FOTO: GETTYIMAGES / MEVANS Angesichts gravierender Marktveränderungen ist es für Unternehmenslenker oft nicht einfach, den richtigen Weg einzuschlagen und sich auf den verschärften Wettbewerb einzustellen. STRATEGISCHE PL ANUNG RISIKEN ERKENNEN, CHANCEN NUTZEN Ein Gespräch mit Karen Hoyndorf, stellvertretende Präsidentin und Vorsitzende, Ausschuss Wirtschafts- und Unternehmensberatungen, IHK Frankfurt, über den Aufholbedarf von kleinen und mittleren Unternehmen in puncto langfristiger Unternehmensplanung und -steuerung. Frau Hoyndorf, Megatrends wie Digitalisierung, Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit verändern in enormem Ausmaß und Tempo das unternehmerische Umfeld. Wie geht der Mittelstand mit diesen Herausforderungen um? HOYNDORF: Es ist höchste Zeit, auf diese Marktveränderungen zu reagieren, schnell Geschäftspotenziale und passende Produkt- und Dienstleistungsinnovationen zu entwickeln und sich so von den Konkurrenten abzusetzen. Allerdings unterschätzen Mittelständler noch viel zu oft den Einfluss dieser Trends auf das eigene Unternehmen und lassen die vielfältigen Wachstumschancen ungenutzt. Mehr Agilität in der Unternehmensführung ist daher das Gebot der Stunde. Nur wer die Zukunft vorausdenkt, ist für den schärferen Wettbewerb gut gerüstet. Worauf sollten Unternehmen künftig verstärkt achten? HOYNDORF: Die Planungen dürfen nicht nur auf das Unternehmen gerichtet sein, sondern müssen auch das Unternehmensumfeld miteinbeziehen. In den immer kürzeren Veränderungszyklen muss die Geschäftsleitung aufkommende Signale und Vorboten ökonomischer, technologischer, aber auch politisch-rechtlicher, gesellschaftlicher oder 8 Karen Hoyndorf, stellvertretende Präsidentin, IHK Frankfurt: „Unternehmen sind gut beraten, ihre Finanzierung auf eine breitere Basis zu stellen und auch alternative Instrumente zu nutzen.“ ökologischer Veränderungen frühzeitig erkennen und in unternehmerisches Handeln übersetzen. Was können Unternehmen für eine bessere Unternehmensplanung und -steuerung tun? HOYNDORF: Untersuchungen zeigen, dass in kleinen und mittleren Unternehmen Informationssysteme zur frühzeitigen Erkennung latenter Chancen und Risiken nur zögerlich angewendet werden. Dabei ist eine IHK WirtschaftsForum 06.16 Unternehmenssicherung Schnelldiagnose verhältnismäßig einfach durchzuführen, zumal das Instrumentarium nicht neu ist. Gleichwohl ist es wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen: Mit Kennzahlen, die möglichst aus tagesaktuellen Zahlen des Rechnungswesens bestimmt werden sollten, lässt sich rasch ein Überblick gewinnen. In jedem Fall ist ein Blick auf die Liquiditätskennziffern wichtig. Für die langfristige Existenzsicherung sind darüber hinaus die strategischen Stellgrößen zu überprüfen und erforderlichenfalls neu zu justieren: etwa, ob das aktuelle Geschäftsmodell des Unternehmens noch tragfähig ist oder ob sich Kundenbedürfnisse geändert haben. Aber auch, ob die Vertriebsstrukturen noch effizient sind, ob neue Absatz- und Beschaffungsmärkte erschlossen werden müssen oder in welchem Maß kurzfristig die Liquidität – und mittelund langfristig die Finanzierung des Unternehmens – gesichert ist. Was ist Ihre Empfehlung für die Geschäftsleitung bei ihren Finanzierungsüberlegungen? HOYNDORF: Auch wenn es bei vielen Betrieben zurzeit in der Finanzierung rundläuft und sie kaum Schwierigkeiten haben, Fremdkapital bei Banken aufzunehmen: Das Management sollte sich darauf vorbereiten, dass die abermals verschärften Baseler Eigenkapitalregeln die Kreditvergabefähigkeit von Banken in der Zukunft einschränken werden. Unternehmen sind daher gut beraten, ihre Finanzierung auf eine breitere Basis zu stellen und alternative Instrumente, wie zum Beispiel Leasing und Factoring, zu nutzen. Um unternehmerisches Wachstum zu finanzieren oder neue und verbesserte Produkte zur Marktreife zu entwickeln, wird Beteiligungskapital immer wichtiger werden. Da Innovationsprojekte aber von hoher Unsicherheit geprägt sind, was technische Machbarkeit und späteren kommerziellen Erfolg betrifft, und zudem solche Projekte hohe Personalkosten umfassen, die nicht als Kreditsicherheiten herangezogen werden können, stehen Bankkredite erfahrungsgemäß nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Um die Eigenkapitalquote innovativer kleiner und mittlerer Unternehmen zu erhöhen und die wirtschaftlichen Risiken von Innovationsvorhaben zu mindern, sind übrigens die Beteiligungsprogramme von Bund und