt. „Das Ziel der Flüchtlingsambulanz ist es, eine kulturell und sprachlich angepasste medizinische Betreuung zu bieten“, betont
Taché.
Bei der Behandlung von geflüchteten Menschen
gibt es einige Besonderheiten. Daher besteht das
Wahlpflichtfach nicht ausschließlich aus Praxis.
Zusätzlich gibt es eine theoretische Komponente.
Im Einführungsseminar werden die Studenten
über die Hintergründe der Ambulanz informiert,
sie setzen sich mit dem Asylbewerberleistungsgesetz auseinander und erhalten wesentliche Informationen über religiöse, kulturelle und medizinische Besonderheiten der Herkunftsländer geflüchteter Menschen. Für die Behandlung dieser
heterogenen Patientengruppe benötigt man besondere Kenntnisse und Fähigkeiten. So gibt es
laut Taché „manchmal Frauen, die nur von Frauen untersucht werden wollen.“ Neben einer Ärztin wird dann auch eine weibliche Dolmetscherin
benötigt.
Wie geht es weiter?
„Die Herausforderungen und der Bedarf der
kulturkompetenten Betreuung werden sich nicht
so schnell ändern“, so ist sich Henna Riemenschneider, Koordinatorin des Projektes, sicher. Es
besteht eine enge Kooperation zwischen dem Bereich Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät und der KVS, die Träger der Flüchtlingsambulanz ist. „Das Modellprojekt läuft bis Ende
des Jahres und es ist noch unklar, wie es weitergehen soll. Momentan sind die Kosten durch die
Landesdirektion Sachsen und die Stadt Dresden
abgedeckt. Außerdem wissen wir nicht, wie sich
der Strom von Flüchtlingen entwickeln wird“, erläutert Taché.
| Bianca Seidel
UNI EXTERN
3
INFOHAPPEN.
Erste Studienhilfe
Der Dresdner Chor Singasylum nutzt Lieder
aus aller Herren Länder zur interkulturellen
Kommunikation.
Foto: Amac Garbe
Sing it loud, sing it clear!
Wie unterhält man sich mit
Menschen, die eine andere
Sprache sprechen? Der Dresdner Chor Singasylum hat eine
Lösung gefunden: Musik.
Es gibt viele mögliche Antworten auf Pegida. Nicht wenige sind vielleicht sogar der
Meinung, dass Pegida gar keine Antwort
wert sei. Elisabeth sieht das anders. Ihre
Antwort auf Pegida trifft sich jeden Montag zwischen 17 und 19.30 Uhr im Putjatinhaus am Rande Dresdens – und singt gemeinsam Lieder aus vielen verschiedenen
Ländern.
Das internationale Chorprojekt Singasylum war Elisabeths Idee. „Ich wollte eine
Plattform schaffen, damit Menschen aus
verschiedenen Ländern sich kennenlernen
können, um so indirekt Vorurteile abzubauen“, erzählt die 26-jährige Studentin
der Sozialen Arbeit an der Evangelischen
Hochschule Dresden und fügt hinzu: „Singen ist eben die einzige Sprache, die jeder
spricht.“ Leider nicht ganz jeder: Weil einige der Choristen schon Anfeindungen
auf der Straße erlebt haben, möchten Elisabeth und die anderen aus Sicherheitsgründen nur ihre Vornamen veröffentlicht
wissen.
Und dennoch: Das Konzept scheint aufzugehen. Viele Freundschaften und sogar
drei Pärchen sind innerhalb von Singasylum entstanden. Denn die Choristen singen nicht nur gemeinsam, sondern gehen
auch zusammen Eislaufen oder an der Elbe grillen und haben schon Plätzchen gebacken. Auch Chorleiterin Samira, die wie
Elisabeth zum fünfköpfigen Organisationsteam gehört und kurz nach der Gründung des mittlerweile seit einem Jahr bestehenden Chors dazustieß, sagt: „Ich habe
hier eine zweite Familie gefunden.“ Die
23-Jährige studiert Musik und Mathematik
auf Lehramt an der TU Dresden und investiert eine Menge Zeit in Singasylum: „Unsere Mitglieder sind aufgerufen, selbst Lieder aus ihren Ländern rauszusuchen, die
wir singen können. Wir schreiben den
Text gemeinsam in der jeweiligen Sprache
und deutscher Lautschrift auf. Danach setze ich mich daheim hin und versuche, die
Noten herauszuhören und mir eine Begleitung ausdenken“, erklärt Samira.
Einen festen Stamm von 30 Sängern hat
der Chor, die Mitglieder sind unter anderem aus Eritrea, Somalia, Syrien, dem Irak,
Afghanistan, den USA, Frankreich – und
natürlich aus Deutschland. Der 20-jährige
Sied aus Eritrea kommt seit fünf Monaten
regelmäßig zum Chor. „Ich wollte herkommen, um Leute kennenzulernen, damit ich
auch mein Deutsch verbessern kann“, sagt
er. Bei Hamid aus Afghanistan war das
ähnlich. „Die Leute hier sind alle total
freundlich und man kann mit ihnen nicht
nur lachen und singen, sondern sie helfen
uns auch, wenn wir mal ein Problem haben“, fügt der 16-Jährige hinzu. Die 53-jährige Deutsche Larissa ist über den Kirchenchor auf Singasylum aufmerksam geworden: „Wenn man mal etwas Neues ausprobiert, lernt man immer dazu. Ich habe
hier Berührungsängste abgebaut und gelernt, auf Leute einfach zuzugehen.“ Weil
das Projekt so erfolgreich ist, plant das Orgateam, einen Verein und in Gorbitz ein
Schwesterprojekt zu gründen. Dafür werden noch Organisatoren und ein Chorleiter gesucht.
| Alisa Sonntag
Netzinfos: www.kurzlink.de/Singasylum
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22. Juni am neuen Frontdesk
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Außerdem kann man das ServiceCenter per E-Mail und Telefon erreichen. Das Center
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| BS
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Deutschlandstipendium. Bei
der Bewerbung werden nicht
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sondern auch außeruniversitäres Engagement und die individuelle Bildungsbiografie.
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ab dem kommenden Wintersemester ist die Bewerbung
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4
SPEKTRUM
Janett Krätzschmar-König, Anke
Wagner und Katharina Kern (v. l.)
wollen internationale Wissenschaftler nach Dresden holen. Foto: Amac Garbe
INFOQUICKIES.
● Im Rahmen der Ausstellung „W. I. R. World – Identity – Relations“
und der Ringvorlesung „Politik und Kultur in Zeiten der Ungewissheit“ findet am 22. Juni (19 Uhr) der Diskussionsabend „Die offene
Gesellschaft – Welches Land wollen wir sein?“ in der Altana-Galerie
im Görges-Bau der TU Dresden statt. Bei dem öffentlichen Treffen
sind alle Teilnehmer eingeladen, ihre Meinung zu äußern und mitzudiskutieren. Netzinfos: www.die-offene-gesellschaft.de
● Prof. Stefan Hell gewann 2014 den Nobelpreis für Chemie. Am
22. Juni (19 Uhr) wird er im Audimax des Hörsaalzentrums der TU
Dresden einen öffentlichen Vortrag mit dem Titel „Optical microscopy: the resolution revolution“ in deutscher Sprache halten. Hell wird
berichten, wie es ihm gelungen ist, die Grenzen der Lichtmikroskopie
zu sprengen. Netzinfos: www.kurzlink.de/nobelpreistraeger
● Im Deutschen Hygiene-Museum Dresden findet am 23. Juni
(19 Uhr) eine kostenfreie Veranstaltung zum Thema „Kriegstrauma:
Was hilft Kindern nach der Flucht?“ statt. Nach ihrem Kurzvortrag diskutiert die Kinder- und Jugendpsychiaterin Dr. Jessika Weiß mit dem
Publikum darüber, wie Flüchtlingskindern geholfen werden kann.
Netzinfos: www.kurzlink.de/Kriegstrauma
● Für die Studie „Verhaltenstherapeutische Kurzintervention zur
Reduktion von Depersonalisation während Prüfungssituationen bei
Prüfungsangst“ (KURD) werden Studenten gesucht, die vor oder
während Prüfungen unter Ängsten leiden. Die Teilnehmer müssen
zwischen Juli und Oktober 2016 eine Prüfung zu absolvieren haben.
Netzinfos: www.kurzlink.de/KURDstudie
● WuKaMenta ist ein Labor, ein Markt, ein Festival und eine Messe.
Bis 26. Juni kann man täglich ab 17 Uhr auf dem Dresdner Neumarkt
Kunst im öffentlichen Raum erleben. 33 Künstler agieren dort mit
mobilen Galerien. Es finden Performances, Konzerte, Tanz und Theater statt. Netzinfos: www.kunst-der-luege.de
● Das Uniplaces Stipendium ermöglicht 15 Studenten, ein Semester
kostenlos im Ausland zu wohnen. Studenten, die sich in der Heimat
für ausländische Kommilitonen einsetzen, können sich per Video, Fotostory oder Essay bis einschließlich 30. Juni bewerben. Mitmachen
können Studenten weltweit. Die Gewinner werden am 14. Juli bekanntgegeben. Netzinfos: scholarship.uniplaces.com/de
● Fünf Studenten des Instituts für Kommunikationswissenschaft der
TUD haben eine Umfrage zur Nutzung vom Campusmedien wie
„ad rem“ erstellt, für die bis 30. Juni noch Teilnehmer gesucht werden.
Netzinfos: www.soscisurvey.de/BefragungCampusmedien
| BS
3. JULI 2016
016
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Wissen schafft
Wirtschaft
„Scientists into Business“ von
Akademikern der TU Dresden will
zwischen internationalen Wissenschaftlern und hiesigen Unternehmen eine Brücke bauen.
situationen im Privaten den sozialen Zusammenhang stärkt“, erklärt Wagner.
Lebendige Willkommenskultur
Scib fokussiert zwei Zielgruppen: Zum einen
wird internationalen Wissenschaftlern aus
Drittstaaten, die in Dresden und Umgebung zu
arbeiten beabsichtigen, ein Ansprechpartner
geboten. Das Scib-Team kümmert sich beiDie Idee zu „Scientists into Business“ (Scib)
spielsweise um rechtliche und bürokratische
kam Anke Wagner beim Schreiben ihrer
Angelegenheiten oder das Erstellen von indiviMagisterarbeit in den Sinn. Es geht um die
duellen Qualifikationsprofilen. Die Wissendemographische Entwicklung und quaschaftler und deren Familien sollen im alltäglilifizierten Zuwanderungsbedarf in Sachsen –
chen Leben unterstützt werden, sodass sie sich
ein politisch brisantes sowie hochaktuelles
hier wohlfühlen, die Gesellschaft kulturell und
Thema.
die Wirtschaft fachlich bereichern können.
