Eine der besten in ›Down Under‹

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Reportage
Braunvieh 2/ 2016
Eine der besten in ›Down Under‹
Australiens indexstärkste Herde ist am Betrieb ›Balgarre Brown Swiss‹ zu finden
D
er Betrieb ›Balgarre Brown Swiss‹
von Paul und Sue Balfour liegt auf
halbem Wege zwischen Sydney
und Melbourne an der südlichsten Küste von New South Wales in Australien.
Während in dieser Saison viele Betriebe
in Australien unter der schweren Dürre
sowie sehr hohen Wasserpreisen gelitten
haben, befindet sich ihr Betrieb wahrlich
im Paradies. Grüne Hügel und schönes
Gras soweit das Auge reicht, braune Kühe
in sehr guter Kondition sowie ein volles
Wasserreservoir von 5 ha mit 275 000 m3
Fassungsvermögen. Auf den ersten Blick
ist die Lage auch mit manchen Regionen
im Allgäu vergleichbar.
Paul und Sue Balfour haben bereits 1992
Braunvieh auf ihre Holsteinherde in Nord
Victoria eingesetzt und sind schließlich vor
zehn Jahren mit der gesamten Braunviehherde aufgrund der besseren klimatischen
Bedingungen in die über 600 km entfernte
Region um Bega nach New South Wales
umgezogen. Auf dem Betrieb arbeiten
Paul und Sue sowie die beiden Söhnen
Matthew und Joshua. Matthew war 2014
im Rahmen des Braunviehkongresses in
Deutschland und hat auf dem Braunviehbetrieb der Gutsverwaltung Zundel sowie
bei der RBW ein Praktikum absolviert.
Aktuell werden bei Balgarre Brown
Swiss 185 Kühe im Doppel 16er Side-bySide-Melkstand mit Abnahmeautomatik zweimal täglich gemolken. Kürzlich
konnten weitere 80 ha Weideflächen dazu
gepachtet werden, so dass sie nun auf
220 Kühe aufstocken können. Die Herdenleistung liegt momentan bei 6700 kg
Milch mit 4,15 % Fett und 3,40 % Eiweiß,
die besten Kühe geben täglich rund 40 kg
Milch. Die Durchschnittsleistung über
alle Rassen hinweg lag 2015 in Australien bei 6979 kg Milch, beim Braunvieh
Betriebsspiegel
Lage: Bega in New South Wales/Australien;
Niederschlag: 860 mm pro Jahr;
Arbeitskräfte: Paul und Sue Balfour sowie
ihre Söhne Matthew und Joshua (Teilzeit);
Bestand: 185 melkende Kühe sowie 130 Kalbinnen und Kälber;
Fläche: 84 ha Grünland mit Bewässerung
(Weidelgras, Klee und Kikuyu; Nutzung als
Weide und Silage) sowie 21 ha trockene
Weiden,14 ha Betriebsgebäude, Wege und
Renaturierung, 5 ha Wasserreservoir mit 275
Megaliter sowie 80 ha Pacht seit Ende 2015.
bei 6217 kg. Anzumerken ist hier, dass im
Vergleich zu Deutschland die Milchviehhaltung in Australien meist wesentlich extensiver mit überwiegend weidebasierter
Fütterung und somit geringeren Produktionskosten betrieben wird.
Höherer Milchpreis
für Braunviehmilch
Die Milch wird zu einem aktuellen Auszahlungspreis von 41 Australischen Cent
(ca. 28 Euro Cent), inklusive einem kleinen Zuschlag für den höheren Eiweißgehalt der Braunviehmilch an die ortsansässige Molkerei ›Bega Cheese‹ geliefert.
Bega Cheese ist mittlerweile ein börsennotierter Milchverarbeitungsbetrieb, der
die Käseprodukte im Inland sowie in über
40 Länder weltweit vermarktet.
Die Fütterung bei Balgarre Brown Swiss
ist wie in fast allen Betrieben Australiens
graslandbasiert mit rund drei Kühen pro
Hektar. Zudem werden 1,8 Tonnen Gerste als Hofmischung mit Mineralfutter pro
Jahr und Kuh im Melkstand zugefüttert.
Zudem werden jährlich 500 Tonnen Grassilage produziert. Anfang März wurde hier
der sechste Schnitt der Saison geerntet. Ist
der Grünlandaufwuchs zu gering, so dass
das Gras alleine nicht mehr reicht, wird
Silage zugefüttert. Aktuell sind dies 5 bis
6 kg Silage pro Kuh und Tag. Am Betrieb ist
noch kein Futtermischwagen im Einsatz.
