Deutsche Akademie für Akupunktur | DAA e.V. Medizin auf den Punkt gebracht. AKUPUNKTUR 2/2016 Auch online lesen unter www.akupunktur-patienten.de Liebe Patientin, lieber Patient, Mit freundlicher Empfehlung überreicht © Andrey Popov – Fotolia.com die erste Gartenarbeit ist erledigt und wie jedes Jahr hat man seinem Körper nach dem „Winterschlaf“ wieder zu viel zugemutet. Das Kreuz schmerzt, die Knie tun weh oder die Schulter hat die Erdarbeiten nicht schadlos überstanden. Die schnelle Hilfe „Schmerztablette“ hat zu keiner Besserung geführt, nur der Magen drückt schon nach der dritten Einnahme. Hier kann die Akupunktur eine wertvolle Hilfe sein. Erfahren Sie in dieser Ausgabe mehr über Art und Weise der Anwendung von Akupunktur in der Schmerztherapie. Außerdem lesen Sie was Akupunktur und Kampfsport verbindet und wie diese Zusammenhänge helfen, wenn nach einer Unfallverletzung seltsame Folgebeschwerden auftreten oder die Symptome länger bleiben als erwartet. Editorial / Impressum S. 2 Akupunktur in der Schmerztherapie S. 3 Akupunktur und Kampfsport S. 5 Vorschau S. 8 2/2016www.akupunktur-patienten.de AKUPUNKTUR Akupunktur in der Schmerztherapie! Die Patientenzeitschrift Akupunktur wird herausgegeben und verlegt von der Deutschen Akademie für Akupunktur | DAA e.V., München. In dieser Ausgabe findet sich auch ein Artikel über den Zusammenhang von Kampfkunst und Akupunktur. Das Wissen über Traumatisierung (Verletzung) von Akupunkturpunkten ist auch für den Laien hilfreich. Wenn nach einem Unfall ungewöhnliche Beschwerden auftreten oder die Symptome länger als von den Ärzten erwartet bleiben, dann sollte eine Untersuchung auf eine Traumatisierung von Akupunkturpunkten erfolgen. Entsprechend ausgebildete Akupunkturärzte, wie Sie sie in der Arztsuche auf unserer speziell für Sie ausgerichteten Homepage www.akupunktur-patienten.de finden, können in diesen Fällen helfen. Ihr Dr. Bernd Ramme Dr. Bernd Ramme 1. Vorsitzender der DAA e. V., Waren © privat Als Anfang der 2000er Jahre die GERAC-Studie mit über 500.000 Behandlungen ins Leben gerufen wurde, war die Akupunktur längst aus der Grundversorgung nicht mehr weg zu denken. Im Rahmen der Studie sollte die Effektivität der Akupunktur bei drei Krankheitsbildern geprüft werden: Kopfschmerz, Knieschmerz und tiefer Rückenschmerz. Die Akupunktur schnitt im Vergleich zur ansonsten praktizierten Standardtherapie – für manch einen eingefleischten Schulmediziner überraschend – gut ab. Die Krankenkassen mussten daraufhin der Kostenübernahme der Akupunktur für die Indikationen Knie- und tiefer Rückenschmerz zustimmen. Seit dieser Zeit können Patienten bei diesen beiden Beschwerdebildern zu Lasten der Krankenkassen therapiert werden. Was leider in den Hintergrund tritt, ist das Wissen, dass Akupunktur bei allen Schmerzerkrankungen eine Therapieoption darstellen kann. Die Traditionelle Chinesische Akupunktur wird ja nicht zur Behandlung von westlichen Diagnosen eingesetzt. So können Rückenschmerzen und Kopfschmerzen aus Sicht der TCM die gleiche Grundstörung haben und werden damit auch sehr ähnlich behandelt. Angesichts der Tatsache, dass der Verbrauch an Schmerzmitteln in der deutschen Bevölkerung ungebrochen hoch ist - was angesichts der vielen Begleitmedikamente im höheren Lebensalter durchaus sehr problematisch ist - lohnt es sich, über nicht-medikamentöse Therapieverfahren bei Schmerzen nachzudenken. E-Mail: [email protected] Copyright: Jeder Patient, jede Patientin kann für private Zwecke die