Nanopartikelsynthese in Sprayflammen

Schwerpunktprogramm SPP1980 Nanopartikelsynthese in Sprayflammen
SpraySyn:Messung,Simulation,Prozesse
Programmausschuss Koordinator:  Prof. Dr. Christof Schulz (IVG, Institut für Verbrennung und Gasdynamik – Reaktive Fluide, IVG, Universität Duisburg‐Essen) Weitere Mitglieder:  Prof. Dr.‐Ing. Lutz Mädler (Verfahrenstechnik, Institut für Werkstofftechnik, Universität Bremen)  Prof. Dr.‐Ing. Andreas Kempf (Institut für Verbrennung und Gasdynamik – Fluiddynamik, IVG, Universität Duisburg‐Essen)  Prof. Dr.‐Ing. Bernhard Weigand (Institut für Thermodynamik der Luft‐ und Raumfahrt, ITLR, Universität Stuttgart) 1 Zusammenfassung
Die Sprayflammensynthese bietet einen vielversprechenden Ansatz zur Herstellung funktionaler Nanomaterialen. Bereits heute ist durch vielfältige Arbeiten im Labormaßstab das Potenzial des Ver‐
fahrens zur Herstellung technologisch hoch relevanter Materialien nachgewiesen. Im Vergleich zu existierenden großtechnischen Gasphasenprozessen bietet die Sprayflammensynthese den Zugang zu einer Fülle an Materialien, die sich nicht mit anderen Prozessen herstellen lassen. Die tatsächliche industrielle Nutzung scheitert bisher aber an der Notwendigkeit des Einsatzes teurer Ausgangsstoffe und einem unzureichenden Prozessverständnis. Diese Situation soll im Rahmen des SPP1980 durch einen interdisziplinären Ansatz überwunden werden, der die Grundlagen für die praktische Nutzung und (weitere) industrielle Verbreitung der Sprayflammensynthese schafft. Die Chancen hierfür sind hervorragend, da sich – bisher isoliert in verschiedenen Fachdisziplinen – in den letzten Jahren ein experimentelles, theoretisches und simulationstechnisches Instrumentarium entwickelt hat, mit dem eng verwandte Teilprozesse erfolgreich untersucht und beschrieben werden können. Ziel des Schwerpunktprogrammes ist, diese – in sich bereits komplexen – Ansätze für die Untersuchung und theoretische Beschreibung von Sprayflammensyntheseprozessen zu ertüchtigen und in einem inter‐
disziplinären Netzwerk zusammenzuführen. Somit lassen sich Teilprozesse analysieren und die Kenntnisse in einem Gesamtmodell integrieren, so dass erstmals die Chance zu einem fundamenta‐
len Prozessdesign eröffnet wird. Dadurch sollen teure Ausgangsmaterialien substituiert und in den Industriemaßstab skalierbare Verfahren entwickelt werden, die die gezielte Herstellung von Materia‐
lien mit einem weiten Eigenschaftsspektrum ermöglichen. Dieser Ansatz fußt auf der Entwicklung und Anwendung von spezifischen In‐situ‐Analytikverfahren, der Erstellung von chemischen Mechanismen durch grundlegende kinetische Experimente und theo‐
retische Berechnungen und einer umfassenden, an das Problem angepassten Simulation der Prozess‐
kette Prekursorlösung – Spray – Flamme – Partikel. Eine Schlüsselstellung nimmt die Entwicklung und Nutzung eines Standardexperiments ein, das international als Referenzexperiment mit umfangrei‐
chem Validierungsdatensatz etabliert werden soll und langfristig als Ankerpunkt der Erforschung und Entwicklung der Partikelsynthese in Sprayflammen dienen wird. SPP1980 SpraySyn 2 Die Betrachtung nachgeschalteter Vorgänge zur Morphologievariation des primär gebildeten Produk‐
tes sowie die Untersuchung von isolierten Einzelaspekten sind nicht Teil dieses SPP. Das Schwerpunktprogramm gliedert sich in die Themenblöcke  In‐situ‐Messtechnik  Theorie und Simulation  Prozesse Als verbindendes Element dienen eine gemeinsame Modellkonfiguration und die Fokussierung auf festgelegte Materialsysteme. Alle Teilprojekte werden unmittelbar von einer (in den meisten Fällen aber von beiden) dieser Festlegungen beeinflusst und somit die Kohärenz des SPP1980 gewährleistet.
2 Hintergrund
Die Synthese von spezifischen Nanomaterialien durch Zerstäubung und Verbrennung von Lösungen geeigneter Prekursor‐Mischungen in Form von Sprayflammen hat ein hohes Potenzial. Sie ermög‐
licht, in einem kontinuierlichen Prozess und auf Basis von kostengünstigen Ausgangssubstanzen, komplexe und hochreine Nanomaterialien im Abgas der Sprayflamme in der Gasphase herzustellen. Durch das Sprayverfahren kann dabei eine große Vielfalt an chemischen Elementen genutzt und kombiniert werden. Dies unterscheidet den Sprayflammenprozess wesentlich von der industriell etablierten Partikelherstellung in Gasflammen. Bei geeigneter Prozessführung gelingt die Herstellung von Materialien mit definierter Zusammensetzung, Partikelgröße und Morphologie – auch jenseits der thermodynamischen Stabilitätsgrenzen und damit außerhalb des erreichbaren Materialspekt‐
rums von Syntheseverfahren in der Flüssigphase. Ebenfalls lassen sich in Sprayflammen nanoskopi‐
sche Mischungen und Komposite unterschiedlicher Materialsysteme erzielen. Solche Materialien sind von großem praktischem und kommerziellem Interesse in einem weiten Anwendungsfeld, das z.B. technische Katalyse, Batteriespeicher und Photovoltaik einschließt. In über 600 Veröffentlichungen der letzten Jahre wurde von etwa 30 akademischen Arbeitsgruppen weltweit die Sprayflammensyn‐
these von ca. 300 verschiedenen Materialien beschrieben und somit die prinzipielle Machbarkeit im Experiment nachgewiesen. Darüber hinaus zeigen die Untersuchungen ein großes Potenzial für bis‐
her nicht erschlossene Materialien. Dass die Produktion von Nanomaterialien aus flüssigen Vorläufermaterialien in Gasphasensynthe‐
seprozessen im industriellen Maßstab grundsätzlich gelingt, zeigen etablierte Prozesse zur Herstel‐
lung von SiO2 (fumed silica), TiO2 und technischem Ruß (carbon black). Auch erste Kleinanlagen für die Sprayflammensynthese sind kommerziell verfügbar. Eine Übertragung in den technischen Maß‐
stab und eine damit verbundene Anwendung von hochattraktiven Materialien in großflächig einge‐
setzten Produkten hat bisher aber nur ansatzweise stattgefunden [4]. Dadurch können vielfältige Anwendungsfelder bisher nicht untersucht und weiter entwickelt werden, weil die erforderlichen Materialien für die Weiterverarbeitung und Produktentwicklung nicht in auseichender Menge zur Verfügung stehen. Die großtechnische Nutzung scheitert bisher insbesondere an dem Hindernis, dass für die Sprayflammensynthese mit dem bisherigen Kenntnisstand vielfach teure Spezialchemikalien (metallorganische Ausgangsstoffe) und teure Lösungsmittel (Xylol, etc.) eingesetzt werden müssen. Zudem sind zentrale Prozesse wie der Übergang der Substanzen aus dem Tropfen in die Gasphase, deren Reaktionen und die Interaktion der primären Zerfallsprodukte mit der Flamme bisher nicht genügend verstanden. Damit fehlen Ansätze, die es erlauben, die Prozesse kostengünstig zu steuern, beispielsweise unter Einsatz von Salzlösungen (Nitrate, Carbonate) mit üblichen Lösungsmitteln (ein‐
fache aliphatische Kohlenwasserstoffe, Alkohole oder sogar Wasser). Diese Hürde zu überwinden, erfordert eine deutliche Erweiterung des Detailverständnisses der Prozesskette von Lösungsstabili‐
sierung – Spraybildung und ‐verdampfung1 – Interaktion der Prekursoren und Metallatome mit der Flammenchemie – und Partikelbildung und ‐wachstum im komplexen turbulenten reaktiven Strö‐
mungsfeld. Bisher auftretende Schwierigkeiten sind beispielsweise die vorzeitige Hydrolyse von noch 1
Im Text wird durchgehend der Begriff Verdampfung benutzt, auch wenn es sich streng genommen um Verdunstung handelt. Dies geschieht, da das Thema eine große Anzahl von Fachkreisen anspricht, die vielfach die Begriffe nicht explizit unterscheiden. SPP1980 SpraySyn 3 nicht verdampften Ausgangsstoffen, die Bildung großer Feststoffpartikel während der Tropfenver‐
dampfung, die Verunreinigung des Produktes durch Rußbildung infolge einer lokal unvollständigen Verbrennung oder die Ausbildung einer breiten Eigenschaftsverteilung durch großräumige Wirbel. Viele dieser Probleme lassen sich auf unerwünschte Inhomogenitäten, Rückvermischung oder nicht aufeinander abgestimmte Kinetiken zurückführen, die bisher noch nicht unter Kontrolle sind. Die Entwicklung der derzeit existierenden Verfahren zur Sprayflammensynthese erfolgte bisher weitgehend phänomenologisch mit dem Fokus auf den Eigenschaften der erzeugten Materialien. Der Ansatz beruhte in der Regel auf einer Ex‐situ‐Charakterisierung der hergestellten Materialien und einer weitgehend empirischen Variation von Ausgangssubstanzen, Reaktionsbedingungen und Bren‐
