SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Ohne Strick und Peitsche Wie

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SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
Ohne Strick und Peitsche
Wie eine junge Frau Pferde für Show & Film trainiert
AutorIn:
Petra Stalbus
Regie:
Tobias Krebs
Redaktion:
Petra Mallwitz
Sendung:
Mittwoch, 15.06.2016 um 10.05 Uhr in SWR2
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Anmoderation:
Hero Merkel ging noch zur Schule, als sie ihren ersten großen Auftrag bekam. Das
Tatortteam engagierte sie für einen Film über einen Pferderipper. Als Pferdetrainerin.
Inzwischen ist sie 19 Jahre alt und arbeitet hauptberuflich mit Pferden - gibt Kurse
und hat ihre eigene Pferdeshowgruppe. Bei Filmaufnahmen und der Freiheitsdressur
dirigiert sie ihre Pferde nur mit Körpersprache, teils aus vielen Metern Entfernung.
Worin besteht dieses „unsichtbare Band“ zwischen Hero und ihren Pferden? Wie
gelingt es der jungen Frau aus Rastatt, dass ihre Pferde – bekanntermaßen
Fluchttiere – mit ihr sogar im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer gehen?
Ohne Strick und Peitsche.
Wie eine junge Frau Pferde für Show & Film trainiert
Eine Sendung von Petra Stalbus.
OT1 (0´50)
Kevin – Hero Tu crois que les epées son là-bas?
Erzählerin
{OT1 läuft weiter} Wo
sind bloß die Feuerschwerter? Hero Merkel und Kevin Friess-
Antony durchforsten Heros Sattelkammer. Neben Sätteln und Trensen,
Pferdedecken und Futter lagern hier auch etliche Flaschen brennbare Flüssigkeiten –
und irgendwo eben auch die Feuerschwerter:
{OT1 wieder solo:} Hero: Wir haben hier Feuersachen, weil wir relativ häufig mit Feuer trainieren.
Einfach, damit die Pferde sich wirklich pudelwohl fühlen mit dem Feuer. Und oben haben wir noch
einen Raum voll mit Kostümen und wir haben außerhalb noch einen Ort, wo wir die ganzen
Ritterturniersachen haben, die Sachen für die Reiterspiele. Ca trouve´? Trés bien.
OT2
Kevin: Si c'est plus simple avec Omen, on prend Omen. On s'embête pas.
Hero Wir machen ja jetzt ein Video.
Erzählerin
Ein Video in eigener Sache für Pferdeshow-Veranstalter
Hero (OT2)
Und wir haben schon 2 Pferde in der engeren Auswahl, das eine ist leichter einhändig zu reiten mit
dem brennenden Schwert in der Hand. Und das andere steigt stabiler. Und da sind wir jetzt am
Überlegen, welches Pferd wir nehmen {Tor auf} Hero aber ich glaube, ich nehm´ heute doch den
Omen. Der Omen ist unter anderem der Hauptcharakter von „König Laurin – der pferdische
Hauptcharakter – dem Kinofilm, der am 1. September in die deutschen Kinos kommt, er steht total
gern im Rampenlicht, er ist ein richtig großer Macho und er ist extrem kooperativ mit den Menschen.
OT3 (Schritte)
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Erzählerin
{OT3 läuft weiter} Hero führt den braun-weiß gescheckten Wallach bis direkt vors
Haus, neben den hölzernen Carport, wo sich etliche Ballen Heu stapeln.
{OT3 solo}: Ich binde ihn jetzt an und putz ihn. Gott sei Dank machen wir ein Nachtvideo, dann sieht man die
kleineren Flecken nicht ganz so arg, das heißt, ich hab Glück (lacht)
Erzählerin {OT 4a oder 4b = Atmo Putzen drunter}, ggf. plus Wiehern
In der Dämmerung kann man die Weite der Weiden noch erahnen, in alle
Himmelsrichtungen dehnen sich sich um das Haus von Heros Familie aus: Auslauf
für Heros vier Pferde und zwei Shetlandponys, die alte Stute ihrer Mutter – plus zwei
Pferde, die Hero in Betreuung hat.
