2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Ohne Strick und Peitsche Wie eine junge Frau Pferde für Show & Film trainiert AutorIn: Petra Stalbus Regie: Tobias Krebs Redaktion: Petra Mallwitz Sendung: Mittwoch, 15.06.2016 um 10.05 Uhr in SWR2 __________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. In jedem Fall von den Vormittagssendungen. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030. Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de ___________________________________________________________________ 1 Anmoderation: Hero Merkel ging noch zur Schule, als sie ihren ersten großen Auftrag bekam. Das Tatortteam engagierte sie für einen Film über einen Pferderipper. Als Pferdetrainerin. Inzwischen ist sie 19 Jahre alt und arbeitet hauptberuflich mit Pferden - gibt Kurse und hat ihre eigene Pferdeshowgruppe. Bei Filmaufnahmen und der Freiheitsdressur dirigiert sie ihre Pferde nur mit Körpersprache, teils aus vielen Metern Entfernung. Worin besteht dieses „unsichtbare Band“ zwischen Hero und ihren Pferden? Wie gelingt es der jungen Frau aus Rastatt, dass ihre Pferde – bekanntermaßen Fluchttiere – mit ihr sogar im wahrsten Sinne des Wortes durchs Feuer gehen? Ohne Strick und Peitsche. Wie eine junge Frau Pferde für Show & Film trainiert Eine Sendung von Petra Stalbus. OT1 (0´50) Kevin – Hero Tu crois que les epées son là-bas? Erzählerin {OT1 läuft weiter} Wo sind bloß die Feuerschwerter? Hero Merkel und Kevin Friess- Antony durchforsten Heros Sattelkammer. Neben Sätteln und Trensen, Pferdedecken und Futter lagern hier auch etliche Flaschen brennbare Flüssigkeiten – und irgendwo eben auch die Feuerschwerter: {OT1 wieder solo:} Hero: Wir haben hier Feuersachen, weil wir relativ häufig mit Feuer trainieren. Einfach, damit die Pferde sich wirklich pudelwohl fühlen mit dem Feuer. Und oben haben wir noch einen Raum voll mit Kostümen und wir haben außerhalb noch einen Ort, wo wir die ganzen Ritterturniersachen haben, die Sachen für die Reiterspiele. Ca trouve´? Trés bien. OT2 Kevin: Si c'est plus simple avec Omen, on prend Omen. On s'embête pas. Hero Wir machen ja jetzt ein Video. Erzählerin Ein Video in eigener Sache für Pferdeshow-Veranstalter Hero (OT2) Und wir haben schon 2 Pferde in der engeren Auswahl, das eine ist leichter einhändig zu reiten mit dem brennenden Schwert in der Hand. Und das andere steigt stabiler. Und da sind wir jetzt am Überlegen, welches Pferd wir nehmen {Tor auf} Hero aber ich glaube, ich nehm´ heute doch den Omen. Der Omen ist unter anderem der Hauptcharakter von „König Laurin – der pferdische Hauptcharakter – dem Kinofilm, der am 1. September in die deutschen Kinos kommt, er steht total gern im Rampenlicht, er ist ein richtig großer Macho und er ist extrem kooperativ mit den Menschen. OT3 (Schritte) 2 Erzählerin {OT3 läuft weiter} Hero führt den braun-weiß gescheckten Wallach bis direkt vors Haus, neben den hölzernen Carport, wo sich etliche Ballen Heu stapeln. {OT3 solo}: Ich binde ihn jetzt an und putz ihn. Gott sei Dank machen wir ein Nachtvideo, dann sieht man die kleineren Flecken nicht ganz so arg, das heißt, ich hab Glück (lacht) Erzählerin {OT 4a oder 4b = Atmo Putzen drunter}, ggf. plus Wiehern In der Dämmerung kann man die Weite der Weiden noch erahnen, in alle Himmelsrichtungen