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AUS: BLICKE
32
ZEITSCHRIFT FÜR ÖSTERREICHISCHE KULTUR UND SPRACHE
ZENTRUM FÜR ÖSTERREICHSTUDIEN
12
2010
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Ausblicke nr 32
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Inhalte
Editorial / Impressum ...................................................................................... 3
Im Blickpunkt: Soziale Netzwerke
Trude Höllerbauer: Homo socialis: Leben als Begegnung................. 4
Helga Längauer-Hohengaβner: Projekt GenerationenLernen ........ 6
Bertram Füreder: KUS-Netzwerk für Bildung, Soziales, Sport und
Kultur .................................................................................................................... 8
Christian Czaak: 15 Jahre Cyberschool ...................................................10
Einblicke
Wolfgang Malik: Vernetzt ............................................................................28
Bernadette Kneidinger: Kommunizierst du noch oder facebookst
du schon? ..........................................................................................................32
Literaturbriefe
Gerd Hollenstein: Autor/innen und das Netz der
Kommunikation .....................................................................................35
Norbert Rass: Menschen „lesen“ .......................................................39
Gerd Hollenstein: Neuere Communities im Sprachunterricht
(Language Learning Communities) – ein Überblick ..........................12
Irina Ševtšenko, Marina Kalligianni, Ina Baumane: eTwinningProjekt: „Deutsch verbindet: die Sprache lernen – Freunde
werden“..............................................................................................................14
Aimi Jõesalu: eTätigkeiten estnischer DeutschlehrerInnen ............16
René Koglbauer: Facebook: Ja oder Nein? ...........................................19
Gerhard Grabner: Radiopartnerschaften ...............................................21
Alfred Luger: Runtastic .................................................................................23
Rückblicke – Ausblicke
Trude Höllerbauer, Gerd Hollenstein: Danke, Wolfgang Malik.......24
Gerd Hollenstein: Vorarlberg - Landeskunde und kreatives
Gestalten Seminarbericht ...........................................................................25
Von der Donau an die Weichsel: Wien und Krakau ...........................27
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Ausblicke nr 32
Die Zeitschrift AUSBLICKE erscheint zweimal im Jahr und wird vom
Zentrum für Österreichstudien an der Kommune Skövde (Schweden)
herausgegeben. Alle Interessenten, Kulturinstitutionen, Schulen
und Einzelpersonen erhalten die Zeitschrift (auf Anfrage) kostenlos
zugesandt.
Literaturbriefe
Menschen „lesen“
oder „Wer fürchtet sich vorm
Schwarzen Mann?“ „Niemand!“
„Und wenn er kommt?“ „Dann ...“
Norbert Rass
In den letzten Jahren hat sich der
Zugang zu Literatur stark verändert.
Das traditionelle Lesen von Büchern
nimmt vor allem unter Jugendlichen
stark ab. Es werden immer neuere
Formen der Literaturvermittlung
entwickelt. Mit dem Projekt Menschen
„lesen“ stellt uns Norbert Rass eine
dieser neuen Möglichkeiten vor
und bringt sie zu den geänderten
Lesegewohnheiten von „Digital
Natives“ in Beziehung.
Haben Sie schon einmal einen Menschen
„gelesen“?
Mein Schwarzer Mann hieß Esperance
Francois Bulayumi und war unter dem Kennwort „Ich bin ein Afro-Wiener“ zu entlehnen.
Im Rahmen der Veranstaltung „living books“
stellte die Wiener Hauptbücherei am UrbanLoritz-Platz parallel zum gewohnten Bibliotheksbetrieb „lebende Bücher“ für persönliche Gespräche kostenlos bereit.
Als BesucherIn wählt man einen verfügbaren „Buchtitel“ aus, trägt ihn in einen LesePass ein und stimmt zu, sich an bestimmte
Regeln zu halten, d. h. im Wesentlichen das
„lebende Buch“ immer respektvoll und höflich
zu behandeln und es keinesfalls zu beleidigen, zu belehren oder überzeugen zu wollen. Das etwa halbstündige Gespräch findet
anschließend an einem Besprechungstisch
statt und kann bei einem Verstoß zu jedem
Zeitpunkt höflich beendet werden.