OT5
Hero
Also Ich bin ganz normal im Reitstall geritten und ganz schnell war für mich eigentlich klar, dass ich es
gerne habe, wenn das Pferd auch Spaß hat. Das heißt, dass ich gern was anders machen möchte, als
was man im klassischen Reitbetrieb sieht, ja. Da hat mir so ein bisschen das Herz geblutet, dass die
Pferde nicht auf die Koppel durften, zum Beispiel. Und dann bin ich erst zu Parelli gekommen und
hab da ganz viele Kurse gemacht. Und Parelli beinhaltet ja schon, dass man einfach anders mit den
Pferden kommuniziert, einfach mehr auf sie eingeht.
Erzählerin {OT6 drunter, 2´40} (Regie: plus bitte Atmo Auto auf Hof fahren aus Archiv)
Wie man nach der Horsemanship-Methode Parelli anders mit den Pferden
kommunziert, das wird mir Hero später noch zeigen. Ein Auto kommt auf den Hof
gefahren. Eine schlanke Frau steigt aus, zwei Spiritusflaschen in der Hand. Heros
Mutter.
{OT6 solo} Hero: Ich möchte meinen portugiesischen Sattel reiten, kannst Du mir ihn satteln? Mutter:
Ja. Hero: Dann würd´ ich mich umziehen. Mutter: Und was für ´ne Trense? Hero Die hübsche von
Kevin. Mutter: Die hübsche von Kevin, die mittelalterliche? Hero: Ja, Mutter: Okay, okay.
Petra (bitte noch Feinschnitt): Sie sind hier Pferdevorbereiterin, also Sie sind auch voll eingespannt,
oder? Mutter: Ja, also ich arbeite, aber in der freien Zeit mache ich sehr viel mit den Pferden und
Hero. Einerseits natürlich die alltäglichen Dinge, wenn sie mal zwei Tage nicht da ist, muss ich mich
um die Pferde kümmern, und so dieses Organisatorische hintendran, Hero ist mehr die Künstlerin,
und ansonsten eben, wenn sie zum Beispiel Voltige üben will, dann bin ich dabei, immer mal wieder
wenn sie was neu erarbeitet hat, zeigt sie mir das oder eben auch, ja, ich, tu natürlich das, was eine
Mutter ansonsten auch für ihre Tochter tut (lacht).
Petra: Ihre Tochter hat ja mit 17 Jahren beschlossen, dass sie die Arbeit mit den Pferden
hauptberuflich machen möchte. Wie war das für Sie als Mutter? Mutter: Für mich war das schon
einige Jahre vorher klar. Sie hatte durch eine Stoffwechselkrankheit eine Zeitlang nicht laufen können
und da gabs eine Situation, wo wir sie mit Rollator in die Reithalle gebracht haben, sie konnte nur mit
Hilfe mit Rollator gehen und sie hat sich aufs Pferd gesetzt und man hat nichts mehr gemerkt von
dieser Behinderung. Das war so der Moment für mich, wo ich gesagt hab: Mit dem Pferd ist sie eine
Einheit, mit dem Pferd ist sie erst ganz.
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Und da hat dann auch gerade durch diese Erkrankungsgeschichte bei mir und meinem Mann eine
Änderung in unserem Denken stattgefunden. Vorher waren wir schon die typischen Eltern, die Abitur
gerne hätten von ihrer Tochter und Studium. Und danach haben wir gesagt, sie soll einfach das
machen, was ihr Spaß macht bzw. was ihr Kraft gibt. Diese Geschichte mit der Erkrankung, das geht
es ja nicht mehr um Spaß, da gehts ja um Kraft, um das durchzustehen.
Erzählerin
Hero verschwindet ins Haus, um sich umziehen, die Mutter sattelt Omen – und ich
unterhalte mich mit Kevin, der gerade das Feuerschwert in einen Eimer Spiritus
tunkt.