nergeometrien. Diese Entwicklung war in der Vergangenheit weitestgehend abgekoppelt von den Fortschritten in verwandten Themenfeldern, insbesondere der klassischen Verbrennungsforschung, der Sprayerzeugung, der Interaktion von Prekursoren und Brennstoffen bzgl. Lösungsstabilisierung und ‐verdampfung sowie der Beschreibung von Mehrphasenströmungen. Daher ist – trotz der de‐
monstrierten Erfolge – offensichtlich, dass durch die synergetische Nutzung der teilweise jahrzehn‐
telangen Vorerfahrungen im Bereich des Brennerdesigns, der Nanopartikelsynthese in vorgemisch‐
ten Gasphasensystemen, der neuen In‐situ‐Messverfahren und Simulationsansätze für reaktive Strömungen, dem verbesserten mechanistischen Verständnis von Verbrennungsprozessen sowie der neuen Möglichkeiten zur theoretischen Beschreibung der Eigenschaften der Lösungen von Prekurso‐
ren in Lösungsmitteln erstmals die realistische Chance besteht, die oben genannten Hürden zu überwinden. 2.1 StrukturierungderFragestellung
Die Synthese von Nanopartikeln in Sprayflammen durchläuft eine Se‐
quenz von aufeinanderfolgenden Pro‐
zessen, die in starkem Maß von Inter‐
aktionen auf der molekularen Ebene sowie von ultraschnellen physikali‐
schen und chemischen Prozessen be‐
stimmt werden. Im Sinne dieser Se‐
quenz (Abbildung 1) lässt sich der Pro‐
zess in Elementarprozesse im Spray (weitgehend dominiert durch moleku‐
lare Interaktion und Flüssigkeitseigen‐
schaften), in der Flamme (dominiert durch ultraschnelle Radikalreaktionen und deren Interaktion mit Strömungs‐
prozessen) und der Partikel (Oberflä‐
chenwachstum, Koaleszenz und Ag‐
Abbildung 1: Sequenz relevanter Vorgänge in der Sprayflammensyn‐
gregation) unterteilen. Tatsächlich these von Nanopartikeln. laufen diese Prozesse in einer Spray‐
flamme aber nicht räumlich und zeit‐
lich isoliert ab. Aufgrund der unterschiedlichen Zeitskalen von Spraybildung und ‐verdampfung (lang‐
sam), Prekursorzerfall (schnell), Flammenchemie (ultraschnell) und Partikelbildung (mit temperatur‐
abhängiger Konkurrenz von Koaleszenz und Aggregation) überlappen die jeweiligen Prozesse. Dadurch weist die Sprayflammensynthese einen erheblich höheren Komplexitätsgrad auf als die Flammensynthese von Nanomaterialien auf Basis homogen vorgemischter Gase. Zudem sind Prekur‐
sor‐ und Flammenchemie über katalytische Prozesse stark gekoppelt. Diese Effekte werden durch Turbulenz und rezirkulierende Strömungen sowie örtliche Temperaturvariationen weiter kompliziert, so dass nur eine gekoppelte Betrachtung der Elementarprozesse – wie sie im SPP1980 SpraySyn erstmals möglich sein wird – zum Erfolg führen kann. Zur erfolgreichen Beschreibung des Gesamtprozesses ist daher eine enge Zusammenarbeit verschie‐
dener Fachdisziplinen erforderlich, die jeweils unterschiedliche, sich gegenseitig stützende Themen‐
SPP1980 SpraySyn 4 felder innerhalb des Schwerpunktprogramms verfolgen. Viele dieser Themen werden hier erstmals im Zusammenhang der Partikelsynthese betrachtet und damit durch dieses zentrale Thema ver‐
knüpft. Die folgenden Abschnitte beschreiben den Stand der Technik in diesen vier Themenfeldern, die jeweils von den vier Initiatoren des Schwerpunktprogramms repräsentiert werden. Die eigenen Forschungsbeiträge der Initiatoren nehmen darin einen wichtigen Stellenwert ein. Abbildung 2: Interaktion der vier Fachdisziplinen, die das SPP1980 tragen und die hier relevanten Fragestellungen. Teilprojekte des SPP1980 kombinieren Aspekte der unterschiedlichen Felder zur Bearbeitung ausgewählter Themen in kooperativer inter‐
disziplinärer Zusammenarbeit. Potenzielle Antragsteller in den verschiedenen Bereichen: Siehe Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden wer‐
den.. 2.1.1
PartikelsyntheseinSprayflammen
Die Sprayflammensynthese von Nanopartikeln entstand aus der konsequenten Weiterentwicklung der allgemeinen Flammensynthese, die bereits seit vielen Jahrzehnten für SiO2, TiO2 und Industrieruß eine etablierte und großtechnisch genutzte Technologie darstellt. Die Entwicklung ergab sich aus dem großen Bedarf an Oxiden verschiedener Übergangsmetalle mit sehr hoher spezifischer Oberflä‐
che und wurde vor allem aus den Bereichen Katalyse und Sensorik motiviert [5]. Dabei wurde die direkte Flammensynthese aus gasförmigen oder verdampften Ausgangsstoffen immer als Alternative zu etablierten Prozessen aus der Flüssigphase, wie Fällung oder Sol‐Gel‐Synthese, verstanden [6]. Ihre inhärenten Vorzüge, wie die hohe Produktionsrate, kontinuierliche Prozessführung, hohe Rein‐
heit der Produkte, nicht‐kontaminierte Partikeloberflächen, Synthese spezifischer Partikelmorpho‐
logien und vor allem die Möglichkeit, metastabile Kristallphasen durch hohe Prozesstemperaturen und ‐gradienten einzufrieren, sind wesentliche Vorteile gegenüber anderen Verfahren. Um jedoch Materialien, die Elemente wie zum Beispiel Cer, Zirkon, Platin, Palladium oder Bismut enthalten, in Flammenreaktoren synthetisieren zu können, müssen diese Elemente in die Gasphase überführt werden. Großtechnisch ist jedoch die reine Verdampfung entsprechender Prekursoren nicht möglich, weshalb für die Herstellung entsprechender Materialien in der Gasphase meistens nur eine Zerstäubung der in einem verdampfbaren Lösungsmittel gelösten Ausgangsstoffe möglich ist. Die Zerstäubung erzeugt eine sehr große Phasengrenzfläche, über die in der heißen Reaktionszone die Überführung der Metallatome bzw. ‐ionen aus der Flüssigphase in die Gasphase gelingt. Auf Basis dieser Technologie können heute nahezu alle Metalle des Periodensystems in der Sprayflammensyn‐
these verarbeitet werden. Eine Auflistung aller bis 2010 hergestellten Materialien findet sich im Übersichtsartikel von Teoh et al. [7]; eine sehr gute Übersicht, insbesondere bezüglich katalytisch aktiver Materialien aus der Sprayflammensynthese, wurde von Strobel et al. erstellt [5]. Die Spanne der heute möglichen Materialien umfasst einfache binäre Metalloxide (TiO2, CeO2, Bi2O3), Metalloxi‐
de, die bereits in der Sprayflammensynthese mit Edelmetallen funktionalisiert werden (z.B. Pt/TiO2, Pd/CeO2) [8,9], ternäre Mischmetalloxide (CexZryOz, ITO) [10], speziell auch Spinelle und Perowskite, aber auch Fluoroapatite and Kalziumphosphate [11] sowie gemischte Oxide. Für potenzielle Anwen‐
dungen sind besonders Hochtemperaturphasen interessant, die mit anderen Verfahren nur schwer oder gar nicht zugänglich sind, in der Flamme aber als metastabile Materialien gewonnen werden SPP1980 SpraySyn 5 können (z.B. In4Sn3O12) [12]. Die Anwendungen all dieser Materialien umfassen die Katalyse, Pho‐
tokatalyse, Batterien, Sensorik, Brennstoffzellen, Komposite und Zusatzstoffe für Lebensmittel. Heute bestehen die besonderen Herausforderungen in der Materialsynthese vor allem in der ge‐
zielten Einstellung der chemischen Zusammensetzung und Kristallphase, insbesondere von ternä‐
ren und quaternären Verbindungen sowie Kompositen. So lassen sich mit der Sprayflammensynthe‐
se beispielsweise bisher nur sehr schwer phasenreine Perowskite herstellen, da beispielsweise die höheren Homologen des Calciums, Strontium und Barium, aufgrund der hohen thermischen Stabilität von – während der Verbrennung gebildeten – Carbonaten nicht oder nur eingeschränkt für die Perowskitbildung zur Verfügung stehen. Ein wesentlicher Grund sind wahrscheinlich die lokal stark unterschiedlichen Reaktionsbedingungen wie Temperatur, Verweilzeit und Spezieskonzentration, wie sie in einem Spray auftreten. Dieser Problemstellung wurde bisher nur empirisch begegnet, was je‐
doch noch nicht zur Phasenreinheit geführt hat. Unbekannt und unverstanden ist in diesem Zusam‐
menhang bisher, welche Rolle die Flammenchemie (und damit auch die Zusammensetzung der Pre‐