Ländern bestens geeignet. Die immer neuen Herausforderungen werden sich nur mit entsprechend aus- und weitergebildetem Personal bewältigen lassen können. Schon heute mangelt es aber an Fachkräften. Welche Tipps haben Sie für die Unternehmen? HOYNDORF: Die Akquise qualifizierter Mitarbeiter wird aufgrund der demografischen Entwicklung härter, das ist unstrittig. Unternehmen sollten deshalb nicht nur mit klassischen Weiterbildungsangeboten, Karriere- und Aufstiegsperspektiven, familienfreundlichen Arbeitsbedingungen und zusätzlichen Sozialleistungen versuchen, bereits vorhandene Mitarbeiter langfristig zu binden. Sie sollten auch weitere Möglichkeiten ausschöpfen, geeignete Nachwuchskräfte für einen Job im Betrieb zu interessieren. Dazu werbe ich seit Langem dafür, verstärkt auch neue Zielgruppen, zum Beispiel die Generation 50 plus, Frauen, Berufsrückkehrende oder Menschen mit Migrationshintergrund, anzusprechen. Infolge des demografischen Wandels sinkt übrigens tendenziell auch die Zahl potenzieller Käufer von Unternehmen, weshalb Firmeninhaber sich zudem beizeiten nach einem passenden Nachfolger umsehen sollten. Warum ist eine rechtzeitig geregelte Nachfolge für die Existenz sicherung so bedeutend? IHK WirtschaftsForum 06.16 IHK-AUSSCHUSS WIRTSCHAFTS- UND UNTERNEHMENSBERATUNGEN Der IHK-Ausschuss Wirtschafts- und Unternehmensberatungen bündelt das breite Spektrum des Beraterwissens. Ein deutlicher Fokus der Ausschussarbeit liegt in der Entwicklung von Strategien und Instrumenten, die Unternehmen helfen sollen, sich zukunftssicher aufzustellen und für kommende Herausforderungen gewappnet zu sein. Wichtige Themenkomplexe sind dabei: Existenzgründung und -sicherung, Mittelstandsfinanzierung, Krisenprävention und -bewältigung, Unternehmensnachfolge, Personal und Führung, Unternehmensflexibilisierung, Digitalisierung und Datensicherheit. Das Kompetenznetzwerk bietet IHK-Mitgliedern ein breites Portfolio an Unterstützungsmaßnahmen. Dies umfasst unter anderem Veranstaltungen, Sprechtage, Webinare, Ratgeber und Leitfäden sowie Veröffentlichungen zu ausgewählten Themen. Weitere Infos online unter www.frankfurt-main.ihk.de/unternehmensfoerderung. HOYNDORF: Die Regelung der Unternehmensnachfolge ist ein wirtschaftlich wie rechtlich äußerst komplexer Prozess, der unter Umständen eine lange Vorbereitung erfordert, damit die Staffelübergabe perfekt gelingt. Dabei sind nicht nur die schwierigen Probleme der Unternehmensbewertung und des sinnvollsten Übergabezeitpunktes zu lösen. Oft kommen auch Fragen hinzu, welche konkrete Übertragungsvariante sich empfiehlt und wie ein geeigneter externer oder interner Nachfolger gefunden werden kann. Leider vernachlässigen noch zu viele Seniorunternehmer aus Sorge vor dem Verlust an Einfluss und Anerkennung oder aus Scheu vor der Leere des Alltags die Nachfolgefrage – und gefährden damit ihr Lebenswerk. Warum sollten verantwortliche Unternehmer einen Berater engagieren und wann sollte dieser tätig werden? HOYNDORF: In der Tendenz werden wir leider meist zu spät hinzugerufen. Dabei erfordert nicht nur die Nachfolgeplanung eine umfassende und interdisziplinäre Beratung, um etwa von steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten und bestehenden Vergünstigungen optimal profitieren zu können. Im Zeichen der zunehmenden Komplexität wird es auch in anderen Schlüsselbereichen – etwa der Finanzierung – schwieriger, ein Unternehmen konsequent zu entwickeln. Gleichwohl unterliegen mittelständische Unternehmer oft der Illusion, selbst für alles zuständig sein zu müssen. Sie sind skeptisch, ob ein Außenstehender ohne gewachsene Verbundenheit zum Unternehmen sich in die komplexen Strukturen und Abläufe wirklich einarbeiten kann. In der Regel fehlt es ihnen aber auch an spezifischer Expertise und Methoden-Know-how, um den Fragestellungen gezielt näherzutreten. Oder es mangelt ihnen schlicht an Zeit. Oftmals erweist es sich dann als sinnvoll, einen externen Spezialisten einzuschalten, der das Unternehmen auf Schwachstellen analysiert, der die Kompetenzentwicklung fördert und der das Management besser für ❙ die Herausforderungen der Zukunft rüstet. INTERVIEW DR. MATTHIAS SCHODER (l.) Geschäftsführer, Finanzplatz, Unternehmensförderung, Starthilfe, IHK Frankfurt [email protected] MICHAEL HÖPPNER (r.) Stellvertretender Geschäftsführer, Finanzplatz, Unternehmensförderung, Starthilfe, IHK Frankfurt [email protected] 9
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