Heinrich von Ofterdingen

Vorlesung 7
 Kritik der Urteilskraft (1790)
 Bedingungen der empirischen





Urteile nach den
Schlussrichtungen
Klassifikation: vom Besonderen
zum Allgemeinen
Spezifikation: vom Allgemeinen
zum Besonderen
Empfindung, die mit Lust oder
Unlust verbunden ist
Geschmacksurteil subjektiv
Schön ist das, was ohne Begriff
allgemein gefällt.
 keine Regeln zur
Hervorbringung des
Schönen
 nur Inspiration
 Genie ist das Talent
(Naturgabe), welches der
Kunst die Regel gibt.
 Unter allen [schönen
Künsten] behauptet die
Dichtkunst (die gänzlich
dem Genie ihren Ursprung
verdankt, und am
wenigsten durch
Vorschrift, oder durch
Beispiele geleitet sein will)
den obersten Rang.
 Principij di una scienza nuova d’intorno alla comune natura delle
nazioni (1725; 3. Fassung 1744)
 Zweifel am binären Wahrheitsmodell von Descartes
 Erkenntnisformen der Historie
 Versöhnung der analytisch-logischen Studienart mit der
humanistisch-philologischen
 Auffinden der Spuren des menschlichen Geistes
 Der Mensch kann nur das wahrhaft erkennen, was er
selbst geschaffen hat.
 Geistesgeschichte als Schöpfung des Menschen
 Gegenstand der Scienza nuova – sapienza poetica
 in triadischer Struktur
 [...] l’antichità degli egizi in ciò grandemente ci gioverà, che
ne serbarono due grandi rottami non meno meravigliosi
delle loro piramidi, che una è narrata da Erodoto: ch’essi
tutto il tempo del mondo ch’era corso loro dinanzi
riducevano a tre età: la prima degli dèi, la seconda degli eroi
e la terza degli uomini. L’altra è che, con corrispondente
numero ed ordine per tutto tal tempo si erano parlate tre
lingue: la prima geroglifica ovvero per caratteri sagri, la
seconda simbolica o per caratteri eroici, la terza pistolare o
per caratteri convenuti da’ popoli [...]
 3-Phasen-Zyklus von Barbarei, Humanismus und
Korruption
 kultureller Fortschritt = zyklische Wiederholung
 Charles Fourier: Le Nouveau Monde industriel et sociétaire, 1829
 Auguste Comte: Cours de philosophie positiviste, 1830-42
 stade théologique et militaire
 stade métaphysique et légiste
 stade positif et industriel
 Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ästhetik
 symbolische Urgeschichte
 klassische Antike mit idealem Menschenbild
 romantisches Christentum mit Unterscheidung zwischen
Form und Inhalt
 Marxismus bzw. Konjunktur- und Produktzyklen der
Volkswirtschaft
 Goethe: Italienische Reise
 deutsche Übersetzung 1822
 Herder und Schiller
 Hauptaufgaben von Poesie:
 Erfindung von Mythen
 Erschütterung der Gemüter
 Erziehung zur Tugend
 Victor Hugo: Préface de Cromwell, 1827
 Alessandro Manzoni: Lettre à M.C***, 1823
 Johann Gottfried Herder: Ursachen des gesunknen Geschmacks







bei den verschiednen Völkern, da er geblühet, 1775
August Wilhelm Schlegel und Friedrich Schlegel
Die beste Theorie der Kunst ist ihre Geschichte.
Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache, 1772
ursprüngliches Sprechen in der Muttersprache
Friedrich Schlegel: Gespräch über die Poesie, 1800
Es ist aller Kunst wesentlich eigen, sich an das Gebildete
anzuschließen, und darum steigt die Geschichte von
Geschlecht zu Geschlecht, von Stufe zu Stufe immer höher
ins Altertum zurück, bis zur ersten ursprünglichen Quelle.
Das Ganze ruht auf dem festen Boden der alten Dichtung,
eins und unteilbar durch das festliche Leben freier
Menschen und durch die heilige Kraft der alten Götter.
 Nationalliteraturen = Entfaltung von organisch




individuellen Ganzheiten
Schlüsselvokabular aus dem Bereich des Pflanzlichen, des
Wassers und des Religiösen
Ströme der Poesie, Blüten der Dichtung, heilige Mysterien
Es ist nicht nötig, dass irgend jemand sich bestrebe, etwa
durch vernünftige Reden und Lehren die Poesie zu erhalten
und fortzupflanzen [...]
Wilhelm Heinrich Wackenroder: Herzensergießungen eines
kunstliebenden Klosterbruders, 1796
Ausdruck eines schöpferischen Subjekts
 Beteiligung der Menschen an der Entstehung der untersuchten




Dinge
[...] die Schönheit des Gedichts zu verstehen sind wir fähig, weil
auch ein Teil des Dichters, ein Funke seines schaffenden Geistes
in uns lebt und tief unter der Asche der selbstgemachten
Unvernunft mit heimlicher Gewalt zu glühen niemals aufhört.
Friedrich Schelling: Philosophie der Kunst, 1802
Diesen [Rückweg] betrat, Religion und Poesie verbindend, der
große Dante, der heilige Stifter und Vater der modernen Poesie.
Petrarca gab der Kanzone und dem Sonett Vollendung und
Schönheit. Seine Gesänge sind der Geist seines Lebens [...]
 [...] wie Boccaccios Verstand eine unversiegbare Quelle
merkwürdiger meistens wahrer und sehr gründlich
ausgearbeiteter Geschichten [...]
 Aus solchen Quellen entsprungen, konnte bei der
vorgezogenen Nation der Italiäner der Strom der Poesie
nicht wieder versiegen.
 Guarinis Pastor fido (1590): [...] dem größten ja einzigen
Kunstwerk der Italiäner nach jenen Großen [...]
 Er hätte an dem Beispiel der großen Nation wenigstens
zeigen können, wie man eine sein kann, ohne alle
Poesie.
 Literatur = Inbegriff des geistigen Lebens eines Volkes
 zwei Perspektiven:
 1. Monument: Produkt eines Genies
 2. Dokument der Geistesgeschichte einer Nation
 Georg Gottfried Gervinus: Geschichte der poetischen National-
Literatur der Deutschen (1835-42)
 homogenes Konstrukt → Identität des Volkes
 Friedrich Hölderlin (1770-1843)
 Heinrich von Kleist (1777-1811)
 Jean Paul (1763-1825) – eig. Johann Paul Friedrich
Richter
West-östlicher Divan (1814-19, erweitert 1827)
Noten und Abhandlungen zu besserem
Verständnis des West-östlichen Divan (1819)
Versammlung deutscher Gedichte
mit stetem Bezug auf den „Divan“
des persischen Sängers
Mahomed Schemseddin Hafis
Hafis (Schiraz,
um 1320 –
um 1390)
Joseph von
HammerPurgstall (17741856)
Hafis
himmlische Liebe – irdische Liebe (homoerotisch, panerotisch)
Diesseits – Jenseits
Religion – Eros
mystische Ekstase – Orgasmus und Weinrausch
bei Goethe erweitert um
Westen – Osten
Bibel – Koran
Antike und Mittelalter – Gegenwart
Heteroerotik (dominierend; Suleika) – Homoerotik (Schenke)
Phänomen
Wenn zu der Regenwand
Phoebus sich gattet,
Gleich steht ein Bogenrand
Farbig beschattet.
Im Nebel gleichen Kreis
Seh ich gezogen,
Zwar ist der Bogen weiß,
Doch Himmelsbogen.
So sollst du, muntrer Greis,
Dich nicht betrüben,
Sind gleich die Haare weiß,
Doch wirst du lieben.
Integration von Elementen der Farbenlehre in die Divan-Mystik
Gingo Biloba
Dieses Baums Blatt, das von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als eines kennt?
Solche Frage zu erwidern,
Fand ich wohl den rechten Sinn;
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Dass ich eins und doppelt bin?
Integration von Elementen der Goetheschen Lehre von der
Metamorphose der Pflanzen in die Divan-Mystik
Dichten mit Goethe, nach Goethe
Ein Seitenblick auf August von Platen
Ich bin wie Leib dem Geist, wie Geist dem Leibe dir!
Ich bin wie Weib dem Mann, wie Mann dem Weibe dir!
Wen darfst du lieben sonst, da von der Lippe weg
Mit ew’gen Küssen ich den Tod vertreibe dir?
Ich bin dir Rosenduft, dir Nachtigallgesang,
Ich bin der Sonne Pfeil, des Mondes Scheibe dir;
Was willst du noch? was blickt die Sehnsucht noch umher?
Wirf alles, alles hin: du weißt, ich bleibe dir!
[Ghaselen, 1821]
 Johann Paul Friedrich Richter, der sich später „Jean Paul“ nannte, kam
als Sohn eines Lehrers und Organisten in Wunsiedel zur Welt. 1765
wurde sein Vater Pastor in Joditz, 1776 erhielt er eine bessere Stelle in
Schwarzenbach an der Saale. Die Atmosphäre des protestantischen
Landpfarrhauses prägte Jean Pauls Kindheit. Weniger durch seinen
konservativen Vater als durch einen verehrten Lehrer und den Pfarrer
Erhard Friedrich Vogel des Nachbarortes Rehau wurde er mit dem
Gedankengut der Aufklärung vertraut gemacht. Abseits der politischliterarischen Zentren seiner Zeit bildete sich Jean Paul autodidaktisch
und besaß schon als 15-Jähriger ein umfangreiches Bücherwissen, das
er in Exzerptheften zusammentrug. 1779 wechselte Jean Paul an das
Gymnasium in Hof, wo er seinen engen Jugendfreund Johann
Bernhard Hermann kennenlernte, das Vorbild vieler seiner
Romanfiguren, etwa des „Leibgeber“ im Siebenkäs. Wenige Monate
später starb sein Vater, wodurch die Familie in schwere materielle Nöte
stürzte. Das Hofer Gymnasium, das Jean Paul besuchte, gibt es immer
noch und wurde nach ihm benannt. Es gilt heute als eines der ältesten
Gymnasien überhaupt in Bayern.
 Im Mai 1781 immatrikulierte Jean Paul sich an der Universität
Leipzig, betrieb sein Studium der Theologie jedoch nur sehr
lustlos. Stattdessen begann er nun, sich als Schriftsteller zu
verstehen: Er schrieb nach ersten literarischen Experimenten vor
allem Satiren im Stile Jonathan Swifts und Christian Ludwig
Liscows, die in gesammelter Form 1783 als Grönländische
Prozesse gedruckt wurden. Nach dieser ersten Publikation
blieben jedoch weitere Erfolge aus. 1784 musste Jean Paul vor
seinen Gläubigern fliehen und kehrte als „gescheiterte Existenz“
nach Hof in das Haus seiner Mutter zurück. Wie er sich dort
fühlte, ist in seinem späteren Roman Siebenkäs nachzulesen.
Neben der drückenden Armut dieser Jahre belasteten Jean Paul
auch der Tod eines Freundes im Jahr 1786 und der Selbstmord
seines Bruders Heinrich 1789. Erst als Jean Paul ab 1787 ein
Auskommen als Privatlehrer fand, linderte sich seine Notlage
allmählich.
 Die Reihe seiner schriftstellerischen Erfolge begann 1793 mit dem
Roman Die unsichtbare Loge. Jean Paul hatte dem Schriftsteller Karl
Philipp Moritz das Manuskript geschickt, und Moritz zeigte sich
begeistert: „Ach nein, das ist noch über Goethe, das ist was ganz
Neues!“, soll er gesagt haben, und durch seine Vermittlung fand das
Buch rasch einen Verlag in Berlin. In Die unsichtbare Loge verwendete
Jean Paul, der seine Arbeiten zuvor unter dem Pseudonym J. P. F. Hasus
geschrieben hatte, aus Bewunderung für Jean-Jacques Rousseau
erstmals den Namen Jean Paul. Doch Die unsichtbare Loge blieb ein
Fragment, denn Jean Paul widmete sich mit dem Hesperus oder 45
Hundposttage einem neuen Roman, der 1795 erschien. Das Buch, das
zum größten literarischen Erfolg seit Goethes Die Leiden des jungen
Werthers wurde, machte Jean Paul schlagartig berühmt. Johann
Gottfried von Herder, Christoph Martin Wieland und Johann Wilhelm
Ludwig Gleim äußerten sich enthusiastisch über den Hesperus –
Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller fanden an dem
Roman allerdings kein Gefallen.
Auf Einladung seiner Verehrerin Charlotte von Kalb besuchte Jean Paul 1796 Weimar. Im
literarischen Zentrum seiner Zeit wurde er respektvoll aufgenommen, doch blieb das
Verhältnis zu Klassikern wie Goethe und Schiller eher kühl und distanziert. Zwei Jahre
später zog Jean Paul nach Weimar; inzwischen hatte er eine stattliche Anzahl
literarischer Werke vorzuweisen: Siebenkäs (1796/97), Das Leben des Quintus Fixlein
(1796), Der Jubelsenior (1797), Das Kampaner Tal (1797). Besonders in Weimar häuften
sich die erotischen Verwicklungen, die Jean Paul Zeit seines Lebens begleiteten: Er
verlobte sich mit Karoline von Feuchtersleben, was wegen des Standesunterschiedes
einige Schwierigkeiten mit sich brachte - und als diese endlich ausgeräumt waren,
entlobte Jean Paul sich wieder. Auch gegenüber Charlotte von Kalb musste er immer
wieder neue Strategien der Ehe-Vermeidung austüfteln. Doch auch der ehescheue Jean
Paul konnte sich schließlich seinem Schicksal nicht entziehen: Im Frühjahr 1800 lernte er
auf einer Reise nach Berlin Karoline Mayer kennen, die er ein Jahr später heiratete.
 Die Berlin-Reise stellte den Höhepunkt seines literarischen Ruhmes dar: Die preußische
Königin Luise, die ihn am „Kleinen Musenhof“ ihrer Schwester Charlotte in
Hildburghausen kennen gelernt hatte, zeigte sich ihm als begeisterte Leserin seiner
Werke. Dies brachte Jean Paul dazu, im Oktober 1800 ganz nach Berlin zu ziehen, wo er
sich unter anderem mit den Brüdern August Wilhelm und Friedrich Schlegel sowie mit
Johann Ludwig Tieck, Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher und Johann Gottlieb Fichte
anfreundete.

