im blickpunkt europa Nicht ohne Grund lautet eine der aktuellen Kernforderungen des VDMA, den Binnenmarkt an die neuen technischen Möglichkeiten im Zeitalter von … eu-binnenmarkt Eine Erfolgsgeschichte für den Maschinenbau Gerade die deutsche Industrie hat in den vergangenen Jahren enorm vom EU-Binnenmarkt und gleichen Spielregeln für ganz Europa profitiert. Der VDMA setzt sich für eine Modernisierung ein. j Ob Bananen, Glühbirnen oder Öl- „Der Binnenmarkt muss an die technischen Möglichkeiten im Zeitalter von Industrie 4.0 angepasst werden.“ Peter Günther ehem. VDMA 12 vdma-Nachrichten juni 2016 kännchen – überall scheint sich die Europäische Union einzumischen. Auch Maschinenbauer schimpfen mitunter über die vermeintliche Regulierungswut der Bürokraten aus Brüssel. In einigen Fällen ist die Kritik durchaus berechtigt. Wahr ist aber auch: Gerade die deutsche Industrie hat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten enorm vom EU-Binnenmarkt und gleichen Spielregeln für ganz Europa profitiert. Das können zum Beispiel solche Unternehmer bestätigen, die vor 60 Jahren einen Kran von Deutschland nach Frankreich verkaufen wollten. Das war für aus- ländische Firmen zwar erlaubt, das Produkt brauchte allerdings das Zertifikat einer Zulassungsbehörde mit Sitz in Frankreich. Doch wenn ein deutscher Hersteller seinen Kran bei den Franzosen vorführen wollte, kam er nicht weiter als bis zur Landesgrenze. Dort wurde man vom Zöllner wieder nach Hause geschickt – denn einen Kran ohne gültiges Zertifikat haben die Franzosen gar nicht erst ins Land gelassen. Von der Wirtschaftsgemeinschaft zur EU Solche Spielchen mögen damals einige nationale Branchen am Leben gehalten haben, doch der europäischen Wirtschaft europa Foto: kamonrat / Fotolia pektivisch auf Kontrollen an den Binnengrenzen. Die Maastrichter Verträge von 1992 bildeten die Grundlage für die heutige EU und für den Euro. Diese Entwicklung zeigt deutlich: Historisch gesehen ist das Zusammenrücken Europas zu einem wesentlichen Teil der Versuch, bessere Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu schaffen. Parallel zu den Schritten der europäischen Integration wuchs auch der Maschinenbau zusammen. Ein Beispiel ist die europäische Maschinenrichtlinie von 1989 mit einer Neufassung im Jahr 2006, die einheitliche Anforderungen an die Sicherheit und die technischen Eigenschaften formuliert. Die Initiative, den Rahmen für die Industrie weitreichend zu harmonisieren, kam dabei von den Unternehmen. In jedem Land gab es irgendwo Probleme, Produkte auf den Markt zu bringen – entsprechend groß war der Druck, einen sinnvollen Kompromiss zu finden. … Industrie 4.0 anzupassen. Trotz Mängel eine Erfolgsgeschichte Ist also aller Ärger über vermeintliche haben sie insgesamt geschadet. Das ha- Bürokratie aus Brüssel unberechtigt? ben mit der Zeit auch eine Reihe von Na- Leider nein, denn mit der Zeit ist die EU tionalstaaten so gesehen: 1957 gründete auch bei der Regulierung des MaschinenDeutschland mit fünf weiteren Ländern baus immer stärker ins Detail gegangen – die Europäische Wirtschaftsgemein- und stellenweise zu weit. Die Vorstellunschaft mit der Idee, einen gemeinsamen gen aus Brüssel sind mittlerweile teils realitätsfern, mitunter sogar Markt in Europa zu schaffen. widersprüchlich. Motoren beiSeitdem wuchs der Kontinent „Die EU muss spielsweise sollen immer weimmer mehr zusammen – vor sich den Vorniger Lärm machen, gleichzeiallem in der Wirtschaft, wo wurf gefallen tig aber auch immer weniger man oft gemeinsame Interes- lassen, zuweiSchadstoffe ausstoßen. Wenig sen verfolgte. len den Blick zählen dabei Einwürfe von InIm Jahr 1968 verständigte für das große genieuren, dass beides gleichsich die europäische Staaten- Ganze zu zeitig rein technisch nicht imgemeinschaft auf die Zoll- verlieren.“ mer ohne Weiteres möglich union und riss damit tarifäre Peter Günther ist. Die EU muss sich den VorHandelsschranken ein. 1979 ehem. VDMA wurf gefallen lassen, auch führte die sogenannte Cassisde-Dijon-Entscheidung des Europäischen beim Binnenmarkt manchmal den Blick Gerichtshofs dazu, dass Waren, die in für das große Ganze zu verlieren. Trotzdem ist der EU-Binnenmarkt einem Mitgliedsland rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, auch in den grundsätzlich eine Erfolgsgeschichte für anderen Staaten der Europäischen Wirt- den deutschen Maschinenbau, der imschaftsgemeinschaft verkauft werden merhin 40 Prozent aller Exporte in das dürfen. Im ersten Schengen-Abkommen EU-Ausland liefert. Nicht ohne Grund 1985 verzichteten mehrere Staaten pers- lautet eine der aktuellen Kernforderun- im blickpunkt gen des VDMA, den Binnenmarkt an die neuen technischen Möglichkeiten im Zeitalter von Industrie 4.0 anzupassen, etwa beim Umgang mit Industriedaten. Unternehmen brauchen einen starken Heimatmarkt, um neue Technologien entwickeln und verkaufen zu können, so das Argument. Binnenmarkt nicht selbstverständlich Es liegt daher sicher nicht am Binnenmarkt, dass der europäische Gedanke in der Krise steckt. Selbst den schärfsten Nationalisten schwebt meist eine Rückkehr zu einer Wirtschaftsunion als Alternative zur Europäischen Union von heute vor. Man muss sich allerdings fragen, wie belastbar eine wirtschaftliche Zusammenarbeit von 28 Staaten dauerhaft ohne einen politischen Überbau sein kann. Ein wahrscheinliches Szenario ist doch, dass ohne eine starke EU wieder einzelne Länder nach und nach technische Handelsschranken aufbauen, um ihre heimische Wirtschaft zu schützen. Denn eine Selbstverständlichkeit sind europaweite Spielregeln auch heute nicht. Noch vor wenigen Jahren berichtete ein Maschinenbauer von großen Problemen, in einer bayerischen Gemeinde sogenannte Doppelparkanlagen zu installieren. Zwei Autos dank der Vorrichtung übereinander zu parken, sei nicht mit der Bauordnung vereinbar, so die lokale Behörde. Die Firma argumentierte, die Doppelparkanlagen seien in Europa zugelassen – mit Erfolg. Die Gemeinde musste ihre Bauordnung ändern, die Anlage wurde aufgestellt. Es ist nicht immer schlecht für die Wirtschaft, wenn sich die EU einmischt. W autor Peter Günther von 1996 bis 2012 Leiter der Abteilung Technik und Umwelt im VDMA kontakt Eike Radszuhn VDMA European Office (EurO) Telefon +32 2 70681-23 [email protected] vdma-Nachrichten juni 2016 13
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