Biken mit Bruno, Rennen mit Viktor

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UNTERWEGS 15
BILDER: AKV
MEXIKO..............................16/17
JURA........................................ 19
AAREKARTE......................20/21
FUSSBALL-EM........................23
Biken mit Bruno,
Rennen mit Viktor
Ist Sardinien nicht der Tummelplatz von Snobs und Milliardären? Vielleicht. Es lassen sich
hier aber auch perfekte Familien- und Aktivferien verbringen. ARTUR K. VOGEL
I
m früheren Leben war er Chefredaktor des «Berner Oberländer».
Doch Bruno Stüdle hat den Lenker
herumgerissen: Wir treffen ihn in
Sardinien im Tirreno Resort, einer
Anlage des Berner Ferienvereins.
Stüdle steht in kurzen Hosen und
rotem Polo-Shirt inmitten von 160 Rennvelos und Mountainbikes und ist glücklich: Seit
Anfang Jahr ist er Geschäftsleiter der Firma
Bici Juwel in Unterägeri ZG und auch für deren Aktivitäten in Sardinien zuständig. «Ich
kam jedes Jahr vier Wochen hierher, um
mich zu erholen», erzählt er. Dass er seine
liebste Freizeitbeschäftigung zum Beruf hat
machen können, war eine Befreiung.
Allerdings kommt einem das Radfahren
nicht als erstes in den Sinn, wenn man den
Namen der zweitgrössten Mittelmeerinsel
hört: Zuerst denkt man an die Costa Smeralda, die Region um Porto Cervo, seit den
1960er-Jahren ein Dorado der Reichen,
Mächtigen und Schönen, wo Hotel- und Immobilienpreise unerschwinglich sind.
deln, ist das Resort auf Familien ausgerichtet, sagt Direktor Luc Schwarz. Ideales
Mountainbike-Territorium ist der Nationalpark Biderosa. Sandige Buchten mit klarem
Wasser laden zum Bad. In der Vor- und
Nachsaison gibt es hier nur vereinzelte Touristen, während es im Juli und August
schwierig wird, sein Badetuch auszulegen.
Wanderer, Biker, Camper
Die Costa Smeralda ist allerdings nur ein
kleiner Ausschnitt dieser Insel, die rund
halb so gross ist wie die Schweiz. Vom Flughafen Olbia aus fährt man statt nördlich
nach Port Cervo nur gut eine Stunde nach
Süden und findet sich in einer anderen Welt
wieder: Die Landschaft rund
um das Städtchen Orosei,
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Provinz Nuoro, präsentiert
sich zwar genauso malerisch, mit wilden Berg- und
Hügellandschaften, sandigen Buchten und Naturparks. Doch statt der versnobten Demi-Monde trifft
man hier Wanderer, Biker,
Trekker und Camper.
ab
Ein ideales Basislager für
Bern
Aktiv-Ferienmacher ist das
Tirreno Resort in Cala Liberotto, wo wir Bruno Stüdle
getroffen haben. Die Anlage
für maximal knapp 500 Gäste ist um eine riesige PoolLandschaft gruppiert. Das
Resort bietet ein breit gefächertes Sportangebot: Im
Frühling und Herbst fahren
Stüdle und die Profis von
bici.ch mit ihren Gruppen
auf Kies- und Naturtrails
ebenso wie auf eigentlichen
reist
Rad-Rennstrecken.
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hingegen, zu heiss fürs Ra-
Krachend durch den Park
Unsere Gruppe ist allerdings nicht mit Bikes
unterwegs, sondern mit so genannten
Quads, eine Art vierräderige Motorräder.
Seltsamerweise sind diese krachenden,
stinkenden Gefährte im Naturpark erlaubt.
Aber allgemein akzeptiert sind sie nicht; auf
den breiten, schwarzen Kunstledersätteln
fährt auch ein wenig Peinlichkeit mit.
Als wir von einer Gruppe schwitzender
Läuferinnen und Läufer gekreuzt werden,
ruft uns einer zu: «Laufen wäre besser als
fahren!» Es ist Viktor Röthlin, der Marathonmann. Röthlin bietet im Tirreno Resort
Laufwochen an. Auch die ehemalige Berner Athletin Anita Weyermann lässt sich für
solche Trainingswochen engagieren. Unser
Tourleiter Simone versucht, uns das
schlechte Gewissen auszureden: Mit den
Quad-Fahrten halte man Feuerwehr- und
Forststrässchen frei für Notfälle.
An einem anderen Tag sind wir mit Simone und seinem Kollegen Nino im Landrover
hinaufgefahren nach Orgosolo. Orgosolo
war einst als «Banditennest» verschrien,
denn im Widerstand gegen die diversen Eroberer hatte sich in Sardinien eine Banditenkultur gebildet. Es gab immer wieder
Raubzüge sardischer Bergbewohner. So
stürmten 500 Orgolesen 1894 das Küstenstädtchen Tortolì, um einen Grossgrundbesitzer auszurauben. Anfang des 20.