kursorlösung) spielt und welche Spezies (sowohl Intermediate als auch Endprodukte) zu welchem Zeitpunkt gebildet werden. Die Herstellung dieser Materialgruppe mittels Sprayflammensynthese wäre jedoch hochinteressant, da Perowskite neben der heterogenen Katalyse auch für photokatalyti‐
sche und thermoelektrische Anwendungen sehr gefragt sind. Je komplexer die chemische Zusam‐
mensetzung des Zielmaterials ist, umso wichtiger wird das detaillierte Verständnis der zugrunde lie‐
genden Zerfallsprozesse der Ausgangsstoffe sowie der nachfolgenden Bildungs‐ und Wachstumspro‐
zesse. Homogene, einphasige Produkte mit gezielt einstellbarer Zusammensetzung lassen sich in Sprayflammen nur dann sicher herstellen, wenn alle Prekursoren während des Entstehungsprozesses geeignete Temperaturen und Temperaturgradienten durchlaufen, damit beispielsweise eine zuver‐
lässige thermische Zersetzung intermediär gebildeter Carbonate stattfinden kann. Eine weitere Herausforderung an die Synthese ergibt sich aus der gezielten Herstellung (oder Ver‐
meidung) von Spinellstrukturen, beispielsweise von katalytisch sehr attraktivem Co–Al2O3 [13]. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Bedarfs an edelmetallfreien Katalysatoren sind solche Verbin‐
dungen – wie auch zweiphasige Kompositmaterialien – wichtige Stoffe für die Katalyse chemischer Reaktionen. Co–Al2O3‐Verbindungen können jedoch in der Sprayflammensynthese bisher nicht ge‐
wonnen werden, da sich Cobaltaluminat‐Spinelle (CoAl2O4) bilden. Gleiches gilt auch für Manganver‐
bindungen [14]. Bisher gibt es hier nur empirische Untersuchungen, wobei sich bis heute nur die Zweiflammensynthese, in der jede Komponente einzeln synthetisiert wird, bewährt hat. Bei diesen Verbindungen wie auch bei der Synthese von Eisenoxiden spielt dabei das Oxidationspotenzial der Flamme eine entscheidende Rolle bezüglich der chemischen Zusammensetzung des Produktes. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Herstellung einfacher binärer und ternärer Materialien in‐
zwischen zwar weit verbreitet ist und zum Teil in großem Maße industriell genutzt wird, das Potenzial der Sprayflammensynthese zur Herstellung vor allem komplexerer Systeme bisher aber weitgehend empirisch erforscht wird, da es vielfach am Detailverständnis der Sprayflammensynthese fehlt. 2.1.2
In‐situ‐MessungeninderFlammensynthesevonNanopartikeln
Für die Untersuchung von Verbrennungsprozessen wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Verfahren entwickelt, die einen detaillierten Einblick in das Reaktionsgeschehen mit hoher örtlicher und zeitlicher Auflösung liefern. Insbesondere berührungslos arbeitende laseroptische Verfahren sind mittlerweile aus der Grundlagenforschung und der Entwicklung von technischen Verbrennungs‐
prozessen nicht mehr wegzudenken [15]. Besonders eng hat sich hierbei die Zusammenarbeit von In‐
situ‐Messtechnik und numerischer Simulation entwickelt. Exemplarisch sei hier das Gebiet inner‐
motorischer Prozesse [16] genannt, bei denen Spraybildung, Verdampfung, Turbulenz, Verbrennung und (Ruß‐)Partikelbildung eine komplexe Aufgabe für Messung und Simulation liefern. Dieses Ar‐
beitsgebiet hat zahlreiche Parallelen zur hier betrachteten Partikelsynthese in Sprayflammen. Daher können zahlreiche im Bereich der Verbrennungsforschung etablierte Messverfahren mit hoher Er‐
folgswahrscheinlichkeit auf die hier relevante Fragestellung übertragen werden. Vereinzelte Anwen‐
dungen (Laser‐)optischer Messverfahren liegen bereits im Bereich der Nanopartikelsynthese in Flammen vor – es ergibt sich aber ein weites Entwicklungsfeld, um hochrelevante quantitative In‐situ‐Daten bereitstellen zu können. SPP1980 SpraySyn 6 Die folgenden Fragestellungen sind hierbei von Interesse: Um die Randbedingungen der Simulation zu definieren ist eine Messung der Gasphasen‐Geschwin‐
digkeitsverteilungen insbesondere im Eindüsungsbereich der Reaktoren erforderlich. Daher sind räumlich aufgelöste Messungen dieser Größen von großem Interesse, auch wenn sie bisher bei der Charakterisierung von Nanopartikel‐Synthesereaktoren wenig Beachtung gefunden haben. Zweidi‐
mensionale Bilder der Verteilung der Strömungsgeschwindigkeiten erhält man mittels Particle Ima‐
ging Velocimetry (PIV) [17]. In Kombination mit den in der Folge genannten Messverfahren erlauben die Geschwindigkeitsfelder die Bestimmung der Historie eines reagierenden Volumenelements auf dem Weg durch den Reaktor. Die Verteilung der Gasphasentemperatur stellt eine der wichtigsten Messgrößen zur Charakterisie‐
rung der in den Synthesereaktoren vorherrschenden Bedingungen dar und ist zudem als Eingangs‐ und Validierungsparameter für realitätsnahe Simulationsrechnungen, die die chemische Kinetik mit berücksichtigen sollen, unabdingbar. Aus der Temperaturdiagnostik in partikelfreien Flammen sind neben der laserinduzierten Fluoreszenz (LIF) [18‐21], die Rayleigh‐ [22,23], Raman‐ [24,25] und Ab‐
sorptions‐Spektroskopie [26,27] etabliert. Allerdings haben neben der Raman‐Spektroskopie auch die nichtlinearen Verfahren DFWM und CARS [21,28,29] den Nachteil, keine bildgebenden Informationen zu liefern. In partikelbeladenen Flammen muss außerdem eine Beeinträchtigung der Messgenauig‐
keit durch lichtstreuende und ‐absorbierende Partikel berücksichtigt werden, die sowohl das ins Pro‐
benvolumen eintretende Analyselicht als auch die wieder austretende zu analysierende Strahlung beeinflussen. Für die bildgebende Thermometrie hat sich in partikelbeladenen Gasen bisher aus‐
schließlich die LIF‐Diagnostik [30‐32] bewährt. Das Filtered Rayleigh Scattering [33], das auch für Temperaturmessungen in partikelbeladenen Flammen [34] und nahe an Oberflächen [35] genutzt wurde, kann dagegen bei Nanopartikel‐beladenen Strömungen nur begrenzt eingesetzt werden, da die Nanopartikel in der Bildungsphase eine ähnliche Geschwindigkeitsverteilung aufweisen wie die Gasphasenmoleküle und das Streulicht daher eine vergleichbar große Dopplerverbreiterung zeigt. Andererseits können gezielt „Markerspezies“ dem flüssigen Brennstoff oder den Frischgasen zuge‐
mischt werden, um Temperatur und Gasmischungsprozesse abzubilden. Dies spielt insbesondere im Bereich der Kraftstoff/Luft‐Mischung oder bei der Zugabe sekundärer Reagenzien in die Reaktoren eine wichtige Rolle. Hier haben sich entweder organische Tracer (Aceton [36], Toluol [37] etc.) im Aufheizbereich der Frischgase oder NO [38,39] bewährt. Um eine Datenbasis zur Validierung von CFD‐Simulationen und chemisch kinetischer Modelle zu er‐
stellen sind orts‐ und zeitaufgelöste quantitative Konzentrationsmessungen von Gasphasenspezies erforderlich. LIF bietet eine etablierte Methode zum empfindlichen ortsaufgelösten (abbildenden) Nachweis kleiner Moleküle und Atome in reaktiven Gasphasenprozessen [40,41]. In Flammen und Plasmen kommen als Zielspezies die natürlich auftretenden Atome oder Moleküle wie Fe [42], H2CO [43], CH [44], OH [45], SiO [46,47], FeO [48], AlO und TiO [32] infrage. Eine wesentliche Herausforde‐
rung – auch im SPP1980 – ist die Erhöhung der Zahl der Spezies, die mit LIF quantitativ erfasst wer‐
den können. LIF muss aufgrund der meist unbekannten Stoßlöschung (Quenching) in der Regel kalib‐
riert werden. Hierfür sind verschiedene Methoden entwickelt worden, z.B. die back & forth (b&f)‐
Methode [49], die direkte In‐situ‐Messung effektiver Fluoreszenz‐Lebensdauern der jeweils unter‐
suchten Spezies [43,50], sowie eine Kalibrierung mit Raman‐ oder Rayleighstreuung [44,51]. Eine dem b&f‐Verfahren ähnliche Methode wurde zur quantitativen 2D‐LIF‐Messung von Eisenatom‐
Konzentrationen entwickelt. Daraus wurden neue Ergebnisse zur Weiterentwicklung der reaktionski‐
netischen Modellierungen des Prozesses ermittelt [42]. Absorptionsmessungen liefern bei Kenntnis des Spezies‐spezifischen Absorptionskoeffizienten absolute Konzentrationswerte, die allerdings räumlich entlang des Strahlweges aufintegriert sind. Die Fourier‐Transform‐Infrarotspektroskopie (FTIR) ermöglicht, zahlreiche als Edukte, Intermediate oder Produkte auftretende Spezies mit der für die hier interessierenden subatmosphärischen Drücke notwendigen spektralen Auflösung zu detek‐