Onlinezeitschrift unter www.akupunktur-patienten.de lesen, ausdrucken, herunterladen und auch vervielfältigen. Für gewerbliche Zwecke gelten die Bestimmungen des Urheberrechts, insbesondere ist die vorherige Zustimmung der Deutschen Akademie für Akupunktur | DAA e.V. notwendig. Verantwortlicher im Sinne des Presserechts (v.i.S.d.P.): Dr. Bernd Ramme, 1. Vorsitzender der DAA e. V. Redaktion, Bild und Text: Deutsche Akademie für Akupunktur | DAA e.V. Impressum Osserstraße 40, 81679 München Produktion: Schmidt Media Design, Plumserjochstraße 7, 81825 München www.schmidtmedia.com Erscheinungsweise: Quartalsweise 2 | Vorwort / Impressum Wichtiger Hinweis: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann von der Deutschen Akademie für Akupunktur | DAA e.V. keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in dieser Zeitschrift abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Herausgeberin appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten der Herausgeberin mitzuteilen. www.akupunktur-patienten.de 2/2016 AKUPUNKTUR Akupunktur in der Schmerztherapie In der TCM (Traditionellen Chinesischen Medizin) gehören die Schmerzen des Bewegungsapparates zu den sog. „Äußeren Erkrankungen“. Die „Inneren Erkrankungen“ sind – wie in der westlichen Medizin – die Erkrankungen der inneren Organe des Brust- und Bauchraumes. Die Behandlung der Äußeren Erkrankungen ist fast immer eine reine Meridian-Therapie. Die allgemeine Vorstellung der TCM zur Schmerzentstehung ist die, dass im Meridian, in dem die Meridianenergie (Meridian-Qi) normal in einem ständigen Fluss ist, dieser Fluss zum Stocken kommt – wir sprechen von „Qi-Stagnation“. Durch diese Qi-Stagnation entstehen dann Schmerzen. © Das große Buch der klassischen Akupunktur, F. Bahr et al., Elsevier GmbH, München 2014 Bezeichnung von Akupunkturpunkten und Meridianen Die Akupunkturpunkte werden in der TCM nach dem Meridian benannt, auf welchem sie liegen. Sie sind mit Zahlen versehen in der Reihenfolge der Flussrichtung der Energie vom Anfang bis zum Ende des Meridians. Auf dem Lungen-Meridian, der so heißt, weil er einen Bezug zum Organ Lunge hat, liegen insgesamt 11 Akupunkturpunkte. Der längste Meridian ist mit 67 verschiedenen Punkten der Blasenmeridian, der vom Kopf bis zum Fuß über die ganze Körperrückseite zieht. In der TCM sucht man bei Schmerzen des Bewegungsapparates die schmerzhaften Punkte (Locus dolendi-Punkte) der betroffenen Region. Dann ist es Aufgabe des Arztes, die Zuordnung dieser Punkte zu dem oder den betroffenen Meridianen herzustellen. Das sind beim Kniegelenk meistens an der Knie-Innenseite die Meridiane (MilzPankreas, Leber und Niere); seltener an der Knie-Außenseite Meridiane der Schulter die Meridiane Ma gen, Gallenblase und Blase. An der Schulter sind es meistens die Meridiane Dickdarm, DreiErwärmer und Dünndarm. Am Rücken liegen die Locus dolendiPunkte fast immer auf dem inneren Ast des Blasenmeridians. Der Blasen-Meridian hat auf dem Rücken zwei parallel verlaufende Äste Blasenmeridian – den in der Nähe der Wirbelsäule verlaufenden inneren Ast und den weiter seitlich in Höhe der Schulterblattkante verlaufenden äußeren Ast. Vor Behandlung der betroffenen Punkte gilt die nächste Überlegung dem energetischen Zustand des betroffenen Meridians bzw. der betroffenen Meridiane. Dabei gibt es wesentliche Unterschiede zwischen akuten – wenige Tage oder Wochen bestehenden – und chronischen Schmerzen, die über Wochen, Monate oder sogar Jahre anhalten. Behandlung akuter