dehnen sich sich um das Haus von Heros Familie aus: Auslauf für Heros vier Pferde und zwei Shetlandponys, die alte Stute ihrer Mutter – plus zwei Pferde, die Hero in Betreuung hat. OT5 Hero Also Ich bin ganz normal im Reitstall geritten und ganz schnell war für mich eigentlich klar, dass ich es gerne habe, wenn das Pferd auch Spaß hat. Das heißt, dass ich gern was anders machen möchte, als was man im klassischen Reitbetrieb sieht, ja. Da hat mir so ein bisschen das Herz geblutet, dass die Pferde nicht auf die Koppel durften, zum Beispiel. Und dann bin ich erst zu Parelli gekommen und hab da ganz viele Kurse gemacht. Und Parelli beinhaltet ja schon, dass man einfach anders mit den Pferden kommuniziert, einfach mehr auf sie eingeht. Erzählerin {OT6 drunter, 2´40} (Regie: plus bitte Atmo Auto auf Hof fahren aus Archiv) Wie man nach der Horsemanship-Methode Parelli anders mit den Pferden kommunziert, das wird mir Hero später noch zeigen. Ein Auto kommt auf den Hof gefahren. Eine schlanke Frau steigt aus, zwei Spiritusflaschen in der Hand. Heros Mutter. {OT6 solo} Hero: Ich möchte meinen portugiesischen Sattel reiten, kannst Du mir ihn satteln? Mutter: Ja. Hero: Dann würd´ ich mich umziehen. Mutter: Und was für ´ne Trense? Hero Die hübsche von Kevin. Mutter: Die hübsche von Kevin, die mittelalterliche? Hero: Ja, Mutter: Okay, okay. Petra (bitte noch Feinschnitt): Sie sind hier Pferdevorbereiterin, also Sie sind auch voll eingespannt, oder? Mutter: Ja, also ich arbeite, aber in der freien Zeit mache ich sehr viel mit den Pferden und Hero. Einerseits natürlich die alltäglichen Dinge, wenn sie mal zwei Tage nicht da ist, muss ich mich um die Pferde kümmern, und so dieses Organisatorische hintendran, Hero ist mehr die Künstlerin, und ansonsten eben, wenn sie zum Beispiel Voltige üben will, dann bin ich dabei, immer mal wieder wenn sie was neu erarbeitet hat, zeigt sie mir das oder eben auch, ja, ich, tu natürlich das, was eine Mutter ansonsten auch für ihre Tochter tut (lacht). Petra: Ihre Tochter hat ja mit 17 Jahren beschlossen, dass sie die Arbeit mit den Pferden hauptberuflich machen möchte. Wie war das für Sie als Mutter? Mutter: Für mich war das schon einige Jahre vorher klar. Sie hatte durch eine Stoffwechselkrankheit eine Zeitlang nicht laufen können und da gabs eine Situation, wo wir sie mit Rollator in die Reithalle gebracht haben, sie konnte nur mit Hilfe mit Rollator gehen und sie hat sich aufs Pferd gesetzt und man hat nichts mehr gemerkt von dieser Behinderung. Das war so der Moment für mich, wo ich gesagt hab: Mit dem Pferd ist sie eine Einheit, mit dem Pferd ist sie erst ganz. 3 Und da hat dann auch gerade durch diese Erkrankungsgeschichte bei mir und meinem Mann eine Änderung in unserem Denken stattgefunden. Vorher waren wir schon die typischen Eltern, die Abitur gerne hätten von ihrer Tochter und Studium. Und danach haben wir gesagt, sie soll einfach das machen, was ihr Spaß macht bzw. was ihr Kraft gibt. Diese Geschichte mit der Erkrankung, das geht es ja nicht mehr um Spaß, da gehts ja um Kraft, um das durchzustehen. Erzählerin Hero verschwindet ins Haus, um sich umziehen, die Mutter sattelt Omen – und ich unterhalte mich mit Kevin, der gerade das Feuerschwert in einen Eimer Spiritus tunkt. OT7 Kevin: Cascadeur, cascadeur equestre, à cheval, principalement Erzählerin {auf OT7}: Stuntman, Pferdestuntman {OT 7 läuft weiter} j´ai apprendi beaucoup a Europapark traivallant pour Mario Luraschi en fait, jái fait huit ans là-bas Erzählerin {auf OT7, ganz leise!