Paul und Matthew investieren viel Zeit
und Arbeit in das Graslandmanagement.
So werden täglich rund 2,5 Stunden benötigt, um das Bewässerungssystem auf den
jeweiligen Flächen umzusetzen, da aufgrund des abschüssigen Geländes keine
großflächigen, automatisierten Systeme
möglich sind. Jedes Jahr im Februar oder
März wird das Grünland nachgesät. Im
ersten Jahr wird einjähriges Weidelgras auf
den bewässerten Flächen angebaut, gefolgt von einer Mischung aus Weidelgras
und Grünhafer auf den Trockenweiden im
zweiten Jahr. Neben dem intensiven Weidemanagement zieht Paul auch Setzlinge
ansässiger Büsche und Bäume, die er für
Rekultivierungsprojekte verkauft, oder auf
dem eigenen Betrieb einsetzt.
Sehr beeindruckend ist der Bestand
der Kühe, der sowohl im Exterieur als
auch von den Zuchtwerten zu den bes-
Ein großer Wasservorrat ist in Australien
Gold wert. Die Farm besitzt einen
Speicher von 275 000 Kubikmetern.
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Braunvieh 2/ 2016
Des Weiteren befinden sich noch 20
›Star Brood Cows‹ in seinem Bestand. Dies
ist eine Auszeichnung, die eine Kuh bei
hoher Leistung und gutem Exterieur der
Töchter erhält. So müssen mindestens drei
Töchter dieser Kuh auf dem Betrieb sein,
die sowohl im Exterieur als auch in der
Leistung überzeugen können.
Lebensleistung und Funktionalität sind
in der Herde tief verankert. So waren im
Jahr 2014 rund 25 Prozent der Herde 10
Jahre und älter. Aktuell sind es ›nur noch‹
39 Kühe, da Paul in den vergangenen
Monaten etwas selektiert hat. Sehr beeindruckend ist auch, dass von den fünf
bisherigen 100 000 kg-Kühen in Australien vier das Präfix ›Balgarre‹ trugen. Mit der
14-jährigen Prelude Lunda VG 88 steht
nun die nächste Kuh in den Startlöchern,
die die 100 000 kg-Marke mit der kommenden Laktation knacken kann. Von ihr
sind bereits vier Generationen in Milch
auf dem Betrieb zu finden.
Die Kühe auf den großen Weideflächen von
Balgarre Brown Swiss im Süden Australiens. Im
Hintergrund das Farmgebäude und das Melkhaus.
Sieben Generationen
von einer Kuhfamilie in der Herde
Sehr vital und nach wie vor mit sehr gutem Exterieur präsentierte sich die 16-jährige Prompt-Tochter Fran EX 92. In ihren
zwölf Laktationen hat sie bereits 80 000 kg
Milch mit 4,32 %Fett und 3,46 %Eiweiß
produziert. Von Fran stehen mittlerweile
sechs Generationen in Milch am Betrieb
Farmer Paul Balfour
mit seinem Sohn
Matthew Balfour und
der 16 Jahre alten
Promt-Tochter Fran.
Aus ihrer Kuhfamilie
stehen derzeit sieben
Generationen am
Betrieb ›Balgare Brown
Swiss‹, sechs davon
in Milch. Die siebte
Generation, eine ZaristoTochter trägt aktuell mit
gesextem Assay.
Foto: Privat
ten Braunviehherden im Lande gehört.
So führt die Herde von Paul die Liste der
australischen Braunviehbetriebe im Balanced Performance Index (BPI) an. Doch
nicht nur in der Leistung kann Balgarre Brown Swiss überzeugen. Aktuell sind
auf seinem Betrieb 15 Kühe mit exzellent
eingestuft, 90 mit VG (davon 6 mit 89).
Alle Erstkalbskühe sind mit 80 Punkten
oder besser eingestuft. In Australien werden die Braunviehkühe nicht nach einem
eigenen Schema für Braunvieh, sondern
nach dem international verwendeten Holsteinsystem klassifiziert.
Es werden nicht nur Leistung und
Zuchtwerte ausgewiesen, sondern auch
Auszeichnungen für einzelne Kühe vergeben. So befinden sich unter den melkenden Kühen des Betriebes 54 STP-Kühe
(Superior total performance-Kühe). Dies
ist eine Auszeichnung speziell für leistungs- und exterieurstarke Kühe. Diese
wird nur an Kühe vergeben, die mindestens sechs Laktationen mit mehr als
50 000 kg Milch, mehr als 1900 kg Fett und
mehr als 1650 kg Eiweiß abgeschlossen
haben. Im Euter müssen die Kühe mit
mindestens 85 (Very good) oder besser
eingestuft sein.
