Wissenschaft und Fortbildung
BZB Juni 16
Eine wertvolle Hilfe
Prothetische Patientenberatung mithilfe eines digitalen Wax-ups
E i n B e i t r a g v o n D r. S t e f f e n K i s t l e r 1 , H e r b e r t S o n t h e i m e r 1 , D r. F r a n k K i s t l e r 1 u n d
P r i v. - D o z . D r. J ö r g N e u g e b a u e r 1 , 2 , 1 L a n d s b e r g a m L e c h u n d 2 K ö l n
Die Abklärung des Behandlungsbedarfs zu Beginn
einer umfassenden prothetischen Therapie ist der
wichtigste Behandlungsschritt, um die Akzeptanz
des Patienten für die durchzuführenden prothetischen Maßnahmen zu erhalten. Dies erfordert eine
enge Zusammenarbeit mit dem Zahntechniker,
damit das angestrebte Ergebnis zu Behandlungsbeginn simuliert werden kann. Durch den Einsatz
moderner CAD/CAM-Systeme kann ein digitales
Wax-up erfolgen, das dann auch als funktionsloses, rein zur Anschauung dienendes Mock-up
beim Patienten anprobiert werden kann.
Häufig führt der Wunsch nach einer ästhetischen
Optimierung einer bestehenden prothetischen
Versorgung oder eines behandlungsbedürftigen
Zahnsystems den Patienten in die zahnärztliche
Beratung, um durch eine zahnärztliche Versorgung das Aussehen und die Physiognomie, aber
auch die Funktion der Zähne zu verbessern. Dies
kann je nach erwartetem Ergebnis seitens des
Patienten eine mehr oder minder starke invasive
Behandlung erfordern, die sogar über die rein
medizinisch notwendige Therapie hinausgehen
kann.
Sofern jedoch das vom Patienten angestrebte Ergebnis durch die zahnärztliche Therapie nicht erzielt
werden kann, ist das Risiko für eine nicht akzeptierte Behandlung relativ hoch. Die Folge sind
weitere Nachbehandlungen, bis hin zur gutachterlichen Beurteilung und entsprechenden rechtlichen
Auseinandersetzungen. Daher ist es wichtig, dass
von Zahnarzt und Zahntechniker das angestrebte
Ergebnis bestmöglich simuliert und zusammen mit
dem Patienten ein realistisches Ergebnis definiert
wird. Je nach Umfang des notwendigen Zahnersatzes können auch weitere parodontalchirurgische oder implantatprothetische Maßnahmen notwendig werden [3]. Diese Therapieoptionen sind teilweise irreversibel oder mit hohen
Kosten verbunden, sodass eine genaue Indikationsstellung erforderlich ist. In dieser Planungsphase ist
es wichtig, die Vorstellungen des Patienten zu
verstehen und gemeinsam eine Behandlung festzulegen.
Klassische zahntechnische Behandlungsplanung
Bei der klassischen prothetischen Vorgehensweise
kann anhand von Situationsmodellen mittels eines Wax-ups ein mögliches Ergebnis simuliert werden. Dies gestaltet sich je nach Befund gerade in
der ästhetischen Zone als sehr aufwendig. Die Einschätzung des Ergebnisses ist zudem begrenzt, weil
der Patient dieses Wax-up lediglich auf dem Modell betrachten kann, ohne die Wirkung in seinem
eigenen Mund selbst oder durch sein soziales Umfeld wahrnehmen zu können. Deshalb hat sich in
den vergangenen Jahren die Möglichkeit der individuellen zahntechnischen Umsetzung durch ein
sogenanntes Mock-up etabliert [10]. Nach dem
Wax-up wird dieses in Kunststoff umgesetzt und
somit eine Anprobe im Mund des Patienten ermöglicht. Diese Technik hat sich im Rahmen der
Patientenberatung vor allem bei der Versorgung
mit Veneers etabliert [8].
Zahntechnisch hergestellte Mock-ups zeichnen sich
bei einer klassischen Vorgehensweise dadurch aus,
dass sie oftmals sehr grazil sind und bei der Anprobe den mechanischen Belastungen nicht standhalten, sodass die Verwendung bei komplexen, den
ganzen Kiefer betreffenden Behandlungsfällen
deutlich eingeschränkt ist. Zudem handelt es sich
um individuell angefertigte, zahntechnische Arbeiten, die einen hohen zeitlichen Aufwand erfordern.