Wagner geht aber noch einen Schritt weiter
Wagner liegt eine lebendige und offene Willund denkt an ein sinnstiftendes Projekt für die
kommenskultur sehr am Herzen: „Wir sind ein
Gesellschaft. Bei einem Brainstorming mit JaBaustein von vielen, die es braucht.“ Die Unnett Krätzschmar-König und Katharina Kern,
ternehmen, für die es Stellenausschreibungen
die zurzeit am Institut für Politikwissenschafzu veröffentlichen oder Auswahlprozesse für
ten promovieren, wurde das Konzept zu Scib
Bewerber zu koordinieren gilt, sind die zweite
entwickelt, einer Fullservice-Personalagentur
Zielgruppe.
für Arbeitsmigration aus Drittstaaten. Als
Um die Interessen beider Zielgruppen besser
Drittstaaten werden alle
zu vereinbaren, existiert
Nicht-EU-Länder
beeine Onlineplattform, auf
der sich internationale
zeichnet, deren Arbeit„Dresden ist der Anfang.
Fachkräfte bereits regisnehmer in der EU ArDas Projekt wäre an jeder
trieren können. Derzeit
beitsmarktbeschränkunanderen Uni denkbar.“
werden weitere Kooperagen unterliegen.
tionspartner für das
Bis November 2016 wird
Janett Krätzschmar-König
Gründungsprojekt
geScib von „Herausfordesucht. Das TUD-Welrung Unternehmertum“
come-Center unterstützt das Scib-Team mit eigefördert. Für den Förderzeitraum durchläuft
nem Workshop, der Bedürfnisse von Mendas Team um Anke Wagner, zu dem Studenschen aus Drittstaaten ermitteln soll. Auch mit
ten, Promovierende und Absolventen aus
Oberbürgermeister Dirk Hilbert wurde bereits
unterschiedlichen Fachrichtungen wie Ingesprochen, der das Projekt sehr begrüßt. Das
formatik, Psychologie oder Jura gehören, ein
Scib-Team denkt perspektivisch an ein globaBildungs- und Gründungsprogramm. Bislang
les Netzwerk von Kooperationspartnern.
ist eine Mitarbeit bei Scib lediglich gemeinKrätzschmar-König findet: „Dresden ist der
nützig, was die Entschlossenheit und das EnAnfang. Das Projekt wäre an jeder anderen Uni
gagement aller Beteiligten nicht schmälert,
| Paul Bischoff
denkbar.“
sondern trotz „unterschiedlicher Belastungs-
GESUNDHEITSKULT
5
Das Beste geben:
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Das Beste geben.
ABSAHNEN.
● Schreibtisch, Bett, Kommo-
Richtiges Verhüten will auch gelernt sein.
Karikatur: Norbert Scholz
Kein Sex ist auch keine Lösung
Im Dezember wurde ein Gesetzesantrag der Linken im Sächsischen Landtag abgelehnt, der
kostenlose Verhütungsmittel
für Geringverdiener anpeilte.
Studenten, Hartz-IV-Empfänger
und andere müssen also auch
weiterhin selbst für die Verhütung aufkommen.
Pille aber bezahlt. „Für uns ergibt die Regelung keinen Sinn. Müssen Frauen mit 21
plötzlich nicht mehr verhüten?“, macht
Susanne Schaper ihre Einstellung deutlich. Auch die 17 Euro hält sie für zu
knapp bemessen und verweist darauf,
dass allein die Pille monatlich rund 20 Euro koste – und von der Pauschale auch alle
anderen Medikamente bezahlt werden
müssen. „Ganz zu schweigen davon, dass
manche Frauen die Pille nicht vertragen
und dann beispielsweise mit einer Spirale
verhüten müssen, die einmalig circa 200
Euro kostet.“ Um das Problem zu lösen,
schlägt sie vor, dass Betroffene die Kostenerstattung für ihre Verhütungsmittel
beim Staat beantragen können – oder die
Pauschale die Kosten mit abdeckt.
Oft passiert es nicht, dass die Abgeordneten des Sächsischen Landtages über Sex
diskutieren. Beim letzten Mal stritten die
Parlamentarier über einen Gesetzesantrag
der Linken. Thema: kostenlose Verhütungsmittel für Geringverdiener, also
Sexueller Offenbarungseid?
auch für Studenten. Die Debatte zum Antrag fand im Dezember statt und, wie es
Einen gänzlich anderen Blick auf die Thedas Schicksal vieler Oppositionsanträge
matik hat Alexander Krauß. Der sozialpoist, er wurde abgelehnt.
litische Sprecher der CDU-Fraktion des
Susanne Schaper sitzt für Die Linke im
Sächsischen Landtags steht hinter der
Sächsischen Landtag und hat den Antrag
Entscheidung gegen den Gesetzesantrag:
eingebracht. Ihr liegt das Thema nach wie
„Zum einen zahlt ja bei medizinischen
vor am Herzen: „Jeder sollte die Freiheit
Problemen und in Spezialfällen die Kranhaben, unabhängig
kenkasse. Zum anderen
von den Finanzen
sind die Hartz-IV-Paumit dem Mittel der
schalsätze
fair berech„Jeder sollte die Freiheit
eigenen Wahl verhünet: Die Empfänger behaben, unabhängig von
ten zu können. In
kommen das, was die
den Finanzen mit dem
der aktuellen Geset20 Prozent der arbeitszeslage ist das aber
tätigen
Bevölkerung,
Mittel der eigenen Wahl
leider nicht gegedie am wenigsten ververhüten zu können.“
ben.“ Mit der Hartzdienen, mit nach Hause
Susanne Schaper
IV-Regelung
von
bringen.“ Die Idee der
2004 änderte sich für
Kostenübernahme hält
sozial
bedürftige
er außerdem für prakFrauen einiges: Anstatt die vom Arzt vertisch nur schwer umsetzbar. Die Sachbeordnete Pille wie bisher als Sonderleistung
arbeiter, die nötig wären, um die Anträge
vom Staat bezahlt zu bekommen, fallen
auf Kostenübernahme zu bearbeiten, seidie Kosten für Verhütungsmittel seitdem
en ein unverhältnismäßig großer Aufin die pauschalen 17 Euro, die Hartz-IVwand. Das zur Verfügung stehende Geld
Empfänger zur „Gesundheitspflege“ zur
selbstverantwortlich einteilen zu müssen
Verfügung haben. Bis einschließlich des
sei da der bessere Weg. „Außerdem“, fügt
20. Lebensjahres bekommen Mädchen die
er hinzu, „müssten Betroffene dann quasi
ins Amt gehen und dort einen Antrag für,
beispielsweise, drei Kondome stellen. Ich
empfinde es als unmenschlich und erniedrigend, sein Sexualleben so offenbaren zu
müssen.“
Zumindest für das letzte Problem hat Daniel Förster, einer der Geschäftsführer des
Studentenrates der TU Dresden, eine Lösung bereit: „Wir könnten uns das so vorstellen, dass man als Geringverdiener mit
seinem Studierendenausweis oder seinem
Sozialpass die Verhütungsmittel direkt in
der Apotheke kaufen kann und die Apotheke das dann im Nachhinein entsprechend abrechnet. Das scheint mir für die
Betroffenen die einfachste Lösung.“ Als
Vertreter der Studierendenschaft spricht
sich der Studentenrat für kostenlose Verhütungsmittel für Geringverdiener aus.
Die Pressesprecherin des deutschlandweiten Beratungsverbands Pro Familia, Regine Wlassitschau, spricht sogar von einem
„Recht auf Verhütung“, bei dem eine freie
Wahl der Methode unverzichtbar sei. „Pro
Familia setzt sich für eine bundesweite
Regelung der Kostenübernahme ein. Damit alle wirklich frei entscheiden können,
wie sie verhüten, ist Verhütung aber auf
keinen Fall pauschal regelbar.“ Sie erklärt
außerdem, dass die Kostenübernahme so
umgesetzt werden müsse, dass für Betroffene der Aufwand so gering wie möglich
gehalten wird – und dass das Ganze
gleichzeitig gut beworben werden müsse.
Regelung auf Bundesebene?
Weil ihr Gesetzesantrag im Sächsischen
Landtag abgelehnt wurde, setzt sich Susanne Schaper jetzt dafür ein, dass Die
Linke das Thema auf Bundesebene noch
einmal einbringt. Wenn nicht, sagt sie,
müsse sie den Antrag eben abändern –
denselben darf sie nicht noch mal einbringen. Dann passt sie ihn der Forderung der
bayrischen CSU an, die Pille bis zum
27. Lebensjahr kostenlos zur Verfügung
zu stellen. Besser als nichts. | Alisa Sonntag
de – wo habt Ihr eigentlich Eure Möbel her? Was passieren
kann, wenn IKEA lokale Geschäfte pleitegehen lässt, davon handelt die norwegische
Komödie „Kill Billy“ (Kinostart:
23. Juni). Der Film basiert auf
dem Buch „Ein ehrliches Angebot“ von Frode Grytten und
erzählt die Geschichte eines
bankrotten Möbelverkäufers,
der Rache an IKEA-Gründer
Ingvar Kamprad üben will.
„ad rem“ verlost zwei Freikartenpaare für den Film und
zweimal das Originalbuch.
● Viele beklagen, der ur-
sprüngliche Charakter der
Neustadt gehe verloren, Stichwort Gentrifizierung. Aber wie
war es denn damals, als alles
besser war? Antworten auf
diese Frage liefert der Fotoband „Offene Türen. Wohnen
und Leben in der Dresdner
Neustadt 1982 bis 1996“ von
Günter Starke. Wir verlosen
drei Ausgaben des Buches.
● Bock auf Film- und Buch-
kultur? Schreibt eine Mail mit
Namen, Gewinnwunsch und
der Antwort auf unsere Frage
an [email protected]: Welcher unsichtbare Körperteil
reguliert den Markt? Einsendeschluss: 27. Juni (18 Uhr).
Rechtsweg ausgeschlossen.
Absahner 9.2016
Auf Tour mit je einem Sportfreund gehen Kristin Merkwitz
und Michael Schütz beim SZFahrradfest.
| SB
6
REISE
Der Dom des Heiligen Sava thront im
Zentrum Belgrads. Das 1935 begonnene Bauwerk ist noch nicht vollendet.
Fotos: Eva Gößwein
HIN UND WEG.
Flüge nach Belgrad gibt’s von
Berlin oder Leipzig für circa
100 bis 150 Euro pro Strecke.