Doch vom Gipfel des Erfolges ging es allmählich bergab: Jean Pauls nächste Romane
Titan (1800–1803) und Flegeljahre (1804/1805) erzeugten nicht mehr den früheren
Enthusiasmus bei den Lesern, obwohl sie heute als seine wichtigsten Werke gelten.
 1804 siedelte er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Bayreuth um, nachdem er
kurze Zeit in Meiningen und Coburg gewohnt hatte. In Bayreuth führte er fortan ein
zurückgezogenes Leben, unterbrochen nur von einigen Reisen, z. B. nach Bamberg, wo er
E. T. A. Hoffmann besuchte, oder nach Heidelberg, wo ihm 1817 nach einem ausgiebigen
Punschgelage auf Vorschlag Hegels der Ehrendoktortitel verliehen wurde. Seine
politischen Stellungnahmen (etwa in Cottas Morgenblatt) fanden besonders bei
patriotisch gesinnten Studenten lebhaften Widerhall. Er wurde zu einer Leitfigur der
deutschen Burschenschaften. Bei Besuchen in Heidelberg (1817) und Stuttgart (1819)
wurde er gar zum „Lieblingsdichter der Deutschen“ erhoben.
 Jean Pauls literarische Werke aus diesen Jahren, wie Levana oder Erziehlehre (1807) oder
Dr. Katzenbergers Badereise (1809), erhielten bei weitem nicht mehr die Beachtung, die
der Hesperus erlangt hatte. 1813 begann Jean Paul mit seinem letzten großen Roman, Der
Komet, doch der Tod seines Sohnes Max 1821 war ein Schicksalsschlag, den der Autor
nicht verwinden konnte - Der Komet wurde aufgegeben und blieb Fragment. Die letzten
Lebensjahre waren von Krankheiten gezeichnet: 1823 erkrankte Jean Paul am Grauen Star
und erblindete allmählich. 1825 kam Brustwassersucht hinzu, an der er am 14. November
verstarb.
 Er ist auf dem Friedhof in Bayreuth beerdigt

