Gonarthrose im MRT? Anmerkungen zur Begrifflichkeit

Hinweis für DGMSR Mitglieder
Gonarthrose im MRT? Anmerkungen zur Begrifflichkeit
Klaus Bohndorf, Frank Roemer
Zusammenfassung:
Die „Arthrose“ allgemein, speziell auch die Gonarthose ist klinisch als symptomatische, oft
progrediente Gelenkdysfunktion definiert. Die röntgenologische Diagnose stützt sich auf den
Nachweis von Osteophyten und Gelenkspaltverschmälerung in der Belastungsaufnahme. Die
MRT entdeckt Begleitbefunde der Arthrose wie Knorpel- und Meniskusschäden sehr sensitiv,
allerdings auch in asymptomatischen Gelenken mit unauffälligem Röntgenbefund. Der
Nachweis einzelner dieser Befunde im MRT rechtfertigt nicht die Verwendung des Begriffs
„Arthrose“. Ein Vorschlag zur Definition der Arthrose im MRT liegt in der Literatur vor. Er
betont das simultane Auftreten mehrerer MRT Befunde . Es ist aber festzuhalten, dass sich
eine anerkannte MRT Definition, die klinische Anwendung findet, im deutschsprachigen
Raum wie auch international bisher nicht durchgesetzt hat.
Die unkritische Verwendung des Begriffes „Arthrose“ bei der MR Befundung von
posttraumatischen und degenerativen Knorpel- und Meniskusschäden gerade auch am
Kniegelenk sollte vermieden werden.
Hintergrund:
Eine arthroskopische Behandlung einer Gonarthrose ist in Zukunft nur noch eingeschränkt
möglich (1). Dieser Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses hat das Ziel einer
Kostendämpfung durch Ausgrenzung wissenschaftlich nicht gesicherter Behandlungen.
Arthroskopische Therapien (z.B. Meniskus(teil)resektionen oder Entfernung von freien
Gelenkkörpern) dürfen damit sowohl ambulant als auch stationär nicht mehr abgerechnet
werden, sofern gleichzeitig eine Gonarthrose vorliegt. Ausgenommen sind akutes Trauma und
Gelenkblockaden. Meniskusschäden können in ausgewählten Fällen noch arthroskopisch
therapiert werden, sofern die Gonarthrose nur eine untergeordnete „Begleiterkrankung“ (1)
darstellt.
Argumentiert wird mit der Datenlage. Das IQWiG* hat für den Bundesausschuss festgestellt,
dass derzeit auf der Grundlage von Ergebnissen aus randomisierten, kontrollierten Studien ein
Nutzen für die Arthroskopie bei Patienten mit Gonarthrose nicht belegt sei.
Das Problem für die arthroskopisch tätigen Kollegen und Kolleginnen ist nicht die
Ausgrenzung von Therapien deren Wirksamkeit nicht belegt ist (u.a. Gelenklavage“,
„Gelenktoilette“ etc.). Im Gegenteil. Befürchtet wird stattdessen, z.B. vom BVASK**, eine
weiter zunehmende Bürokratisierung mit vermehrten kritischen Nachfragen und letztlich ein
erhebliches Regressrisiko für den Operateur. Die Befürchtung ist nicht von der Hand zu
weisen, dass jedes Auftauchen des Begriffs „Arthrose“ und insbesondere dessen unkritische
Kodierung gemäß ICD in den Unterlagen der Krankenkassen „automatisch“ zu Nachfragen
und Prüfungen Anlass geben könnte.
In diesem Zusammenhang spielt die Arbeit der Radiologen und Radiologinnen bei den
häufigen MR-Tomographien des Kniegelenks eine große Rolle. In den schriftlich
dokumentierten Befunden taucht nicht selten der Begriff „Arthrose“ auf, um Schäden des
Knorpels mit oder ohne Meniskuspathologie zusammenzufassen. Dies ist oft sachlich nicht
richtig (s.u.) und kann unter den o.g. neuen Bedingungen zu Unklarheiten hinsichtlich der
Indikationsstellung zur Arthroskopie führen.
Die unkritische oder sogar fälschliche Verwendung von Begriffen wie „Arthrose“ in MRT
Befunden verbessert das Verhältnis von chirurgisch tätigen Fächern und der Radiologie nicht.
Die DGMSR möchte deshalb ihren Mitgliedern und auch allen anderen Interessierten eine
inhaltliche Darlegung auf Basis der derzeitigen Datenlage zur Verfügung stellen.
* Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
** Berufsverband für Arthroskopie e.V.
Arthrose und MRT: Kurzer inhaltlicher Sachstand.