OT7
Kevin: Cascadeur, cascadeur equestre, à cheval, principalement
Erzählerin {auf OT7}:
Stuntman, Pferdestuntman
{OT 7 läuft weiter} j´ai apprendi beaucoup a Europapark traivallant pour Mario Luraschi en fait, jái fait
huit ans là-bas
Erzählerin {auf OT7, ganz leise!}
8 Jahre lang trat er im Europapark mit rasanten Pferdeshows von Mario Luraschi auf,
der in Frankreich eine absolute Pferdestuntman-Legende ist. Seit 2 Jahren nun
gehört Kevin zu Heros Showgruppe „Wolf Spirit“. Auch bei den Dreharbeiten zu
König Laurin war er dabei, in Südtirol im Sommer 2015, als Stuntreiter und Double.
Dort hatte Hero Merkel die Verantwortung für zehn Pferde und die reitenden
Schauspieler. Mit gerade mal 19 Jahren.
OT8
Hero C´est où, l´eau, Kevin? – Ja, werden alle nassgemacht, also wir haben auch den Feuerkreis
jetzt ganz groß gemacht, dass selbst, wenn er ein bisschen stolpert, dass nichts passieren kann, weil
generell die Sicherheit vom Pferd steht über allem. Danach kommt, dass mir nichts passiert. Danach
kommt, dass es gut aussieht.
Erzählerin
Omen trägt nun einen thronartigen Sattel und eine Trense mit Metallenblemen auf
der Stirn, sein Schweif ist hochgebunden. Hero lässt Wasser über seine Beine
laufen, er tänzelt etwas.
OT9
Hero Also ich glaub, es gibt ganz selten was, was den Omen richtig aufregt. Aber mal skeptisch sein
darf man ja am Anfang (lacht). So, ich mach dann seinen Hintern noch ein bisschen nass, weil ich das
Schwert in der Hand hab, es kann sein, dass mal ein Funke weggeht, dass ihm da nicht heiß wird
dann (ruft:) Seid ihr soweit, soll ich mich auch gleich nass machen?
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Erzählerin
Hero gießt Wasser über ihre zusammengeknoteten Haare. Auch sie trägt nun eine
Art Mittelalterlook: weiße Bluse mit Pluderärmeln, darüber eine blaue Kutte mit
silberner Bordüre, grobe braune Stiefel, Lederhandschuhe. {OT 10 = Atmo
Pferdetritte drunter} Sie hebt sich schwungvoll in den Sattel und reitet in die dunkle
Nacht hinein.
Erzählerin {auf OT 11}
Kevin zündet den alkoholgetränkten Strohkreis an, die Flammen schlagen kniehoch
und lodern im Wind. Omen bleibt ganz ruhig im Feuerkreis stehen. Als aber Kevin
Hero das zischende brennende Schwert reicht, starrt er mit großen Augen auf die
Flamme und bricht dann einige Schritte zur Seite aus – {c´est pour le bruit; oooo,
Pfeifen, schhhh, schnauen, oh} er beruhigt sich aber rasch wieder. {Mutter: „So
jetzt.“} Hero gibt Omen mit ihren Unterschenkeln einen kurzen Impuls und hebt die
Hand mit den Zügel leicht empor, mit der anderen streckt sie das Flammenschwert in
den Himmel. Im selben Moment hebt sich Omen auf seine Hinterbeine groß empor.
Wieder und wieder bäumt sich Omen auf. Man kann dem Pferd förmlich ansehen,
wie er sich anstrengt, sein Bestes zu geben.
Erzählerin:
Die Szene ist im Kasten. Ich warte im Wohnzimmer. Und da kommt auch schon
Hero.
OT12
H: Der Omen steht schon mit Decke und Karöttchen auf der Koppel. Ich find das immer so schön,
dass sie so was machen, was ja außergewöhnlich ist für ein Pferd und danach sofort wieder auf ihre
3-Hektar-Koppel kommen, wo sie total ein ganz natürliches Leben für Pferde führen.
Erzählerin
Sie überlege genau, für welche Aufgaben sie welches Pferd einsetze – Shows, Film,
Stunts, Ritterspiele, Freiarbeit und Dressurvorführungen ohne Zaumzeug und Sattel.
