Mehr ist besser Vielfalt und Menge der Bodentiere bestimmen

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM160606_Laubabbau.pdf
Mehr ist besser
Vielfalt und Menge der Bodentiere bestimmen Laubabbau im Wald
Foto: Dr. Anett Richter, UFZ/iDiv
Eines der Untersuchungsgebiete: Buchenwald im Nationalpark Hainich-Dün.
In Wäldern bilden Kleintiere, die das herabfallende Laub zersetzen, komplexe Nahrungsnetze und
sind maßgeblich für das Funktionieren des Ökosystems. Eine Studie in über 80 Wäldern in
Deutschland und auf Sumatra (Indonesien) hat nun gezeigt, dass über größere Landschaften
gesehen vor allem zwei Faktoren diese Funktion beeinflussen: die Menge an Tieren sowie deren
Artenvielfalt. In bisherigen Untersuchungen war der Zusammenhang zwischen Biodiversität und
Ökosystem-Funktionen meist nur auf kleinen Versuchsflächen getestet worden.
Mehr ist besser
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Energie berechnet, die durch das Nahrungsnetz in der Laubstreu fließt
Auf diesen Flächen können zwar die Artenzahlen gut kontrolliert werden, doch dafür sind diese
Zahlen gewöhnlich relativ niedrig und die Nahrungsnetze somit wenig komplex. In einer neuen
Studie haben Forscher nun untersucht, inwieweit sich die Ergebnisse aus solchen Experimenten
auf reale Landschaften übertragen lassen. Dazu sammelten sie in 80 Wäldern in Deutschland und
auf Sumatra (Indonesien) jeweils auf einem Quadratmeter Boden alles Laub ein, um die darin
lebenden Tiere zu untersuchen: vor allem Insekten, Spinnen und Schnecken, insgesamt über
12.000 Individuen aus knapp 1.200 Arten. Aus diesen Daten berechneten sie die Energie, die
durch das Nahrungsnetz in der Laubstreu fließt. Diese wiederum diente ihnen als Maß für den
Abbau des Laubes am Waldboden.
Die Nahrungsnetze, in denen die in den Blättern gespeicherte Energie umgesetzt wird, sind sehr
komplex. So fressen zum Beispiel Springschwänze die herabgefallenen Blätter, werden ihrerseits
von Milben gefressen, denen wiederum Räuber wie Spinnen nachstellen. Indem die Bodentiere auf
diese Weise das herabfallende Laub zersetzen (gemeinsam mit Pilzen und Bakterien), haben sie
eine wichtige Funktion im Wald-Ökosystem. Ohne sie würden sich die Blätter innerhalb weniger
Jahre meterhoch auftürmen. "Die Zersetzer sind für den Wald, was die Müllabfuhr für unsere
Städte ist", erklärt Studienleiter Ulrich Brose, Leiter der Forschungsgruppe Biodiversitätstheorie am
Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv und Professor an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU).
