Kanton Zürich Volkswirtschaftsdirektion Amt für Wirtschaft und Arbeit Zürcher Wirtschaftsmonitoring Vierteljährliche Publikation, Ausgabe Juni 2016 Liebe Leserinnen, liebe Leser Der Zürcher Arbeits markt entwickelt sich angesichts der mannigfaltigen Herausforderungen weiterhin erstaunlich robust. Die Arbeits losigkeit ist zwar saisonbereinigt auch zu Beginn des Jahres 2016 angestiegen. Der Zuwachs blieb aber deutlich geringer als befürchtet. Zudem wurden im ersten Quartal bei den Dienstleistungen erneut viele neue Stellen geschaffen. Dies zeigt, dass die Zürcher Wirtschaft sehr widerstandsfähig ist, trotz Franken stärke und Strukturwandel. Zürich muss sich sowohl im internationalen als auch im Wettbewerb der Kantone behaupten: Unternehmen ziehen nach Zürich, verlassen unseren Kanton aber auch. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Nicht zuletzt ist Zürich ein teures Pflaster. Zürich muss man sich als Unternehmen leisten können. Wie sich die Unternehmensmobilität auch als Folge davon in den vergangenen Jahren ent wickelt hat und was das für den Kanton bedeuten könnte, erfahren Sie in unserem Spezialthema. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen. Bruno Sauter Chef Amt für Wirtschaft und Arbeit Das Wichtigste in Kürze Kanton Zürich Robuste Beschäftigungszunahmen bei den Dienstleistungsbranchen2 Zürich kommt fast ungeschoren durch die Aufwertungskrise 3 Industrie rappelt sich langsam hoch 4 Gastgewerbe erholt sich dank Hotellerie 4 Angleichung der Branchenentwicklungen in Sicht 4 Schweiz und Ausland Europa: Wachstum setzt sich fort 6 USA: Konjunkturmotor stottert leicht 7 Schwellenländer: nur wenige positive Impulse 8 Schweiz: auf bescheidenem Wachstumspfad 8 Risiken: Umsetzung Masseneinwanderungs initiative, Brexit, internationale Konflikte9 Spezialthema Interview «Ansiedlungen im grossen Stil sind passé», Gespräch mit Stefan Kuhn, Head of Corporate und M&A Tax, KMPG 10 Bericht Unternehmensmobilität unter der Lupe 12 Kanton Zürich Die Frankenaufwertung traf die Zürcher Wirtschaft weniger stark als andere Regionen der Schweiz. Die Beschäftigung weitete sich im Dienstleistungsbereich in Zürich so stark aus, dass die Einbussen in der Industrie dadurch wettgemacht wurden. Die Lichtblicke am Horizont in der Industrie und im Gastgewerbe werden zudem heller. Alles deutet darauf hin, dass sich die unspektakuläre Erholung im Kanton Zürich fortsetzt. Auch am Arbeitsmarkt sind erste Zeichen einer Besserung auszumachen. Rückschläge beim Wachstum und erneute kleine Zunahmen der saisonbereinigten Zahl der Arbeitslosen sind im weiteren Verlauf des Jahres 2016 nicht auszuschliessen. Insgesamt scheint die jüngste Krise aufgrund der erneuten Frankenaufwertung die Zürcher Wirtschaft nur vorübergehend gebremst zu haben. Robuste Beschäftigungszunahmen bei den Dienstleistungsbranchen An der Konjunkturfront im Kanton Zürich tut sich wenig Spektakuläres: Das unterdurch schnittliche Wirtschaftswachstum hält an und die Lichter am Horizont werden allmählich heller. Dieser unspektakuläre Prozess ist zu begrüssen, da er zu einer Erholung führt, wenn er lange genug anhält. Und bisher spricht vieles dafür. So setzt sich die Ausweitung der Beschäftigung im Kanton Zürich ungebrochen fort. Im ersten Quartal 2016 fiel die Zunahme im Vergleich zum Vorquartal aufs Jahr hochgerechnet mit 2.6% sehr hoch aus und im Ver gleich zum ersten Quartal 2015 resultiert immer noch eine Zunahme von 1.5%, wie in der Grafik dargestellt. Die Grossregion Zürich verzeichnet damit die zweithöchste Beschäfti Beschäftigung im 1. Quartal 2016 Daten: 2. und 3. Sektor; BESTA, BFS 6 4 2 0 Jahreswachstumsrate sin Tes eiz hw lsc tra Zen Os tsc hw eiz h ric Zü we sch est rdw No pac Es Ge iz d itte eM rse nfe % llan n gio ere HW –6 SC –4 EIZ –2 Quartalswachstumsrate, annualisiert Beschäftigungswachstum nach Sektoren Daten: Jahreswachstumsrate, 1. Quartal 2016; BESTA, BFS 6 4 2 0 Sektor 2 2 sin Tes eiz hw lsc tra Zen Os tsc hw eiz h ric we sch No rdw est itte eM pac Es Zü iz d llan n gio ere rse nfe Ge % HW –6 SC –4 EIZ –2 Sektor 3 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Kanton Zürich gungszunahme nach dem Tessin. Die Beschäftigungsdynamik ist in Zürich insbesondere stärker als in der Region Aargau und Basel (Nordwestschweiz), im Espace Mittelland und in der Genferseeregion, die offensichtlich stärker unter der jüngsten Frankenaufwertung gelitten haben als die östlicheren Regio nen. Für die gesamte Schweiz resultiert ein Jahreswachstum von 0.7%. Die Analyse nach Sektoren zeigt, dass die Beschäfti gung in allen Grossregionen im 2. Sektor stark abgenommen hat, auch in den Kantonen Zürich und Tessin. Die Belegschaft in den Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Bau sowie Energie- und Wasserversorgung inkl. Abwasser wurde in allen Regionen um 0.6% bis gut 3% abgebaut. Im Kanton Zürich betrug der Einbruch 1.9% und für die gesamte Schweiz resul tiert ein Rückgang von 1.6%. Die gute Arbeitsmarktperfor mance im Kanton Zürich resultiert daher ausschliesslich aus dem 3. Sektor, dem Dienstleistungssektor. In diesem Bereich nahm denn auch die Beschäftigung im Kanton Zürich im ers ten Quartal 2016 um 4.8% zu im Vergleich zum Vorquartal und aufs Jahr hochgerechnet. Das Wachstum war auch im Ver gleich zum ersten Quartal 2015 mit 2.2% immer noch ansehn lich hoch. Nur das Tessin verzeichnete mit 6.5% eine höhere Zunahme. Die Ost- und die Zentralschweiz verzeichneten eben falls beachtliche Zunahmen von 0.5% beziehungsweise 1.6%. Die westlichen Regionen – die Nordwestschweiz, der Espace Mittelland und die Genferseeregion – mussten dagegen auch bei den Dienstleistungsbranchen insgesamt eine Beschäfti gungseinbusse hinnehmen. Die Dienstleistungsaktivitäten in diesen Regionen, wie beispielsweise in Basel, sind womöglich stärker durch die Geschäftsentwicklung in der Industrie be dingt. Das würde bedeuten, dass die Umsatzeinbusse in der Pharmabranche auch die Nachfrage nach Unternehmens- und anderen Dienstleistungen geschwächt hat. Im Gegensatz dazu scheinen die Finanz- und Unternehmensdienstleistungen in der Region Zürich – gemessen an der Beschäftigung – eine eigenständigere Konjunkturdynamik vorzuweisen. Auf alle Fälle bleibt die Beschäftigungsdynamik im Dienstleistungssektor im Kanton Zürich trotz des Einbruchs von Geschäftslage und Beschäftigung in der Industrie ziemlich lebhaft. Aktuelle Geschäftslage Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt 80 Gute Geschäftslage 60 40 20 0 – 20 Banken Architektur- und Ingenieurbüros Verschiedene Dienstleistungen Bau Schlechte Geschäftslage 2009 2010 2011 2012 2013 2015 Aktuelle Geschäftslage Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt 80 Gute Geschäftslage 60 40 20 0 – 20 Grosshandel Gastgewerbe Detailhandel Industrie – 40 – 60 Schlechte Geschäftslage 2009 2010 2011 2012 2013 Zürich kommt fast ungeschoren durch die Aufwertungskrise Da Beschäftigungszahlen die wichtigste Datenbasis für die Schätzung der regionalen Wertschöpfungsentwicklung sind, können von den obigen Zahlen direkte Rückschlüsse auf die Wirtschaftsentwicklung in den