tieren. Die Methode wurde bereits für die Charakterisierung von Nanopartikelbildungsprozessen in Flammen eingesetzt [52,53] und ist ein wesentliches Element der Arbeiten im SPP1980 werden. In‐situ‐Diagnostikverfahren für die Partikelphase sind besonders wichtig für ein tieferes Verständnis der Nanopartikel‐Bildungsprozesse sowie für die Erstellung einer Datenbasis für die Validierung von Simulationen. Als ortsauflösendes In‐situ‐Verfahren zur Bestimmung der Partikelkonzentration, ‐grö‐
SPP1980 SpraySyn 7 ße und ‐zusammensetzung wurde in den letzten Jahren die laserinduzierte Inkandeszenz (LII) [54] eingesetzt. Eine Herausforderung ist hierbei die Übertragung des ursprünglich für Rußmessungen [55,56] entwickelten Verfahrens auf eine Bandbreite weiterer anorganischer Nanopartikel wie Fe [57], FeO [58], Ni [59] und Si [60]. Besonders interessant für die Entwicklung der hier genannten räumlich auflösenden In‐situ‐Diagnostikmethoden sind vergleichende Messungen mit Online‐Verfah‐
ren, die über Molekularstrahl‐Probennahme und Partikel‐Massenspektrometerie [61] störungsarme lokale Messungen der Partikeleigenschaften unter den Betriebsbedingungen der Partikelsynthese‐
Reaktoren erlauben. Eine Kopplung an Sprayflammen fand bisher noch nicht statt – wäre aber eine hochinteressante Erweiterung dieser Messtechnik im Rahmen dieses SPP. Elastische Lichtstreuung eignet sich zur Charakterisierung der Morphologie fraktaler Aggregate in Verbrennungsprozessen [62,63]. Dies basiert auf der Analyse des sog. optischen Strukturfaktors S(qRg), der den differenziellen Streuquerschnitt eines Aggregates in Abhängigkeit von Streuvektor q und Trägheits‐ (Gyrations‐) Radius Rg beschreibt [64,65]. Durch Analyse der winkelabhängigen Streulicht‐Intensitätsverteilung im sogenannten Guinier‐Regime (qRg < 1) kann eine Bestimmung des Trägheitsradius erfolgen, die Ana‐
lyse im sog. Power‐Law‐Regime ermöglicht die Bestimmung der fraktalen Dimension. Die Bestim‐
mung der Verteilungsbreite der Aggregatgrößen kann durch Anpassung von Modellfunktionen an experimentelle Streulichtdaten hoher Qualität erfolgen. Wenn die Primärteilchengröße durch andere Messmethoden [66,67] ermittelt wurde, liefert die absolute Messung der Streulichtintensitäten wei‐
tere Information über Aggregatparameter. Direkt integrierbar sind Extinktionsmessungen [68,69], die eine merkliche Lichtabsorption im verwendeten Spektralbereich erfordern. Aus der Kombination von Streuung und Extinktion konnten beispielsweise morphologische Parameter von Rußaggregaten be‐
stimmt werden [70]. Winkelaufgelöste Streulicht‐Messungen erfolgen normalerweise sequenziell durch Winkelverstellung der Detektionsoptik, so dass instationäre Prozesse nicht untersucht werden können. Alternativ liefert eine begrenzte Anzahl von (typischerweise zwei oder drei) separaten De‐
tektoren entsprechend limitierten Informationsgehalt [68,71‐73]. Ein neuer Ansatz nutzt eine Abbil‐
dung des Streulichtsignals über einen großen Winkelbereich auf eine Kamera und ermöglicht so eine instantane Erfassung des Streudiagramms mit hoher Auflösung [74,75]. Die Röntgenkleinwinkelstreuung (Engl.: small‐angle x‐ray scattering, SAXS) ermöglicht die simultane Bestimmung zahlreicher struktureller Parameter im Nanometerbereich (1–500 nm), wie z.B. die Par‐
tikelgrößenverteilung, fraktale Dimension der Oberfläche bzw. der Masse, spezifische Oberfläche und Porosität. Neben der SAXS‐Analyse von Suspensionen [76‐82] ist auch eine Charakterisierung von in der Gasphase synthetisierten Produkten möglich [83‐87]. Insbesondere bei der Verwendung von Synchrotronquellen sind sehr kurze Messzeiten und damit zeitaufgelöste Studien, wie z.B. die Erfor‐
schung von Partikelbildungs‐ und ‐wachstumsmechanismen, realisierbar. So war die Rußpartikelgrö‐
ße [88] und der fraktale Aufbau von Rußaggregaten [89] in Flammen einer Messung zugänglich. Auch der Einfluss von metallhaltigen Additiven wurde untersucht [90]. Die Kombination von SAXS und WAXS (wide‐angle x‐ray scattering) liefert zusätzlich zu Partikelgröße, Morphologie und Partikelkon‐
zentration auch Informationen über stattfindende Phasenwechselvorgänge [91]. Für die Charakterisierung von Sprays in Verbrennungsprozessen sind umfangreiche Messverfahren bekannt, die überwiegend auf der Beobachtung von elastischem Streulicht beruhen. Hiermit wird der Aufweitungswinkel des Sprays, die Verteilung der verdampften und flüssigen Phase, die Tropfengrö‐
ßenverteilungen und Tropfengeschwindigkeiten bestimmt [92]. Den in dichten Sprays auftretenden Komplikationen durch Mehrfachstreuung wurde in den letzten Jahren erfolgreich durch ein neues planares Verfahren mit strukturierter Beleuchtung entgegengewirkt (SLIPI) [93]. Außerdem sind wichtige Grundlagen erarbeitet worden, die für die Anpassung des Mie/LIF‐Verfahrens an beliebige Brechungsindices bzw. Absorptionsverhalten wichtig sind [94]. Grundsätzlich besteht im SPP1980 Bedarf nach Tropfengrößen und ‐geschwindigkeitsmessungen nicht‐transparenter oder semi‐trans‐
parenter Tropfen, da es in den Tropfen der Prekursorlösung während der Verdampfung eventuell zu Feststoffausscheidungen kommt. Konventionelle Verfahren, wie die Phasen‐Doppler‐Messtechnik, sind dann nicht mehr anwendbar. Hierzu bietet sich die jüngst entwickelte Zeitverschiebungsmess‐
technik an, die neben Größe und Geschwindigkeit auch noch die Lösungskonzentration innerhalb einzelner Tropfen liefern kann [95,96]. Neuere Verfahren erlauben es, die lokale Temperaturvertei‐
lung in Sprays zu bestimmen. Hier ist insbesondere die differenzielle Infrarotthermographie (DIT) zu nennen [97,98]. SPP1980 SpraySyn 8 2.1.3
TheorieundSimulationderFlammensynthesevonNanopartikeln
Die Entwicklung und Validierung von Modellen zur Prozesssimulation dient einerseits dem Erkennt‐
nisgewinn, andererseits der Optimierung von Prozessen und der Auslegung von Reaktoren. Während die Modellentwicklung und ‐validierung zur Gasphasensynthese von Nanomaterialien im Wesentli‐
chen an Forschungseinrichtungen vorangetrieben werden [99‐102], nutzt vor allem die Industriefor‐
schung dieses Know‐how, um Syntheseverfahren zu modellieren und zu skalieren [103]. Industriell genutzte Synthesereaktoren werden normalerweise im Modellmaßstab getestet und anschließend hochskaliert, wobei sich – da es nicht möglich ist, alle Ähnlichkeitsparameter gleichzeitig gleich zu halten – signifikante Änderungen im Prozess einstellen können. Aufgrund der hohen Komplexität chemischer Reaktionen und ihrer häufig hohen Sensitivität gegenüber leichten Veränderungen in der Prozessführung reichen die bisher verwendeten Modelle alleine – insbesondere in heterogenen Sys‐
temen und bei Nanopartikelbildungsprozessen – nicht aus, Syntheseverfahren in geeigneter Weise zu skalieren. Daher sind für eine erfolgreiche Skalierung neben den modellbasierten Verfahren immer noch durch trial and error gewonnene Erfahrung und eine schrittweise Steigerung der Reaktorgröße erforderlich, um auf Basis eines phänomenologischen Erkenntnisgewinns die für die endgültige Ska‐
lierung erforderlichen Informationen zu erhalten. Während Modellierung und Skalierung von Synthe‐
seprozessen in Wirbelschichtreaktoren seit vielen Jahren erfolgreich durchgeführt werden [104], fehlt es in der Gasphasensynthese von Nanopartikeln noch an entsprechenden Modellen und Kon‐
zepten. In Zukunft könnte aber der simulations‐ und modellbasierte Entwurf die Unsicherheiten bei der Skalierung erheblich reduzieren, so dass die Investitionsrisiken beim Bau teurer Großanlagen gesenkt und die Einführung fortschrittlicher Technologien erleichtert werden. Für die Simulation stellt die Prozesskette der Nanopartikelsynthese in Sprayflammen ein massives Mehrskalenproblem dar, da über die Ausdehnung der Synthesereaktoren hinweg selbst kleinste (molekulare) Ortsskalen von der Rechnung aufgelöst werden müssten. Auch die relevanten Zeitska‐
len von den schnellsten Elementarreaktionen bis zur Verweilzeit im Reaktor erstrecken sich über viele Größenordnungen. Direkte Numerische Simulationen (DNS) aller Detailprozesse werden Rech‐