Etwas günstiger, aber weniger
komfortabel sind die Fernbusse z. B. von Eurolines. Beim
umweltbewussten Reisen mit
dem Bus spielt das Koffergewicht keine große Rolle, dafür
braucht man Sitzfleisch: 18 bis
20 Stunden dauert die Reise in
die serbische Hauptstadt. Wer
Zugfahren und ein bisschen
Abenteuer mag, kann mit
dem Zug von Dresden bis zur
ungarischen Hauptstadt Budapest gelangen und von dort
einen weiteren Zug nach Belgrad nehmen. Das ist günstig
(mit dem Bahnspezialpreis
39 Euro bis Budapest plus etwa 15 Euro bis Belgrad), aber
etwas aufregend, da die Züge
außerhalb der EU nur direkt
am Bahnhof in Budapest gebucht werden können. Auch
die Fahrzeit von Budapest
nach Belgrad sollte man nicht
unterschätzen. Da die Züge
langsam fahren und die EUAußengrenze auf der Strecke
liegt, braucht man noch mal
um die acht Stunden.
| EG
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SAIGON
JOHANNESBURG
KAPSTADT
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Auferstandene Hauptstadt
In der Einkaufsstraße reihen sich
Klamottengeschäfte an Drogeriemarktketten, im studentisch
geprägten Viertel finden sich
Unigebäude neben Cafés und
Kneipen, während anderswo
Häuser mit Bombenschäden
das Stadtbild Belgrads prägen.
In Belgrad scheint einiges nicht dorthin zu
passen, wo man es findet. Die serbische
Hauptstadt vereint sozialistischen Plattenbau mit pompösen orthodoxen Kirchen
und gläsernen Neubauten. Sie bietet Szeneviertel und eine spannende, aber verworrene Geschichte.
Belgrad war in der Vergangenheit immer
wieder Eroberungen ausgesetzt, vor allem
wegen seiner strategischen Lage am Zusammenfluss von Donau und Sava. Mal kamen die Osmanen nach Belgrad, mal die
Ungarn. Bei jeder Eroberung wurde zerstört und gebrandschatzt. Die Bomben des
Kosovo-Konflikts fielen 1999 auf die Stadt,
diesmal von NATO-Seite. Noch heute, fast
20 Jahre später, kann man in einigen Ecken
Belgrads das Ausmaß der Zerstörung erahnen.
Trotz oder wegen dieser bewegten Vergangenheit vereint das moderne Belgrad seinen ex-jugoslawischen Hauptstadtflair mit
einem lebhaften Nachtleben und einer blühenden Subkultur. Wer sich über die EUAußengrenze hinausgewagt hat, den be-
lohnt die Stadt mit Kafanas voller Livemu- schon heute in strahlend weißem Marmor
sik, auf der Sava schwimmenden Clubs und neben der Belgrader Universitätsbibliothek
günstigem Rakija (Obstbrand). Und taucht thront.
man noch etwas weiter ein in die belebten Wenn man sich etwas intensiver mit der
Nebengassen, Hinterhöfe und Wohnungs- Lage des heutigen Serbiens auseinanderbars, bekommt man ein Bild von dieser setzt, kann man zum Schluss kommen,
Stadt, das so gar nicht zu dem von ver- dass der Dom des Heiligen Sava eine Metagangenen Kriegen passen möchte.
pher für die Lage des jungen Landes ist:
Inzwischen ist Belgrad ein Paradies für Prächtig und pompös strahlt das Bauwerk
Rucksacktouristen, gibt es doch an beinahe nach außen, während sich in seinem Injeder Ecke ein Hostel zu vertretbaren Prei- nern die Bauarbeiten hinziehen und Raum
sen. Wählt man eines, das nicht zu sehr für Besucher mit legerer Kleidung lassen.
vom Stadtzentrum entfernt ist, kann man Ganz ähnlich funktioniert die Belgrader
Belgrad bequem zu Fuß erkunden. Auf kei- Kunst- und Kulturszene: Künstler und Kunen Fall missen sollte man bei einem sol- ratoren füllen die selbstorganisierten Galechen Spaziergang den Trg Republike (Platz rien der Stadt mit teils beeindruckenden
der Republik), den eine Statue von Prinz Werken, obwohl sie oft mit mangelnder (fiMihailo auf einem Pferd krönt – der wohl nanzieller) Unterstützung zu kämpfen habekannteste Treffpunkt zum abendlichen ben.
| Eva Gößwein
Ausgehen. Von dort aus führt
die Knez Mihailova in Richtung Kalemegdan, der Festungsanlage Belgrads. Auch an
den weitläufigen Mauern Kalemegdans lassen sich die unterschiedlichen Eroberungszeiten
ablesen. Und für die nicht
übermäßig Geschichtsinteressierten bleibt der Blick von den
Festungsmauern auf das tiefergelegene Novi Beograd (NeuBelgrad). Etwas weiter „ab vom
Schuss“, aber trotzdem unbedingt sehenswert, ist der Dom
des Heiligen Sava: eine orthodoxe Kirche, die zwar noch Auf dem Trg Republike findet man die Statue von Prinz Minicht fertig gebaut ist, aber hailo: ein beliebter Treffpunkt zum abendlichen Ausgehen.
SATT UND ZUFRIEDEN.
In der Balkanküche findet sich vor allem eines: viel Fleisch. So sind Čevapči (gegrillte
hautlose Würstchen) auch in Belgrad ein
Klassiker und es gibt sie an den sogenannten Roštilji (Grills) im typischen Fladenbrot.
Sucht man etwas tiefer in den verwinkelten
Straßen Belgrads, findet sich abseits vom
Fast Food eine breite Esskultur, die vor al-
lem aufgrund der sehr bezahlbaren Preise
zum Probieren einlädt. Das beste Eis der
Stadt beispielsweise gibt es bei Moritz Eis,
einem Eiscafé auf dem Bulevar Mihajla Pupina. Wenn es etwas Deftiges sein soll, lohnt
es sich, im Gnezdo vorbeizuschauen, einem
bio-regionalen Restaurant mitten im hippen Stadtteil Savamala neben der Brankov-
Brücke mit vegetarisch/veganem Angebot,
oder im Radost, einem veganen Restaurant
unterhalb von Kalemegdan. Bei großem
Hunger oder wenn es mal schnell gehen
muss, bleiben die serbischen Pekaras (Bäckereien) mit ihrem unfassbar günstigen Pita- (Teigtaschen mit unterschiedlicher Füllung) und Kifle- (Hörnchen) Angebot. | EG
Exzesspioniere.
Foto: Pandorafilm
Die Liebe
einer
Mutter
Penélope Cruz brilliert in
„Ma Ma – Der Ursprung
der Liebe“ von Julio Médem als starke Frau, die
für das Leben und die
Liebe kämpft.
Magda (Penélope Cruz) wurde gerade von ihrem Mann verlassen,
da schlägt das Schicksal erneut zu:
Sie erhält eine Krebsdiagnose und
ihr wird eine Brust abgenommen.
Entmutigt vom Leben ist Magdas
einziger Trost Sohn Dani (Teo Planell), für den sie immer Stärke beweist. Als Talentscout Arturo
(Luis Tosar) auf die Fußballkünste
von Dani aufmerksam wird, findet
Magda eine neue Liebe und
schöpft wieder Lebensmut – bis
der Brustkrebs zurückkehrt und
sie mit dem Tod konfrontiert.
Die ambivalente Performance von
Penélope Cruz, die sich durch eine
natürliche Lebendigkeit auszeichnet, gehört zweifellos zu den besten ihrer Karriere. Doch Regisseur
Julio Médem („Die Liebenden des
Polarkreises“) überfrachtet den
Film mit platten symbolischen Bildern. Beispielsweise verschwinden
Krebse zurück ins Meer, als Magda den Brustkrebs zum ersten Mal
erfolgreich überstanden hat. Zudem springt der Film bei jedem
Schicksalsschlag in die Zukunft,
um die Tragik des Geschehenen
abzufangen. Dabei entzieht Médem den Szenen jedwede Authentizität und Intensität. „Ma Ma –
Der Ursprung der Liebe“ behandelt die Tragödie einer lebensbejahenden Frau und wirkt viel zu artifiziell, um zu berühren. Die Szene in dem Swingerclub mit dem
geradezu prophetischen Namen
„Der Ursprung der Welt“, bei der
Magda von drei Männern als Symbol göttlicher Trinität geschwängert wird, bringt das Dilemma des
Films auf den Punkt: Cruz’ bewegendes Schauspiel geht in Médems
künstlicher Bildsprache vollkommen unter.
| Paul Bischoff
Geplanter Kinostart: 30. Juni
Penélope Cruz.
Foto: MFA + Filmdistribution
FILMKULT
7
HALB FICTION.
Sex, Drugs, …
Mit Felix van Groeningens neuem Film „Café Belgica“ durchlebt der Zuschauer eine Reihe
durchzechter Nächte.
thentisch das Treiben in der Kneipe wiedergibt, ist wohl dem persönlichen Hintergrund von Regisseur und Drehbuchautor
Felix van Groeningen („The Broken Circle“) zu verdanken. Sein Vater hatte einst
das Café Charlatan in Gent eröffnet, in
dem Groeningen selbst als Jugendlicher
aushalf. Mit Unterstützung der belgischen
Kultband SOULWAX sind auf diese Weise
Szenen entstanden, in denen man als Zuschauer am liebsten das Kino verlassen
würde, um sich selbst ins Partygetümmel
zu stürzen. Wenn auch das Zusammenspiel von Bild und Musik sowie die schauspielerischen Leistungen durchweg überzeugen, weist „Café Belgica“ mit seinen
rund zwei Stunden doch einige Längen auf.
Nichtsdestotrotz lohnt sich für alle, die
kleinere Schwächen im Plot verzeihen können, der Gang ins Kino – allein wegen der
| Marie-Luise Unteutsch
Musik.
Die Brüder Jo (Stef Aerts) und Frank (Tom
Vermeir) könnten nicht unterschiedlicher
sein. Jo ist Mitte zwanzig und hat in Gent
eine heruntergekommene Kneipe, das Café
Belgica, übernommen. Sein Bruder Frank,
einige Jahre älter und bereits Familienvater, wittert die Chance, den geordneten
Bahnen seines Lebens, mit dem er so unzufrieden ist, zu entkommen, und erklärt
sich bereit, in der Bar auszuhelfen. Innerhalb kürzester Zeit bauen die Brüder, die
sich jahrelang aus den Augen verloren
hatten, das Café Belgica zum kultverdächtigen Treffpunkt aus. Doch als sie sich
selbst im nächtlichen Partyleben zu verlieren scheinen, droht ein erneuter Bruch.