OT13
Hero: Ich setze Pferde generell nach ihrem (bitte Feinschnitt) Charakter und Talenten ein. Ich versuch
immer, ihre Talente zu stärken. Das macht es einfach einfacher. Und ich glaube auch, je mehr man
ihre Talente einsetzt und ihren Charakter einbezieht, desto glücklicher sind sie in ihrer Arbeit. Desto
bestätigter fühlen sie sich. Petra: Also das merkst Du dann auch, dass ein Pferd mit Freude dabei ist,
an der Arbeit als Show- und Filmpferd? Wie merkt man so was? Hero: es gibt Pferde, die sehen,
dass man packt und dann stehen sie ab diesem Zeitpunkt nur noch vorne am Tor, weil sie unbedingt
mitwollen.
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Erzählerin
Ich greife nochmal die Feuerszene mit Omen auf. Als Kevin Hero die zischende
Fackel reichte, hatte er ganz offensichtlich Angst. Verlangt man da nicht zu viel von
einem Fluchttier, ist die Begegnung mit dem Feuer womöglich eine Qual für es?
OT14
Hero: Also, ich versuche das auf ´ne partnerschaftliche Basis zu machen. Das heißt, ich versuche ihn
nicht zu zwingen, sondern ich versuch ihm einfach zu erklären, dass es gar nicht so schlimm ist und
dass er sich durchaus wohlfühlen kann in dieser Situation. Das Pferd, für das wär es natürlich, vorm
Feuer wegzurennen, deswegen läufts ja erst ein paar Schritte weg. Und danach fängt das Pferd an zu
überlegen, und sagt: oh Moment, sie ist noch da, sie ist entspannt, bis jetzt bin ich nie gestorben,
wenn sie dabei war, es hat immer irgendwie funktioniert, es war gar nicht so schlimm bis jetzt, ich
könnte mir die Situation nochmal anschauen. Ja, z.B. Feuer hat ihm noch nie was getan. (Bitte
Feinschnitt) Und natürlich ist es meine Verantwortung, dass es auch so bleibt und dafür sorge ich auch,
und dann ist es die Verantwortung vom Pferd, offen zu bleiben für Neues.
Erzählerin
Eine Methode, die Hero einsetzt, damit ihre Pferde mit angstauslösenden Situationen
besser zurechtkommen, ist Embodiment.
OT15
Hero: Das kommt aus der Menschenpsychologie. Bei Pferden ist das noch wenig erprobt oder es gibt
wenige Menschen, die das so einsetzen. Und eigentlich Embodiment heißt einfach nur, man fühlt sich
so, wie sein Körper sich präsentiert bzw. umgekehrt, man kann seine Gefühle durch die Körperhaltung
steuern.
Erzählerin (auf OT 16)
Sie will es mir mit Choco zeigen, einem Andalusierhengst. Seit seiner chemischen
Kastration reagiert er neuerdings mit Angst auf Feuer. Hero stellt eine Kupferschale
auf den Boden, gießt Spiritus hinein und zündet ihn an. {Pferd schnorchelt – Hero: er
weiß es schon, was kommt}
OT17
Erzählerin {auf OT17)
Hero läuft ganz eng um die Feuerschale herum, Choco an ihrer der Flamme
abgewandten Seite. Der Halfterstrick ist locker gespannt.
{OT17 solo) Petra: wodran merkst Du, dass das Pferd Angst hat? Hero: Er versucht wegzugehen,
schnorchelt ein bisschen, ist ganz steif, zittert ein bisschen, und jetzt versuch ich ihn, wieder in seine
Komfortzone zu locken und frag ihn nach Dingen, die beim Pferd Selbstbewusstsein (bitte Feinschnitt)
ausstrahlen, z.B. nach dem spanischen Schritt. Dabei nimmt das Pferd abwechselnd immer den linken
und rechten Fuß hoch – Präsentiergehabe beim Hengst. Man merkt jetzt schon, er will das nicht so
gerne machen, das widerspricht seiner Gefühlslage gerade.