Schmerzzustände Bei einem akuten Schmerz-Ereignis liegt fast immer ein Energie-Füllezustand des Meridians vor. Meist ist bei einer akuten Symptomatik nur ein Meridian betroffen. Eine Akupunktur-Behandlung sollte bei akuten Schmerz-Zuständen möglichst bald (in den ersten 24 Stunden) erfolgen, denn so lange hält der Energie-Füllezustand des Meridians gewöhnlich an. Man kann den Füllezustand des Meridians über seinen „Dämpfungspunkt“ (Sedativpunkt) senken. Eine bessere Methode ist es, die Energie-Fülle abzuleiten. Dies ist möglich, weil jeder Meridian mit einem anderen Meridian gekoppelt ist, d.h. funktionell verbunden, wie ein Autobahnnetz . Auf diese Weise kann eine Qi-Fülle wie bei einem Autobahnstau durch Umleitung auf einen anderen Meridian abAkupunktur in der Schmerztherapie | 3 © Das große Buch der klassischen Akupunktur, F. Bahr et al., Elsevier GmbH, München 2014 am Beispiel von Knie-, Schulter- und Rückenschmerzen 2/2016www.akupunktur-patienten.de © sylv1rob1 – Fotolia.com © chungking – Fotolia.com geleitet werden. Diese Umleitungspunkte werden „LoPunkte“ genannt. Beispiel akute Lumboischialgie (Hexenschuss mit Schmerzausstrahlung in den Ischias-Nerv): Es liegt ein EnergieFüllezustand im Blasenmeridian vor. Zur Therapie drückt man schmerzhaft den Akupunkturpunkt Bl 58 (Lo-Punkt des Blasen-Meridians) Ableiten von Energiefülle wie beim Stau einige Minuten lang, um Energie abzuleiten. Die Rückenschmerzen werden dadurch schon geringer. Anschließend akupunktiert man diesen Lo-Punkt (Bl 58) und dazu den Quell-Punkt als Ankunftspunkt der abgeleiteten Energie im gekoppelten Meridian Niere. Die beiden Nadeln werden 15 – 20 Minuten belassen. Meistens besteht nun 80 %ige Besserung. Der Patient kann sich wieder normal bewegen. Oft ist bei den akuten Schmerzen und zeitigem Behandlungsbeginn nur eine einzige Akupunkturbehandlung erforderlich! Bei akuten Schmerzen des Kniegelenkes oder Schultergelenkes empfiehlt sich die gleiche Vorgehensweise: Suche des Locus dolendi- Punktes und damit Erkennen des betroffenen Meridians. Bei akuten Schmerzen und zeitiger Therapie bei Füllezustand des Meridians kann man den Sedativ-Punkt zur Dämpfung der Energie-Fülle einsetzen oder besser noch die Energie-Fülle auf den gekoppelten Meridian umleiten. Was vielleicht erstaunt: bei akuten Schmerzzuständen des Bewegungsapparates nadelt man gewöhnlich nicht den Nadelung von Bl 58 zur Ableitung von Energie 4 | Akupunktur in der Schmerztherapie schmerzhaften Punkt oder seine Umgebung, sondern man wählt Fernpunkte – also Punkte, die weit entfernt vom Schmerzgeschehen liegen. Bei den Dämpfungspunkten, Umleitungspunkten und Ankunftspunkten eines Meridians handelt es sich um solche Fernpunkte. Behandlung chronischer Schmerzzustände Bei den chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates sucht man auch mit der Tast-Methode einen oder mehrere Locus dolendi- Punkte und bestimmt dadurch den oder die energetisch betroffenen Meridiane. Bei chronischen Schmerzen sind es oft mehrere Meridiane, die behandelt werden müssen. Die nächste Überlegung gilt wieder dem energetischen Zustand des betroffenen Meridians bzw. der Meridiane. Bei chronischen Schmerzen liegt ein Energie-Mangelzustand des Meridians/der Meridiane vor. Den Schmerzpunkten und Meridianen muss also Energie zugeführt werden. Dazu bestehen wieder verschiedene Möglichkeiten: Die Locus dolendi-Punkte werden akupunktiert und durch spezielle Akupunktur-Techniken stimuliert. Man kann die Nadeln zusätzlich