Dass der Film dabei eindrücklich und au- Geplanter Kinostart: 23. Juni
Lächelnder Revoluzzer
begegnet dem eigenen Familiendrama mit
lebensbejahendem Humor, dezentem und
emotionalem Witz gewürzt mit Ironie und
einer Vielzahl an liebenswert-schrulligen
Charakteren. Die Antworten, die der Film
zur Integration gibt, sind letztlich aber zu
einfach und optimistisch. Jedoch leistet er
auf einer anderen Ebene wichtiges: Er geht
ans Herz. Er zeigt Menschen mit Sorgen
und Hoffnungen, er zeigt Liebe und Tod
Der Aufstieg der Islamisten unter Ayatol- und einen Willen, der Wege weist. Nicht
lah Chomeini hat die Iraner um ihre Revo- perfekt, aber doch zielführender als monlution betrogen. Der kommunistischen tags zu „spazieren“.
| Paul Drogla
Gruppe um Hibat (Kheiron) stehen nun
Verfolgung, Haft und Todesstrafen bevor, Geplanter Kinostart: 30. Juni
sodass ihm nur die Flucht bleibt. Nicht jedoch, ohne Frau und Kind mit auf die Reise zu nehmen, an deren Ende sie orientierungslos in den Armutsvierteln von Paris
stranden.
Der französische Komiker Kheiron macht
es sich nicht leicht: In seinem Debütfilm
als Regisseur spielt er zugleich die Hauptrolle, deren reales Vorbild sein eigener Vater ist. Dabei unterlässt er es jedoch, eine
einseitige autobiografische Tragödie über
Flucht, Vertreibung und zögerliche Inte- Alles, was für Hibat zählt, sind die Familie und
grationspolitik zu präsentieren. Denn er der Humor.
Foto: NFP marketing & distribution
„Nur wir drei gemeinsam“
schafft die Gratwanderung zwischen Drama und Komödie sowie den Spagat zwischen iranischer Geschichte und Kommentar zur Flüchtlingspolitik.
Von Paul Drogla
Das Licht ging aus und der
Projektor begann zu knattern.
Der Staub auf der Rolle tanzte
über die Leinwand und zeigte,
dass der Film gesehen wurde,
dass er geliebt wurde. 35 mm
– das war Kinomagie! Seit einigen Jahren geben Verleihe
aber keine Filmrollen mehr
aus und die Altbestände verschwinden sukzessive. Ein
teurer Projektor mit integriertem Rechner digitalisierte die
Kinohaptik. Und wer in
Kleinstädten nach gemütlichem Kinoflair sucht, wird
feststellen, dass viele Lichtspielhäuser den Digitalwechsel nicht schafften und schließen mussten. Denn wer heute
bestehen möchte, muss digital sein, muss 3-D sein und
muss ein größeres Fast-Foodals Filmangebot bieten. Und
die Spirale dreht sich weiter.
In Dresden gab und gibt es Kinomagie mit Sommerbonus –
nachdem die Sonne den Horizont geküsst hat und dem
Nachthimmel gewichen ist,
kann sich der Cineast im Freien dem Filmvergnügen widmen. Doch während bei den
Filmnächten unter immensem
Kostenaufwand die digitalen
Bilder auf die Leinwand geballert werden, verschwinden allmählich die kleinen Sommerkinos. Das Cinema Paradiso in
der Zschoner Mühle hat nach
21 Jahren den Betrieb eingestellt, denn der Digitalprojektor des veranstaltenden Club
Passage ist nicht transportabel. Nostalgisch führt man das
„Sommerkino“ nun im Haus
fort. Der Preis? Keine Sommerbrise mehr, kein Flair des anderen Ortes – aber dafür aktuelle Filme in tadelloser Bildqualität! Und wo bitte ist das
Hirschkino abgeblieben? Ich
bin zwar kein Freund von
halbleeren Gläsern, aber
wenn selbst der medienwirksame Herr Tarantino permanent an die Qualitäten des
analogen Films appelliert,
dann fragt man sich schon:
Kinomagie, quo vadis?
MI 22.06.
730 | JohannStadtHalle Theatertag des Bertolt Brecht Gymnasiums
1800 | Kleines Haus Der Club der geflüchteten und nicht geflüchteten Bürger: Auf den Trümmern das Paradies?
1800 bis 2000 | Landesbühnen Sachsen Alles spielt - 17. Amateurtheaterfestival
1900 | die bühne - das theater der TU Prof(s)ession Staffel 3#3
1900 | Projekttheater Sommerkulturtag des Gymnasiums
Dreikönigsschule
1900 | Städtische Galerie Dresden - Kunstsammlung Wohin
mit der Schönheit? 20 Jahre Sächsische Akademie der
Künste
1930 | Reisekneipe Neuseeländische Abenteuer
2000 | Haupt- und Musikbibliothek Peter Wawerzinek
2000 | Hochschule für Musik Examen Jazz/Rock/Pop/Gesang
2000 | Kleines Haus Der Club der informierten Bürger: #HakunaSmartData
2000 | St. Pauli Ruine Elefunk
2300 | Groove Station MiDi
8
Menschen ohne Orientierung
Zeit für Bücher
DO 23.06.
1800 | Kleines Haus Der Club der feministischen Bürger_innen: JedeN von uns
1900 | Parktheater Großer Garten Götz Widmann "Solo und
Spontan"
2000 | Kleines Haus Der Club der lehrenden Bürger:
Schlacht.Fest
FR 24.06.
Staatsschauspiel
ta
Dresden
1700 | Kleines Haus Der Club der dramatischen Bürger: mutter(sprach)los
1900 | Kleines Haus Der Club der zählenden Bürger: Damit
rechnen Sie nie!
1930 | Buchhandlung LeseLust in den Kunsthandwerkerpassagen Wortschätze
1930 | Reisekneipe Kanada - Ein bisschen Work und viel
Travel im schönsten Land der Welt
2000 | Schauburg Lachpalast
2030 | Büchers Best Staun & Schauder
2100 | Kellerklub GAG 18 Wünsch dir Metal
2100 | Kleines Haus Der Club der egoistischen Bürger: Bis einer heult
2222 | Club Mensa Europa Tanzt
Schöne Ferien!
n u ns w ieder am
Wir sehen
19. Augusst, wen
n n es heißt:
Willkommeen im Palais
im Großen
n Gaa rten.
SA 25.06.
1130 | Semperoper Eugen Onegin - Premieren-Kostprobe
1800 | Hellerau Europäisches Zentrum der Künste Floor on Fire - Newcomer Special Edition
2000 | ego - Das Wohlfühlhaus Saisonabschluss Tanzparty
2000 | Labortheater Die Suche nach dem Ohh!
2222 | Club Mensa Everybody Dance Now!
2230 | Kleines Haus Bürgerbühnen-Party
SO 26.06.
1600 | Hoftheater Weißig 11. Spielzeit-Abschluss-Gala
1700 | Zwinger Die vier Jahreszeiten
2015 | die bühne - das theater der TU Eindringling(e)
MO 27.06.
2000 | Alter Schlachthof Lucinda Williams
2100 | Scheune Jazzfanatics
DI 28.06.
2000 | Alter Schlachthof The Last Shadow Puppets
2000 | Hellerau Europäisches Zentrum der Künste Dienstagssalon: John Moran
2000 | Zapfanstalt Beats´n´Beer
2100 | Altes Wettbüro Locomotion
MI 29.06.
1900 | Stadtmuseum Dresden, Landhaus A Quattro mit Klarinette
1900 | Städtische Galerie Dresden - Kunstsammlung Musik,
Poesie, Performance
1930 | Reisekneipe Samoa - 6 Monate an der Datumsgrenze
DO 30.06.
2000 | Schloss Schönfeld - Das Zauberschloss Victor van Ortens Bizarres Kabinett
2200 | Chemiefabrik Jugendtanz
2300 | TBA Thursdaze
FR 1.07.
1930 | Schloss Wackerbarth Spiel der Aromen
2200 | Blue Dance Club Freitag Nacht
SA 2.07.
2000 | Queens & Kings Queens Day
2100 | Hebeda's Zebra Disco
SO 3.07.
1800 | Puro Beach/Pier 15 Bailamor´s Salsabeach
2100 | Tir Na Nog Session im Pub
9
KULTUHR VOM 22. JUNI BIS 5. JULI 2016
Man stelle sich vor,
man befindet sich in
einer Millionenstadt
ohne jegliche Kenntnis
der Landessprache
und -kultur. Welche
Orientierungslosigkeit
würde sich wohl einstellen? Solch eine Verlorenheit wird am
23. Juni (19.30 Uhr) im
Programmkino Ost
thematisiert. Das
Dresdner Institut für
Psychodynamische
Psychotherapie zeigt in
der Reihe „Psychoanalyse und Film“ Sofia
Coppolas „Lost in
Translation“ (Foto:
Markus Schneider).
Bill Murray und Scarlett Johansson treffen
sich auf wunderbare
Weise in der Weltstadt
Tokyo: Desorientiert –
sowohl in der Umgebung als auch im Leben – versuchen sie
sich nun gegenseitig
dabei zu helfen, wieder
Halt zu finden. Diplompsychologin Nicole Fritsch wird eine
Einleitung zum Film
geben.
| CL
Neben zahllosen Aufgaben für die Uni und
dem regelmäßigen
Pflegen sozialer Kontakte bleibt im Semester meist kaum Zeit für
eine entspannende
Lektüre. Das kostenlose Lies-vor!-Festival
(Foto: Amac Garbe)
bietet deshalb am
29. Juni (18.30 Uhr) im
Victor-Klemperer-Saal
im Weber-Bau der TU
Dresden auch dieses
Jahr die Möglichkeit,
bei einer gemütlichen
Atmosphäre mit bewusstem Catering in
die bibliophile Welt
einzutauchen. Unter
dem Motto „Leben/Lesen lernen wir indem
wir leben/lesen“ präsentieren Studenten
Bücher, die für sie eine
besondere Bedeutung
haben. Mit dem Büchertauschtisch steht
dem eigenen Lesevergnügen dann nichts
mehr im Wege. Und
vielleicht entdeckt der
eine oder andere ja
sein neues Lieblingsbuch.