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Jetzt nimmt er mal den einen Fuß nicht so hoch, mal den anderen Fuß nicht so hoch, jetzt mach ich
solange weiter, bis es gleichmäßig und hübscher wird. Jetzt war der eine Fuß schon richtig hoch, jetzt
hab ich so ´ne mittlere Höhe, jetzt war der Takt ganz gut, hopp, hopp, jetzt ist es schon wieder
bisschen besser. Jetzt kann er sich auch wieder neben das Feuer stellen, wie Du siehst, eben wollte
er gleich weg. Er fühlt sich noch nicht ganz wohl, aber er kann jetzt ruhig stehen neben dem Feuer.
Oh.
Erzählerin:
Hero streichelt dem zierlichen Schimmel über den Hals.
OT18
Hero: Er blinzelt, er bewegt seine Ohren relativ frei. Er ist noch nicht ganz so entspannt wie ohne das
Feuer, aber viel entspannter als noch vor ein paar Minuten, als wir angefangen haben. Bei einem
Menschen ist das ganz ähnlich. Wir fühlen uns auch so, wie sich der Körper gerade präsentiert,
allerdings hat der Mensch noch ´ne größere Bewusstseinsebene.
Erzählerin:
Und was ist mit ihren eigenen Gefühlen? Hat sie nicht auch manchmal Angst, wenn
sie akrobatische Übungen auf dem galoppierenden Pferd macht, durch Feuer reitet
oder fremde Pferde trainiert, die als gefährlich gelten?
OT19
Hero: Ich mit meinen Pferden hab eigentlich keine Angst vor Kontrollverlust. Ich vertrau´ meinen
Pferden blind und vielleicht vertrauen sie mir deshalb auch ein bisschen mehr. Also es hat auch was
mit Selbstbewusstsein als Reiter zu tun oder mit reiterlichen Kenntnissen. Aber trotz allem geh´ ich,
glaube ich, auf alle Pferde so zu, oder ich versuche es zumindestens, ich versuch, auf alle Pferde mit
´nem guten Gedanken zugehen und nicht mit dem Gedanken, was könnt es alles tun.
Petra: Jetzt verwendest Du oft Vokabeln aus der Kommunikation, wenn Du über Deine Pferdearbeit
sprichst wie „ich frage das Pferd“ oder „wir diskutieren miteinander“. Woher kommt das, was steckt da
dahinter?
Hero: Es wäre keine Kommunikation, wenn ich keine Fragen stellen würde, wenn ich nur Befehle
gebe, sind dann Ausführungen auf der anderen Seite, aber es sind keine Antworten da. Und ich
möchte mit meinen Pferden kommunizieren, weil es meine Partner sind. Ein Partner darf antworten,
der darf auch schon mal nein sagen, das kann ich noch nicht, da fühle ich mich noch nicht bereit dafür
oder ich mach das nicht.
Erzählerin {auf Motorgeräusch OT22}
Am nächsten Morgen, 7 Uhr 30, auf dem Weg nach Bühl bei Baden-Baden.
OT20
Hero: Wir fahren jetzt zu ´nem Kurs, den ich gebe, dieses Wochenende. Das ist also es ist wirklich nur
Bodenarbeit, die Kommunikation fängt immer am Boden an, für mich machts einfach Sinn, das an
meine Schüler weiterzugeben. Die werden sicherlich noch nie auf diese Art und Weise mit dem Pferd
gearbeitet haben. Normalerweise im normalen Reitstall reitet man eben einfach. Und der Kurs heißt
Horsemanship für Anfänger.
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OT21 (Atmo)
{auf OT21} Erzählerin:
Die vier Kursteilnehmerinnen führen ihre Pferde - alle groß, braun und sportlich –
hintereinander in die Reithalle. Bei der ersten Übung sollen die Pferde neben ihnen
gehen und sich dabei an sie anpassen. Wenn der Mensch einen großen
Ausfallschritt macht, soll sich auch das Pferd in Bewegung setzen. Wenn er stoppt,
mit etwas zurückgelehntem Körper, soll auch das Pferd anhalten, erklärt Hero.