mit einem Feuerzeug oder Moxa-Wolle erwärmen, um Energie zuzuführen. Auch Strom oder LaserStrahlen lassen sich zur Stimulation der Punkte verwenden. Moxa Die Moxa wird aus Beifuß hergestellt und liefert nach dem Entzünden eine angenehme kontinuierliche Wärme über mehrere Minuten. Sie kann direkt über dem Akupunkturpunkt angewendet (Moxazigarre oder Moxahütchen) oder auf die Akupunkturnadel als Moxafahne gesteckt werden, um die Wärme mit der Nadel in die tiefen Hautschichten und zum Meridian zu bringen. Um die Energie in den energieschwachen Meridianen anzuregen, kann man die Kräftigungspunkte (Tonisierungs-Punkte) der betroffenen Meridiane nadeln. Jeder Meridian hat einen solchen Kräftigungspunkt. Außerdem lässt sich Energie über eine Verbindungsleitbahn zwischen den Meridianen bewegen. Durch Akupunktur des Ankunftspunktes (Quellpunkt) eines energiearmen Meridi- © hjschneider – Fotolia.com AKUPUNKTUR 2/2016 www.akupunktur-patienten.de ans kann Energie von dem gekoppelten Meridians (s.o) abgezapft werden. Dabei unterstützt der Quellpunkt die Funktion des oben erwähnten Tonisierungspunktes. Außer den 12 Meridianen haben wir in unserem Körper noch 8 „außerordentliche Gefäße“. Jedes dieser Gefäße ist als Energie-Reservoir anzusehen. Die meisten dieser Gefäße liegen im Körperinneren und sind durch Akupunkturnadeln nicht zu erreichen. Es gibt aber sog. „Kardinalpunkte“, durch deren Akupunktur die Energie dieser Energiespeicher in das allgemeine Energie-Geschehen des Körpers eingebracht werden kann und damit auch die oberflächlicher laufenden und der Akupunktur zugänglichen Meridiane erreicht. Folgendes ist also bei der Behandlung von Schmerzen des Bewegungsapparates zu beachten: Die Schmerzpunkte AKUPUNKTUR müssen genau lokalisiert werden und die betroffenen Meridiane bestimmt werden. Der energetische Zustand der Meridiane muss erkannt werden, und der energetische Normalzustand in den Meridianen muss wiederhergestellt werden. Es muss optimale Energie in den Meridianen vorhanden sein (nicht zu viel und nicht zu wenig), und die Energie muss fließen, das bedeutet es darf keine Stagnation/ kein Stau des Energieflusses bestehen. r. med. Jürgen Buchbinder D Facharzt für Allgemeinmedizin Akupunktur, Homöopathie Dozent der Deutschen Akademie für Akupunktur e. V. Arensweg 40, 59505 Bad Sassendorf Akupunktur und Kampfsport © bananna – Fotolia.com Bei der Akupunktur spielt der Einfluss äußerer Faktoren auf die Energien des Körpers, der Organe und deren Meridiane eine herausragende Rolle. Jedes Organ und sein zugehöriger Meridian benötigt für seine richtige Funktion ein bestimmtes Maß an Energie. Ein Energieüberschuss (meist bei hochakuten Krankheitsbildern) führt zur Fehlfunktion und Krankheit; dieser Überschuss muss dann gedämpft oder abgeleitet werden. Bei sehr zeitiger Behandlung – möglichst innerhalb der ersten 24 Stunden – hat man häufig einen verblüffend schnellen und anhaltenden Behandlungserfolg. Ein Energiemangel (meist bei chronischen Krankheitsbildern) eines Organs und seines zugehörigen Meridians führt auch zur Fehlfunktion und Krankheit. Hier muss man den Energiemangel durch Energiezufuhr verschiedener Art ausgleichen, um eine Heilung zu erzielen. © STUDIO GRAND OUEST – Fotolia.com Verletzung von Akupunkturpunkten durch Prellung und deren Behandlung Bekanntlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, Akupunkturpunkte zu behandeln: Shiatsu (die sanfte Massage der Akupunkturpunkte), Akupressur und Akupunktur. Die Akupunktur