| PaB
Marché Mövenpick im Hauptbahnhof Dresden
eröffnet nach Umbau wieder
Seit Mitte Mai hat das Marché Mövenpick Restaurant im Dresdner
Hauptbahnhof nach viertägiger
Umbauzeit wieder geöffnet. Wenn
man von den Zügen in das Restaurant kommt, trifft man jetzt direkt
auf die Küche mit den beliebten
Rösti-Pfannen. Diese kann man
sich einfach am Counter wegnehmen und es sich schmecken lassen
„Wir haben jetzt zur Mittagszeit
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ein wöchentlich
wechselndes
Lieblingsessen
im Angebot, das
gibt’s im Menü
mit Getränk und
Dessert oder Salat schon für 9,80
Euro“, Ganz neu: ab 17 Uhr wird
bedient. Nichts geändert wurde an
der Frische und dem „Frontcooking“: man kann den Köchen bei
der Arbeit zuschauen. „Sie können
zusehen, wie die Kartoffel in die
Pfanne geraspelt wird, frischer
geht’s wirklich nicht mehr“
Marché Mövenpick Dresden | Wiener Platz 4 | 01069 Dresden | Tel.:
43899010 | Web: Marché Dresden
Autoren zum Mitnehmen
Da steht ein Autor in
unsrer Küche! So ähnlich könnte es bald in
jeder abenteuerlustigen WG Dresdens passieren. Denn das Literaturhaus Villa Augus-
tin liefert bei der Aktion „Pick your Author!“
zwei Autoren an literaturbegeisterte Studenten aus, die sich noch
bis Ende Juni per
E-Mail an info@litera-
turhaus-dresden.de
um eine Privatlesung
in der eigenen WGKüche bewerben können. Zur Auswahl stehen die Schriftsteller
Willi Hetze (Foto: Literaturhaus Dresden),
Vorsitzender des
Dresdner Vereins Literaturner, und Francis
Mohr von der Lesebühne Phrase4, mit denen 90 Minuten diskutiert, getrunken und
gelesen werden darf –
alles auf Kosten des Literaturhauses. Zudem
gewinnt die kreativste
WG-Bewerbung einen
50-Euro-Gutschein für
den Literaturshop. | TR
+++ Viele Ärzte informieren nicht genug über die Wirkung der Pille. +++ Es liegt in der Natur des Menschen, Kinder zu bekommen. +++ Die Pille ist schlecht für die Umwelt. +++
Saskia
Schwer, 20,
2. Bachelorsemester
Hydrowissenschaften, TUD
Ich habe die Pille
fünf Jahre lang genommen und vor einem halben Jahr
aufgehört, weil sie
mir einerseits zu teuer war und andererseits die Skepsis bezüglich der Einflüsse zu groß wurde. Wenn es sie für Studenten kostenlos gegeben hätte, hätte ich sie aber vielleicht noch zwei
Jahre länger genommen und dann abgesetzt, weil ich mir in
zwei Jahren Kinder besser vorstellen kann. Da mein Partner aber
gerade im Auslandssemester ist und einige Freundinnen ebenfalls von der Pille wegkommen wollten, hat es sich angeboten,
jetzt aufzuhören. Nach dem Absetzen wurde meine Haut
schlechter. Die Umstellung ist enorm, aber ich finde das wird
auch oft überbewertet. Gut ist, dass ich jetzt mehr auf meinen
Körper höre. Ich weiß ganz ohne Terminkalender, wann mein
Zyklus anfängt. Und ich fühle mich viel fraulicher ohne sie.
Eine bittere
Pille?
Lucy Nisser,
23, 8. Diplomsemester
Bioverfahrenstechnik,
TUD
Die Antibabypille gilt als ein sicheres und unkompliziertes
Verhütungsmittel. Aber sie ist nicht unumstritten. Die kleine
Pille ist auch ein Eingriff in den natürlichen Kreislauf des Körpers und verändert den Hormonspiegel. Zudem ist sie nicht
gerade günstig. Je nach Marke bezahlen Frauen bis zu 150 Euro im Jahr für das Verhütungsmittel. In der Politik wird darüber nachgedacht, die Pille für Geringverdiener, zu denen
auch Studenten gehören, kostenlos anzubieten. Ist das eine
gute Idee? Und wie stehen Studenten zu der Antibabypille
im Allgemeinen? Welche Erfahrungen haben sie gemacht?
„ad rem“ hat nachgefragt und spannende Antworten bekommen.
Lisa Krause, 22, 4. Semester
Staatsexamen Lehramt Sozialpädagogik, Geschichte, TUD
Die Pille kostenlos für Studenten zu machen finde ich schwierig. Ich vermute, dass dann viele Frauen darauf zurückgreifen,
ohne sich ausreichend zu informieren. Denn die Pille hat starke Einflüsse auf den Körper. Ich habe mich als Teenie mit meiner Mama unterhalten und mich viel darüber informiert. Herausgekommen ist, dass ich sie nicht genommen habe und es
bis heute nicht tue, weil sie mir zu stark in den Hormonspiegel
eingreift. Ich finde, dass viele Ärzte darüber nicht ausreichend
informieren. Einige meiner Freundinnen nehmen die Pille ohne den Zwang zu verhüten, damit sie weniger Regelschmerzen haben oder weniger Pickel. Das finde ich nicht gut.
Durch mein Studium
kenne ich mich mit der
Wirkung der Pille aus.
Sie hat einen starken
Einfluss auf den natürlichen Zyklus, das ist ja
klar. Ich nehme die Pille
zwar, merke aber selbst, dass sich dadurch meine Stimmung oft
verändert. Trotzdem ist sie natürlich ein gutes und sicheres Verhütungsmittel. Die Pille kostenlos für Studenten zu machen finde ich allerdings nicht gut. Ich hätte dann die Befürchtung, dass
die Pille „verscherbelt“ wird, also bei der Produktion die Qualität
leidet. Eine Vergünstigung wäre die bessere Lösung.
Anna
Schicha, 30,
5. Mastersemester
Hispanistik,
Anglistik,
MLU Halle
Ich selbst nehme die
Pille nicht und habe
sie auch nie genommen. Zum einen
möchte ich meinen
Körper nicht mit künstlichen Hormonen belasten. Zum anderen
ist die Pille auch schlecht für die Umwelt, weil sie mit dem Urin
ins Grundwasser gelangt und dort nicht abgebaut werden
kann. Die Idee, sie für Geringverdiener kostenfrei zu machen,
finde ich aber nicht schlecht. Die Gesellschaft ist ja leider darauf
ausgelegt, dass Studenten so schnell wie möglich durch das
Studium kommen. Solange dieser Karrieredruck vorherrscht,
sollte der Staat auch mitbezahlen, damit dem Karrieredruck
nachgekommen werden kann. Ich habe mit Anfang 20 mein
erstes Kind bekommen und vor acht Monaten das zweite.
Wir wollen auch noch ein drittes, darum verhüten wir auf
natürliche Weise.
Yannick Roller, 24, 4. Diplomsemester Kunst, HfBK
Dresden
Alexandra Söhn, 19, 2. Bachelorsemester Wirtschaftspädagogik, TUD
Ich stehe Verhütungsmitteln generell skeptisch
gegenüber. Das empfinden viele als „zu christlich“, aber es liegt in der Natur des Menschen,
Kinder zu zeugen und zu bekommen. Wenn schon
dagegen angekämpft wird, sollte es nicht noch
staatlich bezuschusst werden. Das Geld sollte lieber in Waldorfschulen investiert werden, damit
die Kinder eine gute Bildung erhalten. Natürlich
kann ich als Mann etwas distanzierter davon reden, aber wenn schon Verhütung, dann finde ich
chemische Pillen am schlechtesten.
| Umfrage und Fotos: Lisa Neugebauer
Ich würde es gut finden, wenn es die Pille für Studenten umsonst
gäbe, allein schon, weil es ein relativ sicheres Verhütungsmittel ist.
Ich nehme sie selbst. Allerdings gab es in den Medien in der letzten
Zeit immer wieder Berichte über Thrombose- oder Todesfälle, die
von der Pille ausgelöst wurden. Das hat mich skeptischer gemacht.
Ärzte haben oft zu wenig Zeit und klären gar nicht über die Risiken
der Pille auf. Die erste Sorte, die ich genommen habe, habe ich
nicht vertragen. Daraufhin hat mir meine Ärztin einfach eine andere verschrieben. Ich habe sie dann auf die Medienberichte angesprochen. Da meinte sie, dass meine erste Pille noch eine der älteren mit erhöhtem Risiko war. Die neue sei aber gut. Ich hätte mir
damals eine bessere Aufklärung gewünscht und finde auch generell, dass diese verbessert werden muss.
10
SUBKULT
Daniel Martin und Dominique Matthes
von EGO,ME&YOU haben „ad rem“ erzählt, was sie antreibt.
Foto: Amac Garbe
With a Little Help
from My Friends
Das NewFolk-Trio
EGO,ME&YOU
hat sein Debütalbum mit
Crowdfunding
realisiert.
Fast jeder kennt die Textzeile der BEATLES. Im
Falle von Daniel Martin, Dominique Matthes und
Ricarda Reinsch ist sie im weiteren Sinne bezeichnend für ihre jüngere Bandgeschichte. Mithilfe der Crowdfunding-Plattform Startnext und
vielen fleißigen Spendern konnte das Akustiktrio
die Produktion seines ersten Albums „What Lies
Ahead“ realisieren. „ad rem“ hat zwei von ihnen aus allen Richtungen zuzulassen, die uns gefallen.
genauer dazu befragt.
Sich nicht klar einem Genre zuzuordnen ist befreiend.
Beim sound of dresden Music Contest 2016 seid Ihr
als einzige akustische Band bis ins Finale gekommen EGO,ME&YOU klingt ein wenig nach einer schizo– ein beachtlicher Erfolg, besonders wenn man be- phrenen Episode. Wie genau habt Ihr unter diesem
denkt, dass Ihr Euch erst 2014 gegründet habt. Wie Namen zusammengefunden?
habt Ihr den Wettbewerb wahrgenommen?
Martin: Aus der Überlegung heraus, dass unsere
Matthes: Das tolle Ergebnis des Onlinevotings hat Texte immer auch das Element des Zwischenuns überrascht und gezeigt, dass es da draußen ei- menschlichen in sich tragen, entstand die Frage,
nige sehr treue Unterstützer und Unterstützerin- wer sich da eigentlich mit wem auseinandersetzt.
nen gibt. Wie Du schon sagst, waren wir die einzi- EGO,ME&YOU greift diese Ebenen der menschlige Akustikband in einem ansonsten sehr vielfälti- chen Interaktion auf – und hat uns zudem auch
gen Bandmix. Ein toller Erfolg für uns, aber auch einfach direkt angesprochen, als es einmal geeine große Aufgabe. Der Abend hat uns gezeigt, schrieben auf einem Blatt vor uns lag. Die Frage
dass man auch als Band mit eher ruhigeren Tönen nach der schizophrenen Episode ist jedoch interessant. Man könnte sagen, dass gerade in Zeiten
in einem rockigen Kontext bestehen kann.
großer persönlicher Entwicklungen eine gewisse
Ihr bezeichnet Eure Musik selbst als New Folk. Woran innere Zerrissenheit sicher eine Rolle spielt und
macht Ihr diese Genrebezeichnung fest?
sich hier und da auch in unseren Songs wiederfinMartin: Unser Songwriting ist besonders geprägt det.
vom amerikanischen Folk, aber auch Elemente
zeitgenössischer Popmusik finden sich in unserer Euer Album „What Lies Ahead“, das am 27. Juni seine
Musik. Irgendwann sind wir auf den Begriff New Veröffentlichung feiert, klingt nach Aufbruch. Spielt
Folk gestoßen. Das ist wahrscheinlich gar kein of- diese Thematik in Euren Songs eine übergeordnete
fizielles Musikgenre, aber trotzdem definiert der Rolle?