ner auch auf lange Sicht nicht leisten können, so dass Simulationen immer vereinfachte Modellan‐
nahmen treffen müssen. Generell folgt die Modellierung der Syntheseprozesskette einem Top‐down‐
Ansatz, wobei ein Gesamtmodell für den gesamten Reaktor geeignete Teilmodelle umfassen muss. Die Gesamtmodelle selbst können von sehr unterschiedlicher Komplexität sein – von sehr einfachen, verketteten, homogenen Reaktoren über stationäre, zweidimensionale Strömungssimulationen bis hin zu dreidimensionalen Large‐Eddy‐Simulationen der turbulenten Reaktorströmung [105]. Die Teilmodelle müssen dabei folgende Phänomene berücksichtigen: 




Turbulente Mischung (m bis mm) Transport von flüssigen Brennstoff‐/Prekursortropfen (μm) Molekulare Mischung (μm) Nanopartikeltransport, ‐Agglomeration, ‐Versinterung, ‐Wachstum und ‐Kondensation (nm) Chemische Reaktion (< nm) Zur Beschreibung dieser Phänomene werden unterschiedliche Ansätze genutzt, meistens Euler‐Me‐
thoden für Strömungsphänomene, stochastische Lagrange‐Methoden für die Partikeldynamik [106,107], statistische Verfahren für die chemische Umsetzung sowie molekulardynamische und quantenmechanische Methoden für Prozesse auf Partikel‐ und Molekülebene. Aktuelle Rechner er‐
möglichen es, Strömungssimulationen auf der Makroskala (10–3–100 m) und Partikeldynamik auf der Mesoskala (10–9–10–6 m) effizient zu verbinden [108]. Gesamtsimulation: Die Gesamtsimulation umfasst den primären und sekundären Strahlzerfall, die darauf folgende Verdampfung und Verbrennung und schließlich Partikelbildung und ‐wachstum. Die auftretenden Teilprozesse (s.u.) werden massiv durch Turbulenz und Reaktionskinetik beeinflusst, so dass die Gesamtsimulation geeignete Schließungsmodelle voraussetzt. Bisherige Ansätze zur Ge‐
samtsimulation der Sprayflammensynthese beruhen auf RANS/URANS‐Methoden (Reynolds‐Aver‐
aged Navier Stokes), die Transportgleichungen für die zeitgemittelten Strömungs‐, Konzentrations‐ und Spraygrößen lösen. Die in diesen Gleichungen auftretenden Varianzen und Kovarianzen müssen durch Turbulenzmodelle beschrieben werden. Der meist beträchtliche Modellfehler wirkt sich unmit‐
SPP1980 SpraySyn 9 telbar auf die Simulationsergebnisse aus. Genaue Ergebnisse werden meist nur erreicht, wenn alle Modellparameter fallspezifisch kalibriert werden, was eine universelle Anwendbarkeit ausschließt. Für eine ernsthafte Beurteilung der Güte solcher Gesamtsimulationen [1,109‐112] fehlen jedoch noch immer in‐situ gewonnene experimentelle Daten ausreichender Quantität und Qualität. Eine höhere Simulationsgenauigkeit kann erreicht werden, wenn der Einfluss der ungeschlossenen Terme reduziert wird. Hierzu eignet sich die Large‐Eddy‐Simulation (LES), die die räumlich gefilterten Erhal‐
tungsgleichungen löst. Gesamtsimulationen von Sprayflammen zur Nanopartikelsynthese existie‐
ren derzeit kaum, es gibt aber diverse Simulationen mit direktem Bezug, z.B. von Sprayflammen [113,114] oder der Partikelsynthese [115] an sich. Eine gänzliche Vermeidung der Modellfehler er‐
laubt erst die Direkte Numerische Simulation (DNS) auch der kleinsten Skalen, was aber wegen des enormen Rechenzeitbedarfs auch in Zukunft nur für exemplarische Untersuchungen von Teilprozes‐
sen möglich sein wird [1,116,117]. Dies betrifft z.B. auch die Teilprozesse für den Primärzerfall [118,119]. Teilsimulationen: Die Simulation des primären Strahl‐ und Tropfenzerfalls wird derzeit durch die Entwicklung moderner Verbrennungsmotoren mit Direkteinspritzung getrieben. Die Hauptschwierig‐
keit liegt in der Erfassung der Hauptströmung und der feinsten Tröpfchen auf demselben Rechengit‐
ter. Rechenzeitaufwändige DNS‐Simulationen [118‐122] sind für ausgedehnte Systeme in der Regel nicht möglich, können aber relevante Randbedingungen, z.B. für die eingesetzten Zerstäuberdüsen liefern [1]. Die so erhaltene Tropfengrößenverteilung wird dann als Randbedingung der Gesamtsimu‐
lation (RANS und LES) vorgegeben, der folgende sekundäre Tropfenzerfall wird durch statistische Modelle befriedigend beschrieben [122,123]. Die folgende Verdampfung der Brennstoff/Prekursor‐
lösung erfordert die Kenntnis genauer Stoffdaten der Komponenten. Die Verbrennung des verdampften Brennstoffs wird durch die anfängliche Verteilung des gasförmi‐
gen Brennstoffs, seine Reaktionskinetik und turbulente Mischungsvorgänge bestimmt. Letztere er‐
möglichen eine schnelle Vermengung der Reaktanten auf molekularer Ebene und vergrößern die Reaktionszone durch Streckung und Faltung, so dass der Stoffumsatz um Größenordnungen ansteigt. Dieser massive Einfluss der Turbulenz kann in LES‐Rechnungen weitgehend erfasst werden, detaillier‐
tere Untersuchungen (DNS) und verbesserte Modelle sind aber weiterhin wichtig. Gerade jüngere Arbeiten im Bereich der LES [124‐130] haben bei der Berücksichtigung der Turbulenz‐Chemie‐
Interaktion zu deutlichen Fortschritten geführt. Die Brennstoffumsetzung und Partikelerzeugung erfolgt durch eine Vielzahl chemischer Reaktionen, deren Geschwindigkeiten temperatur‐ und konzentrationsabhängig von einem kinetischen Mecha‐
nismus beschrieben werden müssen. Solche Mechanismen werden meist aus bekannten Reaktionen zusammengestellt und durch Anpassung der weniger bekannten Geschwindigkeitskoeffizienten an Experimenten kalibriert. Da solche Mechanismen für eine direkte Anwendung mit der Strömungssi‐
mulation zu groß sind, werden sie reduziert und optimiert [131], oft auch über wenige Parameter (z.B. Mischungsbruch und Fortschrittsvariable) tabelliert. Gut dokumentierte Reaktionsmechanismen für Flüssigbrennstoffe existieren z.B. für einfache aliphatische Kohlenwasserstoffe und Alkohole [132‐
134], die oft als Lösungsmittel für Prekursoren eingesetzt werden. Die Mechanismen umfassen aber auch die Reaktionen organischer Intermediate, die beim Zerfall der metallorganischen Prekursoren entstehen. Besonders wichtig für die Partikelsynthese ist die Kinetik der Partikelvorläufer; die zuge‐
hörigen Mechanismen sind oft so komplex wie die der Lösungsmittel‐Verbrennung [135,136] selbst. Für eine ganze Reihe von Übergangsmetallen ist auch bekannt, dass diese katalytisch in die Verbren‐
nungskinetik eingreifen [137,138]. Diese Interaktionen sind bisher nur für wenige Materialsysteme so weit aufgeklärt, dass sie bei der Simulation von Nanopartikelsyntheseflammen berücksichtigt werden konnten [139]. Bei ausreichender Übersättigung der Partikelspezies in der Gasphase entstehen die Partikel durch homogene Nukleation. Die Partikel wachsen anschließend durch Oberflächenreaktionen, Kondensa‐
tion und Koagulation. Den gesamten Prozess der Partikeldynamik im vieldimensionalen Partikelei‐
genschaften‐Raum erfasst die Populationsbilanzgleichung. Eine numerische Lösung dieser Gleichung erfolgt entweder mit sektionalen Methoden [140,141] oder mit stochastischen Verfahren [106,107,142]. Gerade Letztere sind aber sehr rechenintensiv und werden daher nur selten für orts‐
aufgelöste Rechnungen verwendet. Alternativ haben sich für Systeme mit wenigen bestimmenden SPP1980 SpraySyn 10 Eigenschaften die Momentenmethoden etabliert, insbesondere wegen der eleganten Möglichkeit der direkten Kopplung zu kontinuumsmechanischen Strömungssimulationen [143‐145].
2.1.4
EigenschaftenvonPrekursor‐LösungenundSpraybildung
Für die Sprayflammensynthese ist das Ein‐
bringen der flüssigen Prekursorlösung und die Spraybildung von zentraler Be‐
deutung. Dies beinhaltet die Prozesse des Eindüsens, des Strahlaufbruchs und der möglichst schnellen Verdampfung. Gera‐
de zur Spraybildung wurde in vielen nati‐
onalen und internationalen Programmen in den vergangenen 20 Jahren intensiv geforscht. Der Fokus dieser Forschung war und ist die theoretische und numeri‐
sche Beschreibung und die Vermessung von Spraysystemen. Es würde den Um‐ Abbildung 3: Verzögerter Flüssigkeitsaufbruch in einem kommerzi‐
fang dieses Antrags sprengen, auf die ellen Spraysynthese‐Brenner. Links: Messung mittels Drei‐Farben‐
LED‐Shadowgraphy, rechts Volume‐of‐Fluid (VOF)‐Simulation [1].