OT22
Und stopp, ja, versuch auch da nichts mit dem Seil zu machen. Ja. Das Seil ist nur eine
Sicherheitsleine. Und anhalten. Und wenn sie nicht reagieren, wie gehabt, Gerte hoch, Gerte wackelt,
Gerte toucht. Zur Not musst Du halt mit der Gerte kurz wackeln oder sie touchen an der Nase, ja. Du
musst ihr vielleicht mal kurz sagen, dass Du es wirklich ernst meinst. Ah, sehr schön, ja. Genau, wir
versuchen es immer erstmal ohne Gerte. Damit unser Pferd lernt, ui, wenn mich die Gerte vor der
Nase nervt, könnt ich auch nur auf ihren Körper reagieren.
Dann nehmen wir jetzt noch den Trab dazu. Okay, dafür geht ihr Schritt, neben eurem Pferd her
erstmal und dann geht ihr praktisch auf der Stelle in so ´nen Trabrhythmus rein, ja, Euer erstes Signal
mit der Körpersprache, ja.
(OT23 Atmo)
Erzählerin:
Anfangs schenken die Pferde ihren Besitzern kaum Beachtung. Doch von Übung zu
Übung werden sie aufmerksamer für den Menschen an ihrer Seite und es klappt
besser. Ein Pferd allerdings tut sich etwas schwer. Die Teilnehmerin hatte es
eingangs als „büffelig“ beschrieben. Kein Schimpfen und Ziehen und Schlagen
hätten in der Vergangenheit geholfen, erzählte sie.
OT24
Hero Ja, Dein Pferd hat Dich gut erzogen. Ja, also, sie hat sich keinen Millimeter wegbewegt. Aber Du
bist ganz brav um sie rumgelaufen. Und stehenbleiben, nicht außenrum laufen, und ja, da musst Du
Druck an ihrer Schulter ausüben, damit sie weg von Dir läuft. Sie ist schon im Moment drauf und dran,
immer direkt über dich drüberzulaufen. So und jetzt Gerte, deute auf ihre Schulter und schick sie weg
von Dir. Schon ein bisschen besser. Ja, okay, so weiterüben. Und immer zwischendrin, wenn die
Pferde es gut machen, loben und eine Pause machen, ja?
Erzählerin
Wieder zurück auf Heros Hof will ich von Hero noch etwas mehr wissen über diese
Art der Kommunikation mit dem Pferd.
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OT25
Petra: Wenn Du jetzt ein Pferd ganz neu bekommst, ähm, machst Du dann erst solche Sachen, diese
Bodenarbeitsübungen wie in dem Kurs? Hero: Ja, ja. Das mache ich selbst bei meinen alten Hasen,
sag ich jetzt mal, wenn ich in eine neue Umgebung komme, erstmal am Anfang. Dann mach ich die
Basics. Weil in einer neuen Umgebung braucht das Pferd Sicherheit. Dann zeig ich dem Pferd zum
Beispiel, einerseits dass es auch noch in der neuen Umgebung den Aufgaben (bitte Feinschnitt)
gewachsen ist, andererseits dass ich immer noch dieselbe bin, dass ich trotzdem meine Führung
wirklich verdient habe, dass ich diesen Posten verdient habe, und es tut dem Pferd natürlich gut, was
Vertrautes zu machen, wenn alles um ihn rum sich ändert.
OT26 (Atmo; Schritte mit Pferd, auch unter OT 27 legen)
Erzählerin
Hero holt Choco von der Weide, wir gehen zusammen zum Reitplatz.
OT27
Hero: Ich zeig Dir jetzt, wie es aussieht, wenn man ganz viele solcher Horsemanshipkurse besucht
hat und ganz viele Jahre mit seinem Pferd zusammengearbeitet oder gespielt hat.
Petra: Das Pferd läuft jetzt komplett frei, ohne Seil, ohne irgendwas neben Dir, woher weiß es, dass
es jetzt neben Dir laufen soll? Hero: Warum sollte er weggehen? Ich bin im Moment sein Herdenchef
oder generell wenn ich da bin, bin ich sein Herdenchef, und da versucht er, immer bei mir zu sein.
Einfach weil er die Sicherheit bei mir sucht.