} 8 Jahre lang trat er im Europapark mit rasanten Pferdeshows von Mario Luraschi auf, der in Frankreich eine absolute Pferdestuntman-Legende ist. Seit 2 Jahren nun gehört Kevin zu Heros Showgruppe „Wolf Spirit“. Auch bei den Dreharbeiten zu König Laurin war er dabei, in Südtirol im Sommer 2015, als Stuntreiter und Double. Dort hatte Hero Merkel die Verantwortung für zehn Pferde und die reitenden Schauspieler. Mit gerade mal 19 Jahren. OT8 Hero C´est où, l´eau, Kevin? – Ja, werden alle nassgemacht, also wir haben auch den Feuerkreis jetzt ganz groß gemacht, dass selbst, wenn er ein bisschen stolpert, dass nichts passieren kann, weil generell die Sicherheit vom Pferd steht über allem. Danach kommt, dass mir nichts passiert. Danach kommt, dass es gut aussieht. Erzählerin Omen trägt nun einen thronartigen Sattel und eine Trense mit Metallenblemen auf der Stirn, sein Schweif ist hochgebunden. Hero lässt Wasser über seine Beine laufen, er tänzelt etwas. OT9 Hero Also ich glaub, es gibt ganz selten was, was den Omen richtig aufregt. Aber mal skeptisch sein darf man ja am Anfang (lacht). So, ich mach dann seinen Hintern noch ein bisschen nass, weil ich das Schwert in der Hand hab, es kann sein, dass mal ein Funke weggeht, dass ihm da nicht heiß wird dann (ruft:) Seid ihr soweit, soll ich mich auch gleich nass machen? 4 Erzählerin Hero gießt Wasser über ihre zusammengeknoteten Haare. Auch sie trägt nun eine Art Mittelalterlook: weiße Bluse mit Pluderärmeln, darüber eine blaue Kutte mit silberner Bordüre, grobe braune Stiefel, Lederhandschuhe. {OT 10 = Atmo Pferdetritte drunter} Sie hebt sich schwungvoll in den Sattel und reitet in die dunkle Nacht hinein. Erzählerin {auf OT 11} Kevin zündet den alkoholgetränkten Strohkreis an, die Flammen schlagen kniehoch und lodern im Wind. Omen bleibt ganz ruhig im Feuerkreis stehen. Als aber Kevin Hero das zischende brennende Schwert reicht, starrt er mit großen Augen auf die Flamme und bricht dann einige Schritte zur Seite aus – {c´est pour le bruit; oooo, Pfeifen, schhhh, schnauen, oh} er beruhigt sich aber rasch wieder. {Mutter: „So jetzt.“} Hero gibt Omen mit ihren Unterschenkeln einen kurzen Impuls und hebt die Hand mit den Zügel leicht empor, mit der anderen streckt sie das Flammenschwert in den Himmel. Im selben Moment hebt sich Omen auf seine Hinterbeine groß empor. Wieder und wieder bäumt sich Omen auf. Man kann dem Pferd förmlich ansehen, wie er sich anstrengt, sein Bestes zu geben. Erzählerin: Die Szene ist im Kasten. Ich warte im Wohnzimmer. Und da kommt auch schon Hero. OT12 H: Der Omen steht schon mit Decke und Karöttchen auf der Koppel. Ich find das immer so schön, dass sie so was machen, was ja außergewöhnlich ist für ein Pferd und danach sofort wieder auf ihre 3-Hektar-Koppel kommen, wo sie total ein ganz natürliches Leben für Pferde führen. Erzählerin Sie überlege genau, für welche Aufgaben sie welches Pferd einsetze – Shows, Film, Stunts, Ritterspiele, Freiarbeit und Dressurvorführungen ohne Zaumzeug und Sattel. OT13 Hero: Ich setze Pferde generell nach ihrem (bitte Feinschnitt) Charakter und Talenten ein. Ich versuch immer, ihre Talente zu stärken. Das macht es einfach einfacher. Und ich glaube auch, je mehr man ihre Talente einsetzt und ihren Charakter einbezieht, desto glücklicher sind sie in ihrer Arbeit. Desto bestätigter fühlen sie sich. Petra: Also das merkst Du dann auch, dass ein Pferd mit Freude dabei ist, an der Arbeit als Show- und Filmpferd? Wie merkt man so was? Hero: es gibt Pferde, die sehen, dass man packt und dann stehen sie ab diesem Zeitpunkt nur noch vorne am Tor, weil sie unbedingt mitwollen. 5 Erzählerin Ich greife nochmal die Feuerszene mit Omen auf. Als Kevin Hero die zischende Fackel reichte, hatte er ganz offensichtlich Angst. Verlangt man da nicht zu viel von einem Fluchttier, ist die Begegnung mit dem Feuer womöglich eine Qual für es? OT14 Hero: Also, ich versuche das auf ´ne partnerschaftliche Basis zu machen. Das heißt, ich versuche ihn nicht zu zwingen, sondern ich versuch ihm einfach zu erklären, dass es gar nicht so schlimm ist und dass er sich durchaus wohlfühlen kann in dieser Situation. Das Pferd, für das wär es natürlich, vorm Feuer wegzurennen, deswegen läufts ja erst ein paar Schritte weg. Und danach fängt das Pferd an zu überlegen, und sagt: oh Moment, sie ist noch da, sie ist entspannt, bis jetzt bin ich nie gestorben, wenn sie dabei war, es hat immer irgendwie funktioniert, es war gar nicht so schlimm bis jetzt, ich könnte mir die Situation nochmal anschauen. Ja, z.B. Feuer hat ihm noch nie was getan. (Bitte Feinschnitt) Und natürlich ist es meine Verantwortung, dass es auch so bleibt und dafür sorge ich auch, und dann ist es die Verantwortung vom Pferd, offen zu bleiben für Neues. Erzählerin Eine Methode, die Hero einsetzt, damit ihre Pferde mit angstauslösenden Situationen besser zurechtkommen, ist Embodiment. OT15 Hero: Das kommt aus der Menschenpsychologie. Bei Pferden ist das noch wenig erprobt oder es gibt wenige Menschen, die das so einsetzen. Und eigentlich Embodiment heißt einfach nur, man fühlt sich so, wie sein Körper sich präsentiert bzw. umgekehrt, man kann seine Gefühle durch die Körperhaltung steuern. Erzählerin (auf OT 16) Sie will es mir mit Choco zeigen, einem Andalusierhengst. Seit seiner chemischen Kastration reagiert er neuerdings mit Angst auf Feuer. Hero stellt eine Kupferschale auf den Boden, gießt Spiritus hinein und zündet ihn an. {Pferd schnorchelt – Hero: er weiß es schon, was kommt} OT17 Erzählerin {auf OT17) Hero läuft ganz eng um die Feuerschale herum, Choco an ihrer der Flamme abgewandten Seite. Der Halfterstrick ist locker gespannt. {OT17 solo) Petra: wodran merkst Du, dass das Pferd Angst hat? Hero: Er versucht wegzugehen, schnorchelt ein bisschen, ist ganz steif, zittert ein bisschen, und jetzt versuch ich ihn, wieder in seine Komfortzone zu locken und frag ihn nach Dingen, die beim Pferd Selbstbewusstsein (bitte Feinschnitt) ausstrahlen, z.B. nach dem spanischen Schritt. Dabei nimmt das Pferd abwechselnd immer den linken und rechten Fuß hoch – Präsentiergehabe beim Hengst. Man merkt jetzt schon, er will das nicht so gerne machen, das widerspricht seiner Gefühlslage gerade. 