Grossregionen gezogen werden. Die aktuelle Konjunktur verläuft demnach recht unterschied lich nach Grossregionen und Wirtschaftssektoren. Die Zürcher Wirtschaft scheint aufgrund ihrer mehrheitlichen Ausrichtung auf Dienstleistungen gegenwärtig zu den Wachstumsleadern der Schweiz zu gehören. Bei einem Quartalswachstum der Beschäftigung von annualisiert 2.6% im ersten Quartal dürfte die Wertschöpfung mindestens 1.5 – 2% zunehmen. Die Beschäftigungszahlen fürs erste Quartal 2016 sind noch nicht als detaillierte Aufschlüsselung nach Branchen er hältlich. Die Umfragen der KOF Konjunkturforschungsstelle bei den Unternehmen bestätigen allerdings, dass die Unterschie de nach Branchen noch gross sind. Die Dienstleistungsbran chen im Kanton Zürich und darunter namentlich die Finanz branche und die zahlreichen Unternehmensdienstleistungen (enthalten in der Umfage zu den verschiedenen Dienstleistun gen) weisen nach wie vor eine gute Geschäftslage auf und Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 2014 3 2014 2015 Kanton Zürich zeigen damit das gleiche Bild wie die Beschäftigungsanga ben. Auch die Indikatoren für die Geschäftslage im Bau sowie bei den Architektur- und Ingenieurbüros sind noch oberhalb der waagrechten Linie und damit im «guten Bereich». Deutlich schlechter ist die Geschäftslage in der Industrie, im Gastge werbe und im Grosshandel, wenn auch eine Verbesserung für die ersten Monate des Jahres 2016 erkennbar ist. Immer noch eindeutig schlecht verläuft das Geschäft dagegen im Detail handel. Der Indikator für die Geschäftslage hat sich von sei nem Tiefpunkt im Jahr 2015 kaum erholt. Industrie: Auftrags- und Ertragslage sowie Erwartungen Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt (SB) und geglättet (GK) 40 Höher 20 0 – 20 – 40 – 60 Niedriger 08 09 10 11 12 13 14 15 Preise letzte 3 Monate Ertragslage letzte 3 Monate Auftragsbestand (Vormonatsveränderung, GK) Erwartete Produktion (nächste 3 Monate, SB) Industrie: erwarteter Bestellungseingang nach Kategorien Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt und geglättet 60 Höher 40 20 0 – 20 – 40 – 60 Niedriger 08 09 10 11 12 13 14 15 Metallerzeugung und -bearbeitung Maschinen- und Fahrzeugbau Elektrik, Elektronik, Feinmechanik und Optik Papier, Karton, Verlag und Druck Beherbergung Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigte Angaben 100 Verbesserung 50 0 – 50 – 100 Absatz Umsatz Geschäftslage Beschäftigte nächste 3 Monate Verschlechterung 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Industrie rappelt sich langsam hoch Die jüngste Erholung der Geschäftslage in der Industrie basiert zum Teil auf einer leichten Verbesserung des aktuellen Bestel lungseingangs. Vorwiegend die Unternehmen des Maschinenund Fahrzeugbaus vermeldeten eine Zunahme. Die Abnahme des Bestellungseingangs bei den Unternehmen der Metaller zeugung und -bearbeitung scheint zudem nachzulassen. Ins gesamt ist die gegenwärtige Auftragslage aber noch alles an dere als rosig. Die Stimmungsverbesserung in der Industrie scheint aber auch vorwiegend dadurch bedingt, dass die Un ternehmen für Frühling und Sommer 2016 eine höhere Produk tion erwarten, wie die nebenstehenden Grafiken zeigen. Die detaillierte Aufschlüsselung des Bestellungseingangs nach Kategorien zeigt, dass vor allem die Branchen Elektrik, Elekt ronik, Feinmechanik und Optik sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung optimistischere Erwartungen haben. Zudem dürfte bei den Preisen die Wende näher gerückt sein: Die Unternehmer schätzen, dass die Preise in den letz ten Monaten weniger stark zurückgingen als noch Ende 2015. Eine Stabilisierung wäre dann die nächste willkommene Phase. In jedem Fall ist noch nicht der Moment der Entwarnung ge kommen: Die Ertragslage in der Industrie ist immer noch ein deutig rückläufig. Gastgewerbe erholt sich dank Hotellerie Ein weiterer Lichtblick für die aktuelle Wirtschaftslage im Kan ton Zürich kommt aus dem Gastgewerbe, genauer gesagt aus der Hotellerie. Der Tourismus läuft in Zürich wie auch in ande ren Städten überdurchschnittlich gut und scheint Anfang dieses Jahres einen erneuten Elan zu erfahren. Die Zahl der Logier nächte nahm zwischen Januar und März 2016 im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum 2015 um 1.7% zu, während für die gesamte Schweiz ein Rückgang von 0.7% resultierte. Die nebenstehende Grafik zeigt, dass der mengenmässige Absatz und der Umsatz in Schweizer Franken bei den Beherber gungsstätten im Kanton Zürich im zweiten Quartal 2016 stark zugenommen haben. Diese Erholung scheint der eigentliche Auslöser zur Verbesserung der Geschäftslage im Gastgewer be zu sein. Bei den Restaurantbetrieben hat sich der Umsatz noch nicht in diesem Ausmass verbessert, wobei die Geschäfts lage auch hier wieder besser eingeschätzt wird als in den letz ten eineinhalb Jahren. Angleichung der Branchenentwicklungen in Sicht Die Erholung der Wirtschaft im Kanton Zürich ist auf gutem Weg und die Konjunktur läuft hier im Vergleich zu den restlichen Regionen in der Schweiz sogar überdurchschnittlich gut. Die Unterschiede der Wirtschaftsentwicklung nach Branchen sind zwar noch gross. Die von den Unternehmen für die nächsten sechs Monate gemeldeten Aussichten lassen allerdings dar auf schliessen, dass die schlechter laufenden Branchen – In 4 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Kanton Zürich dustrie, Gastgewerbe und Grosshandel – weiter aus ihrer Mi sere herauswachsen. Gleichzeitig wird die Wirtschaftsdynamik bei den verschiedenen Dienstleistungen und im Bankensektor etwas moderater. Damit kommt es zu einer leichten Annähe rung der Konjunktur in den verschiedenen Branchen, wie die Indikatoren für die erwartete Geschäftslage gemäss den KOFUmfrageresultaten zeigen. Eine Ausnahme ist und bleibt der Detailhandel, für den sich auch in den kommenden Sommer monaten kein Lichtblick abzeichnet. Die im innerschweizerischen Vergleich gute Wirtschafts lage im Kanton Zürich dürfte erklären, wieso die Arbeitslosig keit im Frühjahr saisonbereinigt in etwa stagnierte. Saisonbe reinigt nahm die Zahl der Arbeitslosen im Frühling ab und die Arbeitslosenquote betrug im Mai 2016 noch 3.7%. Noch ist es zu früh, um auf eine definitive Wende am Arbeitsmarkt zu hof fen. Das unstete Umfeld in Europa und auch die noch wenig gefestigte Konjunktur in den übrigen Schweizer Regionen las sen weitere Rückschläge bei der wirtschaftlichen Erholung erwarten. Aus diesen Gründen kann eine erneute Zunahme der Arbeitslosigkeit nicht ausgeschlossen werden. Auch die grossen politischen Unsicherheiten bezüglich der Stabilität der EU sowie der militärischen Konflikte im Nahen Osten er höhen die Zurückhaltung von Investoren und Unternehmern. Die Zeit der kleinen Schritte hält noch an. Damit dürfte sich die Wertschöpfung im Kanton Zürich 2016 weiter in gemächli chem Tempo von 1 bis 2% ausdehnen. Die Zahl der Arbeits losen kann saisonbereinigt im Verlauf von 2016 noch etwas ansteigen, bevor 2017 allmählich eine nachhaltige Erholung einsetzen kann. Erwartete Geschäftslage (nächste 6 Monate) Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt 60 Verbesserung 40 20 0 Banken Architektur- und Ingenieurbüros Verschiedene Dienstleistungen Bau – 20 Verschlechterung 2011 2012 2013 2014 2015 Erwartete Geschäftslage (nächste 6 Monate) Kanton Zürich: KOF-Umfragen, saisonbereinigt 40 Verbesserung 30 20 10 0 – 10 Dr. Aniela Wirz, Leiterin Fachstelle Volkswirtschaft – 30 KOF-Umfragen • Die Umfragen der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich basieren auf monatlichen und vierteljährlichen Erhebungen bei leitenden Persönlichkeiten von Unternehmen in verschiedenen Branchen: Industrie, Bau, Gastgewerbe, Projektierungssektor (Architektur- und Ingenieurbüros), Detailhandel, Grosshandel, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, verschiedene Dienstleistungen. • Die Branche verschiedene Dienstleistungen besteht aus folgenden Unterkategorien: Verkehr, Information, Kommunikation, persönliche und freiberufliche, technische und wissenschaftliche Dienstleistungen, Dienstleistungen des Grundstückund Wohnungswesens, sonstige Dienstleistungen. • Die Antworten aus einem Unternehmen werden mit dessen Beschäftigungszahl gewichtet. Die Antworten aller Unternehmen werden zu Produktegruppen und Branchen zusammengefasst. • Die meisten Fragen sind qualitativer Natur (Antworten: höher, gleich, tiefer). Aus dem Saldo zwischen den Prozentanteilen der (+)- und (−)-Antworten resultiert die überwiegende Tendenz der erfragten Grösse, welche als Indikator in den Grafiken am häufigsten dargestellt wird. • Zur Abschwächung der Zufallsschwankungen werden in den Grafiken in der Regel saisonbereinigte Daten mit regressions analytisch ermittelten Randwerten dargestellt. Die geglätteten Zeitreihen werden zusätzlich noch um Extremwerte bereinigt. Für detaillierte Informationen zu den KOF-Umfragen siehe w ww.kof.ethz.ch / surveys / bts Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Grosshandel Gastgewerbe Detailhandel Industrie – 20 Verschlechterung 2011 2012 2013 2014 2015 Arbeitslose nach Branchen Kanton Zürich: Daten SECO, saisonbereinigt Industrie Baugewerbe Detailhandel Gastgewerbe Banken Verkehr, Information und Kommunikation Total (rechte Skala) 4500 4000 3500 3000 × 1000 30 25 2500 20 2000 1500 15 1000 500 2009 2010 2011 2012 2013 5 2014 2015 Schweiz und Ausland Die Weltwirtschaft leidet weiterhin unter den deutlich tieferen Wachs tumsraten und teilweise rezessiven Entwicklungen in den grossen Schwellenländern. Auch in den USA hat sich das Wirtschaftswachstum zu Beginn des Jahres deutlich verlangsamt, während es sich in Europa zaghaft belebte. In der Schweiz nahm die Wertschöpfung zu Jahres beginn nur leicht zu. Die Arbeitslosigkeit stieg in den ersten Monaten des Jahres saisonbereinigt kaum mehr an. Die Wachstumsimpulse bleiben zwar bescheiden, dürften sich im Verlauf des Jahres aber leicht verstärken. Europa: Wachstum setzt sich fort Im Euroraum hat sich das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) im ersten Quartal 2016 leicht beschleunigt. Es betrug auf das Jahr hochgerechnet 2% nach 1.2% im Vorquartal. Die Arbeitslosenquote sank weiter und betrug im April noch 10.2%. Im gleichen Monat des Vor jahres hatte sie noch 11% betragen. Die höchsten Wachstumsraten wiesen bei der Wertschöpfung unter den grossen Volkswirtschaften Spanien, Deutschland und Frankreich auf. Ursache dafür dürfte neben einer teilweise besseren konjunkturellen Lage auch das milde Wetter gewesen sein. Dadurch wurden vermutlich Bauarbeiten bereits früher als gewohnt wieder aufgenommen. Dieser Effekt dürfte sich im nachfolgenden Quartal dämpfend auf das BIP-Wachstum auswirken. Die Wachstumsimpulse gingen zu Beginn des Jahres 2016 vor allem vom Binnenmarkt aus. Deutschland als grösste Volkswirtschaft des Euroraums verzeichnete mit 2.8% das bedeutendste Wachstum. Ursache dafür waren ausschliesslich Zuwächse auf dem Binnen markt. Sowohl die Bau- und Ausrüstungsinvestitionen als auch der private und der öffentli che Konsum leisteten bedeutende Wachstumsbeiträge. Ein leicht negativer Beitrag resul tierte hingegen aus dem Aussenhandel. Die Beschäftigung wuchs erneut deutlich, wodurch die Arbeitslosenquote abermals sank. Sie betrug im April noch 4.2%. Auch in Frankreich war das BIP-Wachstum mit 2% vergleichsweise hoch. Die Arbeitslosenquote sank im April leicht auf 9.9%. Im April des Vorjahres hatte sie noch bei 10.3% gelegen. In Spanien setzte sich die wirtschaftliche Erholung weiter fort. Die Wachstumsrate der Wertschöpfung betrug im ersten Quartal 2016 wie bereits in den beiden Vorquartalen 3.2%. Die Arbeitslosenquote sank auf noch 20.1% im April. Wachstumsimpulse stammten vor allem von den privaten und den öffentlichen Konsumausgaben. In Italien betrug das BIP-Wachstum im ersten Quartal 2016 1.2%. Die Beschäftigung stieg nicht weiter an. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag die Arbeitslosenquote zwar leicht tiefer. Im April wurde jedoch bereits wieder ein Anstieg auf 11.7% registriert. Die Stimmung innerhalb des Euroraums und in Grossbritannien hatte sich zu Beginn des Jahres eingetrübt. Ursache dafür dürfte unter anderem der zunehmende Wegfall von BIP-Wachstum und Vertrauensindikatoren in einzelnen Sektoren Euroraum: reales BIP zum Vorquartal, Economic Sentiment Indicator, saisonbereinigt 20 2 10 1 0 0 –10 –1 – 20 –2 – 30 – 40 Industrie Konsumentenvertrauen Detailhandel Baugewerbe Dienstleistungen BIP-Wachstum (rechte Skala) 2004 6 2006 2008 –3 –4 2010 2012 2014 2016 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Schweiz und Ausland zwei wichtigen Wachstumsimpulsen des letzten Jahres gewe sen sein, dem schwachen Euro und dem tiefen Erdölpreis. Die globale Konjunktur hat sich zudem im Verlauf des letzten Jah res kontinuierlich abgekühlt. Die Wachstumsimpulse im ersten Quartal stammten dementsprechend hauptsächlich vom Bin nenmarkt. Ursache der steigenden Konsumausgaben dürften allgemein die anhaltend wachsende Beschäftigung und der Rückgang der Arbeitslosigkeit in den meisten Ländern des Euroraums sein. Diese dürften in den kommenden Monaten in einem gemächlichen Tempo weiter anhalten, ohne sich zu be schleunigen. In Deutschland dürften zudem die teilweise be deutenden Reallohnzuwächse die Binnennachfrage stärken. Wachstumsimpulse geben weiterhin die Bau- und Ausrüstungs investitionen sowie die Staatsausgaben. Letztere dürften vor allem auch in Frankreich und Spanien zu einem anhaltenden Wachstum beitragen. Vorlaufende Indikatoren deuten nach der leichten Baisse zu Beginn des Jahres teilweise auf eine erneute leichte Verbes serung der Stimmung hin. Dies gilt insbesondere für Deutsch land, aber teilweise auch für Frankreich. Die Indikatoren für Italien bleiben weiterhin durchzogen, deuten aber auf ein an haltendes leichtes Wachstum der Wertschöpfung in den kom menden zwei Quartalen hin. In Spanien dürfte sich das BIPWachstum, ausgehend von einem hohen Niveau, zunehmend verlangsamen. Grund dafür ist unter anderem eine erneut schwächere Entwicklung bei den Bauinvestitionen. Die wirt schaftliche Erholung in Spanien dürfte sich trotzdem weiter fortsetzen. Für den gesamten Euroraum kann in