Nordrhein-Westfalen Reicht die Hilfe der Koalition aus?

Nordrhein-Westfalen
Regierung Kleines Karo statt klare Kante:
Die Grünen hadern mit ihrem
Umweltminister Johannes Remmel.
II
Braunkohle Zwischen dem Energiekonzern
RWE und Waldschützern eskaliert
der Konflikt um den Hambacher Forst.
IV
Schule Ein Lehrer aus Detmold verklagt
die Verwaltung – wegen des
Einbaus elektronischer Schlösser.
VI
Steuerhinterziehung
Der nordrhein-westfälische
Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) kritisiert den
von Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble (CDU)
vorgelegten Zehn-PunktePlan gegen Steuerhinterziehung und Briefkastenfirmen.
Es sei unrealistisch, darauf
zu setzen, dass Länder wie
Panama einem automatischen Informationsaustausch
zustimmen würden. Ebenso
unsinnig sei es, eine „schwarze Liste“ für unkooperative
Länder einzurichten. Für
Kutschaty gleicht das dem
Versuch, „einen Flächenbrand mit einem Teelöffel
löschen zu wollen“. Der beste Weg, solche kriminellen
Machenschaften zu stoppen,
sei ein hartes Strafrecht, das
auch die beteiligten Unternehmen sanktioniert – und
nicht nur einzelne Mitarbeiter. Kutschaty fordert die
Unionsparteien darum auf,
endlich dem von NordrheinWestfalen im Bundesrat
eingebrachten Gesetzentwurf für ein sogenanntes
Verbandsstrafrecht zuzustimmen. Damit könnten Banken, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, im Extremfall ihre Lizenz und ihr
Vermögen verlieren. bas
Fußnote
50000
Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben am
Dienstag und Mittwoch in
über 100 NRW-Kommunen
gestreikt. Kitas blieben zu,
Mülltonnen wurden nicht
abgeholt, Ämter waren geschlossen, und für Hunderttausende Pendler fuhren
weder Busse noch Bahnen.
Kernkraftwerk Tihange
OLIVER BERG / DPA
NRW-Regierung
gegen Schäubles
Zehn-Punkte-Plan
Nachgehakt
Reicht die Hilfe der Koalition aus?
Der Initiator des Aktionsbündnisses gegen Atomenergie, Jörg Schellenberg, 44,
über den Kampf der Aachener
Bevölkerung gegen die
beiden belgischen Pannenreaktoren Doel und Tihange
SPIEGEL: Herr Schellenberg, die Landesregierung ist der Klage der Städteregion
Aachen gegen die belgischen Atomanlagen
beigetreten. Hilft das, die Reaktoren stillzulegen?
Schellenberg: Zumindest wird es nicht schaden. Aber ganz ehrlich, von einer rot-grünen Landesregierung hätte ich mir schon
ein wenig mehr Unterstützung und ein wenig mehr Kreativität gewünscht.
SPIEGEL: Wie meinen Sie das?
Schellenberg: Der Ausstieg aus der Atomenergie war das Kernthema der Grünen.
Sie waren so kreativ, dass sie vor Jahren im
Bundestag sogar den Slogan „Petting statt
Pershing“ auf einem Transparent präsentierten. Und jetzt, in dieser wirklich
bedrohlichen Situation, fällt einer Landesregierung mit grüner Beteiligung nichts anderes ein, als der Klage einer mittleren
Kommune beizutreten? Das ist einfach zu
wenig.
SPIEGEL: Was hätten Sie stattdessen erwartet?
Schellenberg: Ich kann Ihnen jetzt keine
konkreten Schritte nennen, ich bin kein
Politiker. Aber man hätte beispielsweise
den belgischen Botschafter einbestellen
oder darüber nachdenken können, länderübergreifende Projekte ruhen zu lassen.
Immerhin bedrohen die beiden Reaktoren
nicht nur das Leben und die Gesundheit
vieler Tausender Menschen. Auch der Schaden für die Wirtschaft in NRW wäre im
Falle eines nuklearen Unfalls immens.
SPIEGEL: Schüren Sie mit derlei Szenarien
Ängste in der Bevölkerung?
Schellenberg: Nein, bei dem Reaktor in
Tihange geht es längst nicht mehr um die
Frage, ob man für oder ob man gegen
Atomkraft ist. Das Kraftwerk ist wegen der
Risse im Reaktorbehälter eine wirkliche
Gefahr. Auch Atomkraftbefürworter räumen das ein und unterstützen unseren
Protest.
SPIEGEL: Gibt es Reaktionen der belgischen
Regierung oder des Kraftwerkbetreibers
auf die Proteste?
Schellenberg: Nein, in Belgien ducken sich
die Verantwortlichen bislang weg. Gespräche mit uns gibt es nicht. Deshalb ist es so
wichtig, dass wir neben juristischen Schritten auch den öffentlichen Druck aufrechterhalten.
SPIEGEL: Das machen Sie, indem Sie im 70
Kilometer von Tihange entfernten Aachen
Jodtabletten in Kindergärten verteilen.
Schellenberg: Das machen wir in erster
Linie, indem wir Informations- und Protestveranstaltungen organisieren. Aber natürlich gehört zu einer konkreten Bedrohung
auch, die Bevölkerung so gut es geht auf
einen möglichen Unfall vorzubereiten. Das
Interview: Frank Dohmen
tun wir in Aachen.
DER SPIEGEL NRW 18 / 2016
I