6 Jetzt nimmt er mal den einen Fuß nicht so hoch, mal den anderen Fuß nicht so hoch, jetzt mach ich solange weiter, bis es gleichmäßig und hübscher wird. Jetzt war der eine Fuß schon richtig hoch, jetzt hab ich so ´ne mittlere Höhe, jetzt war der Takt ganz gut, hopp, hopp, jetzt ist es schon wieder bisschen besser. Jetzt kann er sich auch wieder neben das Feuer stellen, wie Du siehst, eben wollte er gleich weg. Er fühlt sich noch nicht ganz wohl, aber er kann jetzt ruhig stehen neben dem Feuer. Oh. Erzählerin: Hero streichelt dem zierlichen Schimmel über den Hals. OT18 Hero: Er blinzelt, er bewegt seine Ohren relativ frei. Er ist noch nicht ganz so entspannt wie ohne das Feuer, aber viel entspannter als noch vor ein paar Minuten, als wir angefangen haben. Bei einem Menschen ist das ganz ähnlich. Wir fühlen uns auch so, wie sich der Körper gerade präsentiert, allerdings hat der Mensch noch ´ne größere Bewusstseinsebene. Erzählerin: Und was ist mit ihren eigenen Gefühlen? Hat sie nicht auch manchmal Angst, wenn sie akrobatische Übungen auf dem galoppierenden Pferd macht, durch Feuer reitet oder fremde Pferde trainiert, die als gefährlich gelten? OT19 Hero: Ich mit meinen Pferden hab eigentlich keine Angst vor Kontrollverlust. Ich vertrau´ meinen Pferden blind und vielleicht vertrauen sie mir deshalb auch ein bisschen mehr. Also es hat auch was mit Selbstbewusstsein als Reiter zu tun oder mit reiterlichen Kenntnissen. Aber trotz allem geh´ ich, glaube ich, auf alle Pferde so zu, oder ich versuche es zumindestens, ich versuch, auf alle Pferde mit ´nem guten Gedanken zugehen und nicht mit dem Gedanken, was könnt es alles tun. Petra: Jetzt verwendest Du oft Vokabeln aus der Kommunikation, wenn Du über Deine Pferdearbeit sprichst wie „ich frage das Pferd“ oder „wir diskutieren miteinander“. Woher kommt das, was steckt da dahinter? Hero: Es wäre keine Kommunikation, wenn ich keine Fragen stellen würde, wenn ich nur Befehle gebe, sind dann Ausführungen auf der anderen Seite, aber es sind keine Antworten da. Und ich möchte mit meinen Pferden kommunizieren, weil es meine Partner sind. Ein Partner darf antworten, der darf auch schon mal nein sagen, das kann ich noch nicht, da fühle ich mich noch nicht bereit dafür oder ich mach das nicht. Erzählerin {auf Motorgeräusch OT22} Am nächsten Morgen, 7 Uhr 30, auf dem Weg nach Bühl bei Baden-Baden. OT20 Hero: Wir fahren jetzt zu ´nem Kurs, den ich gebe, dieses Wochenende. Das ist also es ist wirklich nur Bodenarbeit, die Kommunikation fängt immer am Boden an, für mich machts einfach Sinn, das an meine Schüler weiterzugeben. Die werden sicherlich noch nie auf diese Art und Weise mit dem Pferd gearbeitet haben. Normalerweise im normalen Reitstall reitet man eben einfach. Und der Kurs heißt Horsemanship für Anfänger. 7 OT21 (Atmo) {auf OT21} Erzählerin: Die vier Kursteilnehmerinnen führen ihre Pferde - alle groß, braun und sportlich – hintereinander in die Reithalle. Bei der ersten Übung sollen die Pferde neben ihnen gehen und sich dabei an sie anpassen. Wenn der Mensch einen großen Ausfallschritt macht, soll sich auch das Pferd in Bewegung setzen. Wenn er stoppt, mit etwas zurückgelehntem Körper, soll auch das Pferd anhalten, erklärt Hero. OT22 Und stopp, ja, versuch auch da nichts mit dem Seil zu machen. Ja. Das Seil ist nur eine Sicherheitsleine. Und anhalten. Und wenn sie nicht reagieren, wie gehabt, Gerte hoch, Gerte wackelt, Gerte toucht. Zur Not