diesem Jahr mit einer Wachstumsrate um 1.5% gerechnet werden. Damit verbunden ist ein anhaltender leichter Rückgang der Arbeits losigkeit. Die Bäume dürften somit über den gesamten Euro raum betrachtet auch weiterhin nicht in den Himmel wachsen. USA: Konjunkturmotor stottert leicht In den USA hat sich das Wirtschaftswachstum weiter verlang samt. Es betrug im ersten Quartal 2016 auf das Jahr hochge rechnet noch 0.8%, nach 1.4% im vierten Quartal 2015. Zur Verlangsamung trugen das etwas schwächere Wachstum der Konsumausgaben sowie die bereits zum dritten Mal in Folge sinkenden Investitionen bei. Rückläufig waren zudem die Ex porte. Die Arbeitslosenquote sank im April nicht weiter und lag wie bereits im Vormonat bei 5%. Auch die Erstanträge auf Ar beitslosenunterstützung stiegen im Mai erstmals wieder leicht an. Ursache dafür dürfte nicht zuletzt der geringere Zuwachs bei der Beschäftigung im März und April gewesen sein. Zwi schen Februar und April wurden noch 200 000 neue Stellen geschaffen. In den drei Monaten zuvor waren es 240 000 neue Stellen. Verschiedene vorlaufende Indikatoren hatten sich im Verlauf der zweiten Jahreshälfte 2015 zunehmend eingetrübt. Zu Beginn des Jahres deuten sie nun teilweise auf eine erneu te leichte Beschleunigung der wirtschaftlichen Aktivität hin. Die amerikanische Zentralbank dürfte den Leitzins deshalb vermutlich im Juli leicht erhöhen. Die konjunkturellen Aussich ten bleiben allerdings durchzogen. Grund dafür sind vor allem die schwächere Exportentwicklung und der tiefe Ölpreis. Bei de haben unter anderem einen Rückgang der Ausrüstungs investitionen und eine schwächere Beschäftigungsentwicklung nach sich gezogen. Hauptgrund dafür, dass sich das BIPWachstum trotzdem weiter fortsetzen dürfte, sind vor allem die anhaltend wachsenden Konsumausgaben. Sie dürften vor al lem dank einem weiteren Beschäftigungswachstum bei leicht Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Entwicklung globaler Warenhandel Daten: CBP World Trade, Export- und Importvolumen, saisonbereinigt, Veränderung zum Vorjahresmonat, Januar 2000 – März 2016 1.5 19.0 14.0 9.0 4.0 –1.0 – 6.0 –11.0 –16.0 – 21.0 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 10 20 20 11 20 12 20 13 20 14 20 15 20 16 20 Rohölpreis (Brent) und US-Dollar zu Euro Rohölpreis: US-Dollar pro Fass, US-Dollar zu Euro 160 1.6 140 1.5 120 1.4 100 1.3 80 1.2 60 1.1 40 20 06 07 08 09 10 11 12 13 14 1.0 15 Rohölpreis (Brent) US-Dollar zu Euro (rechte Skala) Quelle: Thomson Reuters Datastream / Fathom Consulting USA: Wachstum des realen BIP und vorlaufende Indikatoren Einkaufsmanagerindices (ISM), reales BIP (BEA), alle Werte saisonbereinigt 65 2 60 1 55 50 0 45 –1 40 –2 35 30 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Einkaufsmanagerindex Industrie Einkaufsmanagerindex Dienstleistungen und Baugewerbe Reales BIP – Wachstum zum Vorquartal 7 2014 2016 –3 Schweiz und Ausland steigenden Reallöhnen positiv zum Wachstum der Wertschöp fung beitragen. Weitgehend stabil entwickelt sich zudem der Bausektor, welcher sich nach dem tiefen Einbruch im Zuge der Finanzkrise seit dem Jahr 2012 weiter erholt. Konjunkturaussichten Schwellenländer BRIC: Composite Leading Indicator (OECD) 106 104 102 langfristiger Trend 100 98 96 Russland Indien China Brasilien 94 92 90 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 Aktuelle Geschäftslage: verschiedene Branchen Schweiz: KOF-Umfragen, saisonbereinigt und geglättet 80 Zunahme 60 40 20 0 – 20 – 40 Abnahme 2011 2012 2013 Banken Projektierungssektor Industrie Dienstleistungen 2014 Detailhandel Grosshandel Baugewerbe Gastgewerbe 2015 2018 Schwellenländer: nur wenige positive Impulse In China hat sich das Wirtschaftswachstum auch im ersten Quartal 2016 auf 6.7% verlangsamt, nach 6.8% und 6.9% in den beiden Vorquartalen. Im Vergleich zum Jahresbeginn wur den seit März vor allem im Baugewerbe sowie im Immobilien sektor leichte Aufhellungen registriert. Diese dürften sich vor wiegend durch verschiedene staatliche Interventionen zur Konjunkturstabilisierung erklären. Hingegen bleibt der Aussen handel weiterhin schwach. Die Auftragsbestände der Industrie bleiben als Folge davon trotz leichten Zuwächsen weiterhin tief und dürften zu einer weiteren kontinuierlichen Wachstums verlangsamung bis auf 6.5% beitragen. Die chinesischen Auto ritäten haben zusätzliche fiskalische Massnahmen zur Kon junkturstabilisierung und zur Entwicklung von Regionen, welche besonders stark von den Überkapazitäten und den Investiti onsrückgängen in der Schwerindustrie betroffen sind, ange kündigt. Mit einer rascheren Verlangsamung der Wirtschafts leistung ist auch deshalb in diesem Jahr nicht zu rechnen. In Russland hatte vor allem der Einbruch der Einnahmen aus dem Energiesektor zu deutlich sinkenden privaten Konsum ausgaben und einer Einschränkung der Staatsausgaben bei gleichzeitig rasch ansteigenden Konsumpreisen geführt. Mit dem Erdölpreis hat sich nun seit Beginn des Jahres auch die Währung wieder etwas erholt. Dies dürfte zudem den Anstieg der Konsumentenpreise gedämpft haben. Zwar dürfte die Re zession in Russland auch in diesem Jahr weiter anhalten, al lerdings mit deutlich geringeren Raten als im letzten Jahr. Im ersten Quartal 2016 schrumpfte die russische Wirtschaft noch um 1.2%, nach 3.8% beziehungsweise 3.7% in den beiden Vor quartalen. Dies gilt teilweise auch für Brasilien. Die Rezession dürfte zwar über das ganze Jahr 2016 anhalten. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung wird aber vermutlich ab Mitte des Jah res deutlich an Geschwindigkeit verlieren. Schweiz: auf bescheidenem Wachstumspfad Die schweizerische Volkswirtschaft wuchs im ersten Quartal 2016 auf das Jahr hochgerechnet um 0.4%. Obwohl das Wachs tum moderat ausfiel, schnitten einzelne Komponenten sehr gut ab. Der private Konsum sowie die Ausrüstungs- und Bau investitionen stützten das Wachstum. Die Ausrüstungsinvesti tionen stiegen jedoch vorwiegend wegen ausserordentlicher Fahrzeuganschaffungen. Der Zuwachs erfolgte somit unab hängig von der konjunkturellen Lage. Auch der Aussenhandel entwickelte sich dynamisch. Zudem erfolgte ein deutlicher Lagerabbau, welcher sich zwar negativ auf die Entwicklung des BIP ausgewirkt hat, grundsätzlich aber ein positives Zeichen ist. Der private Konsum – die wichtigste Nachfragekompo nente – dürfte in den kommenden Quartalen weiterhin das Wachstum stützen. Die Reallöhne dürften trotz ansteigendem Erdölpreis im Vergleich zum Vorjahr noch geringfügig zuneh men. Die Impulse von der nach wie vor hohen Nettozuwande rung werden sich aber leicht abschwächen. Die Nettozuwan derung war im ersten Quartal 2016 um 34.5% tiefer als im Vorjahresquartal. Auch die angespannte Situation auf dem Ar beitsmarkt und die unterdurchschnittliche Konsumentenstim mung dürften dafür sorgen, dass das Wachstum des privaten Konsums in den nächsten Quartalen eher bescheiden ausfällt. 