OT28 (Atmo)
Erzählerin
Hero macht eine schnelle Wendung nach rechts und Choco springt mit nach rechts,
sie deutet einen Hüpfer an und Choco galoppiert an, sie läuft rückwärts und er läuft
auf sie zu, sie geht einen Schritt auf seinen Popo zu und er dreht ihn weg, sie kreuzt
die Beine, er auch, sie hebt die Arme, er steigt. Das Pferd reagiert blitzschnell auf
sie, wie ein gemeinsamer Tanz sieht es aus.
OT29
Das kleine ABC, das ist immer: geh weg, komm her. Wenn ich sie wegschicke, stelle ich mir immer
vor, ich drück so eine unsichtbare Luftmauer gegen meine Pferde. Ich stell mir vor, ich lege die Ohren
an. Ich sage, dass er weggehen soll mit meinem Körper. Das tut er auch. Und wenn ich sie wieder zu
mir hole, sauge ich sie an, ich zieh den Bauchnabel an, mach mich klein, bin total freundlich und nett
von der Ausstrahlung her. Petra: Ist das Energieübertragung? Hero: Ich weiß nicht, ob
Energieübertragung, aber er spürt auf jeden Fall meine Körperenergie. (Klatschgeräusche) Petra: Du
schlägst jetzt mit der Gerte links und rechts neben Dich und das Pferd steht direkt davor und muckst
sich überhaupt nicht. Wieso hat der da jetzt keine Angst? Hero: Weil ich entspannt bin in meinem
Körper. Ich sage ihm jetzt gerade, er muss auf nichts achten. So, jetzt nehm´ ich mal Energie in
meinem Körper und wackel´ nur ganz klein mit der Gerte und schon reagiert er und geht weg.
Atmo Pferd einsetzen
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OT30
Petra Wenn man Dich so mit den Pferden arbeiten sieht, sieht das ja wirklich so aus, als wäre da ein
unsichtbares Band. Worin besteht das? Hero: Das unsichtbare Band ... Es ist eine Beziehung. Da ist
ein Beziehungsband. Und ähm. Ganz viele Leute haben, als ich begonnen hab, frei zu arbeiten und
ohne alles zu reiten, mir gesagt, das ist ganz arg gefährlich, das Pferd könnte wegrennen oder Dich
runterschmeißen. Aber für mich ist es sicherer, ne Beziehung zu haben zu meinem Pferd und auf
diese Beziehung zu vertrauen als auf ein Seil. Weil ein Seil kann reißen, dagegen eine Beziehung ist
da. Eine Verbundenheit, die man einfach spürt. Wenn man sein Pferd durch irgendwelche physische
Mittel versucht zu halten, finde ich es unsicherer, als daran zu arbeiten, dass das Pferd einen mag
und gerne da ist.
((Petra: Wie kommt die gute Beziehung zum Pferd zustande, dadurch, dass man immer viele
Möhrchen füttert oder wie geht das? Hero: Möhrchen, das könnte die Verbundenheit schon befördern
(lacht). Noch besser ist es einfach, mit dem Pferd zu arbeiten.)) Respekt verdient man sich. Petra:
Indem man was macht? Hero: Einerseits indem man immer gute Entscheidungen trifft, als
Herdenführer. Indem das Pferd keine schlechten Erfahrungen macht, indem man immer nur Dinge
fragt, die das Pferd auch machen kann, indem man es nicht überfordert, indem man auch in einer
brenzligen Situation, wo das Pferd Angst hat, ruhig bleibt und eine gute Lösung vorzeigt. Und das ist
natürlich eine Mischung aus Verbundenheit, könnte man auch Liebe nennen, ja, man ist sich
sympathisch und man respektiert einander insofern, dass der andere vielleicht auch bisschen der
Chef ist. Petra: Vielleicht auch ein bisschen der Chef ist? Hero: Ja (lacht) ein bisschen, nicht zu sehr,
weil ich finde, man ist kein guter Chef, wenn man das raushängen lässt und den anderen unterdrückt.
Das Pferd darf durchaus auch Ideen einbringen, das Pferd muss bloß unterscheiden können, wenn
wirklich brenzlig wird, wenns gefährlich wäre, dass es dann wirklich der Mensch ist, der entscheidet.