 Jean Paul nimmt in der deutschen Literatur eine Sonderstellung ein und hat
das Lesepublikum schon immer gespalten. Bei den einen erntete er höchste
Verehrung, bei anderen Kopfschütteln und Desinteresse. Er trieb die
zerfließende Formlosigkeit des Romans der Romantiker auf die Spitze; August
Wilhelm Schlegel nannte seine Romane „Selbstgespräche“, an denen er den
Leser teilnehmen lasse (insofern eine Übersteigerung dessen, was Laurence
Sterne im Tristram Shandy begonnen hatte). Jean Paul spielte ständig mit einer
Vielzahl witziger und skurriler Einfälle; seine Werke sind geprägt von wilder
Metaphorik sowie abschweifenden, teilweise labyrinthischen Handlungen. In
ihnen mischte Jean Paul Reflexionen mit poetologischen Kommentaren; neben
geistreicher Ironie stehen unvermittelt bittere Satire und milder Humor, neben
nüchternem Realismus finden sich verklärende, oft ironisch gebrochene
Idyllen, auch Gesellschaftskritik und politische Stellungnahmen sind
enthalten.
 Besonders weibliche Leser schätzten seine Romane - dies lag vor allem an der
Empathie, mit der Jean Paul die Frauenfiguren in seinen Werken gestalten
konnte: Nie zuvor waren in der deutschen Literatur weibliche Charaktere mit
einer solchen psychologischen Tiefe dargestellt worden. Allerdings finden sich
auch nirgends sonst derart vergnüglich-misogyne Sticheleien wie bei Jean Paul.
 Ähnlich vielgestaltig und verwirrend wie viele seiner Romane muss auch Jean
Pauls Charakter gewesen sein: Er war wohl sehr gesellig und geistreich,
gleichzeitig extrem sentimental, von fast kindlichem Gemüt und schnell zu
Tränen gerührt. Seine Werke lassen immer wieder erkennen, wie sehr er sich
nicht nur für Literatur, sondern auch für Astronomie und andere
Wissenschaften interessierte.
 Bei einem so kapriziösen Autor ist es kaum verwunderlich, dass sein Verhältnis
zu den Weimarer Klassikern Goethe und Schiller immer zwiespältig war (so
sagte Schiller, Jean Paul sei ihm „fremd wie einer, der aus dem Mond gefallen
ist“). Herder und Wieland allerdings haben ihn geschätzt und unterstützt.
Obwohl er immer auf Distanz zu den die Kunst verabsolutieren wollenden
Klassikern blieb und obwohl in seinem theoretischen Ansatz – etwa in seiner
Vorschule der Ästhetik – deutliche Einflüsse der Romantik festzustellen sind,
ist er nicht zu den Romantikern zu rechnen. Er hielt auch hier kritischen
Abstand; denn bei allem Subjektivismus verabsolutierte er das Ich des Autors
nicht: Er besaß, was zwischen klassischem Ernst und romantischer Ironie
selten geworden war: Humor (mit dessen Wesen er sich auch als Erster
eingehend auseinandersetzte).
 Sowohl die Aufklärung als auch die Metaphysik waren für ihn
gescheitert, gleichwohl hatten sie ihren Platz in seinem Weltbild.
So gelangte er zu einer Weltanschauung ohne Illusionen verbunden mit humorvoller Resignation. Dazu passt, dass Jean
Paul einer der ersten Fürsprecher der Philosophie Arthur
Schopenhauers war. Er versuchte nicht zu indoktrinieren,
sondern das Glück des Menschen darzustellen, auch und gerade
in einer sich zunehmend entfremdenden Umwelt - in RokokoSchlössern und kargen Dörfern Oberfrankens.
 Es ist erwähnenswert, dass er in seinen Schriften das literarische
Motiv des "Doppel(t)gängers" nicht nur als erster beim Namen
nennt und somit prägt, sondern es auch in unzähligen
Variationen ausgestaltet (vgl. u.a. Siebenkäs und Leibgeber bzw.
Schoppe, Liane und Idoine, Roquairol und Albano, um bloß
einige zu nennen). So definiert er in seinem Siebenkäs:
„Doppeltgänger (So heißen Leute, die sich selber sehen).“
Johann Christian Friedrich Hölderlin
(Lauffen am Neckar 1770 – Tübingen 1843)
Schüler in der schwäbischen Klosterschule Maulbronn
1788 mit Hegel und Schelling in Tübingen, Freundschaftskult
1794 in Jena Bekanntschaft mit Schiller („von Ihnen dependier
ich unüberwindlich“), Fichte, Novalis; Jugendlyrik
mehrere Hauslehrerstellen, 1796 bis 1798 Hauslehrer bei
Familie Gontard in Frankfurt, Liebe zu Susette (im Roman
„Hyperion “ 1797 und 1799: „Diotima“; neue Oden-Dichtung)
Friedrich Hölderlin
1798 zum (liberalen) Landgrafen von Homburg, mit dem
demokratisch gesinnten Studienfreund und Homburger
Regierungsrat Isaac von Sinclair, erste große Oden in
alkäischen („An die Parzen“) oder asklepiadeischen Strophen
(„Socrates und Alkibiades“, „Heidelberg“)
Friedrich Hölderlin
1800 in Stuttgart, die großen Elegien: „Stuttgart“, „Der Gang aufs
Land“, „Brot und Wein“, 1801 Hauslehrer in der Schweiz, Abbruch,
zuhause in Nürtingen, vergebliche Suche nach Universitätsstelle
in Jena; 1802 Hauslehrer beim Hamburgischen Konsul in
Bordeaux – von Schwaben aus zu Fuß, im Winter, unglücklich
und gemütskrank schon nach 4 Monaten wieder zurück.
Friedrich Hölderlin
Tod „Diotimas“ in Frankfurt, dauernde Distanz Goethes, Entfremdung von
Schiller, depressive Zustände und Gemütsverwirrung, Arbeit an den großen
Hymnen („Patmos“, „Die Erinnerung“), bald nur noch in Fragmenten
(„Homburger Folioheft“ 1802-1806); nach letzter radkaler Politisierung 1801/02:
1804 zum Schein Bibliothekarsstelle in Homburg; 1806 gewaltsame
Einlieferung in die Klinik; seit 1807 beim Schreiner Zimmer im Hölderlin-Turm
am Neckarufer.
Vergessenheit, Besuch
weniger Freunde und
Bewunderer, darunter Mörike.
Mythenbildung um seine
Figur; Fouqué an Brentano:
„Ein wahnsinniger Dichter
erscheint mir ganz besonders
furchtbar, und rührend, und
geheiligt.“ Im Turm entstehen
die „Scardanelli“-Gedichte.
Hölderlin heißt Scardanelli
und fühlt sich im 18.
Jahrhundert. Tod im Turm
sechsunddreißig Jahre später,
im Juni 1843, 73 Jahre alt.
Entzweiung:
An Diotima (1797)
Schönes Leben! du lebst, wie die zarten Blüten im Winter,
In der gealterten Welt blühst du verschlossen, allein.
Liebend strebst du hinaus, dich zu sonnen am Lichte des Frühlings,
Zu erwarmen an ihr suchst du die Jugend der Welt.
Deine Sonne, die schönere Zeit, ist untergegangen
Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nun.
Versöhnung (I): Heidelberg (1800)
Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.
Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.
Wie von Göttern gesandt, fesselt’ ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,
Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluten der Zeit sich wirft.
Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All’ ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.
Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goss
Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Efeu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.
Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.
Heidelberg (u. a. „vaterländische“ Oden):
• idyllisierende Darstellung der ‚altdeutschen’ Kleinstadt
• als Stilisierung nach idealen Griechenland-Phantasien
• und so als utopischer Vorschein einer versöhnten Welt
• in der eigenen, vertrauten und (meint er) sich selbst
entfremdeten
Kultur
• das „Vaterländische“ im emanzipativen und utopischen Geist
verstanden: das Volk als potentielles Subjekt einer Revolution,
die
das Goldene Zeitalter wiederherstellt
• Anti-Schiller, weil über Schiller hinaus: nicht lediglich
„sentimentalische“ Erinnerung ans Verlorene im Dienste seiner
einstigen Wiederherstellung,
• sondern Wiederbringung im Gedicht und durch das Gedicht
hier
und jetzt: „Ich glaube an eine künftige Revolution der
1777-1811
 *18.10.1777 in Frankfurt a. d. Oder
 Hoher Stellenwert des Militärs
 Eltern sterben früh  Stiefschwester
 1792: Beitritt zum Militär
 1802:Auswanderung in die Schweiz
 1803: Wiedereintritt ins Militär
 schlechter gesundheitlicher Zustand
 Patriotische Dichtungen
 1811: viele Misserfolge
 Selbstmord mit seiner Lebensgefährtin ebenfalls 1811
 Dramatik:
 Die Hermannsschlacht
 Penthesilea
 Der zerbrochene Krug
 Novellen:
 Michael Kohlhaas
 Die Marquise von O.
 Das Bettelweib von Locarno
 „Die Familie Schroffstein“
 „Robert Guiskard“
Heinrich von Kleist (1777 - 1811)
 Der Rosshändler Michael Kohlhaas möchte eine innerdeutsche Grenze





passieren, jedoch werden ihm dabei zwei Pferde und sein Knecht von einem
Junker abgenommen, da ein angeblich benötigter Passierschein fehlt.
Daraufhin möchte der immer gesetzestreue Kohlhaas das Papier nachliefern,
wurde aber betrogen.
Er versuchte seine Pferde auf legalem Wege wieder zu bekommen.
Als das misslingt und seine Frau stirbt, schwört er ewige Rache.
Er brennt die Burg des Junkers nieder und tötet mehrere Menschen und
führt Krieg gegen den Wenzel von Tronka.
Kohlhaas wird dann zum Tode verurteilt und schluckt vor seiner
Hinrichtung die Kapsel, in welcher sich ein Zettel mit einem Namen
befinden soll, welcher den Kurfürsten ins Verderben stürzen sollte.
 Zwei Teile
 Streben nach Recht
 Rache
 Prosa
 Verschachtelter Satzbau
 Sehr langwierige Sätze
 Sehr Sachlich (auch das Nachwort!)
 historisch korrekt
 Kohlhaas seufzte bei dieser Nachricht [Junker von Tronka ins Kloster nach
Erlabrunn geflohen] tief auf; er fragte, ob die Pferde gefressen hätten? Und da
man ihm antwortete: ja: so ließ er den Haufen aufsitzen, und stand schon in
drei Stunden vor Erlabrunn. Eben, unter dem Gemurmel eines Gewitters am
Horizont, mit Fackeln, die er sich vor dem Ort angesteckt, zog er mit seiner
Schar in den Klosterhof ein, und Waldmann, der Knecht, der ihm entgegen
trat, meldete ihm, dass das Mandat richtig abgegeben sei, als er die Äebtissin
und den Stiftsvogt, in einem verstörten Wortwechsel unter das Portal des
Kloster treten sah und; und während jener, der Stiftsvogt, ein kleiner, alter,
schneeweißer Mann, grimmige Blicke auf Kohlhaas schießend, sich den
Harnisch anlegen ließ, und den Knechten die ihn umringten, mit dreister
Stimme zurief, die Sturmglocke zu ziehen: trat jene, die Stiftsfrau, das silberne
Bildnis des Gekreuzigten in der Hand, bleich, wie Linnenzeug, von der Rampe
herab und warf sich mit allen ihren Jungfrauen, vor Kohlhaasens Pferd nieder.
 Michael Kohlhaas
 Begonnen 1804/05
 Vollendet 1810
 Beruht auf wahren Begebenheiten
 Wahrer Name: „Hans Kohlhaase“
 „Nun, Kohlhaas, heut ist der Tag, an dem dir dein
Recht geschieht.“
 Positiv – Wunsch erfüllt
 Negativ – wird hingerichtet, nachdem er sein Recht erkämpft
hatte („Krieg“)
 Kohlhaas-Verhalten:
 Sein Rechtsgefühl macht ihn zum Räuber und Mörder.
 Selbstjustiz in Ordnung?
 Kapsel
 Kurfürst krank vor Neugier
 Relativiert das Leid von Kohlhaas
 Eine Art Genugtuung
 http://www.vwv.de/newsletter/deutsch/pdf/0703_klei
st1.pdf
 http://infopool.martin-
burger.de/schule/deu/kleistmiko.html
 http://www.lgd.de/projekt/kleist/judith.htm