8 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Schweiz und Ausland Von den Ausrüstungsinvestitionen sind in den kommenden Quartalen keine grossen Wachs tumsbeiträge zu erwarten. Es handelt sich hierbei vor allem um Ausgaben für Forschung und Entwicklung, Maschinen und Computerprogramme. Grund dafür sind die weiterhin eher tiefe Kapazitätsauslastung und die in weiten Teilen der Industrie immer noch deutlich tieferen Margen als vor der Aufhebung des Mindestkurses. Der Einkaufsmanagerindex, der ein wichtiger Indikator für die Entwicklung der Industrie ist, notiert im April mit 54.7 Zählern zwar so hoch wie seit zwei Jahren nicht mehr. Gemäss KOF-Umfragen hat sich aber ausser im Bereich «Pharma, Chemie und Mineralöl» die Ertragslage seit Anfang Jahr weiterhin ver schlechtert, allerdings weniger stark als in den vorherigen Quartalen. Die Bautätigkeit befindet sich nach wie vor auf hohem Niveau. Dennoch sind keine grossen Impulse bei den Bauinvestitionen zu erwarten. Der Bauindex stieg im zweiten Quartal zwar deutlich an. Diese Entwicklung ist vorwiegend dem Tiefbau zu verdanken. Sie ist aufgrund ihrer Abhängigkeit von Grossprojekten starken Schwankungen ausgesetzt und dürfte in den kommenden Monaten erneut an Schwung verlieren. Eine Mehrheit der Unter nehmen des Baugewerbes erwartet ausserdem gemäss KOF-Umfragen für die kommen den sechs Monate eine Verschlechterung der Geschäftslage. Der Mangel an attraktiven Anlagemöglichkeiten unter anderem aufgrund der tiefen Zinsen macht einen Einbruch der Baukonjunktur zwar unwahrscheinlich. Jedoch kann die Nachfrage nach Büro- und Verkaufs flächen, ausserhalb der Grosszentren auch nach Mietwohnungen, vermehrt nicht mehr mit dem Angebot mithalten. Der Aussenhandel leistete im ersten Quartal einen positiven Beitrag. Dieser ist vor wiegend dem Warenhandel zu verdanken, da die Warenexporte stärker anstiegen als die Warenimporte. Die verhaltene Entwicklung der Weltwirtschaft und der starke Franken wer den den Aussenhandel weiterhin belasten. Positive Impulse sind aus den Vereinigten Staa ten und Deutschland zu erwarten. Daten zum Arbeitsmarkt zeigen, dass die Beschäftigung im sekundären Sektor im ersten Quartal 2016 um 1.1% abgenommen, im tertiären Sektor hingegen um 0.1% zugelegt hat. Diese Entwicklung dürfte künftig anhalten, da die Beschäftigung in der Industrie von einer Mehrheit der Unternehmen in den KOF-Umfragen als zu hoch eingeschätzt wird. Grosse Ausschläge bei der Arbeitslosigkeit sind jedoch in den letzten Quartalen ausgeblieben. Die schweizweite saisonbereinigte Arbeitslosenquote betrug im April 2016 saisonbereinigt 3.5% im Vergleich zu 3.3% vor einem Jahr. Dies könnte darauf hindeuten, dass die konjunkturelle Abkühlung durch die schwächere Nettozuwanderung gedämpft wird. Für die kommenden Quartale ist weiterhin mit einem bescheidenen Wachstum zu rechnen. Diese Einschätzung bestätigt auch der vorlaufende Indikator der OECD (composite leading indicator CLI), der für die nächsten Monate Wachstum signalisiert. Der private Kon sum dürfte der Haupttreiber für diese Entwicklung sein. Dennoch kann ein Anstieg der Arbeits losigkeit im Verlauf des Jahres 2016 nicht ausgeschlossen werden, da die Beschäftigung in einer Mehrheit der Branchen nach wie vor als zu hoch eingeschätzt wird. Risiken: Umsetzung Masseneinwanderungsinitiative, Brexit, internationale Konflikte Die Schweiz muss die Initiative «Gegen Masseneinwanderung» bis zum 9. Februar 2017 umsetzen. Erfolgt dadurch eine rasche und deutliche Beschränkung der Einwanderung, dürfte sich die Konjunktur in der Schweiz negativer entwickeln als zuvor beschrieben. Ein Abrutschen in die Rezession wäre dadurch nicht ausgeschlossen. Negative konjunkturelle Impulse könnten auch bei einer einseitigen Umsetzung der Initiative erfolgen, sofern da durch das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU nachhaltig Schaden nehmen sollte. Am 23. Juni wird das britische Stimmvolk über einen Austritt aus der Europäischen Union abstimmen. Ein Brexit könnte zu Turbulenzen an den Finanzmärkten, verbunden mit einer Abwertung des britischen Pfunds führen – mit entsprechenden negativen Konjunktur impulsen für den Euroraum und die Schweiz. Bedeutender dürften allerdings die mittel- und längerfristigen politischen Konsequenzen des Entscheids sein. Der erstmalige Austritt eines grossen Landes aus der Europäischen Union könnte die politische und wirtschaftliche Un sicherheit erhöhen und die bereits bedeutenden Fliehkräfte in Europa verstärken. Weitere Risiken für die internationale Konjunktur bestehen vor allem aufgrund rascher Veränderungen des Erdölpreises, des hohen Schuldenniveaus bei privaten und staatlichen Akteuren, der anhaltenden internationalen Konflikte sowie drohender terroristischer An schläge in Europa. Thomas Bauer und Alicia Portenier, Fachstelle Volkswirtschaft Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 9 Spezialthema Interview «Ansiedlungen im grossen Stil sind passé» Im Ansiedlungsgeschäft sind die goldenen Zeiten für Bera tungsunternehmen vorbei: Die Unsicherheiten für Unter nehmen haben zugenommen und die Konkurrenz in der Beraterlandschaft ist grösser geworden. Immer wichtiger sei es, dass ein Standort einen entsprechenden Branchen cluster vorzuweisen habe, aus dem ein ansiedlungs interessiertes Unternehmen komme, erläutert Stefan Kuhn von KPMG Schweiz. Stefan Kuhn, Partner, Head of Corporate und M&A Tax, KPMG Schweiz. Nach mehrjähriger Arbeit als wissenschaft licher Mitarbeiter im Steuerrecht an der Universität St. Gallen begann Stefan Kuhn Anfang 2000 für eine der grossen interna tionalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu arbeiten. 2006 stiess er zu KPMG und wurde 2008 Partner. Er berät Unternehmen umfassend in nationalen und internationalen Steuerangelegenheiten und ist regel mässiger Dozent an der Schweizer Steuer akademie, an Fachhochschulen und Steuerfachtagungen. Zudem ist er Mitglied diverser Arbeitsgruppen zum Thema Unternehmenssteuerreform III. Wie entsteht der Kontakt zu ansiedlungswilligen Unternehmen und wie holen Sie diese in die Schweiz? Stefan Kuhn: Der Kontakt zu Unternehmen entsteht über verschiedene Wege. Einerseits werden Unternehmen an einem unserer Anlässe oder über die Me dien auf die Schweiz aufmerksam. Klassischerweise melden sie sich dann bei Switzerland Global Enterprise oder der Greater Zurich Area. Wir kommen als Berater ins Spiel. Es kann aber auch sein, dass wir mittels «cold call» unabhängig von den Standortförderern auf Unternehmen zugehen. Diese Unternehmen treffen wir in der Regel im Ausland vor Ort. Am Anfang der Gespräche ist die Schweiz auf der sogenannten «long list» potenzieller Standorte. Wir versuchen dann, unser Land auf die «short list» zu bringen. Auf der «short list» für Ansiedlungen nach Europa finden sich typischerweise die Schweiz, die Beneluxstaaten, Grossbritannien und Irland. Je nach Branche und Funktionen ändert sich die Rangordnung. Beispielsweise bei Pharma unternehmen ist es wichtig, dass das Land schon einen Pharmacluster vor weisen kann. Diesen Punkt erfüllt die Schweiz, aber auch Grossbritannien. Wenn das Geschäft produktionsintensiv und weniger auf Forschung und Ent wicklung ausgerichtet ist, dann kommen Irland oder Staaten in Osteuropa ins