musst Du halt mit der Gerte kurz wackeln oder sie touchen an der Nase, ja. Du musst ihr vielleicht mal kurz sagen, dass Du es wirklich ernst meinst. Ah, sehr schön, ja. Genau, wir versuchen es immer erstmal ohne Gerte. Damit unser Pferd lernt, ui, wenn mich die Gerte vor der Nase nervt, könnt ich auch nur auf ihren Körper reagieren. Dann nehmen wir jetzt noch den Trab dazu. Okay, dafür geht ihr Schritt, neben eurem Pferd her erstmal und dann geht ihr praktisch auf der Stelle in so ´nen Trabrhythmus rein, ja, Euer erstes Signal mit der Körpersprache, ja. (OT23 Atmo) Erzählerin: Anfangs schenken die Pferde ihren Besitzern kaum Beachtung. Doch von Übung zu Übung werden sie aufmerksamer für den Menschen an ihrer Seite und es klappt besser. Ein Pferd allerdings tut sich etwas schwer. Die Teilnehmerin hatte es eingangs als „büffelig“ beschrieben. Kein Schimpfen und Ziehen und Schlagen hätten in der Vergangenheit geholfen, erzählte sie. OT24 Hero Ja, Dein Pferd hat Dich gut erzogen. Ja, also, sie hat sich keinen Millimeter wegbewegt. Aber Du bist ganz brav um sie rumgelaufen. Und stehenbleiben, nicht außenrum laufen, und ja, da musst Du Druck an ihrer Schulter ausüben, damit sie weg von Dir läuft. Sie ist schon im Moment drauf und dran, immer direkt über dich drüberzulaufen. So und jetzt Gerte, deute auf ihre Schulter und schick sie weg von Dir. Schon ein bisschen besser. Ja, okay, so weiterüben. Und immer zwischendrin, wenn die Pferde es gut machen, loben und eine Pause machen, ja? Erzählerin Wieder zurück auf Heros Hof will ich von Hero noch etwas mehr wissen über diese Art der Kommunikation mit dem Pferd. 8 OT25 Petra: Wenn Du jetzt ein Pferd ganz neu bekommst, ähm, machst Du dann erst solche Sachen, diese Bodenarbeitsübungen wie in dem Kurs? Hero: Ja, ja. Das mache ich selbst bei meinen alten Hasen, sag ich jetzt mal, wenn ich in eine neue Umgebung komme, erstmal am Anfang. Dann mach ich die Basics. Weil in einer neuen Umgebung braucht das Pferd Sicherheit. Dann zeig ich dem Pferd zum Beispiel, einerseits dass es auch noch in der neuen Umgebung den Aufgaben (bitte Feinschnitt) gewachsen ist, andererseits dass ich immer noch dieselbe bin, dass ich trotzdem meine Führung wirklich verdient habe, dass ich diesen Posten verdient habe, und es tut dem Pferd natürlich gut, was Vertrautes zu machen, wenn alles um ihn rum sich ändert. OT26 (Atmo; Schritte mit Pferd, auch unter OT 27 legen) Erzählerin Hero holt Choco von der Weide, wir gehen zusammen zum Reitplatz. OT27 Hero: Ich zeig Dir jetzt, wie es aussieht, wenn man ganz viele solcher Horsemanshipkurse besucht hat und ganz viele Jahre mit seinem Pferd zusammengearbeitet oder gespielt hat. Petra: Das Pferd läuft jetzt komplett frei, ohne Seil, ohne irgendwas neben Dir, woher weiß es, dass es jetzt neben Dir laufen soll? Hero: Warum sollte er weggehen? Ich bin im Moment sein Herdenchef oder generell wenn ich da bin, bin ich sein Herdenchef, und da versucht er, immer bei mir zu sein. Einfach weil er die Sicherheit bei mir sucht. OT28 (Atmo) Erzählerin Hero macht eine schnelle Wendung nach rechts und Choco springt mit nach rechts, sie deutet einen Hüpfer an und Choco galoppiert an, sie läuft rückwärts und er läuft auf sie zu, sie geht einen Schritt auf seinen Popo zu und er dreht ihn weg, sie kreuzt