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
deutsche Romantik: ein Abschnitt der sog. Goethezeit (1770-1832)
Ursprung des Begriffs „Romantik”
a) ‘roman’ < Roman
Mittelalter: Texte in der ‘lingua romana’«lateinische Gelehrtenliteratur weitergeführt
durch F. Schlegel: Roman = romantisches Buch
b) Genrebezeichnungen
17. Jh., England: ‘romantic’ – malerische Landschaft, schwärmerischer Charakter oder
Ereignisse
17-18. Jh. frz. ‘romantique’ – abenteuerliche Geschichte oder malerische Landschaft
F. Schlegel: Erweiterung des Begriffs und Verbindung der zwei Linien im Gespräch über
die Poesie
Brief über den Roman: Roman = romantisches Buch
Epochen d. Dichtkunst: romantisch = die ganze Literatur nach der Antike (Dante,
Petrarca, Boccaccio, Shakespeare, Cervantes = romantisch)
Mme de Staël (1808): ‘poésie romantique’«‘poésie classique’ = nördliche Literatur
«antike Literatur (vgl. auch „la Querelle des Anciens et des Modernes” als Vorbereitung)

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
Schwierigkeiten der Definition:
Romantik als
a) zeitl. abgrenzbare Richtung
b) „ewige” Romantik (Geistesgeschichte)
kulturelle Vorläufer
a) Sentimentalismus / Empfindsamkeit
Rousseau: Nouvelle Héloise; Confessions
Richardson: Pamela; Sterne: Sentimental Journey
Goethe: Die Leiden des jungen Werther
b) bürg. Nationalitätsgefühl - Interesse für Volkslieder
und Volkskultur
Herder: Stimmen d. Völker in Liedern (vgl. Heidelberger Romantik!)
c) Sturm u. Drang: Geniekult (Ausnahmemensch); Gefühlskult
Romantiker: Anerkennung der Sturm u. Drang-Periode von Goethe
 absolutistischer Staat:
 äußere Verhältnisse = stabil
 innere Verhältnisse: destabilisierende Kräfte – gesellschaftliche







Wandlungen
Unterminierung der ständischen Ordnung – der Einzelne erlebt sich
als Individuum
wachsende Mobilität, Zuwachs an Bildung, Autonomie
Herausbildung der „freien Intelligenz”
die französische Revolution: zuerst Begeisterung (Freiheitsidee) ,
dann: kritisches Verhältnis
Revolution des Bewußtseins – Priorität vor der politischen Revolution
vgl. F. Schlegel: Athenäums-Fragment 216 („die größten Tendenzen des
Zeitalters”),
bzw.: „Bei einem Menschen, der eine gewisse Höhe und Universalität
der Bildung erreicht hat, ist sein Innres eine fortgehende Kette der
ungeheuersten Revoluzionen” (Philosophische Lehrjahre)
 mehrere Phasen und z.T. abweichende Charakteristiken
 1) frühere Romantik: 1798 – 1815/20
 dt. Romantik / engl. Romantik Wordsworth, Coleridge,






Blake („The
Lakers”)
2) Hochromantik:
1. Phase: 1815/20 – 1830 (Shelley, Keats, Byron)
2. Phase: 1830 – 1848 französische Romantik (Victor Hugo,
Chateaubriand, Alfred de Vigny, Lamartine, Alfred de
Musset, George Sand, Gérard de Nerval, Mme de Staël)
3) Spätromantik: nach 1848 (der späte Victor Hugo)
 A/ Zweiteilung:
 1) ältere oder Frühromantik
 mehr kritisch-wissenschaftlich, theoretisch





ausgerichtet
Entwicklung ästhetischer Konzeptionen
geschlossene Gemeinschaft in Jena, teilw. in Berlin
2) jüngere oder Hoch- und Spätromantik
eine größtenteils unverbundene Gruppe von Autoren;
weniger spekulativ, stärker literarisch
 B/ Dreiteilung:








1) Jenaer Romantik / Frühromantik
August Wilhelm Schlegel, Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck, Novalis (Friedrich
von Hardenberg), Friedrich Wilhelm Schelling, Friedrich Schleiermacher,
Dorothea Schlegel, Caroline Schlegel-Schelling, Clemens Brentano, August
Klingemann
2) Heidelberger Romantik (1806-1815)
Clemens Brentano, Achim von Arnim, Bettina Brentano, Josef Görres, Wilhelm
Grimm, Jakob Grimm
3) Berliner Romantik
Heinrich von Kleist (!), E.T.A. Hoffmann, Adalbert von Chamisso, Achim
von Arnim, Clemens Brentano, Friedrich de la Motte Fouqué,
Ausklänge der romantischen Literatur: schwäbischer Dichterkreis: Uhland, J.
Kerner, Gustav Schwab, Wilhelm Hauff, Eduard Mörike, der junge Heine












deutsche Romantik:
Wende in der Literatur und Kultur, zugleich: Generationenwechsel und
Generationengegensätze;
weitreichende Wirkung: Anfänge der Moderne; moderne literarische Formen
Romantik(er): spätere Benennung, verstehen sich nicht als Romantiker, sondern als
„neue Schule” (Frühromantik) oder Gruppierung
Fortsetzung von Problemen der Aufklärung (verwandt mit Sturm und Drang, Klassik:
Ungenügen an der Aufklärung) , starke philosophische Fragestellungen
vgl. die Wirkung von Kant, Fichte, Schelling, Schleiermacher
1) Verhältnis (Mensch, Welt/Natur) = R(Subjekt,Objekt); R(Bewußt, Unbewußt);
R(Rationales, Irrationales); R(Mensch, Mensch)
2) Erkennbarkeit der Welt und des Ich
Gegenpole: Subjekt«Objekt; Mensch«Welt/Natur; Kultur«Natur;
Individuum«Gesellschaft; Endlichkeit«Unendlichkeit
Klassik vs. Romantik: Akzente – anders gesetzt
Romantik: Ziel ist nicht Überkompensation oder Eliminierung eines der Pole
Ziel: Ausgleich und Synthese
 im Bereich der Literatur und Literaturtheorie: Paradigmenwechsel --
Abkehr vom Prinzip der Nachahmung, der Repräsentation, der Mimesis
(vgl.
Ernst Behler) --- völlig neue Konzeption des literarischen Werkes
Wichtige Begriffe, Konzeptionen:
 entwicklungsgeschichtliche Vorstellungen (Kunst, Literatur, Religion)
–
 triadisches Geschichtsmodell
 Kunst als allumfassendes intermediales Phänomen
 Ironie
 Fragment
 Innen – Außen, magischer Idealismus, Romantisieren
 Gattungen – Roman, Märchen
 Bildung

Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist
nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie
mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie
und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald
verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft
poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem
Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors
beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehre Systeme in
sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende
Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. Sie kann sich so in das Dargestellte verlieren, daß
man glauben möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr Eins
und Alles; und doch gibt es noch keine Form, die so dazu gemacht wäre, den Geist des
Autors vollständig auszudrücken: so daß manche Künstler, die nur auch einen Roman
schreiben wollten, von ungefähr sich selbst dargestellt haben. Nur sie kann gleich dem
Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch
kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frei von
allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen Reflexion in der
Mitte schweben, diese Reflexion immer wieder potenzieren und wie in einer
endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der höchsten und der allseitigsten
Bildung fähig; nicht bloß von innen heraus, sondern auch von außen hinein;
indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten sein soll, alle Teile ähnlich
organisiert, wodurch ihr die Aussicht auf eine grenzenlos wachsende Klassizität eröffnet
wird. […] Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden.
Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie
ewig nur werden, nie vollendet sein kann. […] Die romantische Dichtart ist die
einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem
gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch sein. (AF 116)
 Die Philosophie ist die eigentliche Heimat der Ironie, welche man logische
Schönheit definieren möchte: denn überall wo in mündlichen oder
geschriebenen Gesprächen, und nicht nur ganz systematisch philosophiert
wird, soll man Ironie leisten und fordern; und sogar die Stoiker hielten die
Urbanität für eine Tugend. Freilich gibts auch eine rhetorische Ironie, welche
sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung tut, besonders im Polemischen; doch
ist sie gegen die erhabne Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der
glänzendsten Kunstrede gegen eine alte Tragödie in hohem Styl. Die Poesie
allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben,
und ist nicht auf ironische Stellen begründet, wie die Rhetorik. Es gibt alte und
moderne Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen
Hauch der Ironie atmen. Es lebt in ihnen eine wirklich transzendentale
Buffonerie. Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles
Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst, Tugend, Genialität: im
Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten
italienischen Buffo. (KF 42)
 Ironie ist die Form des Paradoxen. Paradox ist alles, was zugleich gut und groß
ist. (KF 48)
 Ironie ist klares Bewusstsein der ewigen Agilität, des unendlich vollen
Chaos. (Ideen 69)
 Die Sokratische Ironie ist die einzige durchaus unwillkürliche, und
doch durchaus besonnene Verstellung. Es ist gleich unmöglich sie zu
erkünsteln, und sie zu verraten. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch
nach dem offensten Geständnis ein Rätsel. Sie soll niemanden
täuschen, als die, welche sie für Täuschung halten, und entweder ihre
Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum besten zu
haben, oder böse werden, wenn sie ahnden, sie wären wohl auch mit
gemeint. In ihr soll alles Scherz und alles Ernst sein, alles treuherzig
offen, und alles tief verstellt. Sie entspringt aus der Vereinigung von
Lebenskunstsinn und wissenschaftlichem Geist, aus dem
Zusammentreffen vollendeter Naturphilosophie und vollendeter
Kunstphilosophie. Sie enthält und erregt ein Gefühl von dem
unauflöslichen Widerstreit des Unbedingten und des Bedingten,
der Unmöglichkeit und Notwendigkeit einer vollständigen
Mitteilung. Sie ist die freieste aller Lizenzen, denn durch sie setzt
man sich über sich selbst weg; und doch auch die gesetzlichste, denn
sie ist unbedingt notwendig. Es ist ein sehr gutes Zeichen, wenn die
harmonisch Platten gar nicht wissen, wie sie diese stete Selbstparodie
zu nehmen haben, immer wieder von neuem glauben und
missglauben, bis sie schwindlicht werden, den Scherz grade für Ernst,
und den Ernst für Scherz halten. […] (KF 108)
 Ein Fragment muss gleich einem kleinen Kunstwerke von
der umgebenden Welt ganz abgesondert und in sich selbst
vollendet sein wie ein Igel. (AF 206)
 Gebildet ist ein Werk, wenn es überall scharf begrenzt,
innerhalb der Grenzen aber grenzenlos und unerschöpflich
ist, wenn es sich selbst ganz treu, überall gleich, und doch
über sich selbst erhaben ist. Das Höchste und Letzte ist,
wie bei der Erziehung eines jungen Engländers, le grand
tour. Es muss durch alle drei oder vier Weltteile der
Menschheit gewandert sein, nicht um die Ecken seiner
Individualität abzuschleifen, sondern um seinen Blick zu
erweitern und seinem Geist mehr Freiheit und innre
Vielseitigkeit und dadurch mehr Selbständigkeit und
Selbstgenügsamkeit zu geben. (AF 297)
Die Phantasie setzt die künftige Welt entweder in die Höhe, oder in die Tiefe, oder in der
Metempsychose, zu uns. Wir träumen von Reisen durch das Weltall – ist denn das
Weltall nicht in uns? Die Tiefen unsers Geistes kennen wir nicht – nach innen geht der
geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten - die
Vergangenheit und Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt – sie wirft ihren
Schatten in das Lichtreich. Jetzt scheint uns freilich innerlich so dunkel, einsam,
gestaltlos – aber wie ganz anders wird es uns dünken – wenn diese Verfinsterung vorbei,
und der Schattenkörper hinweggerückt ist – wir werden mehr genießen als je, denn unser
Geist hat entbehrt. (BlSt 17)
 Selbstentäußerung ist die Quelle aller Erniedrigung, sowie im Gegenteil der Grund aller
echten Erhebung. Der erste Schritt wird Blick nach innen – absondernde Beschauung
unsres Selbst – wer hier stehn belibt gerät nur halb. Der zweite Schritt muss wirksamer
Blick nach außen – selbsttätige, gehaltne Beobachtung der Außenwelt wein. Der
Mensch wird nie, als Darsteller, etwas Vorzügliches leisten, der nichts wieder darstellen
mag, als seine Erfahrungen, seine Lieblingsgegenstände, der es nicht über sich gewinnen
kann, auch einen ganz fremden, ihm ganz uninteressanten Gegenstand, mit Fleiß zu
studieren und mit Muße darzustellen. Der Darsteller muss alles darstellen können und
wollen. Dadurch entsteht der große Stil der Darstellung, den man, mit Recht, an Goethe,
so sehr bewundert. (BlSt 26)

 Künstler ist ein jeder, dem es Ziel und Mitte seines Daseins ist,
seinen Sinn zu bilden. (Ideen 20)
 Ein Künstler ist, wer sein Zentrum in sich selbst hat. Wem es da
fehlt, der muss einen bestimmten Führer und Mittler außer sich
wählen, natürlich nicht auf immer sondern nur fürs erste. Denn
ohne lebendiges Zentrum kann der Mensch nicht sein, und hat
er es noch nicht in sich, so darf er es nur in einem Menschen
suchen, und nur ein Mensch und dessen Zentrum kann das
seinige reizen und wecken. (Ideen 45)
 Die höchste Aufgabe der Bildung ist – sich seines
transzendentalen Selbst zu bemächtigen – das Ich ihres Ichs
zugleich zu sein. Um so weniger befremdlich ist der Mangel an
vollständigem Sinn und Verstand für andre. Ohne vollendetes
Selbstverständnis wird man nie andre wahrhaft verstehn lernen.
(BlSt 28)

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


Gattungen
Alle klassischen Dichtarten in ihrer strengen Reinheit sind jetzt lächerlich. (KF 60)
Roman
Friedrich Schlegel: Roman = romantisches Buch
Mancher der vortrefflichsten Romane ist ein Kompendium, eine Enzyklopädie des ganzen geistigen
Lebens eines genialischen Individuums; Werke die das sind, selbst in ganz andrer Form, wie
NATHAN, bekommen dadurch einen Anstrich vom Roman. Auch enthält jeder Mensch, der gebildet
ist, und sich bildet, in seinem Innern einen Roman. Dass er ihn aber äußre und schreibe, ist nicht
nötig. (KF 78)
Märchen
Das echte Märchen muss zugleich prophetische Darstellung – idealische Darstellung – absolut
notwendige Darstellung sein. Der echte Märchendichter ist ein Seher der Zukunft. (ABr 31)
Das Märchen ist gleichsam der Kanon der Poesie – alles Poetische muss märchenhaft sein. Der
Dichter betet den Zufall an. (ABr 126)
Es liegt nur an der Schwäche unsrer Organe und der Selbstberührung, dass wir uns nicht in einer
Feenwelt erblicken. Alle Märchen sind nur Träume von jener heimatlichen Welt, die überall und
nirgends ist. Die höhern Mächte in uns, die einst als Genie unsern Willen vollbringen werden, sind
jetzt Musen, die uns auf dieser mühseligen Laufbahn mit süßen Erinnerungen erquicken. (FSt 48)
 August Wilhelm Schlegel (1767-1845): Redaktion der Zeitschrift





„Athenäum” (mit Friedrich Schlegel), Literatur- und kunstgeschichtliche
Schriften
Friedrich Schlegel (1772-1829): Über das Studium der griechischen Poesie,
Gespräch über die Poesie (Epochen der Dichtkunst, Brief über den Roman,
Rede über die Mythologie, Fragmente (Kritische[=Lyceums] Fragmente,
Athenäums-Fragmente, Ideen), Lucinde
Novalis [= Friedrich von Hardenberg] (1772-1801): Fragmente; Hymnen an
die Nacht; Romane: Die Lehrlinge zu Sais; Heinrich von Ofterdingen;
Märchen
Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798) Zusammenarbeit mit
Ludwig Tieck: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders,
Phantasien über die Kunst
Ludwig Tieck (1773-1853): William Lovell, Franz Sternbalds Wanderungen,
Erzählungen (Der blonde Eckbert, Der Runenberg u.a.), Der gestiefelte Kater,
spätere Werke
Clemens Brentano (1778-1842): Godwi. Ein verwilderter Roman
 die meisten nord- oder ostdeutscher, protestantischer




Herkunft
um 1770 geboren; aus mittleren Schichten
studierten in der Mehrzahl Jura, waren an Klassikern
gebildet und orientiert
stark theoretisch ausgerichtet
interessierten sich ausgiebig für Philosophie,
Naturwissenschaften und Literaturtheorie
 Zentrum – Jena
 Zeitschrift Athenäum (1798 - 1800 in Berlin)
Wilhelm Heinrich
Wackenroder
(1773 – 1798)
„Herzensergießungen
eines kunstliebenden
Klosterbruders“
„Lucinde“
Novalis (1772 - 1801)
„Die Christenheit in Europa“, „Heinrich von
Ofterdingen“, „Hymnen
an die Nacht“
Ludwig Tieck (1773 – 1853)
„Franz Sternbalds Wanderungen“, „Der blonde Eckbert“, „Der Runenberg“
August Wilhelm Schlegel
(1767 – 1845)
Führender Shakespeare Übersetzer
 August Wilhelm Schlegel (1767-1845)
 Friedrich Schlegel (1772-1829)
 Novalis (eig. Friedrich von Hardenberg) (1772-1801)
 Ludwig Tieck (1773-1853)
„Brief über den Roman”: Roman als romantisches Buch: sentimentaler Stoff in phantastischer Form

„Über Goethes Meister”: Kritik des Goethe-Romans aus romantischer Perspektive – Würdigung mit
ironischen Untertönen, Ablehnung der Bildungskonzeption von Goethe

„Lucinde” (1799) – Entstehung, zeitgenössische Rezeption

Fragment, nur der 1. Teil publiziert – ästhetisches Experiment („ein gebildetes künstliches
 Chaos”)

Prolog + 13 Teile (Briefe, Allegorien, Dithyramben, Dialoge, Reflexionen – Mittelteil: „Lehrjahre der
Männlichkeit”

Entwicklung der zentralen Figur Julius: Künstler – Selbstfindung: Liebe und Kunst in Einheit
gebracht

zweifelhafte Abenteuer – Liebe zu Lucinde (ebenfalls Künstlerin)

Trennung von Sinnlichem und Geistigem aufgehoben

Bruch mit dem traditionellen Frauenbild (zwiespältig): „Vollendung des Männlichen und Weiblichen
zur vollen ganzen Menschheit”
Dorothea Schlegel: „Florentin” (1801): fragmentarischer romantischer Bildungsroman