Literatur zu diesem Bereich detailliert ein‐
zugehen [146,147]. Heute ist es möglich, die Spraybildung und den primären Strahlzerfall mit Hilfe Direkter Numerischer Simulationen (DNS) für moderate Reynolds‐ und Weberzahlen zu beschreiben. Hierbei ist es wichtig, die Eintrittsbedingungen des Strahls korrekt wiederzugeben. Durch viele expe‐
rimentelle und numerische Arbeiten weiß man, dass die Bedingungen in der das Spray erzeugenden Düse einerseits und die Flüssigkeitseigenschaften andererseits einen entscheidenden Einfluss auf den nachfolgenden Sprayaufbruch haben [148]. Die Effekte verschiedener Eintrittsprofile und Turbulenz‐
verteilungen am Strahleintritt lassen sich heutzutage schon gut numerisch berücksichtigen [118,149‐
153]. Die Eintrittsverteilung des Strahls kann stabilisierend (z.B. bei einem rechteckigen Eintrittspro‐
fil) oder auch stark destabilisierend (z.B. bei einem Eintrittsgeschwindigkeitsprofil aus einer Duplex‐
düse) wirken. Die Eintrittsturbulenzverteilung interagiert hierbei mit diesen verschiedenen Ge‐
schwindigkeitsverteilungen [118,154]. In der Anwendung werden vielfach RANS‐basierte Simulatio‐
nen eingesetzt, die verschiedene Zerfallsmodelle berücksichtigen [155,156]. Solche Modelle benöti‐
gen immer empirischen Input (z.B. aus Messungen) und sind vielfach nicht allgemein anwendbar [157]. Dieser Input kann aus hochauflösenden DNS‐Rechnungen extrahiert werden. Allerdings gibt es vielfältige herausfordernde Aufgaben zu bewältigen [158,159]. Wichtig für die hier betrachtete An‐
wendung ist es, einen schnellen Strahlaufbruch und eine gute Vermischung und Verdampfung zu gewährleisten. Für die Produktqualität ist es entscheidend, ob Tropfen die Reaktionszone verlassen können, ohne vollständig abreagiert zu haben. Die benötigte Beschreibung der Verdampfung, z.B. auch in den RANS‐basierten Simulationen, kann empirisch, halbempirisch oder durch Heranziehung von DNS‐Resultaten geschehen. Am meisten ver‐
treten sind hierbei Modelle, die auf die Arbeiten von Spalding zurückgehen [160‐165]. Mit Hilfe von DNS‐Rechnungen können auch hier Detailmodelle für die Verdampfung erstellt werden oder sogar der gesamte Prozess beschrieben werden [166‐168]. Die Aufgaben bezüglich Spraybildung im SPP1980 unterscheidet sich von vielen bisherigen Arbeiten dadurch, dass die Prekursorflüssigkeiten evtl. ein Nicht‐Newton‘sches rheologisches Verhalten und/ oder durch Feststoffgehalt ein verändertes Aufbruchverhalten aufweisen. Auch wenn vereinzelte Arbeiten bereits auf diesen Gebieten vorhanden sind [169], besteht Forschungsbedarf allein dadurch, dass die spezifischen Charakteristika der verwendeten Lösungen erfasst werden müssen. Entscheidend für die oben genannten Simulationen ist die zuverlässige Beschreibung der Stoffdaten der Prekursorlösungen. Diese sind in den meisten Fällen organische Elektrolytlösungen, wobei das organische Lösungsmittel der Brennstoff ist und sich aus dem Elektrolyten bei der Verdampfung die Prekursoren freisetzen. Die Beschreibung der thermodynamischen Eigenschaften von Elektrolyt‐
lösungen ist aufgrund der langreichweitigen Wechselwirkungen zwischen den Ionen anspruchsvoll. Die derzeit vorhandenen phänomenologischen Modellansätze [170,171] enthalten zahlreiche Para‐
SPP1980 SpraySyn 11 meter, die an Messdaten angepasst werden müssen. Während wässrige Elektrolytlösungen experi‐
mentell vergleichsweise gut untersucht sind [172], gilt dies nicht für organische Elektrolytlösungen, obwohl diese in der letzten Zeit, unter anderem aufgrund von Anwendungen in Energiespeicherme‐
dien, stark an Interesse gewinnen [173]. In der vorliegenden Anwendung müssen nicht nur statische Gleichgewichtseigenschaften des Kontinuums wie die Dichte und der Dampfdruck betrachtet werden sondern auch Transporteigenschaften, wie die Wärmeleitfähigkeit, die Viskosität und die Diffusion. Hinzu kommt, dass auch Oberflächeneigenschaften wie die Oberflächenspannung wichtig sind. Dabei ist zu beachten, dass es an den Oberflächen zu Anreicherungseffekten kommen kann [174], die für die hier zu betrachteten Prozesse wichtig sein können. Eine interessante Alternative zu den oben erwähnten phänomenologischen Modellen bieten molekulare Simulationen mit Kraftfeldern [175]. Aus diesen lassen sich alle Stoffeigenschaften von Elektrolytlösungen sowie strukturelle und dynami‐
sche Eigenschaften ermitteln und so ein detaillierter Einblick erhalten. Solche Kraftfelder sind für wässrige Elektrolytlösungen systematisch untersucht und werden kontinuierlich verbessert [176]. Ihre Weiterentwicklung für organische Elektrolytlösungen ist Gegenstand aktueller Forschung [177]. In der vorliegenden Anwendung stehen weder die Elektrolyten noch das Lösungsmittel von vornhe‐
rein fest. Kombinatorisch ergibt sich eine Vielzahl interessierender Mischungen. Es ist zum einen eine Herausforderung, vor diesem Hintergrund eine geeignete Strategie zur Entwicklung der benötigten Stoffdatenmodelle in der gewünschten Genauigkeit zu entwickeln. Zum anderen wäre es hoch span‐
nend, ein gezieltes Design der Lösungsmittelsysteme vorzunehmen, so dass deren thermodynami‐
sche Eigenschaften für die vorliegende Anwendung optimiert werden. Die Entwicklung solcher prä‐
diktiver Ansätze ist aus verschiedenen anderen Anwendungsfeldern bekannt und dort erfolgreich [178]. In neuester Zeit werden hierfür auch molekulare Methoden eingesetzt [179], die das Potenzial haben, die im Rahmen des SPP1980 erforderlichen Stoffdaten zu liefern. 3
BedeutungdesForschungsprogramms
3.1 OriginalitätderwissenschaftlichenFragestellungen
Die Synthese von spezifischen Nanomaterialien durch Zerstäubung und Verbrennung von Lösungen geeigneter Prekursor‐Mischungen in Form von Sprayflammen hat ein hohes Potenzial. In zahlreichen Veröffentlichungen wurde die prinzipielle Machbarkeit nachgewiesen. Eine Übertragung in den tech‐
nischen Maßstab hat bisher aber nur ansatzweise stattgefunden. Die Nutzung scheitert bisher an dem Hindernis, dass für die Sprayflammensynthese mit dem bisherigen Kenntnisstand vielfach teure Spezialchemikalien eingesetzt werden müssen. Zudem sind zentrale Prozesse nicht genügend ver‐
standen. Damit fehlen Ansätze, die es erlauben, die Prozesse kostengünstig zu steuern. Diese Hürde zu überwinden, erfordert eine deutliche Erweiterung des Detailverständnisses der Prozesskette von Lösungsstabilisierung über Spraybildung und ‐verdampfung sowie Interaktion der Prekursoren und Metallatome mit der Flammenchemie bis hin zur Partikelbildung und ‐wachstum im komplexen tur‐
bulenten reaktiven Strömungsfeld. Die Entwicklung der derzeit existierenden Verfahren zur Sprayflammensynthese erfolgte bisher weit‐
gehend phänomenologisch mit dem Fokus auf den Eigenschaften der erzeugten Materialien. Daher ist – trotz der demonstrierten Erfolge – offensichtlich, dass durch die synergetische Nutzung der teilweise jahrzehntelangen Vorerfahrungen im Bereich des Brennerdesigns, der Nanopartikelsyn‐
these in vorgemischten Gasphasensystemen, der neuen In‐situ‐Messverfahren und Simulationsan‐
sätze für reaktive Strömungen, dem verbesserten mechanistischen Verständnis von Verbrennungs‐
prozessen sowie der neuen Möglichkeiten zur theoretischen Beschreibung der Eigenschaften der Lösungen von Prekursoren in Lösungsmitteln erstmals die realistische Chance besteht, die oben genannten Hürden zu überwinden. Bisher werden die genannten Themen in weitgehend disjunkten Fachgemeinschaften erforscht. Der Mehrwert dieses Vorhabens liegt darin, diese bisher entkoppelten, für sich aber jeweils hoch ent‐
wickelten und auf höchstem internationalen Niveau arbeitenden Fachgemeinschaften in einem Themenfeld von hoher praktischer Relevanz („Emerging Field“) zusammen zu führen. Daraus ist – neben der Entwicklung von Lösungsansätzen für die unmittelbare technologischen Fragestellung der SPP1980 SpraySyn 12 Nanopartikelsynthese – eine erhebliche Befruchtung des grundlegenden Verständnisses komplexer Mehrphasenprozesse zu erwarten, mit Nutzen für über das Themenfeld der Nanopartikelsynthese hinausgehende Gebiete wie beispielsweise dem theoretischen Verständnis der Verbrennung von Stäuben, der Aerosol‐ und Partikelbildung aus Lösungen und der Prozessierung von partikelbelade‐
nen Strömungen. Die Voraussetzungen im deutschen Forschungsumfeld sind wegen der Konzentrati‐
on der Expertise in den erforderlichen Feldern außerordentlich gut, so dass durch die in diesem Schwerpunktprogramm koordinierte Vernetzung eine internationale Führungsrolle erreicht werden kann. Das fach‐ und ortsübergreifende Netzwerk des SPP1980 ermöglicht zudem die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs in einem inspirierenden Umfeld, dessen fachliche Kooperation Mo‐