Bei einer Korrektur des Wax-ups muss in der Regel
dann auch das Mock-up mit sämtlichen Arbeitsschritten neu erstellt werden. Die alternativ im direkten Verfahren erstellten Mock-ups, die mit einer
über das Wax-up erzeugten Tiefziehschiene oder einem Silikonschlüssel am Patientenstuhl gefertigt
werden, erfordern eine längere Sitzungsdauer und
müssen dann noch individuell ausgearbeitet werden, sodass das Mock-up erst nach einer weiteren
Wartezeit für den Patienten zur Verfügung steht [1].
Damit verbunden ist auch die Applikation von Autopolymerisatkunststoff im Patientenmund, was
nicht von allen Patienten akzeptiert wird.
Digitale Vorgehensweise
Mithilfe der CAD/CAM-Technologie kann nach einer klassischen Abformung und dem Einscannen
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der Modelle ein digitales Wax-up hergestellt werden [9]. Moderne Systeme erlauben hier nicht nur
die Simulation von Frontzahnveneers, sondern
auch die Konstruktion von Zahnersatz im lückenhaften oder abradierten Zahnsystem (Abb. 1a bis k).
Je nach verwendetem System kann dieses auch gesichtsbezüglich konstruiert werden, sofern eine
Aufnahmeeinheit das Einspielen der extraoralen
Bilder in das Konstruktionsprogramm ermöglicht
[11]. Dadurch ist die Ausrichtung der prothetischen Versorgung zu den Gesichtsebenen bereits in
der Planungsphase möglich. Gerade bei einer stark
abgesunkenen vertikalen Dimension kann die Höhe der Rekonstruktion im Unter- und Oberkiefer
nach den verschiedenen ästhetischen Aspekten
ausgerichtet werden.
Die so erzeugten digitalen Daten werden dann genutzt, um aus einem homogenen Kunststoff ein
stabiles Mock-up für die Anprobe im Patientenmund anzufertigen. Somit kann auch gerade bei
geringen Wandstärken eine digitale Simulation
des angestrebten prothetischen Ergebnisses erzeugt
werden. Besonders bei engen Platzverhältnissen
kann die Verbinderstärke unter Berücksichtigung
der okklusalen Platzverhältnisse optimiert werden.
Durch die Verwendung von Kunststoffen mit unterschiedlichen Materialeigenschaften können diese lediglich für eine kurzfristige Anprobe oder auch
als Langzeitprovisorium im Sinne eines prothetischen Prototyps Verwendung finden.
Sofern Modifikationen notwendig sind, können
diese durch eine Veränderung der digitalen Konstruktion leicht umgesetzt werden, ohne dass ein
komplett neues Wax-up beziehungsweise eine erneute Konstruktion erforderlich wird, was entsprechend arbeits- und somit auch zeitaufwendig wäre. Ebenso kann durch die Frästechnik kostengünstig eine modifizierte Version hergestellt werden, sodass eine individuelle Anpassung schnell möglich
ist und die nächste Anprobe zeitnah erfolgen
kann. Dadurch besteht die Option, ohne invasive
Maßnahmen wie zum Beispiel parodontale Operationen, Präparationen an den Frontzähnen oder
sogar Extraktionen ungünstig positionierter Zähne
ein mögliches Erscheinungsbild nach der angestrebten Behandlung zu simulieren [6].
Sofern das angestrebte prothetische Ergebnis durch
das Mock-up akzeptiert wurde und in dieser Form als
Abb. 1a: Abradiertes Zahnsystem nach langjährigem Verlust der
Stützzonen
Abb. 1b: Übersichtsaufnahme zur Beurteilung des Knochenniveaus
und der Erhaltungswürdigkeit des Zahnsystems
Abb. 1c: Definition der Präparationsgrenzen für die Konstruktion
des Wax-ups
Abb. 1d: Transparente Darstellung der Konstruktion des Wax-ups
auf den abradierten Zähnen
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Abb. 1e: Verstärkung des Mock-ups durch Ausblocken der Interdentalräume
Abb. 1f: Abschließende Darstellung der Konstruktion vor der Umsetzung
Abb. 1g: Anpassung des Mock-ups nach der CAD/CAM-Fertigung
Abb. 1h: Stabiles Mock-up aus Kunststoff, das als Langzeitprovisorium eingesetzt werden kann
Abb. 1i: Überprüfung der Bisshebung bei der Einprobe des Mockups
Abb. 1j: Nahezu symmetrische Darstellung des möglichen Behandlungsergebnisses
Abb. 1k: Veränderung der perioralen Weichgewebe durch die geplante Bisshebung
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definierter Zahnersatz angefertigt werden soll, kann
der Datensatz auch zur Herstellung des Zahnersatzes verwendet werden. So kann ein Export aus dem
CAD/CAM-Programm im STL-Format erfolgen, damit diese Daten im Rahmen des implantatprothetischen Behandlungsablaufs für die Herstellung einer
3D-Bohrschablone mit dem Datensatz aus der DVTAufnahme überlagert werden können [7].