wird mit verschiedenen Nadel-Techniken durchgeführt. Meistens sind es sind es wegen Mangels an Energie der Kräftigung dienende „Stimulationstechniken“. Die Akupunktur-Nadeln oder Akupunktur-Punkte können moxi bustiert (erwärmt), elektrisch oder mit Laser-Strahlen stimuliert werden. Die zugeführte Energie ist bei den genannten Behandlungsmöglichkeiten unterschiedlich groß. Es ist wenig bekannt, dass eine zu starke – und meist auch plötzliche - Energiezufuhr zu Schädigungen führen kann. Zu einer solchen, übermäßig starken Energiezufuhr kommt es, wenn bei Prellungen ein Akupunkturpunkt genau getroffen wird. In der westlichen Akupunkturliteratur gibt es nur wenige Hinweise darauf, dass über Akupunkturpunkte nicht nur Hei- Akupunktur in der Schmerztherapie · Akupunktur und Kampfsport | 5 lungen zu erzielen sind, sondern dass auch bei deren Verletzung schwere Schäden bis zur Todesfolge hervorgerufen werden können. In der Zeitschrift „Kampfkunst“ Ausgabe 12/1998 befindet sich auf Seite 42-49 ein Artikel über „Bubishi“ , die Quelle des „Okinawa-Karate“. – Okinawa ist zwischen Japan und China das geographische Bindeglied. So hat vieles des Wissens des Bubishi seine Wurzeln in dem Wissen von chinesischen Kampfkunstschulen. Die Kampfkunstmeister der verschiedenen Richtungen und Schulen in alter Zeit fungierten meistens auch als Ärzte. Sie setzten oft bei Verletzungen im Kampf das Wissen der TCM (Traditionelles Wissen der Chinesischen Medizin) in Form von Kräutermedizin und auch den Einsatz von Akupunkturpunkten als Gegenmittel bei der Verletzung von Akupunkturpunkten ein. Ursprung dieses Wissens ist „Dim Mak“ – die tödliche Berührung. Der Erfinder des „Dim Mak“ ist Chang San-feng, geboren irgendwann zwischen 1270 und 1347 n. Chr. Chang San-feng und zwei seiner Freunde experimentierten an Tieren und Menschen, um herauszufinden, welche Effekte massiver Druck und/oder Schläge auf Akupunkturpunkte haben. Das Punkt-Schlag-System wurde erst „h´ao ch´uan“, später „taijiquan“ genannt. Das Wissen um Dim Mak wurde lange Zeit geheim gehalten bzw. nur jeweils an besondere, bevorzugte Personen weitergegeben. Inzwischen gibt es einige Veröffentlichungen über Bubishi und Dim Mak in englischer und deutscher Sprache. Sehr umfassend ist die australische zweibändige Enzyklopädie des Dim Mak: „Erle Montaigue (Kampfkunst-Lehrer)/ Wally Simpson (Arzt mit TCM-Wissen) – The Encyclopedia of Dim Mak“ – Paladin Press * Boulder Colorado –. Nutzen des Wissens vom Dim Mak Die Erkenntnisse des Dim Mak weisen darauf hin, dass eine Überdosierung von Energie auf einen Akupunkturpunkt zu Schäden führen kann. Das kommt normalerweise in der täglichen Akupunkturpraxis nicht vor, da wir mit Akupunktur und Moxibustion unterhalb des Schwellenwertes bleiben. Vorsichtig sollte man aber bei der Akupunktur und kräftiger Akupressur an den vitalen Punkten sein, die vielfach auch in der TCM als „verbotene Punkte“ gelten. Durch die Erkenntnisse des Dim Mak lassen sich möglicherweise Unfallfolgen erklären, bei denen es bei relativ geringer Gewalteinwirkung zu fatalen Folgen, ja sogar zum Tode kommen konnte: Punkt KG 17: Man hörte immer wieder in den öffentlichen Medien von tödlichen Sportunfällen, bei denen z.B. ein Fußballspieler einen Ball oder ein Eishockeyspieler einen Puck gegen die Brust bekommen hatte. KG 17 gilt beim Dim Mak als sehr gefährlicher Punkt. Wird dieser Punkt getroffen, 6 | Akupunktur und Kampfsport Elsevier GmbH, München 2014 2/2016www.akupunktur-patienten.de © Das große