Balfour, so dass man mittlerweile 28 weibliche Tiere aus der Fran-Kuhfamilie in der
Herde findet. Sohn Matthew präsentierte
uns die siebte Generation, eine typstarke Zaristo-Tochter tragend von gesextem
Assay.
Die letzten Jahre war Balgarre Brown
Swiss nicht auf der Nationalen Braunviehschau im Rahmen der International
Dairy Week (IDW) vertreten, da sein Betrieb über 600 km vom Veranstaltungsort
in Tatura/Victoria entfernt ist.
Neben den aktuellen melkenden Jahrgängen mit Huray, Jaguar, Juleng, Vassli,
Payssli, Vigor sowie Zaster finden sich hier
auf dem Betrieb noch, wie in einigen anderen australischen Betrieben auch, alte
Simvitel- und Vinbrei-Töchter. Pauls Ziele
für Balgarre Brown Swiss sind die Steigerung der Leistung auf 8000 kg Milch und
einen Bullen für die Besamungsindustrie
zu züchten. Dementsprechend werden
auch die Stiere für die Besamung der Herde gezielt ausgewählt.
Balfours Zuchtziel sind leistungsstarke
und problemlose Kühe mit korrektem Exterieur. Im Vergleich zu manchen Schaubetrieben wird der Rahmenvererbung weniger Bedeutung geschenkt. Dementsprechend achtet Paul bei der Bullenauswahl
auf sehr gute Milchmengenvererbung in
Kombination mit gutem und fehlerfreiem
Exterieur. Ebenso sucht er ständig nach
guten Outcrossbullen für seine Herde.
Matthew Balfour (l.) im Gespräch mit George
Malinov, einem Braunviehpionier in Australien
und Inhaber von GGI Holland.
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Braunvieh 2/ 2016
Fotos: Thoma
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Die Kühe im Wartebereich vor dem Melkstand.
Auch der Zuchtwert und das Ranking des
Bullen sind für ihn und seine Ziele wichtige Selektionskriterien.
Paul ist Eigenbestandsbesamer und
mittels Brunstsynchronisation werden in
seiner Herde zwei Abkalbungsspitzen im
Jahr, im Februar und im März sowie im
August und im September, realisiert. Die
Trächtigkeitsuntersuchung erfolgt mit Ultraschall. Sollten die Kühe nicht trächtig
sein, werden sie noch ein zweites Mal besamt, während die Kalbinnen in der zweiten Runde bereits zu einem Deckbullen
kommen.
Das Erstkalbealter der Herde liegt bei
23 bis 24 Monaten. So kann es passieren,
dass in Australien bereits erste Töchter eines Bullen in Milch sind, während diese in
Deutschland noch auf sich warten lassen.
Von Hobbit sind beispielsweise seit Februar erste Töchter in Milch in Australien
zu finden. Die Kalbinnen des aktuellen
Jahrgangs stammen von Anibal, Espenau,
Hercules, Hobbit, Hurvinek, Jaguar, Juleng, Nelgor und Payleng.
Aktuell werden folgende Bullen zur Besamung eingesetzt: Assay, Biver, Easybull,
Espenau, Fact, Hotspot, Pizarro und Vox.
Gesexter Samen wurde bis jetzt nur von
Assay eingesetzt.
Die Kälber tränken Balfours innerhalb
der ersten Stunden mit 2 bis 2,5 l Kolostrum. Der Kolostrumrest wird getestet
und bei bester Qualität für einen möglichen Bedarf eingefroren. Im Schnitt fallen auf dem Betrieb pro Kalbezeitraum
40 weibliche Kälber an, die zehn bis zwölf
Wochen mit Milch getränkt werden. Die
männlichen Kälber werden im Alter von
einer Woche auf dem Markt verkauft (etwa
20 Euro Erlös). Aus diesem Grund ziehen
die Balfours in diesem Jahr auch einige
Bullen auf, die dann mit einem Lebendgewicht von 300 kg auf dem Markt verkauft
werden sollen.
Auf dem Betrieb Balgarre Brown Swiss
zeigt sich, wie auf vielen anderen Betrieben in Australien auch, dass die braune
Kuh perfekt ist für die teils sehr harten Bedingungen in diesem Land. Robuste Kühe
mit sehr guter Grundfutterverwertung
und Fitness, bester Anpassungsfähigkeit
sowie Leistungssicherheit, in Kombination mit harten schwarzen Klauen für die
weiten Wege. Und das sind nur ein paar
der Qualitäten, die am Braunvieh in ›down
under‹ geschätzt werden.
Katrin Thoma/Spermex