Gerade bei Patienten mit funktionellen Störungen,
die zu einer ausgeprägten Abrasion der Zähne geführt haben, kann mithilfe eines Mock-ups neben
der temporären Restauration der geschädigten Zähne auch eine Bisshebung angegangen werden [5].
Die Toleranz für eine mögliche Veränderung des
Zahnsystems kann durch die CAD/CAM-gefertigten
Aufbisse abgeklärt werden, ohne dass weitere, besonders invasive Maßnahmen notwendig sind [2]
(Abb. 2a bis g).
Bei der Versorgung eines lückenhaften Zahnsystems ist ein Mock-up ebenfalls hilfreich, da dem
Patienten so das mögliche Ergebnis im späteren
Behandlungsablauf bereits zu Beginn präsentiert
Abb. 2a: Ausgeprägte Atrophie und Elongation der Frontzähne bei
nicht behandelter multipler Nichtanlage
Abb. 2b: Notwendigkeit der Intrusion der Frontzähne und Schluss
des Diastemas zur harmonischen Ausformung des Zahnbogens
Abb. 2c: Eingescanntes Modell im CAD/CAM-Programm (Zirkonzahn, Gais, Italien)
Abb. 2d: Konstruktion des Wax-ups im Oberkiefer mit idealtypischer Position der Frontzähne
Abb. 2e: Konstruktion des Wax-ups im Unterkiefer mit Darstellung
der Atrophie bei einer geplanten Implantatversorgung
Abb. 2f: Simulation der Bisshebung mit Ausdehnung des Wax-ups
auf die Kauflächen der Molaren
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Abb. 2g: Einprobe des Mock-ups mit vorgesehener Repositionierung der Zähne 11
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werden kann. In diesem Zusammenhang kann
dann auch die weitere Entscheidung über die kieferorthopädische Einordnung von Zähnen oder
parodontalchirurgische Maßnahmen diskutiert
werden, um den Umfang der Korrekturen mit einer
entsprechenden ästhetischen Anpassung definieren zu können [3]. Im Vergleich zur rein digitalen
Simulation des Ergebnisses mit sogenannten Imaging-Programmen hat die CAD/CAM-Umsetzung
den Vorteil, dass der Patient das Ergebnis live testen kann, sodass sowohl er selbst als auch sein soziales Umfeld über die funktionellen Veränderungen urteilen können [4].
Ein weiterer Vorzug des digitalen Behandlungsablaufs zeigt sich, wenn am eingegliederten Mock-up
individuelle Veränderungen wie Einschleifen oder
ein Aufbau der Front-Eckzahn-Führung mittels
Kunststoff durchgeführt werden. Das Mock-up
kann dann nach einer erneuten Abformung mit
der Überlagerung für die Herstellung des endgültigen Zahnersatzes genutzt werden. Somit gehen die
Informationen, die in der Anpassungsphase sukzessive eingebracht wurden nicht verloren und
können durch das Überlagern für die Konstruktion
des definitiven Zahnersatzes genutzt werden.
Bei anstehenden implantologischen Therapiemaßnahmen können die Daten aus dem CAD/
CAM-Programm exportiert werden und bei der
Herstellung der Bohrschablone Anwendung finden [7]. Dadurch erfolgt die Implantatplanung unter prothetischen Aspekten. Je nach Knochenangebot kann dem Patienten so auch der notwendige
Augmentationsbedarf veranschaulicht werden.
Somit können die Daten für den gesamten Behandlungsablauf wiederholt genutzt werden, oh-
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Abb. 2h: Veränderung des Lippenprofils durch das eingegliederte
Mock-up
ne dass ähnliche zahntechnische Arbeiten zeitaufwendig wiederholt werden müssen.
Zusammenfassung
Die prothetische Patientenberatung mithilfe eines
digitalen Wax-ups und der Umsetzung in ein
Mock-up kann sowohl für die ästhetische Anprobe
als auch für die funktionelle Beurteilung durch eine temporäre Bisserhöhung genutzt werden. Somit
erleichtert sich der prothetische Behandlungsablauf gerade bei komplexen Restaurationen, da der
Zahntechniker nicht wiederholt zeitintensive Aufstellungen durchführen muss, sondern die jeweiligen Modifikationen am PC erledigen kann.
Korrespondenzadresse:
Priv.-Doz. Dr. Jörg Neugebauer
Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis
Dres. Bayer, Kistler, Elbertzhagen und Kollegen
Von-Kühlmann-Straße 1 · 86899 Landsberg am Lech
[email protected]
www.implantate-landsberg.de
Literatur bei der Redaktion
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