pi-16-17-ermittlungeninvirtuellenlebenswelten

Presse
Polizeiakademie Niedersachsen
Information
16.06.2016: „Ermittlungen in virtuellen Lebenswelten“ - Brandaktuelle
Fachtagung an der Polizeiakademie Niedersachsen in Nienburg
Mit dem Thema „Ermittlungen in virtuellen Lebenswelten“ hat die Polizeiakademie Niedersachsen in Nienburg eine überaus aktuelle und mit hochkarätigen Referierenden besetzte Fachtagung ihren rund 180 Gästen geboten. Die
4. Rechtswissenschaftliche Tagung hat am 16. Juni 2016 ganztägig in Nienburg/Weser stattgefunden.
Der Direktor der Polizeiakademie Dieter Buskohl betonte bei seiner Begrüßung: „Eines der großen Themen, die die Polizei und somit auch die Polizeiakademie umtreibt, ist Cybercrime. Dieser schillernde Begriff wird meistens für
Straftaten im Internet verwendet. Im Zentrum der heutigen Veranstaltung steht
allerdings die Bekämpfung von Kriminalität mit Hilfe von Informationstechnologie.“ Buskohl führt weiter aus: „Wenn sich Straftäter der Informationstechnologie bedienen, dürfen staatliche Organe nicht in einen Zustand der Ohnmacht
verfallen.“
Die Referierenden sprachen mit ihren Vorträgen die unterschiedlichen Dimensionen der Thematik an, bei der sowohl Rechtswissenschaft als auch polizeiliche Praxis unterschiedliche Standpunkte einnehmen können.
Ein Höhepunkt der Veranstaltung, war die Talkrunde am Schluss, in der das
fachkundige Publikum und die Referierenden ihre unterschiedlichen Blickwinkel lebhaft diskutierten.
Durch die Veranstaltung führte der IT-Rechtsexperte Dr. Jan Roggenkamp,
Professor an der Polizeiakademie.
Die Zitate und Grundaussagen der Referierenden können der nachstehenden
Zusammenfassung und dem beigefügten Faltblatt entnommen werden.
Dorit Schröder, PHK‘in
Pressestelle der Polizeiakademie Niedersachsen
Telefon: 0 5021 9778-704 oder -714
E-Mail: [email protected]
Fax: 05021 9778-650
Post: Bürgermeister-Stahn-Wall 9, 31582 Nienburg
Prof. Dr. Susanne Beck, Leibnitz Universität Hannover, zu Ermittlungen
in sozialen Netzwerken
„Die bestehenden Regelungen der StPO spiegeln die Wirklichkeit der sozialen
Netzwerke nicht umfassend wieder – so ist eine Beobachtung im Internet nicht
dasselbe wie eine Observation, ein Fake-Account bei Facebook nicht mit der
Legende eines Verdeckten Ermittlers in der realen Welt vergleichbar. Insgesamt scheint deshalb eine Neuregelung für diese Fälle ratsam. Dabei sollte
die Besonderheit sozialer Netzwerke berücksichtigt werden.“
Im Zentrum ihrer thematischen Auseinandersetzung stand entsprechend die
Beschreibung der Schutzbereiche der verschiedenen, durch Internetermittlungen berührten Grundrechte einschließlich der Gewährleistung der Vertraulichkeit und des „Rechts auf Vergessenwerden“. Die bestehenden Regelungen
zur längerfristigen Observation und zur Nutzung von Legenden bei Ermittlungen im Netz basieren hauptsächlich auf einem zeitlichen Kriterium, was auf
ein Medium wie soziale Netzwerke, bei dem Informationen in Minutenschnelle
zur Verfügung stehen, nicht passt. Ihre Empfehlung: Neuregelungen, die die
Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausweiten, aber an die Gegebenheiten eines
Web 2.0 anpassen.
Dr. Antonio Esposito, Staatsanwalt, zu Öffentlichkeitsfahndung im Internet:
"Wie verträgt sich der Datenschutz im Strafverfahren mit polizeilichen Öffentlichkeitsfahndungen auf der "Datenkrake" Facebook. Diese und
andere Fragen versucht die seit dem 1. März 2016 in Niedersachsen und
zahlreichen anderen Bundesländern in Kraft getretene Anlage B zu den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren in den Griff zu bekommen. Mit Erfolg?"
Dr. Esposito gelang es mit praxisnahen Beispielen, die Vor- und Nachteile von
Öffentlichkeitsfahndungen in Facebook herauszuarbeiten und in einen engen
Bezug zu den neuen Regelungen in der RiStBV (Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren) zu stellen. So wurde deutlich, dass die Ermittlungsbehörden noch stärker über die Nutzungsbedingungen im Netz, die
Wirkung solcher Kommunikation und die Erfolgsdauer der Maßnahmen reflektieren und bei der praktischen Arbeit berücksichtigen sollten.
Dr. Frank Braun, Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Nordrhein-Westfalen, zur strafprozessualen Überwachung IP-basierter Datenströme:
„Bedenklich ist vor allem die Überwachung IP-basierter Datenströme. Hierbei
kann auf das gesamte Internetnutzungsverhalten eines Beschuldigten zugegriffen werden (z. B. Up- und Downloads, Aufruf von Internetseiten, Internettelefonie, E-Mail-Verkehr, Nutzung sozialer Netzwerke und Suchmaschinen
usw.). Derartige Maßnahmen sind mit einer unzulässigen OnlineDurchsuchung gleichzusetzen und – entgegen derzeitiger Praxis – auf Grundlage der Strafprozessordnung nicht zu rechtfertigen.“
Dorit Schröder, PHK‘in
Pressestelle der Polizeiakademie Niedersachsen
Telefon: 0 5021 9778-704 oder -714
E-Mail: [email protected]
Fax: 05021 9778-650
Post: Bürgermeister-Stahn-Wall 9, 31582 Nienburg
Die kritische Betrachtung der Anwendbarkeit der §§ 110a und b StPO im Zusammenhang mit der Überwachung z.B. von DSL-Anschlüssen im Zusammenhang mit der so genannten nicht-kommunikativen Kommunikation mündete in praktische Empfehlungen, wie die Ermittlungsbehörden im Rahmen der
bestehenden Regelungen vorgehen können, um den hohen verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Beispiel aus der Rechtsprechung zur OnlineDurchsuchung Rechnung tragen können.
Prof. Niko Härting, Rechtsanwalt, zu Vorratsdatenspeicherung:
„Man mag die Vorratsdatenspeicherung für sinnvoll und notwendig halten. Die
Bundesregierung hat sich jedoch leider nicht die Mühe gemacht, dies in der
verfassungsrechtlich gebotenen Weise zu begründen.“
Dies wurde durch eine kritische Darstellung der Regelungen zu § 113 TKG
und §§ 100 j und k StPO für das Auditorium nachvollziehbar gemacht.
Kriminaloberkommissar Christian Pursche, Landeskriminalamt Niedersachsen, zur polizeilichen Praxis in Niedersachsen
„Die erfolgreichste Bekämpfungsform der Internetkriminalität ist die Prävention! Der Mensch muss das Netz und die Gefahren verstehen (lernen). Nicht
das was man sieht, sondern das, was programmiert ist passiert beim Surfen
und Agieren im Internet.“
Dorit Schröder, PHK‘in
Pressestelle der Polizeiakademie Niedersachsen
Telefon: 0 5021 9778-704 oder -714
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