Prof. Dr. Martin Ludwig Hofmann Humanwissenschaften Hochschule Ostwestfalen-Lippe Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur Handout – 9 Vorlesung Umweltpsychologie, Umweltsoziologie (= Humanwissenschaften für Gestalter) „Der Sex-Appeal der Dinge“ Designtheoretische Grundlagen der Affordanz „Mir wurde klar, dass Design Menschen, Gegenstände und Umgebungen miteinander versöhnt, dass es bei Design nicht nur darum geht, Formen zu schaffen, sondern auch Beziehungen.“ Naoto Fukasawa über Affordanz I. Die Theorie der Affordanz Affordanz (engl. to afford: anbieten, gewähren) = Handlungsanregungen der Umwelt durch Informationen über funktionell relevante Eigenschaften von Dingen, die ein bestimmtes Verhalten möglich machen. = Die Dinge sollten uns sagen, was wir mit ihnen tun können! Als „Vater“ der Affordanz-Theorie gilt James Jerome Gibson (1904-1979). Wahrnehmung nach Gibson = aktiver sensorischer und motorischer Suchprozess nach verhaltensrelevanten Informationen. Laut Gibson nehmen wir die objektiven Merkmale unserer Umwelt in erster Linie über das Sehen wahr. Gibson konzentriert sich auf - die objektiven Eigenschaften externer Reize - und nicht auf die Mechanismen, mit denen wir diese subjektiv wahrnehmen = Gegenposition zum Radikalen Konstruktivismus Wir nehmen wahr, um zu handeln, und handeln, um neue Informationen zu erhalten. II. Die praktische Relevanz der Affordanz Bei der Gestaltung von Räumen und Objekten sollte das Augenmerk auf die Vermittlung dieser potentiellen Informationen gerichtet werden. „Ich stütze meine Design-Ideen auf die Beobachtung des Angebotscharakters, versuche, ihn in den Handlungen zu entdecken, die Menschen unter bestimmten Voraussetzungen vornehmen ... Das genau ist es, was umfassendes Design ausmacht: Hardware (Ausrüstung und Einrichtung) und Software (Know-how und Erfahrung) interagieren reibungslos.“ Naoto Fukasawa III. Vier Prinzipien menschenfreundlichen Designs nach Donald A. Norman = aktuelle Weiterentwicklung der Affordanz-Theorie „Warum habe ich mit den einfachsten Dingen des Alltags ständig Schwierigkeiten? Während wir uns alle selbst die Schuld geben, bleibt die eigentliche Ursache – schlechtes Design – verborgen.“ Donald A. Norman (* 1935) Drei verschiedene Arten von Denkmodellen nach Norman 1. Sichtbarkeit - Dinge sichtbar machen! - Alleine durch bloßes Sehen sollte der Nutzer feststellen, welche Handlungsalternativen ein Objekt bietet 2. Ein gutes konzeptuelles Modell - wird aus der Perspektive des Nutzers entwickelt - bietet Kohärenz in der Darstellung der Bedienungsvorgänge - vermindert Möglichkeiten der Fehlnutzung - „verzeiht“ Fehler (Fehler haben minimale Konsequenzen) 3. Gute Mappings Mapping = Terminus technicus, der die Beziehung zwischen zwei Dingen bezeichnet (z.B. zwischen Bedienungsvorrichtungen und deren Wirkungen) - Machen Sie sich „natürliche Mappings“ zunutze! = Nutzen Sie äußere Analogien und kulturelle Standards (das führt i.d.R. zu unmittelbarem Verständnis) - z.B. räumliche Analogien: Um einen Gegenstand aufwärts zu bewegen, bewegt man die Bedienungsvorrichtung ebenfalls aufwärts. 4. Das Prinzip des Feedbacks = Rückmeldung an den Nutzer, die ihm zeigt, welche Handlung tatsächlich ausgeführt, welches Ergebnis erreicht wurde Ziel: Der Nutzer erhält jederzeit ein klares Feedback über die Ergebnisse seiner Handlungen. Literatur: - James J. Gibson: Wahrnehmung und Umwelt. Der ökologische Ansatz in der visuellen Wahrnehmung, München 1982. - Donald A. Norman: Dinge des Alltags. Gutes Design und Psychologie für Gebrauchsgegenstände, Frankfurt, New York 1989.
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