Zusammensetzung der Tiergemeinschaft spielt untergeordnete Rolle
Der Fluss an Nahrungsenergie durch die Laubstreu, so das Ergebnis der Studie, ist dann
besonders hoch, wenn es sich um eine arten- und individuenreichen Zersetzergemeinschaft
handelt. Solche Gemeinschaften haben die Forscher vor allem in naturnahen, wenig
bewirtschafteten Wäldern gefunden - sowohl in Deutschland als auch auf Sumatra. "Unsere
Ergebnisse zeigen, dass die Funktion von natürlichen und komplexen Ökosystemen letztlich durch
einfache Zusammenhänge bestimmt wird: Je mehr einzelne Tiere vorhanden sind und je größer
deren Artenreichtum, umso besser funktioniert das System". Hingegen spielten in der Studie die
konkrete Zusammensetzung der Tiergemeinschaft sowie die Eigenschaften der einzelnen Arten
eine untergeordnete Rolle. Diese Faktoren hatten in vorangegangenen Experimenten häufig einen
starken Einfluss auf Ökosystem-Funktionen gezeigt. "Sind insgesamt weniger Arten vorhanden,
wie es auf kontrollierten Versuchsflächen gewöhnlich der Fall ist, ist der Einfluss einzelner Arten
hoch. In großen Artengemeinschaften fallen einzelne Arten aber offenbar weniger ins Gewicht und
es gilt die einfache Regel 'mehr ist besser'", so Brose. "Dass dies offenbar für Wälder in Indonesien
und Deutschland gleichermaßen gilt, war schon eine Überraschung," ergänzt der Erstautor der
Studie, Andrew Barnes. Schließlich würden sich die Wälder selbst, aber auch die Methoden der
Bewirtschaftung in den beiden Gebieten deutlich unterscheiden. Barnes hatte die Studie an der
Georg-August-Universität Göttingen durchgeführt, ist jedoch mittlerweile ebenfalls ans Deutsche
Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) gewechselt. Ihre Ergebnisse haben die
Forscher in einem Sonderband der renommierten Fachzeitschrift Philosophical Transactions of the
Royal Society B veröffentlicht, der sich der Dynamik von Biodiversität und Ökosystem-Funktionen
auf Ebene der Landschaft widmet.
Die Waldstücke, in denen die Forscher ihre Proben gesammelt haben, lagen auf Sumatra bis zu 90
Kilometer, in Deutschland bis zu 630 Kilometer voneinander entfert. Außerdem unterschieden sie
sich darin, wie stark sie vom Menschen genutzt und beeinflusst wurden. Die Untersuchungsflächen
auf Sumatra reichten von urwaldähnlichen Gebieten bis hin zu Ölpalmen-Monokulturen, jene in
Deutschland von unbewirtschaftetem Buchenwald bis hin zu stark genutztem Nadelwald. Die
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deutschen Flächen lagen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin (Brandenburg), dem
Biospährengebiet Schwäbische Alb (Baden-Württemberg) sowie im Gebiet Hainich-Dün
(Thüringen), das teilweise ein Nationalpark ist. Sie gehören zur Forschungsplattform
"Biodiversitäts-Exploratorien". Die Proben aus Indonesien wurden im Rahmen des
Sonderforschungsbereichs "Ökologische und sozioökonomische Funktionen tropischer
Tieflandregenwald-Transformationssysteme" (Georg-August-Universität Göttingen) genommen.
Finanzierung:
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des SFB 990 "Ökologische und
sozioökonomische Funktionen tropischer Tieflandregenwald-Transformationssysteme" an der
Georg-August Universität Göttingen, im Rahmen des Verbund-Projektes
"Biodiversitäts-Exploratorien" (Schwerpunktprogramm 1374 - Bereich Infrastruktur); sowie im
Rahmen der Förderung des Forschungszentrums "Deutsches Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung (iDiv)"; Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur im
Rahmen des Projekts "BEFmate".
Original-Publikation:
Andrew D. Barnes, Patrick Weigelt, Malte Jochum, David Ott, Dorothee Hodapp, Noor Farikhah
Haneda, Ulrich Brose (2016): Species richness and biomass explain spatial turnover in ecosystem
functioning across tropical and temperate ecosystems. Philosophical Transactions of the Royal
Society B - Biological Sciences. 371 20150279; DOI: 10.1098/rstb.2015.0279. Erschienen am 25
April 2016 im Sonderband 'Biodiversity and ecosystem functioning in dynamic landscapes', Hrsg.
Ulrich Brose und Helmut Hillebrand.
Kontakt:
Prof. Dr. Ulrich Brose
Leiter der Forschungsgruppe Biodiversitätstheorie am Deutschen Zentrum für integrative
Biodiversitätsforschung iDiv Halle-Jena-Leipzig und Professor für Biodiversitätstheorie an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 0341 / 9733 205
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