dellcharakter hat Das Schwerpunktprogramm profitiert – parallel zur Entwicklung der Nanomaterialsynthese und ‐cha‐
rakterisierung – von den folgenden aktuellen Entwicklungen:  Die messtechnischen Möglichkeiten zur Untersuchung reaktiver Strömungsprozesse wurden in den letzten Jahren revolutioniert. Dies schließt (Laser‐)optische Messung der Gasphasenprozesse, Beobachtung von Partikelbildungs‐ und ‐wachstumsprozessen, Röntgenstreuung und Experimente mit Synchrotronstrahlung bis hin zu Probenahmeverfahren wie zum Beispiel mit Molekularstrahl‐
verfahren ein. Diese detaillierten Messdaten liefern eine hervorragende Grundlage zur Entwick‐
lung und Validierung von Modell‐ und Simulationsansätzen.  Simulationsverfahren haben aufgrund der mittlerweile verfügbaren Rechnerleistung, sich entwi‐
ckelnder Turbulenz‐ und Verbrennungsmodelle, der zugenommenen Information über die Kinetik von Elementarreaktionen und die Interaktion auf molekularer sowie Partikel‐Partikel‐Ebene in den letzten Jahren dramatische Fortschritte bei der Beschreibung reaktiver Mehrphasenströmun‐
gen gemacht.  Das theoretische Verständnis intra‐ und intermolekularer Prozesse entwickelt sich rapide weiter. Mit den Verfahren der Theoretischen Chemie zur Beschreibung der Reaktionen metallorganischer Substanzen gelingt die Unterstützung der Entwicklung von Reaktionsmechanismen. Die Beschrei‐
bung der molekularen Interaktion von Salzen und komplexen Molekülen in Lösungsmitteln ermög‐
licht die Vorhersage von Lösungs‐, Zerstäubungs‐ und Verdampfungseigenschaften der Prekursor‐
Lösungen. Molekulardynamik bietet darüber hinaus Zugang zur Beschreibung der Interaktion von Partikeln mit der umgebenden Gasphase und mit anderen Partikeln zur Beschreibung von Wachs‐
tums‐ und Sinterprozessen. In Analogie zu den in der Verbrennungsforschung seit Jahrzehnten höchst erfolgreich eingesetzten Standardflammen, mit denen es gelungen ist, durch die vereinte Expertise zahlreicher Arbeitsgrup‐
pen hochkomplexe Prozesse aufzuklären und mit hoher Genauigkeit zu simulieren, soll nun erstmalig ein Standardprozess für die Sprayflammensynthese definiert werden. Dieser Prozess soll sowohl eine für die Simulation als auch für die In‐situ‐Messtechnik optimale Geometrie aufweisen, die Inter‐
aktion von Fluiddynamik, Wärmeübertragung und Kinetik minimieren, einfach zu duplizieren und reproduzierbar zu betreiben sein. Ein solches standardisiertes Experiment (SpraySyn‐Brenner) soll im ersten Projektjahr von einer Arbeitsgruppe aus Messtechnikern und Simulationsexperten des SPP1980 mit dem erforderlichen Prozessverständnis entwickelt werden. Es wird dann als verbinden‐
des Element in zahlreichen Projekten des Schwerpunktprogramms dienen und wird einen weltwei‐
ten Standard als Referenzexperiment setzen, der einerseits die Ergebnisse dieses Schwerpunktpro‐
gramms langfristig als Validierungsdaten für die internationale Community nutzbar macht und es andererseits ermöglicht, außerhalb des SPP1980 erzeugte Messdaten im SPP zu nutzen. Mit diesem Ansatz wird das SPP1980 das Forschungsfeld nachhaltig prägen und den derzeit in Deutschland existierenden Vorsprung der Gasphasensynthese funktionaler Nanopartikel auf Spray‐
flammen erweitern und im internationalen Umfeld weiter ausbauen. SPP1980 SpraySyn 13 3.1.1
ÜbergreifendeZiele:
 Umfassendes Verständnis der Sprayflammensynthese auf Basis einer physikalisch fundierten Modellierung der Subprozesse  Schaffung von Methoden zur skalenübergreifenden Simulation zur Auslegung, Skalierung und Optimierung von Sprayflammen‐Syntheseanlagen  Design von ökonomischen und nachhaltigen Prozessen durch Substitution von Ausgangsmateria‐
lien hin zu kostengünstigen Brennstoffen, Metallsalzen statt metallorganischen Substanzen, sowie kostengünstigen Lösungsmitteln (ggf. auch Wasser)  Ertüchtigung der Sprayflammensynthese zur kostengünstigen Herstellung hochspezifischer nano‐
skaliger Materialien im industriellen Maßstab 3.1.2
KurzfristigeZiele(ErsteProjektphase)
 Entwickeln und Etablieren einer Standardkonfiguration (SpraySyn‐Brenner) unter Berücksichti‐
gung der praktischen Relevanz, reproduzierbaren Fertigung, Vermessbarkeit und Simulierbarkeit  Aufbau eines umfangreichen, gut dokumentierten und öffentlich zugänglichen Datensatzes für ausgewählte Betriebszustände (Benchmarking)  Entwicklung und Bereitstellung von messtechnischen Ansätzen  Entwicklung und Bereitstellung von Simulationsverfahren  Aufklären zentraler Subprozesse o Spraybildung und Verdampfung Prekursor‐beladener Tröpfchen o Interaktion der Prekursoren mit der Flammenchemie: Untersuchung atomarer/molekularer Intermediate und deren Einfluss auf die Reaktionsmechanismen o Einfluss der Tropfen und Partikelbeladung auf die turbulente Strömung 3.1.3
MittelfristigeZiele(zweiteProjektphase)
 Nutzen des SpraySyn‐Ansatzes zum Design von optimierten und skalierten Syntheseanlagen, die dann zur Validierung der Simulationsverfahren eingesetzt werden  Nutzen des SpraySyn‐Ansatzes für mehrstufige und kombinierte Synthese komplexer Materialien 3.1.4
LangfristigeZiele(Visionen)
 Entwicklung von Prozessdesignregeln für die industrielle Umsetzung  Entwicklung integrierter Sprayflammenprozesse, z.B. durch Unterstützung der Sprayflammen‐
synthese durch Plasmaprozesse  Evaluierung der Möglichkeit einer kohlenstofffreien Sprayflammensynthese zum vollständigen Ausschluss von Karbidbildung und Kohlenstoffverunreinigungen  Übertragung und Verallgemeinerung der im SPP1980 entwickelten Strategien der Interaktion von Theorie und Experiment auf weitere komplexe Fragestellungen der Materialsynthese (nicht begrenzt auf die Sprayflammensynthese) SPP1980 SpraySyn 14 4 EingrenzungderwissenschaftlichenFragestellungen
Das Schwerpunktprogramm1980 gliedert sich in die drei folgenden Themenblöcke, deren Inhalte unten genauer aufgeschlüsselt sind:  Theorie und Simulation (Molekulare Interaktion, chemische Reaktion, Partikelinteraktion, Wechselwir‐
kungen mit der (turbulenten) Strömung)  In‐situ‐Messtechnik (Spray, Partikel, Gasphasen‐Kon‐
zentrationen und ‐Temperaturen, Geschwindigkeiten)  Prozesse (Spray, Brenner, Gasführung) 4.1 TheorieundSimulation
 Molekulare Interaktion von Prekursor und Lösungs‐
mittel: statische und dynamische Stoffgrößen, Konti‐
nuums‐ und Grenzflächeneigenschaften Abbildung 4: Themenblöcke des Schwerpunktprogramms SpraySyn  Chemische Reaktion: Zerfallskinetik lösungsbasierter Prekursorsysteme, Reaktionsmechanismen der Pre‐
kursoren sowie mechanistische Beschreibung der Interaktion der Prekursor‐ und der Flammen‐
chemie, Konkurrenz zur Rußbildung  Interaktion in turbulenten reaktiven Mehrphasenströmungen: Sprayverbrennung komplexer Lösungen, reaktive turbulente Mehrphasenströmung  Partikeldynamik: homogene Partikelbildung, ‐wachstum und ‐interaktion 4.2 In‐situ‐Messtechnik
 Flüssigphase: Tropfengrößen, ‐geschwindigkeiten, ‐temperatur und ‐verdampfung, Reaktionen und Phasenumwandlung innerhalb der Tropfen  Gasphase: Strömungsgeschwindigkeiten, Temperaturverteilung und Konzentrationsverteilung ausgewählter Spezies: zeit‐ und ortsaufgelöst (LIF, Raman), Spezieskonzentrationen exotischer Spezies: Sichtlinien‐integriert (FTIR), Prozessmesstechnik (TDLAS), Fluktuationsbewertung (Chemilumineszenz‐Tomographie)  Partikelphase: Partikelgröße, Partikel‐Volumenbruch, Phasenzusammensetzung, Oberflächen‐
schichten, Morphologie: winkelaufgelöste Lichtstreuung, Ramanstreuung, laserinduzierte Inkan‐
deszenz, Röntgen‐Kleinwinkelstreuung 4.3 Prozesse
 Spray: Sprayzerstäubung, Prekursorzufuhr, gepulste Zuführung  Brenner: Kompaktheit der Flamme, Unterdrücken/Erzeugen von Fluktuationen, Modifikation des Temperaturfeldes, Einfluss des Brennstoffs, Modifikation der Temperaturverteilung, kohlenstoff‐
freie Brennstoffe  Alternative Energiezufuhr: Plasma‐Unterstützung, nicht‐kohlenstoffhaltige Brennstoffe und Lösungsmittel  Medienführung: Düsenkonzepte, Mischungskonzepte, Dosier‐ und Förderkonzepte 4.4 NichtTeildesArbeitsprogrammssind:
 Erzeugung von Kohlenstoffpartikeln (es sei denn, Ruß tritt als Verunreinigung in Kombination mit der Bildung von Nicht‐Kohlenstoffpartikeln auf)  Modifikation der Partikelmorphologie im Nachlauf der Sprayflammensynthese  Betrachtung von isolierten Einzelprozessen ohne Einbindung in das Gesamtkonzept SPP1980 SpraySyn 15 5 KohärenzdergeplantenForschungsaktivitäten
Als verbindendes Element dienen eine gemeinsame Modellkonfiguration und die Definition von Materialsystemen. Dadurch entfällt eine zeitaufwändige Startphase und eine kohärente Zusammen‐
arbeit wird sichergestellt. Alle Teilprojekte werden unmittelbar von einer, normalerweise aber von beiden Festlegungen zur Modellkonfiguration und zum Materialsystem beeinflusst.