die Beine, er auch, sie hebt die Arme, er steigt. Das Pferd reagiert blitzschnell auf sie, wie ein gemeinsamer Tanz sieht es aus. OT29 Das kleine ABC, das ist immer: geh weg, komm her. Wenn ich sie wegschicke, stelle ich mir immer vor, ich drück so eine unsichtbare Luftmauer gegen meine Pferde. Ich stell mir vor, ich lege die Ohren an. Ich sage, dass er weggehen soll mit meinem Körper. Das tut er auch. Und wenn ich sie wieder zu mir hole, sauge ich sie an, ich zieh den Bauchnabel an, mach mich klein, bin total freundlich und nett von der Ausstrahlung her. Petra: Ist das Energieübertragung? Hero: Ich weiß nicht, ob Energieübertragung, aber er spürt auf jeden Fall meine Körperenergie. (Klatschgeräusche) Petra: Du schlägst jetzt mit der Gerte links und rechts neben Dich und das Pferd steht direkt davor und muckst sich überhaupt nicht. Wieso hat der da jetzt keine Angst? Hero: Weil ich entspannt bin in meinem Körper. Ich sage ihm jetzt gerade, er muss auf nichts achten. So, jetzt nehm´ ich mal Energie in meinem Körper und wackel´ nur ganz klein mit der Gerte und schon reagiert er und geht weg. Atmo Pferd einsetzen 9 OT30 Petra Wenn man Dich so mit den Pferden arbeiten sieht, sieht das ja wirklich so aus, als wäre da ein unsichtbares Band. Worin besteht das? Hero: Das unsichtbare Band ... Es ist eine Beziehung. Da ist ein Beziehungsband. Und ähm. Ganz viele Leute haben, als ich begonnen hab, frei zu arbeiten und ohne alles zu reiten, mir gesagt, das ist ganz arg gefährlich, das Pferd könnte wegrennen oder Dich runterschmeißen. Aber für mich ist es sicherer, ne Beziehung zu haben zu meinem Pferd und auf diese Beziehung zu vertrauen als auf ein Seil. Weil ein Seil kann reißen, dagegen eine Beziehung ist da. Eine Verbundenheit, die man einfach spürt. Wenn man sein Pferd durch irgendwelche physische Mittel versucht zu halten, finde ich es unsicherer, als daran zu arbeiten, dass das Pferd einen mag und gerne da ist. ((Petra: Wie kommt die gute Beziehung zum Pferd zustande, dadurch, dass man immer viele Möhrchen füttert oder wie geht das? Hero: Möhrchen, das könnte die Verbundenheit schon befördern (lacht). Noch besser ist es einfach, mit dem Pferd zu arbeiten.)) Respekt verdient man sich. Petra: Indem man was macht? Hero: Einerseits indem man immer gute Entscheidungen trifft, als Herdenführer. Indem das Pferd keine schlechten Erfahrungen macht, indem man immer nur Dinge fragt, die das Pferd auch machen kann, indem man es nicht überfordert, indem man auch in einer brenzligen Situation, wo das Pferd Angst hat, ruhig bleibt und eine gute Lösung vorzeigt. Und das ist natürlich eine Mischung aus Verbundenheit, könnte man auch Liebe nennen, ja, man ist sich sympathisch und man respektiert einander insofern, dass der andere vielleicht auch bisschen der Chef ist. Petra: Vielleicht auch ein bisschen der Chef ist? Hero: Ja (lacht) ein bisschen, nicht zu sehr, weil ich finde, man ist kein guter Chef, wenn man das raushängen lässt und den anderen unterdrückt. Das Pferd darf durchaus auch Ideen einbringen, das Pferd muss bloß unterscheiden können, wenn wirklich brenzlig wird, wenns gefährlich wäre, dass es dann wirklich der Mensch ist, der entscheidet. Erzählerin (Tatort-Take OT 31 unterlegen) Mit diesem unsichtbaren Band hat Hero ihren ersten Einsatz als Pferdetrainerin beim Fernsehen gemeistert, mit 17 Jahren, für den Tatort „Die Sonne stirbt wie ein Tier“. Ein Stallbesitzer aus Rastatt hatte sie empfohlen. Sie zeigt mir die Szene: {T: Gina liegt auf der Koppel, sie blutet.