Als ich Herrn Bulayumi „auswählte“, wurden im Katalog u.a. noch folgende „lebende
Bücher“ angeboten:
• Müzeyyen: Mama lernt Deutsch
• Jasmina: Muslimin ohne Kopftuch
• Memet Zeki: Türkischer Kurde und Weltmensch
• Gertrud: Frau mit bikultureller Partnerschaft
• Morris: Flüchtling aus Nigeria
Living books widmete sich bei dieser Veranstaltung der Auslotung des vielschichtigen
Themas Integration, einer zentralen Herausforderung und Chance für unsere Generation.
Norbert Rass
Ist Schulbibliothekar, Deutsch- und Geschichtelehrer am Schopenhauergymnasium in
Wien und Leiter von internationalen Fortbildungsseminaren des BMUKK.
Als wir uns schließlich gegenüber saßen,
begann mein „lebendes Buch“, Herr Bulayumi,
zu reden, noch bevor ich eine Frage gestellt
hatte. Gleich am Anfang machte er klar, dass
wir einander während der intimen „Lesezeit“
duzen würden, außerhalb aber nicht. Und
dann entrollte er seine Biographie und ließ
mich ihn begleiten in den Kongo, in seine
Heimatstadt Kinshasa. Und wenn ich ihn zu
verlieren drohte auf seiner Reise, seinem
Werdegang zu einem „Afro-Wiener“, dann
konnte ich einfach nachfragen. Es war der
belgische Musiklehrer, der so begeistert über
Wien sprach und damit seiner Neugier, seiner
Abenteuerlust und seinem Wissensdurst
ein Ziel gab. Nachdem er Kunstgeschichte,
Theologie und Philosophie in Kinshasa, Wien
und Lausanne studiert hatte, promovierte
er zum Doktor der Philosophie und lebte
fortan in Wien. Hier ist er am Afro-Asiatischen
Institut (aai) tätig, wo er einen hausinternen
Verlag, das aa-infohaus, gegründet hat, in
dem AutorInnen aus dem afrikanischen und
asiatischen Raum, die auf Deutsch schreiben,
einen Platz zur Veröffentlichung ihrer Werke
bekommen. Sein eigenes Schreiben – er
ist Autor mehrerer Bücher – gilt u. a. afrikanischen Migranten. In „Dealer wider Willen“
schildert er Afrikaner in Österreich im Spannungsfeld zwischen Migrationspolitik und
dem Stigma, pauschal als Drogendealer
abgestempelt zu werden.
Gerne hätte ich ihn noch weiter „hörend
gelesen“, aber die Zeit war längst um und
andere warteten schon darauf, mein „Buch“
auch zu lesen …
Resümee
Berufsbedingt merke ich als Schulbibliothekar einen Trend, dass sich die Jugendlichen, die „digital natives“, das heißt alle
ab 1982 Geborenen, unbeeindruckt von
bürgerlichen Bildungsidealen, längst nicht
mehr nur auf das klassische Lesen von
Büchern beschränken, sondern gern auch
das multimediale Angebot der sogenannten „Non-Books“ in Anspruch nehmen. Sie
greifen zu Hörbüchern, E-Books, CD-ROMs,
Comics, besuchen Internetplattformen
oder Blogs, lesen das Buch zum Film oder
schauen sich den Film zum Buch an. Also,
warum nicht auch einmal einen Menschen
„lesen“? Die neuen Kommunikations- und
Informationsmedien verlangen mehr, als nur
im herkömmlichen Sinn „lesen“ zu können.
Etymologisch gesehen, steckt im Verb„lesen“
und in damit verwandten Wörtern ohnehin
die alte Wurzel *les mit der Bedeutung
„verstreut Umherliegendes aufnehmen und
zusammentragen, sammeln“.
Am Ende der „Gutenberg Galaxie“ (Marshall
McLuhan) geht es um einen kompetenten
Umgang mit Geschriebenem und Informationen in all ihren Darreichungsformen. Als
Oberbegriff dafür hat man „Literacy“ gewählt.
Klassisches Lesen ist davon nur mehr ein Teil.
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B
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur – Wien, Österreich
Skövde kommun, Utbildningskontoret, 541 83 Skövde, Schweden
Tel. +46-500-49 76 81, eMail: [email protected]
www.his.se/osterrike
ISSN 1652-294X
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