Gegenstück zu „Lucinde”

weder Liebe noch Kunst – ohne fixierbare Identität

Friedrich Schlegel, Gespräch über die Poesie
Athenäum, Bd. 3, 1800
Darin: „Rede über die Mythologie“.
„Mythologie und Poesie, beide sind eins und unzertrennlich.“
Für die mythologischen Kulturen Antike gilt: „alles greift ineinander“, so daß man sagen
kann, „die alte [antike] Poesie sei ein einziges, unteilbares, vollendetes Gedicht.“
„Warum soll nicht wieder von neuem werden, was schon gewesen ist? Auf eine andere
Weise, versteht sich.“
Drei Thesen zu Beginn:
(1) „Es fehlt [...] unsrer Poesie an einem Mittelpunkt, wie es die Mythologie für die der Alten
[der Antike] war,
(2) und alles Wesentliche, worin die moderne Dichtkunst der antiken nachsteht, lässt sich
in die Worte zusammenfassen: Wir haben keine Mythologie.
(3) (a) Aber [...] wir sind nahe daran, eine zu erhalten,
(b) oder vielmehr, es wird Zeit, dass wir ernsthaft daran mitwirken sollen, eine
hervorzubringen.“
Wie soll das geschehen?
„auf dem ganz entgegengesetzten Wege [...] wie die alte“: nicht „sich unmittelbar
anschließend und anbildend an das Nächste, Lebendigste der sinnlichen Welt“, sondern:
„Die neue Mythologie muß im Gegenteil aus der tiefsten Tiefe des Geistes herausgebildet
werden; es muß das künstlichste aller Kunstwerke sein “.
Seine Entstehung soll das Ergebnis von „Versuchen“ sein: ‚Experimentalpoesie’.
Die Neue Mythologie in der frühromantischen Reflexion
1. Die Proklamation einer „Neuen Mythologie“ steht im Zentrum
früh-romantischen Denkens – in Politik, Philosophie, Poetik.
2. Sie reagiert auf (mindestens) fünf Herausforderungen:
• sozioökonomisch: die arbeitsteilige und pluralistische
Ausdifferenzie-rung der modernen Gesellschaften (Französische
Revolution),
• sozialpsychologisch: die Ambivalenz von Emanzipation und Überforderung des Subjekts (Goethes „Wilhelm Meister“),
• wissenschaftsgeschichtlich: die Entzweiung von Natur- und
Geistes-wissenschaften; darüber hinaus von Literatur und
Wissenschaft,
• religionsgeschichtlich: die Entzweiung von theologischer und
philosophischer Metaphysik (Kant und die Folgen),
• literaturgeschichtlich: die Entzweiung von Gefühl
(Empfindsamkeit, Sturm und Drang) und Vernunft
(Spätaufklärung).
 „Franz Sternbalds Wanderungen. Eine altdeutsche Geschichte” (1798)









Künstlerroman/ Bildungsroman – Fragment geblieben
zur Zeit Albrecht Dürers
von Nürnberg nach Florenz (Norden/Süden)
Auflockerung des Erzählens durch Gespräche, Monologe, Briefe, lyrische
Einlagen (Prinzip der Gattungsmischung)
Intrigenhandlung – zahlreiche Figuren: Reise, Abenteuer, Liebe, Geheimnis
Kunst / Leben, Künstlertum / Bürgerlichkeit, Unendlichkeit der Natur /
Begrenztheit ihrer Darstellungsmöglichkeiten
Kunstgespräche: Kunst als Lebensziel, Ziel der Persönlichkeitsentwicklung
historische Vertreter der Malerei – Dürer / Raffael („altdeutsche Kunst”)
große / widersprüchliche Wirkung (Romantiker vs. Goethe)
 Ludwig Tieck: Märchen – Novelle –





Märchennovelle
„Der blonde Eckbert” (1797)
Rahmengeschichte: Wechsel der Erzählperspektiven
Subjektivierung des Erzählten
Identität der Figuren: aufrechterhaltene
Ambivalenzen
Naturerlebnis, Naturwahrnehmung –
Psychologisierung; moralische Fragestellungen
märchenhafte Elemente
 Ludwig Tieck: „Der Runenberg” (1802)
 Topographie der Geschichte: verschiedene Sphären
der Natur – unterschiedliche Konnotationen und
Oppositionen
 Ebene vs. Gebirge; oben vs. unten; Gold vs. Geld;
Bewusstes vs. Unbewusstes; Liebesmystik vs. Religion
 ambivalente Perspektiven und
Interpretationsmöglichkeiten
 Probleme der Selbsterkenntnis, der Welterkenntnis –
Unmöglichkeit des in allen Sphären beheimateten
Individuums
 „Heinrich von Ofterdingen” (1802)
 unvollendet/ posthum – Pläne zu einer „Enzyklodädie”
 1. Teil: Die Erwartung – 2. Teil: Die Erfüllung (Anfang von
Tieck herausgegeben + „Bericht über die Fortsetzung”)
 Ofterdingen: mittelalterlicher Minnesänger im 13. Jh.
(historisch nicht belegt) – mhd. Epos: „Sängerkrieg auf der
Wartburg” (um 1260)
 Handlung: in einer vagen mittelalterlichen Welt
 Reise in den Süden – Reiseerlebnisse: Bildung zum
Künstler
„Die Welt muß romantisiert werden.
[…]
Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn,
dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles
Ansehn,
dem Bekannten die Würde des Unbekannten,
dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe
so romantisire ich es.“
Novalis, 1793
Friedrich Frh. von Hardenberg,
Novalis: „der Neuland Rodende“
geb. 1772 in Thüringen (Stammsitz Hardenberg
bei Göttingen), pietistisches Elternhaus. 1790
immatrikuliert in Schillers Jena, Fortsetzung
des Studiums in Leipzig, 1792 Freundschaft mit
Fr. Schlegel, 1795 Verlobung mit der 13jährigen
Sophie von Kühn, die 1797 stirbt. Studium der
Montanwissenschaften in Freiberg, Besuche
am Grabe Sophies, Offenbarungserlebnis (im
Journal, dem pietistischen Tgb., am 13. Mai);
1798 zweite Verlobung (mit Julie von
Charpentier), Freund-schaft mit Ludwig Tieck,
seit 1799 feste Beamten-stellung in Weißenfels
/Blüthenstaub:
Saale, dort stirbt
er 1801.
philosophische
Aphorismen in Schlegels Athenäum;
Die Christenheit oder Europa 1799; sechs Hymnen an die Nacht
1800; Geistliche Lieder; Heinrich von Ofterdingen, romantischer
Roman, postum 1808 (darin das Bergmannslied).
Geistliche Lieder (1799/1800)
Darin Hymne, konzeptionell ein Seitenstück
zu Hölderlins Brot und Wein.
Voraussetzungen:
1. dass „alles [...] Mittler sein könnte, indem
ich [als Dichter] es dazu erhebe.“ („MittlerFragment“ aus Blüthenstaub)
2. „X-stus und Sophie“ (Journal).
3. „In der Freundschaft isst man in der Tat von
seinem Freunde, oder lebt von ihm.“
(Fragmente)
Wenige wissen
Das Geheimnis der Liebe,
Fühlen Unersättlichkeit
Und ewigen Durst.
Des Abendmahls
Göttliche Bedeutung
Ist den irdischen Sinnen Rätsel;
Aber wer jemals
Von heißen, geliebten Lippen
Atem des Lebens sog,
Wem heilige Glut
In zitternde Wellen das Herz schmolz,
Wem das Auge aufging,
Dass er des Himmels
Unergründliche Tiefe maß,
Wird essen von seinem Leibe
Und trinken von seinem Blute
Ewiglich.
->
Novalis: Hymne
(aus
Geistliche Lieder)
Wer hat des irdischen Leibes
Hohen Sinn erraten?
Wer kann sagen,
Dass er das Blut versteht?
Einst ist alles Leib,
Ein Leib,
In himmlischem Blute
Schwimmt das selige Paar. –
O! dass das Weltmeer
Schon errötete,
Und in duftiges Fleisch
Aufquölle der Fels!
Nie endet das süße Mahl,
Nie sättigt die Liebe sich.
Nicht innig, nicht eigen genug
Kann sie haben den Geliebten.
Von immer zärteren Lippen
Verwandelt wird das Genossene
Inniglicher und näher.
Heißere Wollust
Durchbebt die Seele,
Durstiger und hungriger
Wird das Herz:
Und so währet der Liebe Genuss
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Hätten die Nüchternen
Einmal gekostet,
Alles verließen sie,
Und setzten sich zu uns
An den Tisch der Sehnsucht,
Der nie leer wird.
Sie erkennten der Liebe
Unendliche Fülle,
Und priesen die Nahrung
Von Leib und Blut.
Bewusste Analogie zu traditionellen
(bevorzugt katholischen)
Frömmigkeitsbildern,
Parallelität von erotischen und religiösen
Weiblichkeitsentwürfen in den
Geistlichen Liedern.
Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
Doch keins von allen kann dich schildern,
Wie meine Seele dich erblickt.
Ich weiß nur, dass der Welt Getümmel
Seitdem mir wie ein Traum verweht,
Und ein unnennbar süßer Himmel
Mir ewig im Gemüte steht.
Nähe zu Hölderlin:
• Religionsphilosophische und geschichtstheoretische Spekulationen verschränkt und
poetologisch zugespitzt: Wiederkehr des
„Festes“ der griechischen Antike im Medium
des Gedichts, Götter und Menschen ineins;
• das Gedicht als quasi-sakramentales
Vermittlungsgeschehen;
• das Verhältnis von irdischer und himmlischer
Liebe wird in mythischen Bildern umkreist.
Grundlegender Unterschied zu Hölderlin:
• kein neuer Glaube und keine Synthese
werden verkündet, sondern es wird,
• anknüpfend an katholische Tradition, ein
Prozess beim Leser in Gang gesetzt, der über
den Text hinaus in einen neuen Glauben
führen
könnte.
• Die freie,
‚prosaische‘ Form des Gedichts postuliert keine
Homologie zu seiner philosophischen Reflexion.
Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen,
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben,
Und in die Welt wird zurück begeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die ew’gen Weltgeschichten,
Dann fliegt vor einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.
Aufwertung der Poesie zum „Zauberstab der Analogie“,
Ausweitung der „Neuen Mythologie“ zum „magischen
Idealismus“,
Hinwendung von der spekulativen (Jenaer) Frühromantik zur
historisierenden (Heidelberger) Hochromantik.
Geschichtsphilosophie:
Goldenes Zeitalter
als Zentralbegriff
→ Sündenfall,
→ poetische
Versöhnung.
„Der ist der Herr der Erde,
Wer ihre Tiefen misst
Und jeglicher Beschwerde
In ihrem Schoß vergißt.
[…]
Er ist mit ihr verbündet
Und inniglich vertraut
Und wird von ihr entzündet,
Als wär sie seine Braut.“
[Bergmannslied in Heinrich von Ofterdingen, I.5, 1808]
„Arm wird der Bergmann geboren, und arm gehet er wieder
dahin. Er begnügt sich, zu wissen, wo die metallischen Mächte
gefunden werden, und sie zu Tage zu fördern; aber ihr
blendender Glanz vermag nichts über sein lautres Herz. […]
Sie haben für ihn keinen Reiz mehr, wenn sie Waren geworden
sind, und er sucht sie lieber unter tausend Gefahren und
Mühseligkeiten in den Vesten der Erde, als daß er ihrem Rufe
in die Welt folgen und auf der Oberfläche des Bodens durch
täuschende, hinterlistige Künste nach ihnen trachten sollte.“
[Heinrich von Ofterdingen, I.5, 1808]
„Die Natur will nicht der ausschließliche Besitz eines einzigen sein.
Als Eigentum verwandelt sie sich in böses Gift […]. So untergräbt sie
heim-lich den Grund des Eigentümers und begräbt ihn bald in den
einbrechen-den Abgrund [...]. Wie ruhig arbeitet dagegen der arme
genügsame Bergmann in seinen tiefen Einöden, entfernt von dem
unruhigen Tumult des Tages und einzig von Wißbegier und Liebe
zur Eintracht beseelt.“
[Heinrich von Ofterdingen, I.5, 1808]
Verräumlichung der Zeit: vorkapitalistische Vergangenheit einer
mittelalterlich-monastischen Einsiedelei in der (Zeiten-) Tiefe – als
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„Heinrich von Ofterdingen” als Bildungs- und Künstlerroman
in Anlehnung an Goethe und in Abgrenzung von ihm: „Goethe ist jetzt der wahre Statthalter des poetischen Geistes
auf Erden.” „Es ist im Grunde ein fatales und albernes Buch – so prätentiös und preziös – undichterisch im höchsten
Grade, was den Geist betrifft [...]”
Traum von der blauen Blume – Suche nach dem Mädchen – Reise – Erfahrungen,
Begegnungen, Belehrungen
Kaufleute: Arion-Sage; Märchen von Atlantis – Macht der Poesie; Weg nach innen Welt des Orients und der
Kreuzzüge (Zulima)
Bergmann: Naturgeschichte, „edle Kunst des Bergbaus”
Einsiedler (Graf von Hohenzollern): Bereich der Geschichte geheimnisvolles Buch: „sein Ebenbild in verschiedenen
Lagen” (mise en abyme, Vorausdeutung: „der Schluß des Buches schien zu fehlen”)
Augsburg: Ziel der Reise – Poesie und Liebe gefunden
Mathilde: das Mädchen in der blauen Blume
Klingsohr: Einführung in die Dichtkunst (Offenbarung + strenge Kunst)
Klingsohrs Märchen: allegorisches Erlösungsmärchen – Wiedergewinnung des verlorenen Zustandes der Harmonie,
alles Trennende aufgehoben =Spiegelung des Romangeschehens
2. Teil: Weg durch verschiedene historische Zeiten und Räume zur Höhe der poetischen Existenz, zu einer „Höhe der
innern Welt”
Gegensätze, Trennungen aufgehoben – „Poetisierung der Welt”, „Herstellung der Märchenwelt”
Novalis: experimenteller Charakter seiner Kunst – starke Wirkung auf die französischen Symbolisten und im 20. Jh.