5.1 DefinitioneinerModellkonfiguration
Ein zentrales Element des Schwerpunkt‐
programms ist der Entwurf und Einsatz eines Standardbrenners, des so genannten SpraySyn‐Brenners (Abbildung 5). Eine innerhalb des SPP1980 vereinbarte Stan‐
dardkonfiguration ermöglicht eine umfas‐
sende Charakterisierung der Sprayflam‐
mensynthese mit einer Vielzahl an In‐situ‐ und Ex‐situ‐Messverfahren und die Im‐
plementierung und Integration von Sub‐
modellen mit dem Ziel einer validierten Gesamtsimulation. So soll ein international anerkannter Standard mit langfristiger Abbildung 5: Konstruktion und Betrieb eines neuen modularen,
Bedeutung geschaffen werden. Vorausset‐ für optische Diagnostik und Simulation optimierten Sprayflam‐
zung hierfür ist die Entwicklung eines men‐Synthesebrenners. Das Foto zeigt eine erste Implementie‐
rung [2,3], die im Rahmen des SPP1980 weiter verfeinert werden
Brenners, der ideale Voraussetzungen für soll und dann als Standard innerhalb des SPP1980 – aber auch in
Messung und Simulation bietet, reprodu‐ der internationalen Community – etabliert wird. zierbar arbeitet, vergleichsweise kosten‐
günstig ist und bei der Simulation geringen Aufwand für die korrekte Behandlung von Rand‐
bedingungen und Fernfeld erfordert. Zudem soll der Brenner so konstruiert sein, dass er in eine Kammer integriert werden kann, um Druck und Zusammensetzung der Atmosphäre (insbesondere Sauerstoffgehalt) gezielt variieren können. Bisherige Brenner, die aufgrund ihrer kommerziellen Verfügbarkeit bereits in mehreren Labors vor‐
handen sind, sind für diesen Zweck nur bedingt geeignet. Sie nutzen beispielsweise für die Stütz‐
flamme kreisförmige Schlitzöffnungen mit sehr geringer Schlitzbreite (wenige hundert Mikrometer). Daraus resultieren sehr hohe Austrittsgeschwindigkeiten, die in einer Zone abseits des eigentlichen Prozesses sehr hohen Simulationsaufwand hervorrufen. Aufgrund der geringen Spaltmaße ist das Strömungsfeld zudem im extremem Maß von der Justage abhängig. In fast allen Fällen ergibt sich da‐
durch eine Abweichung von der angestrebten Axialsymmetrie. Aufgrund der fehlenden Übertragbar‐
keit wären die Messergebnisse aus unterschiedlichen Labors nicht unmittelbar kombinierbar. Es wird ein modulares Konzept angestrebt, bei dem die Gase durch eine kostengünstige Sinterplatte ausströmen und die Pilotflamme durch unter der Sinterplatte liegende Zuströmkammern variiert werden kann (Abbildung 5). Durch die gut simulierbare Stützflamme kann der Brenner in unter‐
schiedliche Gehäuse eingebaut werden und damit der Einfluss der Umgebung mit begrenztem Re‐
chenaufwand erfasst werden. Ein wesentliches Ziel ist ein benutzerfreundliche Konstruktion, bei der die Teile leicht demontiert und gereinigt werden können und bei der sich kritische Bauteile selbst zentrieren um eine reproduzierbare Geometrie zu gewährleisten. Der Brenner soll einerseits für die CFD‐Simulation optimale Bedingungen bieten (keine Zonen enthal‐
ten, die extreme Gitterauflösung erfordern, Entkopplung von der Umgebung) und vollen Zugang für optische Messungen ermöglichen (keine Versperrungen, kein Einfluss durch Fenster im Gehäuse). 5.2 DefinitionvonMaterialsystemen
Die betrachteten Materialien sind gezielt ausgewählt, um das Gesamtsystem mit unterschiedlichen und zunehmenden Komplexitäten untersuchen zu können. SPP1980 SpraySyn 16  Eisen‐Oxide: Hierbei handelt es sich um ein System, bei dem schon vergleichsweise viele Grundla‐
gen bekannt sind. Aufgrund der verschiedenen Oxidationsstufen und Phasen ist eine zielgerichte‐
te Synthese herausfordernd und das Material daher ein kritischer Testfall für die Simulation der Sprayflammensynthese.  Barium/Strontium‐Oxide: Diese Substanzen neigen zur Carbonat‐Bildung und erfordern daher ein hohes Maß an Prozessverständnis bzgl. der Temperaturverteilung und Rückströmung von Ver‐
brennungsabgasen.  Barium/Titan‐Oxide: Die Ausgangsstoffe (z.B. TTIP) sind stark hydrolyseempfindlich und erfordern damit ein hohes Maß an Prozessverständnis bzgl. der Rückströmung von in der Verbrennung ge‐
bildetem Wasserdampf.  Cer/Aluminium‐Oxide: Diese Materialien können bisher allenfalls über sehr teure Prekursoren in Flammen hergestellt werden. Das Ziel ist hier die Substitution durch Salze. Dies führt zu einer ho‐
hen Anforderung an die Spraybildung und Verdampfung, um eine Verunreinigung der Produkte durch große Partikel, die durch unvollständige Sprayverdampfung entstehen, zu vermeiden.  Bismut: Von besonderem Interesse ist, Bismutpartikel in der Flamme bis zum Metall zu reduzie‐
ren. Dies ohne die gleichzeitige Bildung von Rußverunreinigungen zu erreichen, erfordert eine ho‐
hes Maß an Detailverständnis und ggf. eine Anpassung der Zusammensetzung des Lösungsmittels. 6 InterdisziplinäreundortsübergreifendeZusammenarbeit
Die interdisziplinäre und ortsübergreifende Zusammenarbeit ist für das SPP1980 von zentraler Be‐
deutung. Sie wird durch die im Folgenden beschriebenen Maßnahmen gesichert. Der Begutachtung der Teilprojekte kommt dabei die wichtige Aufgabe zu, die Übereinstimmung der individuellen An‐
träge mit den strukturellen Ansätzen des SPP1980 zu prüfen und zu einem wichtigen Bewertungskri‐
terium zu machen, um die Kohärenz des SPP sicherzustellen. 6.1 ThematischgekoppelteTeilprojekte
Das SPP1980 gleidert sich in die Themenblöcke Theorie und Simulation, In‐situ‐Messtechnik sowie Prozesse. Entscheidend im SPP1980 ist deren thematische Verknüpfung. Teilprojekte innerhalb des SPP1980 müssen mindestens zwei der vorgenannten Themenblöcke abdecken und alle drei Phasen (fest: Partikel, flüssig: Lösung, gasförmig: Flamme) des Sprayflammen‐Syntheseprozesses berücksich‐
tigen. Dies kann beispielsweise die Kombination von Experiment und Simulation in der Modellflam‐
me, die experimentelle Untersuchung von Einzelprozessen und deren Beschreibung in Submodellen oder die simulationsgestützte Entwicklung und Untersuchung von Gesamtsystemen sein. Dazu wer‐
den in der Regel kooperative Projekte von mehr als einem Antragsteller erwartet. Die Definition der‐
artiger kooperativer, mit dem Gedanken des SPP1980 kohärenter, Projekte sichert die thematische Zusammenarbeit. 6.2 Definition von experimentellen Modellkonfigurationen und Material‐
systemen
Die Fokussierung auf eine standardisierte Geometrie, den SpraySyn‐Brenner, und die spezifischen Untersuchung der Material‐Modellsysteme führt zu einer engen fach‐ und ortsübergreifenden Zu‐
sammenarbeit der Arbeitsgruppen des SPP1980. SPP1980 SpraySyn 17 7 Literaturverzeichnis
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