Buch der klassischen Akupunktur, F. Bahr et al., AKUPUNKTUR Akupunkturpunkt LG 20 im Scheitelbereich fließt die Energie von diesem Sitz der Energie ab, der Betroffene fällt kraftlos zusammen, ist KO oder tot. LG 20: 1995 zog sich eine meiner Töchter – damals noch Studentin – zu Hause bei recht niedriger Zimmerdecke beim Bettenmachen eine Schädelprellung zu. Außer Druckschmerz fand sich zunächst nichts. Am Folgetag kam es zu Gleichgewichtsstörungen, Schwindel und dem Gefühl, bewusstlos zu werden. Fachärztliche Untersuchungen brachten keine Klärung. Uni-Besuch war wegen des starken Schwindels nicht möglich. Es kam zum Krankenhaus-Aufenthalt wegen weiterer Verschlechterung – kein krankhafter Befund-. Es folgten weitere Beschwerden wie das Unvermögen zu lesen, Panikattacken, Platzangst, Herzrasen, geistige Verlangsamung u.a. – erst nach 5 Monaten war der Uni-Besuch wieder möglich. Stark belastend war es auch, dass man ihre Beschwerden als Hysterie abtat. Seit 1998 wurden - mit dem Wissen um Dim Mak und Bubishi - Patienten mit mehr punktuellen Verletzungen (Prellungen) von Akupunkturpunkten von mir mit sogenannten Antidot-Punkten behandelt. Diese Punkte wirken der schädigenden Wirkung verletzter Akupunkturpunkte auf den Gesamtkörper entgegen und haben sich über die letzten Jahrhunderte im Dim Mak aus der Erfahrung heraus entwickelt. Es fanden sich dabei sehr gute Behandlungserfolge und bisher kein Therapieversager. Hier nun drei exemplarische Behandlungsfälle: Fall 1 Eine 55-jährige Patientin erlitt einen schweren Sturz mit Gehirnerschütterung, Schlüsselbeinbruch und Quetschung von Rippen und Halswirbelsäule. Drei Monate später suchte sie mich auf, da Hinterkopf-Schmerz, Nacken-Verspannungen 2/2016 www.akupunktur-patienten.de © Das große Buch der klassischen Akupunktur, F. Bahr et al., Elsevier GmbH, München 2014; modifiziert Ramme Fall 2 Anfang September 2001 stellte sich in der Praxis eine 40-jährige Patientin vor, die nach hinten gefallen war und mit dem Hinterkopf gegen einen Besenstiel stieß, der senkrecht an der Wand hing. Seither klagte sie über mehrfach täglich anfallsartig auftretenden Drehschwindel mit Fallnei- Lage der Punkte LG 15, 19 und Gb 20 gung und wiederholt kurzzeitige Sehschwäche. Außerdem bestand ein allgemeines Druckgefühl um den Kopf herum. Die fachärztlichen Untersuchungen und bildgebende Diagnostik zeigten keine Auffälligkeiten. Was in der Akupunkturpraxis auffiel: Noch sieben Wochen nach dem Unfallereignis war eine Region am Hinterkopf druckschmerzhaft, die einem bekannten Akupunkturpunkt (LG 19) entspricht. Dazu heißt es beim Dim Mak: „Sogar ein leichter Schlag löst einen Schock auf das Gehirn aus und sorgt für einen Energieabfluss. Der entsprechende Antidot-Punkt wurde zunächst mit Akupressur und an den drei Folgetagen mit Akupunktur behandelt. Nach diesen Sitzungen war die Patientin beschwer defrei. Sehstörung, Kopfdruck und Drehschwindel mit Fallneigung waren nachhaltig verschwunden. Fall 3 Eine 67-jährige Fahrradfahrerin stürzte auf die rechte Seite und litt seitdem (6 Wochen) unter Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens, Schulter, Nacken, Brustkorb und Bauches. Die Schulter war in ihrer Beweglichkeit sehr stark eingeschränkt. Im Bereich des Oberarms fand sich ein deutlich druckschmerzhafter Punkt (Di 16). Beim Dim Mak kommt Verlauf des Dickdarm-Meridians es bei Verletzung dieses Punktes zu einer großen Qi-Drainage – d.h. Abfluss der Energie „Qi“. Der Therapeut legt in diesem Fall beide