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gattungstheoretische und gattungsgeschichtliche Einordnungen
Novalis
Märchen als „Kanon der Poesie” = das Poetische schlechthin
Märchen und entwicklungsgeschichtliche Vorstellungen:
ursprüngliches Chaos Auflösung/Unordnung geordnetes, „vernünftiges” Chaos
„In der künftigen Welt ist alles, wie in der ehmaligen Welt – und doch alles ganz anders. Die künftige
Welt ist das vernünftige Chaos ”
die ehemalige Welt = „Naturstand der Natur – die Zeit vor der Welt”
Märchen in den Romanen:
„Hyazinth und Rosenblütchen” (in: „Die Lehrlinge zu Saïs”)
Geschichte eines Liebespaars: Hyazinth verläßt Rosenblütchen (auf Einwirkung einer Weissagung
und des Fremden/des Buches) = Auflösung einer ursprünglichen Harmonie – Wanderung, Tempel
der Isis, Traum – Rosenblütchen als Isis/verschleierte Göttin = Herstellung der Harmonie
mehrfach deutbar: Rosenblütchen = Isis vs. Fortsetzung als Traumleben
Reise als Erkenntnisprozess
Naturerkenntnis = Selbsterkenntnis
Arion-Geschichte; Atlantis-Geschichte; Klingsohrs Märchen (in: „Heinrich von Ofterdingen”)
Klingsohrs allegorisches Märchen: die Kinder Eros (Liebe) und Fabel (Poesie) befreien mit Hilfe von
Ginnistan (Phantasie), dem Vater (Sinn), der Mutter (Herz), dem alten Helden und dessen Frau
Sophia (Weisheit) das zu Eis erstarrte Reich Arcturs sie verhelfen, Arcturs Tochter Freya (Frieden) zur
Herrschaft und so führen sie ein neues Zeitalter herbei
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„Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter. Ein verwilderter Roman” (1801)
1. Teil: Briefroman
undatierte Briefe verschiedener Figuren – schwer enträtselbare Verhältnisse, Ereignisse, Handlungen
Bildungsgeschichte – statt Handeln: Reflexion („Das Mißverhältnis seines Temperaments zu seinem
Leben, und zum Lande, in dem er lebt, zwingt ihn zu reflektieren”)
2. Teil: Godwis Geschichte – durch den fiktiven Erzähler Maria (beauftragt mit der
Zusammenstellung der Briefe)
fiktiver Erzähler besucht seine Figur, um die Zusammenhänge zu klären und das Buch beenden zu
können
gegen Ende: „Tod des Autors” (Erzählers) – Godwi selbst hilft, den Roman weiterzuführen
„Godwi”: Anknüpfung an F. Schlegels Romankonzeption
inhaltliche Beziehungen zu „Wilhelm Meisters Lehrjahre”, „Franz Sternbalds Wanderungen”
„romantisches Buch”, „gemischt aus Erzählung, Gesang und andern Formen”
zahlreiche Gedichte („Sprich aus der Ferne”; „Ein Fischer saß im Kahne”)
Perspektivenwechsel, Einschübe, Reflexionen, witzige, illusionsdurchbrechende Momente („Dies ist
der Teich, in den ich S. 266 im ersten Bande falle”)
formales Experiment, Dokument für die frühromantische Ästhetik
 Geboren am 9. September 1778 in Ehrenbreitstein
 Mutter: Maximiliane Brentano (1756-1793)
 Vater: Peter Anton Brentano
 Schwester: Bettina von Arnim
 Großmutter: die bedeutende Schriftstellerin
Marie Sophie von La Roche
 Brentanos Kindheit verlief freudlos und unstetig
 ab seinem 6ten. Lebensjahr wuchs er bei
verschiedenen Verwandten und in Internaten auf
 von 1787 bis 1790 besuchte er das Koblenzer
 Jesuitengymnasium
 von 1791 bis 1793 besuchte er eine Philanthropische
Schule in Mannheim
 Er studierte ab 1797 zunächst Bergwissenschaften in
Halle und Medizin in Jena
 1801 schrieb sich Brentano in Göttingen für
Philosophie ein
 Brentano zog 1804 nach seiner Heirat mit der
Schriftstellerin Sophie Mereau nach Heidelberg
 Seine Frau starb 1806 bei der Geburt des dritten
Kindes
 Wenige Monate später heiratete er Auguste Bußmann
 Zweite Ehe wurde 1812 geschieden
 Gemeinsam mit Achim von Arnim und Joseph von
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Görres
wurde Brentano zum Protagonisten der jüngeren
Romantik
1808 kam die Zeitung für Einsiedler heraus („Tröst
Einsamkeit“) => Höhepunkt der Heidelberger Romantik
1809 wurde Beiträger der Berliner Abendblätter
Heinrich von Kleists
1810 gründete die nationalkonservative Deutsche
Tischgesellschaft
1814 wieder nach Berlin
 1817 beendete er sein Dichtertum
 1818 verließ er Berlin und schrieb über Geschichte von
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Anna
Katarina Emmerick (in Dülmen)
Ab 1829 lebte er in Frankfurt
1833 zog er nach München
dort schrieb er religiöse Erbauungsschriften
1833 lernte er die Schweizer Künstlerin Emilie Linder
kennen
Brentano starb am 28. Juli 1842 in Aschaffenburg
Viele seiner Werke erschienen erst nach seinem Tod
 Brentano schrieb Gedichte, Prosawerke, Bühnenstücke,
 Märchen, Parodien und Romane
 Gedichte, Erzählungen und Märchen waren oft
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miteinander
verbunden
bekannt für seine sprachmusikalische Ausdruckskraft und
seinen verspielten Wortwitz
Später stellte er sein literarisches Talent in den Dienst der
Verbreitung des katholischen Glaubens
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„Des Knaben Wunderhorn“
„Alte Deutsche Lieder“ (1806 – 1808)
„Sammlung von Liedern des Volkes”
„Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl“
(1817)
„Romanzen vom Rosenkranz“
„Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christus“ (1833)
„Leben der heiligen Jungfrau Maria“ (posthum 1852)
„Die Barmherzigen Schwestern“ (1831)
„Godwi“ (Roman)
„Das steinerne Bild der Mutter“
„Mährchen von Clemens Brentano“ (posthum 1844)
„Die Rheinmärchen“ (posthum 1846)
(1780 -1806)
Eine Schriftstellerin
der Romantik
Leben, Lieben, Dichten und Sterben
Am 11. Februar 1780 wurde Karoline von Günderrode in Karlsruhe als Sprössling eines
alten Adelsgeschlechts, als Tochter zweier dichterisch begabter Eltern geboren.
Sie war die älteste von insgesamt sechs Kindern und wurde auf die Vornamen Karoline
Friederike Louise Maximiliane getauft.
Frage 1:
Im Alter von 17 Jahren wurde Karoline in das Cronstetten-Hyspergische
Adelige Evangelische Damenstift in Frankfurt aufgenommen.
Warum musste sie dorthin und wieso war dies ein entscheidender
Wendepunkt in ihrem Leben ?
Antwort:
Nach dem Tod ihres Vaters († 1806) zog die Familie nach Hanau. Der verwitweten Mutter
war das höfische Leben wichtiger als die Erziehung der Kinder. Von dem väterlichen
Vermögen wurden anfänglich noch für die Kinder Hauslehrer beschäftigt, doch die Mutter
konnte damit nicht angemessen und sparsam umgehen und es kam zu wachsenden
Zahlungsschwierigkeiten. Karolines Aufnahme in den Damenstift war aus finanziellen