Die Gonarthose ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung eines oder beider Kniegelenke,
gekennzeichnet durch ein zunehmendes Gelenkversagen verbunden mit Veränderungen an der
Gelenkstruktur, Schmerzen und verminderter Beweglichkeit (1).
Die Diagnose „Arthrose“ (engl. „osteoarthritis“) allgemein, nicht nur am Kniegelenk, wird
klinisch und/oder röntgenologisch gestellt (2). Die röntgenologische Diagnose basiert auf
dem Nachweis von Osteophyten und/oder einer reduzierten Gelenkspaltweite (3)
In den letzten Jahren sind eine Reihe von Risikofaktoren ermittelt worden, die eine
progrediente Gelenkschädigung mit dem Endpunkt Arthrose erwarten lassen. Zu den
gelenkbezogenen Risiken gehören am Kniegelenk Achsfehlstellungen, Meniskusschäden,
kleine fokale Knorpeldefekte, Bandinstabilitäten oder subchondrale Knochenmarkläsionen
(„-ödeme“), Gelenkergüsse und die Synovitis (4). Von den systemischen Faktoren sind vor
allem stattgehabtes Knietrauma, chronische Überlastungen, Übergewicht und das Lebensalter
wichtig (5, 6).
Der Nachweis von einzelnen MRT Befunden kann die Diagnose einer Gonarthrose nach
heutiger Definition nicht rechtfertigen, insbesondere, da einzelne MRT Befunde häufig in
asymptomatischen Gelenken ohne radiographische Auffälligkeiten vorliegen (7). Es ist ein
Missverständnis, dass es sich bei der Arthrose um eine sich primär am Knorpel
manifestierende Erkrankung handelt. Die häufig vorgenommene Gleichsetzung von Arthrose
mit „Knorpelschaden“ ist nicht korrekt, da multiple Gelenkstrukturen am Erkrankungsprozess
beteiligt sind und aus diesem Grunde auch mehrere Gelenksstrukturen Veränderungen
aufweisen müssen, um eine Arthrose mittels MRT diagnostizierbar zu machen (8).
Bedeutung für den MRT Befund.
Die MRT detektiert, weit vor der Radiographie, Gelenkveränderungen und Befunde die zum
frühen Arthrosespektrum gehören, aber isoliert keine Diagnose einer Arthrose zulassen. Die
einzelnen Befunde, wie Meniskus- und Knorpelschäden, Ergüsse, Synovitis,
Bandverletzungen u.s.w. sollten in der MRT genau beschrieben werden. Der Versuch,
einzelne dieser MRT Befunde unter der Diagnose „Arthrose“ zusammenzufassen, hat derzeit
keine wissenschaftliche Evidenz. Insbesondere sollte der Begriff nicht leichtfertig verwendet
werden, nur um nicht-inflammatorische, sog „degenerative“ Gelenksveränderungen, von
systemisch-entzündlichen Veränderungen (z.B. rheumatoide Arthritis) abzugrenzen („kein
Rheuma - also Arthrose“).
Literatur
1.Beschluss des gemeinsamen Bundesausschusses: Arthroskopie des Kniegelenks bei
Gonarthrose vom 27.11.2015. In: http://g-ba.de
2. Altman R., E. Asch, D. Bloch et al. The American College of Rheumatology criteria for the
classification and reporting of osteoarthritis of the knee. Arthritis Rheum 1986;29:1039-1049.
3.Amin S., LaValley MP., Guermazi A. et al. The relationship between cartilage loss on
magnetic resonance imaging and radiographic progression in men and women with knee
osteoarthritis. Arthris Rheum 2005; 52: 3152-9
4. Roemer FW, Kwoh CK, Hannon MJ et al. What comes first? Multitissue involvement
leading to radiographic osteoarthritis: magnetic resonance imaging-based trajectory analysis
over four years in the osteoarthritis initiative. Arthritis Rheumatol. 2015;67:2085-96.
5.Cooper C, Snow S, McAlindon TE et al. Risk factors for the incidence and progression of
radiographic knee osteoarthritis. Arthritis Rheum. 2000;43:995-1000.
6. Felson DT, Zhang Y, Hannan MT, et al. Risk factors for incident radiographic knee
osteoarthritis in the elderly: the Framingham study. Arthritis Rheum 1997;40:728–733.
7.Guermazi A., Niu J., Hayashi D. et al. Prevalence of abnormalities in knees detected by
MRI in adults without knee osteoarthritis: a population based observational study
(Framingham Osteoarthritis Study). BMJ 2012 345:e5339
8.Hunter D.J., Arden N., Conaghan PG. et al. Definition of osteoarthritis in MRI: results of a
Delphi exercise. Osteoarthrits and Cartilage 2011; 19:963-9