Spiel. Die Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz (VDK) meldete für das Jahr 2015 erneut eine Abnahme bei der Anzahl zuziehender Unternehmen. Die Zahlen berücksichtigen jedoch nur Unternehmen, die von den Standortpromotoren begleitet wurden oder mit diesen in Kontakt standen. Wie schätzen Sie die Situation ein? Die Situation hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Vor 15 Jahren war man als Schweizer Steuerberater extrem privilegiert, vor allem wenn man zu den Big Four zählte. Man musste eigentlich nichts leisten: Die gebratenen Tauben flogen einem in den Mund. Wenn man am Morgen ins Büro kam, hatte man bereits die ersten direkten Anfragen von Firmen, die in die Schweiz kommen wollten. Das hat sich in den letzten circa fünf Jahren geändert. Die Konkurrenz in der Beraterlandschaft ist grösser geworden. Aber es gibt auch weniger Unternehmen, die sich für Umsiedlungen interessieren. Die Unsi cherheiten haben zugenommen. Wir haben heutzutage immer noch kleine Unternehmen mit zwei bis fünf Mitarbeitern, welche in der Schweiz ansiedeln. Diese sind klassischerweise forschungsorientiert und suchen die Nähe zur ETH oder EPFL. Aber die Zeiten, als multinationale Konzerne ihre Europa zentrale aufbauten und Ansiedlungen im grossen Stil mit bis zu 200 Mitarbei tern möglich waren, sind passé. Selten gibt es Ausnahmen in sehr spezifi schen Clustern – beispielsweise Biogen aus der Pharmabranche. Die Schweiz muss in dem spezifischen Bereich ein Cluster bieten können. Ansonsten ist es extrem schwierig. Die Schweiz ist aufgrund verschiedener Entwicklungen in den letzten Jahren für Unternehmen unsicherer und damit unattraktiver geworden. Solch unsichere Faktoren fordern jedoch auch andere Standorte. Für wie einschneidend halten Sie – unter Berücksichtigung der allgemeinen 10 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Spezialthema Interview Zunahme an Unsicherheiten – die aktuellen Herausforderungen für die Schweiz? Die Unsicherheiten haben zwar nicht nur in der Schweiz zugenommen. Aber die Schweiz stellt in mehreren Punkten einen Sonderfall dar. Das steuerliche Element hat meiner Meinung nach am wenigsten Gewicht. Denn obwohl die Schweiz früher als andere Staaten unter Druck geriet, sind nun mit dem BEPS-Projekt («Base Erosion and Profit Shifting») der OECD einige typische Standortkonkurrenten genauso im Visier. Durch das BEPS-Projekt verliert die steuerliche Komponente im Wettbewerb an Wichtigkeit. Natürlich wird es immer noch grosse steuerliche Unterschiede geben, aber diese werden viel tiefer ausfallen als mit den speziellen Regimes. Dies ist für die Standortat traktivität der Schweiz nachteilig, aber für andere Länder noch viel einschnei dender. Für Standorte wie Luxemburg, die lediglich mit attraktiven Steuerre gimes punkten konnten, ist dies eine immense Herausforderung. Das Land hat keine Flächen, keine Universitäten. Die Schweiz hat immerhin Platz und qualifizierte Fachkräfte. Damit ist das steuerliche Element nur einer von meh reren Faktoren, die Unternehmen anziehen können. Auch der starke Franken macht die Schweiz zum Sonderfall. Aber man kann sagen: You get value for money. Die Schweiz ist beispielsweise auch attraktiv wegen des flexiblen Arbeitsrechts. In Deutschland ist es faktisch nicht möglich, jemanden zu ent lassen. Das sind Kostenfaktoren, die oft vergessen gehen. Wir versuchen bei der Beratung, Transparenz zu schaffen. Mit dem starken Franken kann man so eventuell umgehen. Eine strikte Umsetzung der Masseneinwanderungsin itiative, die den Zugang zu ausländischen Fachkräften stark einschränken würde, ist hingegen ein absolutes No-Go. Diese Faktoren betreffen die internationale Mobilität. Welche Elemente spielen bei der Mobilität zwischen den Kantonen? Die interkantonale Mobilität ist für uns momentan noch kein grosser Markt. Für auslandorientierte Unternehmen spielen die Steuern eine zentrale Rolle. Diese Unternehmen entscheiden sich aber von Anfang an bereits für den günstigsten Kanton. Mit dem anstehenden Wegfall der Steuerprivilegien wird es für sie markant teurer. Es ist möglich, dass dies zu mehr Mobilität führt, je nach Ausgestaltung der Steuersätze in den Kantonen. Für Unternehmen, die rein binnenwirtschaftlich tätig sind, sind die Steuern weniger zentral. Gerade Unternehmen wie Retailer oder Bauunternehmen generieren den Umsatz vor Ort und sind nicht flexibel bezüglich des Standorts. Aus Zürich ziehen vorwiegend Unternehmen weg und kaum zu. Sie verlassen den Kanton vor allen in Richtung Schwyz, Aargau, St. Gallen, Thurgau oder Zug. Inwiefern sind in diesen Kantonen steuerliche Gründe ausschlaggebend und inwiefern werden einfach flächenintensive Betriebe durch die hohen Flächenpreise aus dem Kanton Zürich vertrieben? Die Flächenpreise spielen auf jeden Fall auch eine Rolle. Gewerbeland ist beispielsweise im Kanton Thurgau viel günstiger. Entscheidend ist aber auch die Höhe der Unternehmenssteuern. Hier schneiden die Nachbarkantone mehrheitlich besser ab. Neben der Höhe der Steuern spielt nach meiner Er fahrung aber auch die unterschiedliche Bewertungspraxis in den Kantonen eine Rolle. Bei der derzeitigen Diskussion um die Besteuerung der Start-ups geht es genau darum. Der Kanton Zürich trägt bedeutende Zentrumslasten, beispielsweise in den Bereichen Verkehr und Bildung. Unternehmen in anderen Kantonen profitieren davon, bezahlen in Zürich aber keine Steuern. Klar ist das so. Aber das ist ein Thema des Finanzausgleichs. Zürich muss sich politisch entsprechend wehren. Irene Tschopp und Alicia Portenier, Kommunikation AWA Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 11 Spezialthema Bericht Unternehmensmobilität unter der Lupe In den letzten zehn Jahren sind mehr Unternehmen aus dem Kanton Zürich in andere Regionen der Schweiz gezogen als umgekehrt. Auch der Zuzug von ausländischen Unternehmen hat sich in jüngster Zeit abgeschwächt. Dies zeigt eine Auswertung von Unternehmens daten aus den Jahren 2005 bis 2013. Mit dem Zu- und Wegzug von Unternehmen kommen und verschwinden Arbeitsplätze, Steuersubstrat und Know-how. Es ist deshalb von Interesse, zu wissen, wie hoch die Firmen mobilität ist und welche Art von Unternehmen sie hauptsächlich betrifft. Eine Auswertung von Unternehmensdaten für den Zeitraum zwischen 2005 und 2013 erlaubt dazu Einsichten aus der Perspektive des Kantons Zürich. Nachfolgend werden zuerst die kantonale und anschliessend die internationale Mobilität analysiert. Aus der interkantonalen Unterneh mensmobilität lassen sich Rückschlüsse zu den Folgen des Steuerwettbewerbs sowie all Zu- und Wegzug von Beschäftigten 2005 − 2008 2008 − 2011 2011 − 2013 Lesehilfe: Zwischen 2011 und 2013 sind rund 1700 Stellen aus anderen Kantonen und etwas mehr als 300 Stellen aus dem Ausland in den Kanton Zürich gezogen. Im gleichen Zeitraum sind gut 1800 Stellen in andere Kantone und rund 400 ins Ausland weggezogen. Anzahl Beschäftigte (VZAE) 4000 3000 2000 1000 0 Zuzug Wegzug Zuzug Zuzug national Wegzug national Zuzug international Wegzug international Wegzug Zuzug Wegzug Quelle: Bundesamt für Statistik, eigene Berechnungen Zu- und Wegzug von Unternehmen (Hauptsitze) 2005 − 2008 2008 − 2011 2011 − 2013 1000 Lesehilfe: Zwischen 2011 und 2013 sind über 500 Unternehmen aus anderen Kantonen und etwas weniger als 100 Unternehmen aus dem Ausland in den Kanton Zürich gezogen. Im gleichen Zeitraum sind über 600 Unternehmen in andere Kantone und knapp 100 ins Ausland weggezogen. 