Gesichtspunkten eine finanzielle Entlastung für die Familie.
Karoline empfand diesen Stift als eine Art Gefängnis und fühlte sich zwischen den vielen
älteren Frauen wie eine Abgeschobene. Außerdem wurde die Individuelle Freiheit dort
durch vorgegebene Regeln eingeschränkt.
Frage 2:
Mit wem verband Karoline eine fruchtbare Freundschaft während der Zeit im
Damenstift?
Antwort:
Innerhalb des Damenstiftes suchte sie die Nähe von
Anna Philippine Charlotte von Fichard, mit der sie ausgedehnte Spaziergänge
unternahm.
Außerhalb des Stiftes suchte sie die Nähe bei ihrer Freundin Lisette Mettingh und
deren Halbschwester Susanne. Mit Lisette, eine außerordentliche intelligente Frau,
tauschte sich Karoline intensiv über die Benachteiligungen der Frau in Familie, Beruf
und wirtschaftlichen Angelegenheiten aus und suchten gemeinsam nach Auswegen,
derartigen Beschränkungen zu entkommen.
Frage 3:
Welche Rolle spielte Bettina von Arnim (geb. Bretano) im Leben der
Günderrode?
Antwort:
Zunächst stand Karoline ihr noch ablehnend gegenüber. Doch eine enge Freudschaft
bahnte sich an und die freundschaftliche Annäherung kam über gemeinsame Studien.
Karoline wurde Bettinas Privatlehrerin und Mentorin. Karoline und Bettina lasen
gemeinsam und trieben Studien der Geschichte, Philosophie und Literatur zusammen.
Bettina Bretano stand mit ihr im starken und regen Briefwechsel und veröffentlichte sogar
einen Briefroman mit dem Namen „Die Günderrode“.
Frage 4:
Welche Schriftsteller und welche Studienfächer
inspirierten sie?
Antwort:
Goethe, Schiller und Novalis;
Geographie, Metrik und Physiogynomik.
Frage 5:
Welche ihrer Werke wurden unter welchen männlichen Pseudonymen veröffentlicht?
Antwort:
"Gedichte und Phantasien“ und "Poetische Fragmente“ -> „Tian“
„Melete“ -> „Ion“
Ein Gedicht der Romantikerin
Neben den zu ihren Lebzeiten
veröffentlichen Werken gilt das im
Nachlass veröffentlichte Gedicht
„Hochroth“ als eines der schönsten der
Romantik.
Hochroth
Du innig Roth,
Bis an den Tod
Soll meine Lieb Dir gleichen,
Soll nimmer bleichen,
Bis an den Tod,
Du glühend Roth,
Soll sie Dir gleichen.
Frage 6:
Welche Themen werden zentral in Günderrodes Werken behandelt?
Antwort:
Tod, Freundschaft, Liebe, Natur und Kunst
Frage 7:
Was beeinflusste Karolines Leben schon von frühster Jugend an?
Antwort:
Der Verlust von
- ihrem Vater Hektor Wilhelm († 1786)
- ihrer Schwester Louise († 1794)
- ihrer Lieblingsschwester Charlotte († 1801)
- ihrer jüngsten Schwester Amalie († 1802)
Frage 8:
Welche Auswirkung hatte der Tod ihrer Schwestern,
besonders der ihrer engen vertrauten Schwester Charlotte,
auf das Leben der Karoline?
Antwort:
Sie beschäftigte sich in ihren Gedichten
vermehrt mit dem Tod.
Frage 9:
Welche Bedeutung hatte der Tod in ihren Werken?
Antwort:
Er war kein endgültiges Auslöschen, eher etwas positives und
schönes.
Zitat: „Glücklich sind die, denen vergönnt ist zu sterben in der
Blüte der Freude, die auferstehen dürfen vom Mahle des
Lebens, ehe die Kerzen bleich werden und der Wein
sparsamer perlt.“
Frage 10:
Wer war die erste Liebe von Karoline und was verband die beiden?
Antwort:
Der ein Jahr ältere Jura-Student Friedrich Carl von Savigny, der ebenfalls sehr früh ein
großes Maß an Unglück erlebt hatte.
Der Tod seiner gesamten Familie verband die beiden.
Frage 11:
Warum beendete er die Beziehung mit Karoline und was gab er als Grund an?
Antwort:
Er heiratete Gunda Brentano.
Grund: Karoline wäre zu zurückhaltend gewesen.
Frage 12:
Was schenkte sie den beiden zu ihrer Hochzeit?
Antwort:
Ein Sonett „Der Kuß im Traume“ (siehe nächste Folie)
Der Kuß im Traume
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten,
Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,
Daß neue Wonne meine Lippe saugt.
In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb' ich, ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten
Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.
Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.
Drum birg dich Aug' dem Glanze irrd'scher Sonnen!
Hüll' dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.
Frage 13:
Wie lautete der Name der großen Liebe von Karoline,
welche mitunter Grund für den Selbstmord (Freimord) war?
Antwort:
Friedrich Creuzer
Frage 15:
Was stand in dem Brief, adressiert an eine Freundin,
nachdem Creuzer sie verlassen hatte?
Antwort:
„Ich bin eigentlich lebensmüde, ich fühle daß
meine Zeit aus ist, und daß ich nur fortlebe
durch einen Irrtum der Natur; dies Gefühl ist
zuweilen lebhafter in mir, zuweilen blässer. Das
ist mein Lebenslauf.“
Wenige Tage nach der Niederschrift dieses Briefes korrigierte Karoline den Irrtum der
Natur, indem sie sich das Leben nahm.
Frage 16:
Aus welchem Grund nahm sich Karoline das Leben?
Antwort:
Verschiedene Gründe gaben ihr den Anlass Selbstmord zu begehen:
-Ihr Freiheitsbedürfnis stand im Konflikt mit der damaligen Rolle der Frau
„Warum ward ich kein Mann!
Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit.
Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir.“
-Unglückliche Liebe; Creuzer hatte das Verhältnis zu Karoline gebrochen
Frage 17:
Welche Grabinschrift wurde auf ihr Grab
in einem Winkel der Kirchhofsmauer geschrieben?
Antwort:
Siehe nächste Folie
Antwort:
Ein abgeänderter Spruch aus Herders Zerstreuten Blättern
„Abschied des Einsiedlers“
„Erde, du meine Mutter, und du mein Ernährer, der Lufthauch,
Heiliges Feuer mir Freund, und du, o Bruder, der Bergstrom,
Und mein Vater der Äther, ich sage euch allen mit Ehrfurcht
Freundlichen Dank; mit euch hab' ich hienieden gelebt,
Und ich gehe zur andern Welt, euch gerne verlassend,
Lebt wohl denn, Bruder und Freund, Vater und Mutter, lebt wohl!“
Karoline Frederike Louise Maiximiliane von Günderrode
*11. Februar 1780 t 26. Juli 1806
Eine Frau, auf der schier endlosen Suche nach dem Platz in einem
Leben, das für sie noch nicht bereit war, trat ihren Weg an, um in der
Ungewissheit der Dunkelheit, das zu finden, was ihr im
Leben entsagt blieb.
Das Grab der Karoline von Günderrode
Zeitgenössischer Stich
Quellen:
Hille, Markus: Karoline von Günderrode. Hamburg: Rowohlt 1999.
Susman, Margarete: Frauen der Romantik. Frankfurt (a.M.) Insel 1996.
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/literatur
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:KarolineVonG%C3%BCnderrodeGrabmal.JPG
http://gothengel.files.wordpress.com/2008/10/guenderode-25-q752.jpg