Jahrhunderts wurde in Orgosolo eine blutige Familienfehde ausgetragen, der mehr
als 50 Menschen zum Opfer fielen.
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Die Nato besiegt
1969 errang Orgosolo einen unblutigen
Sieg über die Nato: Auf den traditionellen
Weideplätzen ausserhalb des Dorfes sollte
ein Truppenübungsplatz entstehen. Als
Soldaten und Panzer anrückten, blockierte
die Bevölkerung die Zufahrtsstrassen, besetzte die Weiden und erzwang den Rückzug der Truppen. Das war der Beginn einer
Epoche, in der Orgosolo mit Wandmalereien Berühmtheit erlangte. Das erste Bild
wurde 1968 im Kampf gegen den NatoÜbungsplatz gemalt; Rund 120 sind seither
hinzugekommen. Sie handeln vom Partisanenkampf gegen den Faschismus, feiern
den Sieg der Vietnamesen über die US-Invasoren, protestieren gegen Kapitalismus
und Kolonialismus. Dank den Malereien erlebt der ansonsten wenig attraktive Ort einen touristischen Aufschwung.
Eingepfercht in Simones Landrover, fahren wir über holperige, streckenweise steile
Berg- und Waldstrassen, bis wir schliesslich an einem lauschigen Platz ankommen,
wo, neben einer steinernen Rundhütte, unter Bäumen ein langer Tisch aufgebaut
worden ist. Giuseppe, der sich als Schafhirte vorgestellt hat, serviert seinen Gästen
ein üppiges Mittagsmahl, Käse, Oliven und
Trockenfleisch, ein am Spiess gebratenes
Spanferkel, einen Schafs-Eintopf und Kalbfleisch, Ricotta mit Honig zum Dessert.
Maden im Käse
Der Tag klingt dann mit einer Wein-Degustation aus, die Hoteldirektor Luc Schwarz
selbst und mit grossem Fachwissen vornimmt. Schwarz, ein italienisch schweizerischer Doppelbürger, der breites Baslerdeutsch redet, ist seit neun Jahren für das
Tirreno Resort zuständig. Und nochmals
werden wir überrascht: Sardinien produziert nicht nur die relativ banalen Weine, die
man bei Schweizer Grossverteilern erhält,
sondern auch einige superbe Weissweine
wie Nuragus und Vermentino und tiefgründige, rote Cannonau.
Dazu gibt es Casu Marzu, einen Schafskäse, aus dem weisse Würmchen hüpfen.
Fliegen haben bei der Herstellung des Käses ihre Eier abgelegt; die Maden dringen
Anreise: im Sommer ab Bern mit Helvetic
oder Skywork, ab Zürich mit Edelweiss
oder Air Berlin, ab Basel mit Easyjet, ab
Genf mit Swiss oder Easyjet.
Wer mit Auto oder Camper anreisen will,
findet Fährverbindungen ab Livorno und
Genua nach Olbia, Überfahrt 6 bis 10
Stunden.
Beste Saison: Angenehme Temperaturen
im Frühling und Herbst; sehr heiss im Juli
und August. Mitte Oktober bis Mitte April
sind die meisten Hotels und Restaurants
geschlossen.
Unterkunft: Das Club Hotel Tirreno liegt
am Meer in Cala Liberotto bei Orosei. Es
bietet mehrere Zimmerkategorien für eine
bis fünf Personen an, ein Buffet-Restaurant, ein Gourmet-Lokal mit hervorragenden lokalen Spezialitäten, zwei Bars und
diverse Freizeit­möglichkeiten. Biketouren
und Laufwochen können über den
Ferienverein oder beim Veranstalter Bici
gebucht werden, der neu zur GlobetrotterGruppe gehört.
«Ferienverein» ist die Dachmarke der
Berner Poscom Ferien Holding AG. Sie
betreibt vier Hotels in der Schweiz (Arosa,
Montana-Crans, Sils-Maria und Wengen),
zwei grosse Ferien­anlagen in Sardinien und
an der spani­schen Costa Brava sowie dort
auch einen Campingplatz.
www.ferienverein.ch www.bici.ch
BILDER: AKV
Reise-Tipps
dann in den Laib ein, verzehren und verdauen ihn. Man isst also effektiv lebende
Maden und ihre Ausscheidungen. Das
schmeckt vorzüglich, cremig und würzig,
und es ist ein Wunder, dass die EU den
Casu Marzu noch nicht verboten hat.
n
Hobby wird Beruf: Bruno Stüdle.
Spezialität mit Maden: der Casu Marzu.