12 Anzahl Unternehmen 750 500 250 0 Zuzug Wegzug Zuzug Zuzug national Wegzug national Zuzug international Wegzug international Wegzug Zuzug Wegzug Quelle: Bundesamt für Statistik, eigene Berechnungen Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Spezialthema Bericht Ausla nd G TG Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 BS Etablierte Unternehmen leisten sich den Standort Zürich Bei den Unternehmenshauptsitzen sind Abwanderungen haupt sächlich aus steuerlicher Perspektive von Bedeutung. Dies gilt vor allem dann, wenn die Unternehmen gross sind und eine hohe Wertschöpfung generieren. Da ein Grossteil der Gewinn steuereinnahmen im Kanton Zürich durch wenige grosse Un ternehmen erbracht wird, können einzelne Verschiebungen von Unternehmenssitzen spürbar auf die Steuereinnahmen einwirken, viele kleinere Verschiebungen hingegen gleichzeitig weitgehend bedeutungslos sein. Die abwandernden Hauptsitze sind in ihrer Struktur hinsichtlich Branche und Zielkanton sehr ähnlich. In die Kantone Aargau, Thurgau und St. Gallen betrug die Nettoabwanderung zwischen 2005 und 2013 knapp 300 Hauptsitze, in die Kantone Zug und Schwyz 220. Das Steuer substrat dieser betroffenen Hauptsitze kann aus den Daten aber nicht eruiert werden. Bei den in den Kanton Zürich zu wandernden Hauptsitzen handelt es sich grundsätzlich eher um grössere und dadurch etabliertere Unternehmen. Dies zeigt sich daran, dass sie in der gesamten Schweiz eine deut lich höhere Beschäftigung aufweisen als die abwandernden Unternehmen. Sie dürften deshalb häufig auch eine höhere Wertschöpfung erwirtschaften. SH Nettoabwanderung von Arbeitsplätzen in die Nachbarkantone Wegziehende Betriebe sind besonders aus einer arbeitsmarkt lichen Perspektive bedeutend, da sie zu einem Verlust von Arbeitsplätzen im Kanton führen. Die stärkste Migration findet zwischen Nachbarkantonen statt. Die grösste Nettoabwan derung von Arbeitsplätzen erfolgte in die Kantone St. Gallen, Aargau und Thurgau. Die betroffenen Betriebe kommen haupt sächlich aus dem Baugewerbe, der Warenproduktion und -ver arbeitung sowie dem Grosshandel. Ursache für den Wegzug dürften vor allem die verfügbaren Flächen und deren Kosten sein. Auch zu den Innerschweizer Kantonen Schwyz und Zug fand eine Nettoabwanderung statt. Diese ist geprägt von zahl reichen kleinen Betrieben aus dem Steuer- und Finanzbereich sowie besonders der Informationstechnologie. Zwischen 2005 und 2013 verliessen 152 Betriebe mit 370 Arbeitsplätzen aus diesem Bereich den Kanton Zürich in Richtung Zug und Schwyz. ZH GE SO TI GR BL LU Nettoabwanderung von Unternehmen und Arbeitsplätzen in andere Kantone Über den gesamten Beobachtungszeitraum überstieg die Zahl der Abwanderungen von Unternehmen und Beschäftigten aus dem Kanton Zürich in andere Kantone jene der Zuwanderungen. Interessant für eine Beurteilung der Unternehmens mobilität aus Sicht des Kantons Zürich sind unter anderem die Grösse der mobilen Unternehmen und die Branche, in der sie tätig sind. Aus einer steuerlichen Perspektive ist zudem ent scheidend, ob es sich bei der Unternehmenseinheit um einen Hauptsitz oder um eine Zweigstelle (Betrieb / Arbeitsstätte) handelt. Interkantonale und internationale Mobilität von Unternehmen A gemein zum regionalen Strukturwandel ziehen. Die Analyse der internationalen Mobilität liefert hingegen Hinweise auf die Entwicklung der relativen Attraktivität des Standorts Zürich. Alle Aspekte sind nicht zuletzt mit Blick auf die Unterneh menssteuerreform III von Bedeutung. BE SZ ZG SG Quelle: Bundesamt für Statistik, eigene Berechnungen Wegzüge von Unternehmen aus dem Kanton Zürich sind in Grauwerten dargestellt, Zuzüge in den Kanton Zürich in Farbe. Die Breite der einzelnen Bereiche ist proportional zur Anzahl an mobilen Unternehmen zwischen den Kantonen. Methode und Datengrundlage Grundlage dieser Auswertung ist für die Jahre 2005 bis 2008 die Betriebszählung (BZ) und ab 2011 die Statistik der Unterneh mensstruktur (Statent) des Bundesamts für Statistik. In diesen Erhebungen werden alle in der Schweiz tätigen Unternehmen und ihre zugehörigen Betriebe erfasst. Anhand einer anonymisierten Identifikationsnummer können die Unternehmen und Betriebe über die Zeit verfolgt werden. Dadurch wird ersichtlich, ob ein Unternehmen zwischen zwei Erhebungszeitpunkten den Sitzkanton wechselt. Als Hinweis auf die Zu- und Abwanderung von ausländischen Unternehmen wurde die neue Registration beziehungsweise das Verschwinden einer ausländischen Zweigniederlassung gedeutet. Durch die Unternehmensstatistik werden Unternehmenshauptsitze (institutionelle Einheiten) und Betriebe (Arbeitsstätten) erhoben. Ein Unternehmenshauptsitz ist eine juristisch selbst ständige Einheit. Sie kann somit mehrere Betriebe in verschiede nen Kantonen umfassen. In jeder Arbeitsstätte arbeitet eine bestimmte Anzahl an Beschäftigten. In diesem Artikel wird immer die vollzeitäquivalente Beschäftigung, also die auf Vollzeitstellen hochgerechnete Beschäftigung berücksichtigt. 13 Spezialthema Bericht Grundsätzlich deutet die allgemein registrierte Zuwanderung von Unternehmenshauptsit zen grösserer, etablierter Unternehmen in den Kanton Zürich darauf hin, dass ein Unterneh men sich den Standort Zürich zuerst einmal leisten können muss. Dies ist häufig erst dann möglich, wenn das Unternehmen eine gewisse Grösse aufweist. Ist dies der Fall, dann wer den vermutlich auch der Zugang zu Fachkräften, zur Wissenschaft (ETH / Uni) und die gute (internationale) Erreichbarkeit bedeutend wichtiger. Kleine Unternehmen dürften somit sen sibler auf Unterschiede bei den Kosten (Mieten, Steuern) reagieren, während für grössere, etablierte Unternehmen die verfügbare Infrastruktur wichtiger wird. Mobilität geht zurück Die Dynamik der Firmenumzüge hat im Beobachtungszeitraum auch unter Berücksichti gung der kürzeren Zeitperiode zwischen 2011 und 2013 klar nachgelassen, gemessen an der Anzahl Unternehmen und Beschäftigten. Die höchste Mobilität herrschte zwischen 2008 und 2011, seither ist insbesondere die Migration von Arbeitsplätzen stark zurückge gangen. Wie bedeutend die Nettoabwanderung ist, kann anhand der vollzeitäquivalenten Beschäftigung abgeschätzt werden, da Informationen zur Wertschöpfung oder zum Steuer substrat der Unternehmen in den verwendeten Daten fehlen. Die mengenmässige Nettoab wanderung von Unternehmen ist grundsätzlich relativ gering. Die Nettoabwanderung von Betrieben in andere Kantone betrug zwischen 2005 und 2013 insgesamt rund 1400 Stellen. Gleichzeitig wuchs die gesamte vollzeitäquivalente Beschäftigung im Kanton Zürich um 116 200 Stellen. Die Zu- und Abwanderung von Arbeitsplätzen ist im Kanton Zürich im Ver gleich zum organischen Wachstum der ansässigen Betriebe somit gering. Finanz- und