Begriff für uns die Art, wie wir Musik schreiben Martin: Tatsächlich wurde dieses Thema über die
wollen. Die Wurzeln liegen im Folk und Country, Zeit in der Entstehung der Songs immer präsenwir nehmen uns aber auch die Freiheit, Einflüsse ter. Die Frage, wo du herkommst, was vor dir liegt
Elektronisches
Anbaggern
Die Etefete muss
umziehen, darf
dafür aber länger
machen.
Am 30. Juni darf der Dresdner Studierende wieder zu Student und Studentin (und StudiX) werden, denn Akademisches ist genug gearbeitet, es
soll gefeiert werden. Dank Dauergroßbaustelle im
Heim der Elektrotechniker zieht die Fete mit der
Bühne auf die Mommsenstraße vor die Alte Mensa. Schon seit 1993 übrigens lassen die E-Techniker das Semester feierlich ausklingen. Live und
wie immer ohne Eintrittsgeld gibt es gleich vier
Bands zu erleben: ALICE ROGER, die beim heimischen Emergenza-Contest abräumen konnten
und schon reichlich Etefete-Erfahrung haben, rockigen Soul von RADIOPHON, PIANOPROJECT
mit ihrem melodischen Spiel und die funky Riffs
von ROCKTALES. Das siebenköpfige Organisationsteam um den 24-jährigen Mechatronikstudent Richard Rudat hat die rockige Mischung aus
den Bandbewerbungen ausgewählt. Am Abend
selbst sind noch 30 weitere Helferlein beschäftigt.
Beginn ist bereits um 18 Uhr, also schon mal ein
und für welchen Weg du dich entscheiden sollst,
stellt sich vermutlich vielen Menschen und war
auch in der Zeit, in der ich die Texte geschrieben
habe, für mich immer wieder präsent. Dass sich
das so vordergründig auch in der Musik widerspiegelt, ist uns erst bei der Produktion des Albums so wirklich bewusst geworden.
Um die Kosten für die Produktion zu stemmen, habt
Ihr Euch um Crowdfunding bemüht. Wie sieht Euer
Fazit dazu aus?
Matthes: Gerade mit Blick auf das Ergebnis sind
wir begeistert. Am Ende haben wir 154 Prozent
unseres Fundingziels eingenommen. Man darf jedoch auch nicht unterschätzen, wie viel Arbeit eine solche Kampagne letztlich bedeutet. Ein Video
muss gedreht, ein Blog erstellt und gepflegt werden, das Projektkonzept schon vor der Entstehung genau durchdacht und ausformuliert sein,
und zusätzliche Werbung ist für den Erfolg des
Fundings auch wichtig. Das Ergebnis entschädigt
aber für alle Mühen. Uns wäre es ohne Crowdfunding nicht möglich gewesen, das Album in dieser
Form zu produzieren. Zudem ist es reizvoll, ein
solches Projekt in Zusammenarbeit mit so vielen
Menschen zu realisieren. | Interview: Julius Meyer
EGO,ME&YOU spielen am 21. Juli (20.30 Uhr) im Dresdner Kino im
Kasten und am 30. Juli auf dem Küchwaldrauschen Festival in
Chemnitz. Netzinfos: www.egomeandyou.de
Richard Rudat hat das musikalische Programm der Etefete ausgesucht.
Foto: Amac Garbe
Deo in den Rucksack packen – nach Hause fahren lohnt nicht! Und endlich darf auch wieder bis
in die Puppen zur Afterparty getanzt werden. DC
MARK weiß, wie das geht, denn er ist ein alter
Fuchs im Nachtleben und hat für jeden Geschmack etwas dabei. Er spielt im BarkhausenBau auf. Sportlich wird es dabei auch, denn das
beliebt-berüchtigte Flunky Ball darf gespielt wer-
den. Teams dürfen sich auf der Homepage etefete.de anmelden. Für Schnäppchenjäger die letzte
heiße Info: Im Büro BAR/165 können Verzehrgutscheine erworben werden. Das Bierchen gibt es
so beispielsweise mit einem Rabatt. Na dann:
| Norbert Scholz
Prosit!
Die „Etefeteschisten“ suchen noch Helfer: etefete.de/helfer
HOCHKULT
Eindringlich
STÜCKCHEN.
● Ganz nach dem Motto „Willkommen im Club!“ lädt die Woche der
Bürgerbühnenclubs ihre Fans ein
letztes Mal in dieser Spielzeit ein. So
können noch bis 24. Juni einige der
Bürgerbühnenclubs des Staatsschauspiels Dresden und ihre Ausarbeitungen kennengelernt werden. Dabei sind unter anderen am
22. Juni (18 Uhr) der „Club der geflüchteten und nicht geflüchteten
Bürger“ mit „Auf den Trümmern das
Paradies?“ und am 23. Juni (18 Uhr)
der „Club der feministischen Bürger_innen“ mit „JedeN von uns“.
Karten gibt es jeweils für fünf Euro.
Noch nicht genug Bürgerbühne vor
der Sommerpause? Zum Glück findet am 25. Juni (22.30 Uhr) im Kleinen Haus noch die Bürgerbühnenparty zum Spielzeitausklang statt.
Am 24. Juni feiert die neue Inszenierung „Eindringling(e)“
der bühne – des Theaters der
TU Premiere.
Damit die letzte große studentische Premiere vor der Sommerpause nicht ungesehen bleibt, hat sich „ad rem“ für Euch
zwischen die Kulissen geschlichen und
dem Team der bühne rund um Regisseur Stephan Thiel und Regieassistentin
Theresa Hetzold bei den Proben auf die
Finger geschaut.
Während Elise Richter, zuständig für
Bühne und Kostüme, noch am Bühnenbild herumschraubt, werden die letzten
Details zu einzelnen Szenen besprochen.
Das erscheint absolut notwendig, springen die vier Darsteller (Hannah Breitenstein, Lisette Holdack, Philipp Braak,
Mirko Näger-Guckeisen) im Laufe der
Vorstellung doch in weit über ein Dutzend Rollen und finden immer wieder in
neuen Konstellationen zueinander.
Das Stück des Autors Jonas Hassen Khemiri entführt die Zuschauer nach Schweden, in die vermeintliche Idylle und das
Traumziel für Einwanderer. Es könnte
aber auch in vielen anderen Ländern
verortet sein, in denen sich alteingesessene Einwohner so gerne mit großen
Gastgeberattitüden und -plattitüden
schmücken. Man lernt neben einer Jugendgruppe rund um Arvind aka Abulkasem ein Forscherkollektiv und Individuen anderer Kontexte kennen. Aber die
Grenzen verschwimmen gleich zu Beginn: Die Trennung zwischen Zuschauer
und Darsteller, Figuren und Erzähler lösen sich genauso auf wie die unterschiedlichen Ebenen und Erzählstränge
des Geschehens. Es wird mit Klischees
gespielt, egal ob es um „die Türken“ geht
oder um das inhaltslose Blabla der Studentenrunde, die beim Bier nach der
Prüfung ihre vermeintliche Weltoffenheit selbst enttarnt. Inflationär wird besonders jenes Vokabular genutzt, das in
11
● Schon mal Goethes „Werther“
auf Französisch gelauscht? Wenn
nicht: Am 27. Juni (20.15 Uhr) kann
die Opernfassung von Massenet im
Dresdner UFA-Kristallpalast gesehen werden. Es singen der Tenor
Vittorio Grigolo als Werther und
Joyce DiDonato als Charlotte.
Wer ist der Eindringling?
fremde Sphären der Jugendsprache entführt. Hauptsache, alles ist pushig und
softish.
Die über das ganze Stück verteilte Kritik
trifft meistens auf den Punkt; die gezeigten Vorurteile und Oberflächlichkeiten
sind tatsächlich eng mit den verschiedenen Lebensrealitäten verknüpft und führen zahlreiche alltägliche Verhaltensweisen ad absurdum. Die Frage, die dabei
alles zu überschatten scheint: Was
macht die eigene Identität aus? Ist es unser Name? Unsere Herkunft? Unser Auftreten? Die Inszenierung spielt hier bewusst mit karrikierenden Gegensätzen,
nicht nur inhaltlich und von Khemiri
ausgehend, sondern auch in der Darstellung. Ob das die Maleroveralls der For-
ORCHESTRALE.
● Wenn sich das Semester dem Ende neigt,
ist es traditionell Zeit für sommerliche Konzerte. Die Kammerphilharmonie der TU Dresden
unter der künstlerischen Leitung von Filip Paluchowski nimmt das am 9. Juli (19 Uhr) in der
Lukaskirche zum Anlass, drei sehr unterschiedliche Kompositionen in ihrem Programm zu
kombinieren. Gespielt wird die Konzert-Ouvertüre „Die Hebriden“ von Mendelssohn Bartholdy, gefolgt von Prokofjews „Sinfonietta op.
5/48“ und Dvořáks „Sinfonie Nr. 5“. Ermäßigte
Karten gibt es im Vorverkauf für fünf Euro, an
der Abendkasse für sechs Euro.
● Wer nicht mehr so lange warten mag, kann
bereits eine Woche zuvor am 2. Juli (20 Uhr) in
Foto: Max Helm PhotoArts
scher sind, die sie in Kombination mit
ihren Gummibrillen wie Quarantäne-Beauftragte wirken lassen, oder die Untermalung mit Klängen ABBAs bis zu musikalischen Ergüssen des KAY ONE. Eine
Frage bleibt aber doch am Ende: Wer ist
denn nun Abulkasem? Oder besser: Wer
| Nane Krüger
ist es nicht?
bühne: Premiere am 24. Juni (20.15 Uhr), weitere Termine am 25. und 26. Juni sowie 9. und 10. Juli (je
20.15 Uhr)
der Frauenkirche Dresden neben Beethovens
„Frühlingssonate“ verschiedenen Romanzen,
Sonaten und Klavierstücken von Mozart,
Brahms, Schubert und Schumann lauschen.