Erzählerin (Tatort-Take OT 31 unterlegen)
Mit diesem unsichtbaren Band hat Hero ihren ersten Einsatz als Pferdetrainerin beim
Fernsehen gemeistert, mit 17 Jahren, für den Tatort „Die Sonne stirbt wie ein Tier“.
Ein Stallbesitzer aus Rastatt hatte sie empfohlen. Sie zeigt mir die Szene: {T: Gina
liegt auf der Koppel, sie blutet.} Unbeweglich liegt das Pferd da, umringt von
Kommissarin Odenthal, zwei Polizisten und einem Tierarzt. {T: Das ist ein
Pferderipper. Das muss erschossen werden. Aber nicht mit der Dienstwaffe. Das Tier
leidet doch unnötig. Und ich dürft des nitt. Gegen Sie mir die Waffe. Geladen.} Eine
große Herausforderung für ein Fluchttier – zumal seine Bezugsperson einige Meter
weit weg, hinter der Kamera, stehen muss. {T: PENG} Für den gewünschten
leidenden Ausdruck musste das Pferd zudem auch noch komplett entspannt sein –
denn mit halboffenen Augen und hängender Unterlippe sieht ein Pferdegesicht am
ehesten leidend aus.
OT32
Diese Szene ist wohl schon selbst für erfahrene Filmtrainer sehr anspruchsvoll. Also das ist eine
Sache, das Pferd dahinzulegen und es bleibt da und so. Das hat etwas mit Respekt dem Trainer
gegenüber zu tun. Aber sich zu entspannen, das ist einfach Vertrauen. Und Vertrauen kann man nicht
erzwingen. Durch meine Arbeit oder durch meine Partnerschaft zu ihm konnte er sich entspannen und
so konnte der Kameramann in dem Moment diesen Gesichtsausdruck filmen.
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OT33
Petra: Was ist für Dich ein guter Pferdetrainer? Hero: Ein guter Pferdetrainer ist für mich jemand, der
nicht leicht wütend wird, der nicht alles persönlich nimmt ((und der einfach ruhig nochmal ´ne Frage
wiederholt, wenn es Missverständnisse gibt.)) Pferde können einfach mit großen negativen Emotionen
nichts anfangen. Immer wenn wir böse auf ein Pferd sind oder so oder ihm unterstellen, dass es das
absichtlich macht, schadet das unserer Beziehung, weil das Pferd das nicht verstehen kann, was wir
gerade denken oder von ihm wollen. Da sind wirklich meine Pferde die besten Lehrmeister gewesen,
die haben mir einfach gleich gezeigt, wenn ich mal wieder unfair wurde oder zu emotional, dass sie
das nicht so toll finden oder haben mir´s gezeigt, indem sie schlechter gelernt haben.
Erzählerin:
Und so habe sich Hero schlechte Laune weitestgehend abgewöhnt, sagt sie. Bei
unseren Treffen, auf Fotos und in Videos hat sie meistens eine Art Schmunzellächeln
auf den Lippen. Das hat allerdings nicht nur den Grund, dass dann die Arbeit mit den
Pferden besser klappe ...
OT34
Hero: Ich steh als wirklich auf und denk: oh wie toll, dass ich so leben darf, ja.
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Gerade wenn das Pferd einem plötzlich Beine gibt, die man
vorher nicht hatte, also wenn man vorher nicht laufen kann und auf dem Pferd sitzt und das Pferd
kann ganz schnell mit einem laufen, das ist ein wahnsinniges Gefühl, dass das Pferd einem praktisch
eine Fähigkeit gibt, die man vorher nicht besitzt. Und ich finde es eigentlich unvorstellbar, wenn man
so drüber nachdenkt, dass ein so mächtiges Tier mit so viel Kraft und Ausdauer so kooperativ ist mit
einem körperlich so unterlegenen Wesen wie einem Menschen, ja. Wir haben ja eigentlich nichts
entgegenzusetzen körperlich. Und trotzdem sind sie so kooperativ und auch so gnädig uns
gegenüber. Ja, sie tun jeden Fehler irgendwie wieder verzeihen normalerweise. Meine Pferde
zumindestens.
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