Handflächen auf die Spitze des Kopfes bei dem Akupunkturpunkt LG 20 (s.o.) und drückt leicht nach unten. Nach nur einer Behandlung waren die Beschwerden deutlich gelindert und am Folgetag konnte die Patientin den Arm wieder bewegen. Nacken-, Brust- und Bauchschmerzen waren nahezu verschwunden. Im Ellenbogen waren nachts noch Schmerzen. Es wurde wieder der LG 20 wie zuvor therapiert. Weitere Behandlungen waren nicht mehr erforderlich. Bis heute liegen noch zahlreiche andere Behandlungsbeispiele vor. Bisher gab es bei der Behandlung mit den jeweiligen Antidot-Mitteln, die in der o.g. Dim Mak Enzyklopädie aufgeführt sind, keinen Therapieversager. Dem Leser dieses Artikels kann das Wissen über die Behandlungsmöglichkeit von stumpfen Verletzungen bzw. Prellungen von Akupunkturpunkten nützlich sein. Er selbst oder Verwandte oder Bekannte können einen Akupunkturarzt aufsuchen, der im Falle eines solchen Unfalls entsprechend untersuchen und behandeln kann. Weiterführende Literatur zum Thema: Es gibt inzwischen ein kurz gefasstes Skriptum „Traumatisierung von Akupunktur-Punkten und deren Behandlung“. (Bezugsquelle: Firma Karl Blum – Breslauer Str. 42 – 82 194 Gröbenzell). r. med. Jürgen Buchbinder D Facharzt für Allgemeinmedizin Akupunktur, Homöopathie Dozent der Deutschen Akademie für Akupunktur e. V. Arensweg 40, 59505 Bad Sassendorf Akupunktur und Kampfsport | 7 © Das große Buch der klassischen Akupunktur, F. Bahr et al., Elsevier GmbH, München 2014 und Kopfgeräusche weiterhin bestanden. Bei der Untersuchung fielen zwei betroffene Akupunkturpunktregionen auf: LG 15 und Gb 20. Sowohl für LG 15 als auch Gb 20 ist im Dim Mak die Folge KO bis zum Tod beschrieben. Zwischen diesen beiden Extremen umfasst die Bandbreite an möglichen Beschwerden Schwindel, Stummheit, Taubheit oder gar Wesensveränderung. Die infrage kommenden Antidot-Punkte wurden vorsichtig behandelt. Die Erstbehandlung fand in der Praxis mit Anleitung der Patientin statt, die daraufhin diese eigenständig zu Hause fortsetzte. Bereits in der Praxis kam es zu einer sofortigen Linderung der Schmerzen. Die Patientin beschrieb ein Gefühl der Erleichterung, als ob eine Last von der Schulter genommen würde. AKUPUNKTUR 2/2016www.akupunktur-patienten.de AKUPUNKTUR © jul14ka – Fotolia.com Vorschau auf Ausgabe 3/2016 Hauptthema: Akupunktur in der Zahnheilkunde – Frischer Atem und gesundes Zahnfleisch – Viele Menschen leiden unter Mundgeruch und entzündetem Zahnfleisch. Beiden Beschwerdebildern geht die nächste Ausgabe auf den Grund. Was kann aus dem Bereich der Akupunktur und traditionellen chinesischen Medizin in diesen Fällen noch helfen? Unsicherheit durch schlechten Atem und lockere Zähne sind keine Zustände mit denen man sich abfinden muss. Weitere Patienteninformationen In Deutschland: Deutsche Akademie für Akupunktur | DAA e.V. Osserstraße 40, 81679 München Tel.: 089/8145252, Fax: 089/82000929 [email protected] www.akupunktur.de, www.akupunktur-patienten.de, www.stoerherd.de 8 | Vorschau In Österreich: Österreichische Gesellschaft für Kontrollierte Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin (OGKA), Glacisstraße 7, A-8010 Graz Tel.: ++43 (0)316/37 40-50, Fax: -5055, [email protected]: www.ogka.at In der Schweiz: Schweizerische Ärztegesellschaft für Akupunktur, Chinesische Medizin und Aurikulomedizin, SACAM Postfach 2003, CH-8021 Zürich, Tel.: ++41 (0)844/200 200, Fax: ++41 (0)31/332 41 12 [email protected], www.sacam.ch
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