Für mehr Informationen gibt es um 19 Uhr eine Konzerteinführung von Dr. Ralf Ruhnau im
Gespräch mit Albrecht Mayer. Tickets bekommt Ihr ab zwölf Euro.
● Wer lieber die vorlesungsfreie Zeit abwar-
ten will, kann am 23. Juli (20 Uhr) ebenfalls in
der Frauenkirche für nur zehn Euro die Interpretationen des Klavierduos Alina Shalamova
und Nikolay Shalamov kennenlernen. Die beiden sind Preisträger im Fach Klavierduo eines
internationalen Wettbewerbs und Gewinner
des Publikumspreises beim Internationalen
Musikwettbewerb der ARD 2015.
| NaK
● Während das Dresdner Staatsschauspiel bereits seine Tore
schließt, feiert die Semperoper am
30. Juni (19 Uhr) noch die Premiere
von Tschaikowskis „Eugen Onegin“.
Die Geschichte zu der Romanfigur
von Puschkin: Nachdem Onegin
dem Stadtleben überdrüssig geworden ist, zieht er aufs Land. Dort
trifft er auf die verträumte Tatjana,
die für ihn schwärmt, und ihre
Schwester Olga. Er entscheidet sich
für die falsche Frau und bereut dies
noch Jahre später.
| Nane Krüger
12
LITERATUR
Der Trotzkopf des 18. Jahrhunderts
Die Klassiker-Abteilung der
„ad rem“-Literaturredaktion erklärt Euch wieder mal Goethe.
Du studierst Maschinenbau, Industriewasserwirtschaft oder Automobiltechnik?
Dein literarisches Wissen hört da auf, wo
die Germanistik-Abteilung in der Bibliothek anfängt – und das soll sich ändern?
Dann bist Du hier genau richtig. Wir führen Dich durch die Regale der Weltliteratur. Heute: wieder mal Goethe, mit seinem
Prometheus-Gedicht. Das konntet Ihr in
der Schule vielleicht fehlerfrei aufsagen,
aber unsere Fakten haben Euch bestimmt
noch gefehlt.
Oh, oh, da wollte aber jemand Ärger machen: Mitte zwanzig war Goethe, als er das
Gedicht schrieb. Welche mythologische
Hauptfigur eignet sich besser als Prometheus, wenn man richtig auf Krawall gebürstet ist? Der nahm es sogar mit dem
Obergott Zeus auf, verbündete sich mit
den Menschen gegen ihn und sorgte dafür, dass Zeus nicht die Anbetung erhielt,
die er verlangte (Wobei die Auflehnung
am Ende für die Menschheit nichts als
Elend brachte. Ein bisschen Opferdienst
wäre im Vergleich das kleinere Übel gewesen …).
Prometheus hatte keinen Bock auf Zeus.
Und auf wen hatte Goethe so gar keinen
Bock? „Ich kenne nichts Ärmeres / Unter
der Sonn’ als euch Götter! / Ihr nähret
kümmerlich / Von Opfersteuern / Und
Gebetshauch / Eure Majestät / Und darbtet, wären / Nicht Kinder und Bettler /
Hoffnungsvolle Toren.“ Der findige Germanistikstudent wird hier blitzschnell
erkennen: Keinen Bock auf Religion und
Pfaffen, auf den Staat und sein Gewaltmonopol – und eigentlich auch null Bock
auf die väterliche Macht. Sagen lassen will
„ad rem“-Serie: Klassik für Einsteiger.
Aufmüpfig war Prometheus. Und albern.
sich Goethes Prometheus von niemandem
etwas, der was zu sagen hat. Der Gruß
geht auch an den eigenen alten Herrn in
Frankfurt.
Goethe schrieb das Gedicht in der sprichwörtlich gewordenen Sturm-und-DrangZeit: Früher bezeichnete sie eine Literaturepoche, selbstinszeniert von jungen
Künstlern. Heute meint man damit die
Trotzphase, in der Jungspunde ihre Hörner abstoßen müssen. Selbst ist der Mann,
wie Goethes Prometheus selbstbewusst
gegenüber den Göttern erklärt: „Mußt mir
meine Erde / Doch lassen steh’n. / Und
Karikatur: Norbert Scholz
meine Hütte, / Die du nicht gebaut, / Und
meinen Herd, / Um dessen Glut / Du mich
beneidest.“ Schließlich sitzt der aufsässige
Prometheus da und bastelt sich aus Ton
seine Menschen.
Goethe geht baden
Bescheidenheit ist nicht seine Sache:
„Hast du’s nicht alles selbst vollendet, /
Heilig glühend Herz?“ Ätsch – alles selber
gemacht. Was’n Genie is’ … Später könnte Goethe sein Gedicht etwas peinlich gewesen sein. Als der Dichter es als angepasster Minister und Fürstenfreund in der
High Society bequem hatte, als er mit
Herzog Carl August in Weimar gemeinsam baden und auf Frauenjagd ging. Jetzt
war er der alte Sack, den neue junge Wilde
(wie einige Romantiker) am liebsten in
den Arsch getreten hätten. GermanistikProfs munkeln, das deute die letzte Strophe schon an: Die selbstgebastelten Menschen werden irgendwann flügge und achten Autorität nicht mehr – die dummerweise ihr Erschaffer Prometheus dann
selbst ist. Der ewige Generationskonflikt:
„Genießen und zu freuen sich / Und dein
nicht zu achten, / Wie ich!“ | Katrin Mädler
Seichter Bruderzwist
Das Familiendrama
„Jamie – Im Leben
nicht“ des Dresdners Tom Heyem
scheitert an den eigenen Ambitionen.
Es klingt ein bisschen wie der Plot einer Vorabendserie. Geschildert aus den Erinnerungen
des Sohnes Liam wird die Familiengeschichte
einer kleinbürgerlichen Familie aufgerollt. Der
Protagonist durchlebt dabei erneut, wie seine
Eltern den Adoptivsohn Jeremy (Jamie) bei
sich aufnehmen, jedoch an dessen auffälligem
Verhalten scheitern und ihn wieder weggeben.
Zwischendurch folgen in regelmäßigen Abständen Krankheiten, Tod und andere Zwischenfälle, bis Jamie wieder unangemeldet bei seinem
einstigen Bruder Liam erscheint.
So wirklich neu und außergewöhnlich ist dieses
Familiendrama nicht. Dabei tut die im Roman
vorherrschende lexikalische und erzählerische
Armut dem trivialen Plot nicht gerade gut. Die
überpathetische Darstellung der Gefühlswelt
des Protagonisten scheint mit den ablaufenden
Handlungssträngen nicht ganz zusammenzupassen, die eher Alltagsprobleme beschreiben
und schon in zahlreichen Filmen, Büchern und
Serien abgearbeitet wurden. Dadurch wirkt der
Roman eher wie eine Nacherzählung bereits
vielfach verdauter Thematiken. Neben Jamie
kommen auch andere Figuren im Buch zu
Wort, aus deren subjektiver Perspektive abwechselnd erzählt wird. Diese unkonventionelle Form kann gut funktionieren, um Abwechslung in die Narration zu bringen und Figurenprofile zu schärfen. Im Roman jedoch wirkt
diese Erzählart eher verwirrend, sodass ein
stringenter Erzählfluss – vermutlich beabsichtigt – gestört wird. Die Figuren bleiben zudem
sehr fremd und unscharf skizziert, was jedoch
auch Ausdruck der sich durch den ganzen Roman ziehenden Entfremdungsthematik sein
kann.
Fazit: „Jamie – Im Leben nicht“ ist eine zweifellos frische und ambitionierte Sommerlektüre,
die jedoch durch fehlende sprachliche und narrative Lockerheit zugleich ebenso angestrengt
und konstruiert wirkt.
| Tanja Rudert
Tom Heyem: Jamie – Im Leben nicht. tredition 2016.
516 Seiten. 22,95 Euro.
EM-KULT
13
Die Logik der
Massenmedien
Fußball als Terrorziel? Im Interview erklärt TU-Sicherheitspolitikexperte Dr. Sebastian Lange
die aktuelle Bedrohungslage bei
der EM und spricht über langfristige Lösungswege, Angst
und Werteverlust.
Es sind Bilder, mit denen Frankreich Stärke
demonstrieren will. Kaum ein Bericht über
die EM kommt ohne Aufnahmen schwer
bewaffneter Polizisten und Soldaten aus,
die die Straßen von Paris, Marseille oder
Nizza sicher machen sollen. Vor Beginn des
Turniers hat „ad rem“ mit Dr. Sebastian
Lange gesprochen. Er ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Lehrstuhl Internationale
Politik der TU Dresden und befasst sich
unter anderem mit Terrorismusforschung.
Dr. Lange, bei der EM setzen französische Autoritäten Anti-Drohnen-Technologie ein. Terroristen könnten biologische oder chemische
Kampfstoffe über den Stadien abwerfen. Der
Pariser Polizeipräfekt sagt, er sei kein Fan von
Fanzonen. EM-Gäste müssen durch drei Kontrollen, bevor sie ins Stadion kommen. Paranoia oder begründetes Sicherheitsdenken?
Meiner Einschätzung nach geht die größte
Gefahr von Einzeltätern aus. Die Sicherheitsbehörden versuchen natürlich, alle
auch noch so unwahrscheinlichen Möglichkeiten auszuschließen. Das ist letztlich aber
nicht möglich.
Ist denn davon auszugehen, dass es zu Ereignissen kommen könnte, die diese Sicherheitsmaßnahmen rechtfertigen?
Insbesondere das Thema Dschihad ist eines, dem die Medien sehr große Aufmerksamkeit schenken. Die Regierungen und Sicherheitsbehörden versuchen da natürlich,
den Erwartungen ihrer Bevölkerungen gerecht zu werden. Die Bedrohung ist tatsächlich gegeben, die Wahrscheinlichkeit
aber schwierig einzuschätzen. Neben dem
Dschihad besteht die Möglichkeit rechtsterroristischer Anschläge und natürlich auch
größerer Hooligan-Ausschreitungen.
Das heißt die Stimmung in Frankreich führt
zu diesen Maßnahmen? Ist sie ängstlich?
Das Thema ist natürlich präsent. Aber gerade in Frankreich gibt es die Tendenz der
Bevölkerung zu sagen: „Wir lassen uns jetzt
dieses Ereignis nicht kaputtmachen.“ Zur
Eröffnung der Fanmeile waren 80 000 bis
90 000 Leute da. Das zeigt: Die Furcht ist
nicht so groß, dass das Interesse an der EM
sichtbar leiden würde – oder an dem Willen, dieses Fest zu feiern.