Unternehmensdienstleister aus dem Ausland Die Datenquelle erlaubt auch Hinweise auf Ansiedlungsaktivitäten von ausländischen Unter nehmen (siehe Kasten S. 13). Insgesamt haben zwischen 2005 und 2013 mehr ausländische Unternehmen in Zürich eine Niederlassung eröffnet als geschlossen. Der damit einherge hende Beschäftigungssaldo ist ebenfalls positiv, wobei die Finanz- und Versicherungs dienstleistungen sowie verschiedene Unternehmensdienstleister am bedeutendsten sind. Die Zahl neu eröffneter Zweigniederlassungen aus dem Ausland ist in der betrachteten Zeit periode rückläufig. Es werden also immer weniger ausländische Zweigniederlassungen im Kanton Zürich eröffnet. Die neu eröffneten ausländischen Niederlassungen waren zwischen 2005 und 2008 gemessen an der Beschäftigungszahl im Schnitt grösser als 2013. Die Re levanz der internationalen Ansiedlungen ist damit gemessen an der Beschäftigungszahl im Kanton Zürich ebenfalls rückläufig. Während zwischen 2005 und 2011 die Neugründungen die Schliessungen von ausländischen Zweigniederlassungen noch deutlich übertroffen hatten, hielten sie sich zwischen 2011 und 2013 die Waage. Diese Auswertungen bestätigen somit die von den privaten Ansiedlungsunternehmen und den kantonalen Standortförderern regis trierte geringere internationale Ansiedlungsaktivität in den letzten Jahren (siehe Interview). Viele Standortfaktoren sprechen für Zürich Die Standortfaktoren Steuern, Infrastruktur, Flächenkosten, Fachkräfte und Wissenschaft wirken auf die Zu- und Abwanderung von Unternehmen im Kanton Zürich. Ihre Bedeutung lässt sich jedoch kaum quantifizieren. Die beschriebenen Entwicklungen zeigen aber, dass trotz deutlicher interkantonaler Differenzen in der Unternehmensbesteuerung die Nettoab wanderung von Unternehmen und Arbeitsplätzen relativ moderat ausfällt. Dies zeigt, dass Steuern zwar ein bedeutender Standortfaktor sind, Unternehmen aber eine Gesamtrech nung machen. Diejenigen, die sich den Wirtschaftsraum Zürich leisten können, kommen hierher, weil sie auf die vorhandene Infrastruktur, auf Wissenschaft und Bildung sowie ent sprechende Fachkräfte angewiesen sind. Ein Trugschluss wäre es aber auch, die Reaktio nen auf Änderungen der Steuersätze zu ignorieren. Dies gilt vor allem dann, wenn Standorte mit einer vergleichbaren Infrastruktur und gleichzeitig tieferen Steuersätzen bestehen. Andrea Schnell, Statistisches Amt Kanton Zürich Thomas Bauer, Fachstelle Volkswirtschaft, Amt für Wirtschaft und Arbeit 14 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 Wirtschaftsmonitoring Kanton Zürich Konjunktur Quelle Bruttoinlandprodukt, real BAK Basel, VgV. Warenexporte, nominal 2015III/2015IV/2015 I/2016 1.0 – – – Eidg. Zollverwaltung, Vjp. − 3.8 − 4.8 − 7.8 − 4.5 Bauvorhaben Schw. Baumeisterverband, Vjp. − 9.1 − 8.5 9.3 − 7.7 Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe) BfS, Vjp. 4.1 7.1 − 0.3 1.7 Beschäftigte BfS, Vjp. 1.2 1.6 0.9 1.6 Arbeitslose SECO, Vjp. 7.6 9.7 10.4 10.1 Arbeitslosenquote SECO 3.53.43.74.0 Creditreform, Vjp. 1.5 Beschäftigung und Arbeitsmarkt Unternehmen Neueintragungen im Handelsregister − 0.2 4.9 – Branchenentwicklung Zürich Branche Quelle Finanzsektor, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 2014201520162017 2.0 0.2 − 0.1 1.5 Unternehmensbez. Dienstleistungen, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 1.5 1.3 0.8 1.0 Öffentliche Dienstleistungen, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 3.1 3.2 2.3 1.5 Grosshandel, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 2.6 − 2.0 1.1 2.1 Investitionsgüterindustrie, reale Bruttowertschöpfung* BAK Basel, VgV. 3.2 − 0.8 0.0 0.9 Baugewerbe, reale Bruttowertschöpfung BAK Basel, VgV. 2.0 2.6 − 0.3 2.4 Schweiz Konjunktur Quelle Bruttoinlandprodukt, real SECO, VgV., annualisiert 2015III/2015IV/2015 I/2016 0.8 − 0.5 1.7 0.4 Warenexporte, nominal Eidg. Zollverwaltung, Vjp. − 2.6 − 4.8 − 0.7 2.2 Bauvorhaben, saisonbereinigt Schw. Baumeisterverband, Vjp. − 7.5 − 8.8 −1.3 − 5.3 Logiernächte (Hotel- und Kurbetriebe) BfS, Vjp. − 0.8 0.0 − 3.3 − 0.7 Detailhandelsumsätze, Index, real, ohne Treibstoffe, saisonbereinigt BfS, VgV. − 0.5 0.2 − 0.5 −1.3 Beschäftigung und Arbeitsmarkt Beschäftigte BfS, Vjp. 1.1 1.1 0.9 0.6 Arbeitslose SECO, Vjp. 4.2 6.1 7.6 7.7 Arbeitslosenquote SECO 3.33.23.53.7 Löhne, nominal BfS, Vjp. 0.4 0.5 0.4 VgV. = Veränderung gegenüber der Vorperiode in % Vjp. = Veränderung gegenüber Vorjahresperiode in % *Investitionsgüterindustrie: Herstellung von Metallerzeugnissen, Maschinenbau, Elektro, Feinmechanik, Optik, Fahrzeugbau. Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016 15 0.5 Wirtschaftsmonitoring Schweiz (Fortsetzung) Preise Quelle 2015III/2015IV/2015 I/2016 Konsumentenpreise LIK BfS, VgV. − 1.1 − 0.6 − 0.1 − 0.5 Mietpreisindex BfS, VgV. 0.8 0.1 − 0.3 0.0 Geld, Zins und Währungen Rendite 10-J.-Bundesobligationen SNB, Sqe. − 0.05 − 0.10 − 0.05 − 0.39 Wechselkurs EUR/CHF SNB, Sqe. 1.09 1.09 1.09 1.09 Wechselkurs USD/CHF SNB, Sqe. 1.00 0.98 1.00 0.96 Realer Wechselkursindex SNB* SNB, Sqe. 116.6 118.4 116.6 116.1 Handelspartner Bruttoinlandprodukt Deutschland, real, saisonbereinigt Destatis, VgV., annualisiert 1.4 1.1 1.1 2.7 Bruttoinlandprodukt USA, real, saisonbereinigt BEA, VgV., annualisiert 2.4 2.0 1.4 0.8 Prognosen Konjunktur, Arbeitsmarkt, Preise Quelle 2014 2015 2016 2017 Bruttoinlandprodukt Schweiz, real SECO, VgV., ESVG 2010 1.9 0.9 1.4 1.8 Arbeitslosenquote Schweiz SECO, VgV., ESVG 2010 3.2 3.3 3.6 3.5 Konsumententeuerung Schweiz SECO, VgV. 0.0 − 1.1 − 0.6 0.2 Bruttoinlandprodukt Kanton Zürich, real BAK Basel, VgV. 2.0 1.0 0.7 1.4 VgV. = Veränderung gegenüber der Vorperiode in % Sqe.= Stand bei Quartalsende *Realer Wechselkursindex SNB: Gewichtet die Veränderungen verschiedener Währungen im Vergleich zum CHF nach Wichtigkeit des Handelspartners, preisbereinigt; Abnahme entspricht einer relativen Vergünstigung von Schweizer Produkten. Datenquellen Kanton Zürich BAK Basel, KOF Konjunkturforschungsstelle Schweiz Thomson Reuters Datastream, KOF Konjunkturforschungsstelle, Schweizerische Nationalbank (SNB) Internationale WirtschaftThomson Reuters Datastream, Bureau of Economic Analysis (BEA), Bureau of Labor Statistics (BLS), Statistisches Bundesamt Deutschland (Destatis) Impressum Herausgeber Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) Walchestrasse 19 Postfach 8090 Zürich Telefon 043 259 26 26 Fax 043 259 51 04 Redaktionelle Dr. Aniela Wirz, Verantwortung Fachstelle Volkswirtschaft www.awa.zh.ch/monitoring Bildnachweis Alessandro della Bella (S. 1), zVg (S. 10 ) Produktion Druck Solms Grafik, Winterthur Spillmann Druck AG, Zürich 16 ErscheinungsdatenVierteljährlich, Publikationsdatum dieser Ausgabe: 20. Juni 2016 Datenstand: 1. Juni 2016 Die nächste Ausgabe erscheint am 26. September 2016 BezugsbedingungenDas Zürcher Wirtschaftsmonitoring kann kostenlos beim Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich abonniert oder bezogen werden: Thomas Bauer [email protected] Telefon 043 259 49 37 Zürcher Wirtschaftsmonitoring, Juni 2016
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