} Unbeweglich liegt das Pferd da, umringt von Kommissarin Odenthal, zwei Polizisten und einem Tierarzt. {T: Das ist ein Pferderipper. Das muss erschossen werden. Aber nicht mit der Dienstwaffe. Das Tier leidet doch unnötig. Und ich dürft des nitt. Gegen Sie mir die Waffe. Geladen.} Eine große Herausforderung für ein Fluchttier – zumal seine Bezugsperson einige Meter weit weg, hinter der Kamera, stehen muss. {T: PENG} Für den gewünschten leidenden Ausdruck musste das Pferd zudem auch noch komplett entspannt sein – denn mit halboffenen Augen und hängender Unterlippe sieht ein Pferdegesicht am ehesten leidend aus. OT32 Diese Szene ist wohl schon selbst für erfahrene Filmtrainer sehr anspruchsvoll. Also das ist eine Sache, das Pferd dahinzulegen und es bleibt da und so. Das hat etwas mit Respekt dem Trainer gegenüber zu tun. Aber sich zu entspannen, das ist einfach Vertrauen. Und Vertrauen kann man nicht erzwingen. Durch meine Arbeit oder durch meine Partnerschaft zu ihm konnte er sich entspannen und so konnte der Kameramann in dem Moment diesen Gesichtsausdruck filmen. 10 OT33 Petra: Was ist für Dich ein guter Pferdetrainer? Hero: Ein guter Pferdetrainer ist für mich jemand, der nicht leicht wütend wird, der nicht alles persönlich nimmt ((und der einfach ruhig nochmal ´ne Frage wiederholt, wenn es Missverständnisse gibt.)) Pferde können einfach mit großen negativen Emotionen nichts anfangen. Immer wenn wir böse auf ein Pferd sind oder so oder ihm unterstellen, dass es das absichtlich macht, schadet das unserer Beziehung, weil das Pferd das nicht verstehen kann, was wir gerade denken oder von ihm wollen. Da sind wirklich meine Pferde die besten Lehrmeister gewesen, die haben mir einfach gleich gezeigt, wenn ich mal wieder unfair wurde oder zu emotional, dass sie das nicht so toll finden oder haben mir´s gezeigt, indem sie schlechter gelernt haben. Erzählerin: Und so habe sich Hero schlechte Laune weitestgehend abgewöhnt, sagt sie. Bei unseren Treffen, auf Fotos und in Videos hat sie meistens eine Art Schmunzellächeln auf den Lippen. Das hat allerdings nicht nur den Grund, dass dann die Arbeit mit den Pferden besser klappe ... OT34 Hero: Ich steh als wirklich auf und denk: oh wie toll, dass ich so leben darf, ja. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Gerade wenn das Pferd einem plötzlich Beine gibt, die man vorher nicht hatte, also wenn man vorher nicht laufen kann und auf dem Pferd sitzt und das Pferd kann ganz schnell mit einem laufen, das ist ein wahnsinniges Gefühl, dass das Pferd einem praktisch eine Fähigkeit gibt, die man vorher nicht besitzt. Und ich finde es eigentlich unvorstellbar, wenn man so drüber nachdenkt, dass ein so mächtiges Tier mit so viel Kraft und Ausdauer so kooperativ ist mit einem körperlich so unterlegenen Wesen wie einem Menschen, ja. Wir haben ja eigentlich nichts entgegenzusetzen körperlich. Und trotzdem sind sie so kooperativ und auch so gnädig uns gegenüber. Ja, sie tun jeden Fehler irgendwie wieder verzeihen normalerweise. Meine Pferde zumindestens. 11
© Copyright 2024 ExpyDoc