Das amerikanische Außenministerium nennt
auch den Weltjugendtag oder die Tour de
France als potenzielle Ziele.
Grundsätzlich sind Verlautbarungen der
Ministerien Routine. Es gab ja beispielswei-
Dr. Sebastian Lange forscht zu Terrorismus und Sicherheit.
Foto: Amac Garbe
se auch solche Hinweise bezogen auf Dres- ghanistan. Eine Integration arabischer Sunniten in Syrien und im Irak ist wichtig,
den und Sachsen im Pegida-Kontext.
auch die legale Partizipation nicht-dschihaAber Großveranstaltungen sind allgemein distischer Akteure des politischen Islam.
stärker bedroht als noch vor ein paar Jahren? Diese Bedingungen sind sehr anspruchsvoll
Wir sehen in den Verlautbarungen des so- und es steht nicht in Aussicht, dass diese in
genannten Islamischen Staates, kurz IS, nächster Zeit erfüllt werden können.
dass er dazu aufruft, selbstständig Anschläge in Europa zu verüben. Das geht damit Das heißt, realistisch betrachtet ist die Gefahr
einher, dass er im Nahen und Mittleren Os- des internationalen Terrorismus in den
ten immer mehr in die Defensive gerät. Es nächsten Jahren nicht auf dem Rückzug?
ist durchaus Teil seiner Strategie, durch Die Frage ist eher, wo er sich ereignen wird.
dieses Ausweichen sein eigenes Profil zu Das hängt von den Strategien der politierhöhen. Der IS passt sich der Logik der schen Akteure ab. Man spricht von nahen
Massenmedien an und möchte Aufmerk- und fernen Feinden der Dschihadisten. Bei
samkeit erzielen, indem er möglichst spek- einem Heraushalten westlicher Kräfte würtakuläre Anschläge verübt. Daher gehen den sie sich auf ihre „nahen Feinde“ konauch die Sicherheitsbehörden davon aus, zentrieren. Im Falle des IS sind das Muslidass insbesondere öffentliche Plätze mit me schiitischer und alawitischer Konfessivielen Menschen, Fanmeilen, Stadien das on. Das ist natürlich ein Stück weit eine zybevorzugte Ziel sein könnten.
nische Betrachtung. Der Schlüssel liegt in
den politischen Systemen der arabischen
In der Ukraine wurde ein französischer Ultra- Welt, das sind und sollten vor allem interNationalist festgenommen. Laut ukrainischer ne Prozesse sein. Die laufen grundsätzlich
Geheimdienstquellen hatte er einen Anschlag langfristig ab. Auch in Europa haben diese
während der EM geplant und dafür schon ein Transformationen Jahrhunderte gedauert.
beachtliches Arsenal an Kriegswaffen beschafft. Ist der Medienfokus auf den islami- Die Sicherheitsvorkehrungen gehen mit
schen Terror zu eng gefasst?
enormen Kosten und der Einschränkung perDer erklärt sich einerseits aus den letzten
beiden größeren Anschlägen in Frankreich,
die dschihadistisch motiviert waren. Aber
grundsätzlich ist es eben nicht die einzige
Möglichkeit von Gewaltanschlägen im
Kontext der EM. Bezogen auf diesen Fall
bin ich mir nicht so sicher, wie verlässlich
der ukrainische Geheimdienst als Quelle
ist. Denkbar ist so etwas dennoch. Wir hatten ja in der Vergangenheit auch Fälle wie
Breivik. In diesem Kontext sind die Ziele
aber andere, zum Beispiel Moscheen, Synagogen, Regierungsgebäude, Infrastruktur.
sönlicher Freiheiten einher. Stellt das einen
Teilsieg für demokratiefeindliche Kräfte dar?
Definitiv ja. Es ist Sache unserer demokratischen Gesellschaften, in einer öffentlichen
Debatte zu verhandeln, wie viel Sicherheit
wir uns leisten möchten. Gerade, wenn Anschläge stattgefunden haben, schlägt das
Pendel oft zu einem höheren Maß an Sicherheit auf Kosten anderer Werte wie individueller Freiheit aus. Wenn wir das diskutieren, muss uns aber klarwerden, dass
wir die absolute Sicherheit nie erreichen
werden. Terrorismus ist ein Risiko, mit
dem wir irgendwie zu leben lernen müssen.
Sowohl die Panikmache als auch zu lautes
Hoffnungmachen auf schnelle Lösungsmöglichkeiten ist nicht zielführend?
Zielführend ist eine realistische Betrachtungsweise. Ich würde dafür plädieren,
dass wir unser Verhalten grundsätzlich
nicht umstellen. Wir müssen uns der Tatsache bewusst werden, dass es beispielsweise deutlich wahrscheinlicher ist, bei einem
Straßenunfall oder im Haushalt zu sterben
als Opfer eines Terroranschlags zu werden.
Das gilt auch für die EM. Viel wahrscheinlicher stirbt man auf der Fahrt dorthin als
| Interview: Lion Schulz
im Stadion.
LEONARDO
Was können Staaten langfristig tun, damit
die nächste EM nicht wieder einen Sicherheitsrekord aufstellt?
Gewalt hat es in der Geschichte der
Menschheit immer gegeben. Wenn wir nur
das Beispiel des IS betrachten, dann
bräuchte es grundsätzlich geänderte Rahmenbedingungen im Nahen und Mittleren
Osten. Die Regionalmächte Saudi-Arabien,
Iran, Türkei, aber auch die USA und Russland müssten wahrnehmen, dass sie geteilte Interessen haben und zu einem politischen Arrangement finden. Wir bräuchten
inklusivere Konkordanzmodelle für die politischen Systeme in Syrien und im Irak etwa, aber auch in Libyen und im Jemen, Af-
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FORUM
Mensatipp
An die Messer und Gabeln allesamt! Wir haben nur noch
bis Donnerstagabend Zeit. Schlürft noch ein letztes Mal
an Eurem geliebten Earl Grey, mit ein bisschen Milch und
einem Happen After Eight! Ja, gottverdammt noch mal,
wir betätigen uns aller Stereotypen, die
wir nur finden können. Es ist die Panik,
die sich in uns breit
macht, bald nie wieder Minzsoße zu unserem Schwein genießen zu dürfen oder
ohne die Fish-andChips-Krümel
im
Mundwinkel leben zu
müssen. Ohne Hooli-
gans in Frankreich, Harry Potter und Backed Beans wird
Europa grauer werden. Bleibt nur eins: Setzt die Melone
auf den Kopf, zwirbelt den geschniegelten Oberlippenbart
und kneift das Monokel vors Auge! Die Gentlemen gehen
(vielleicht) von Board.
Das Studentwerk Dresden ist leider weit weniger emphatisch veranlagt: Am 22. Juni präsentiert das Zeltschlösschen lieber das Frankreich-Special mit Seelachs auf Orangen-Kurkuma-Soße mit Parpadoripaste und Paprika-Artischocken-Oliven-Gemüse. Am 27. Juni in der Mensa
Reichenbachstraße sieht es nicht besser aus: Köttbullar
mit Paprikasoße, Langkornreis und Salat hinterlassen einen schwedischen Hauch. Am 28. Juni sorgt die Mensologie mit ihrem griechischen Statement à la Hähnchengyros, Tomatenreis, Tsatsiki und Weißkrautsalat für komplette Verirrung.
| Julius Meyer
Zeichnung: Norbert Scholz
LESERSATZLESE.
Zu „Kompliziert wie Raketenwissenschaften“ in „ad rem“Ausgabe 9.2016 vom 8. Juni, Seite 12.
STARKE TEXTE –
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„Auch Prof. Tajmar sieht die Kündigung Przybilskis als Mitarbeiterwechsel, weshalb er das mediale Interesse nicht verstehe.“ Wie frech! Wenn man einen „Mitarbeiter“ (der eigentlich Institiutsmitbegründer ist und seit 30 Jahren mit
Leib und Seele Raketentechnik unterrichtet; der den Studenten nicht nur Lehre, sondern auch Praxis bot und ohne dessen Initiative nichts von den STERN-Projekten an der
Dresdner Uni zu finden wäre) ohne Abmahnungen oder Gesprächsgesuche von einem Tag auf den anderen vor die Tür
setzt, versteht man das mediale Interesse nicht? Eine fristlose Verdachtskündigung ruft unschöne Dinge in jedermanns
Kopf hervor. Wer der öffentlichen Anhörung beiwohnte, erfuhr aber, dass es weder um Vermögensdelikte noch um Tätlichkeiten ging. Für Dr. Przybilski ist die fristlose Verdachtskündigung nicht nur ein auferlegtes Berufsverbot, sondern
schändet auch seinen exzellenten Ruf, den er sich als Experte für Raketen- und Antriebstechnik erarbeitet hat. Die Uni
verliert einen hochgeachteten Mitarbeiter, der mit seiner Tätigkeit hunderte junge Ingenieure animiert, inspiriert und
begeistert hat. Viele seiner Studenten haben Anstellungen
bei den Top Raumfahrtsunternehmen Deutschlands, der Europäischen Raumfahrt Agentur oder dem DLR und das sind
gewiss keine Lorbeeren des Prof. Tajmar. Wer Dr. Przybilski
kennt, der weiß, dass dies nicht nur ein Beruf für ihn war, es
war Berufung. Es ist und bleibt seine Leidenschaft. Die
Raumfahrt. Und für ihn war es Erfüllung, diese Begeisterung
zu teilen und junge Menschen zu lehren. Wenn man dies nur
als „Mitarbeiterwechsel“ abtut, dann assoziiert dies, dass es
auch okay wäre, seine Hochzeitstorte beim Metzger zu bestellen. 30 Jahre Expertise unbegründet vor die Tür zu setzen
zeugt meiner Meinung nach eher von Inkompetenz in der
Personal- und Institutsleitung. Die Aussagen des Professors
und des Doktoranden sind eine Frechheit. Sie vergessen zu
erwähnen, dass mit dem Weggang von Dr. Przybilski nicht
nur das Fachwissen über Triebwerktechnik, sondern auch
Testfacilities gegangen sind, die er initiiert hatte. Das Ganze
stinkt zum Himmel, nur leider ist die Gerichtsverhandlung
eher eine David-gegen-Goliath-Situation und Recht haben
und Recht bekommen sind in einem Verfahren gegen die
Uni und somit gegen den Freistaat Sachsen anscheinend
zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich wünsche mir für Dr.
Przybilski, dass das Gericht im August die moralisch fragwürdigen Machenschaften hinter dieser Kündigung erkennt und
ein entsprechendes Urteil jeglichen Schmutz von seiner akademischen Weste wischt. | Zugeschickt von: Virginie Hager
Schickt Eure Meinung per Mail an [email protected]!
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