07.06.2016, Milliardengrab Flughafen BER - Leere

Manuskript
Beitrag: Milliardengrab Flughafen BER –
Leere Versprechen und Flickschusterei
Sendung vom 7. Juni 2016
von Beate Frenkel
Anmoderation:
Deutschland kann keine Großbaustellen. Dieser Eindruck
bestätigt sich derzeit gleich mehrfach. Die Elbphilharmonie
Hamburg soll – nach drastischen Kostensteigerungen – immerhin
im Januar eröffnen. Stuttgart 21 wird immer teurer und wird wohl
auch immer später fertig. Deutschlands Debakel ist aber der
Flughafen Berlin Brandenburg. Baubeginn war 2006. Seither
fliegen Planer und Politiker eine Schleife nach der anderen. Eine
unendliche Geschichte der Pleiten, Peinlichkeiten und der
Pannen, erzählt von Beate Frenkel.
Text:
Der BER, Deutschlands größte Dauerbaustelle. Seit gestern hält
auch der Flughafenchef die Eröffnung 2017 für eher
unwahrscheinlich.
O-Ton Karsten Mühlenfeld, Geschäftsführer Flughafen Berlin
Brandenburg:
Wenn wir das alles so hinkriegen, wie wir uns das vorstellen,
sehen wir nach wie vor eine Chance, 2017 fertig zu werden,
auch wenn die eben klein ist.
Schlechte Nachrichten für Berlins Regierungschef. Im September
ist Landtagswahl – und er wollte nächstes Jahr fliegen, eigentlich.
O-Ton Michael Müller, SPD, Regierender Bürgermeister
Berlin, am 27.05.2016:
Ich will im Jahr 17, Ende 17 fliegen.
Eisern Festhalten am Eröffnungstermin – da ist er nicht der
einzige. Im Oktober 2011 sollte Europas modernster Flughafen
eigentlich fertig sein. Kurz vor dem nächsten Eröffnungstermin im
Juni 2012 werden Zweifler abgebügelt.
O-Ton Klaus Wowereit, SPD, ehemaliger Regierender
Bürgermeister Berlin, am 25.04.2012:
Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen, weil, das ist
beschlossen, dass es fertig wird.
Der BER wird nicht fertig, die feierliche Eröffnung abgesagt, zwei
weitere Starttermine platzen.
Bilanz nach sechs Jahren Bauzeit und vier Jahren
Nachbesserungen: Statt der geplanten 1,7 Milliarden Euro liegen
die Kosten inzwischen bei 5,4 Milliarden. Und es werden
sicherlich mehr.
„Die Berliner und Brandenburger haben ein Recht zu sehen,
wo ihre Milliarden versenkt worden sind“ - findet selbst der
Sprecher der Flughafens Daniel Abbou kurz nach Amtsantritt.
Gesagt, gefeuert. Wer will schon die Wahrheit hören?
Dazu gehört: Problem Nummer eins. Laut Flughafengesellschaft
war das Fluggastterminal im März 2016 in Planung und Bau
gerade zu 64 Prozent fertig. So sah es hier vor wenigen Wochen
aus. Es fehlen noch immer Genehmigungen für den Umbau.
Und trotzdem will man im diesem Sommer das Problem gelöst
haben. Unmöglich, sagt Dieter Faulenbach da Costa. Er war
selbst weltweit bei 46 Flughäfen als Berater oder Projektleiter
tätig.
O-Ton Dieter Faulenbach da Costa, Flughafenplaner:
Dafür ist die Baugenehmigung wichtig, dass man die hat.
Und wenn die in den nächsten Monaten erteilt wird, wird man
auch noch mal einige Monate brauchen, um die Arbeiten
abzuschließen. Und damit ist klar, dass die Termine, die
genannt wurden, bei Weitem nicht zu halten sind und 2017
völlig illusorisch ist, dort den Betrieb aufzunehmen zu
wollen.
Problem Nummer zwei. Der Brandschutz zwischen Bahnhof und
Fluggastterminal gilt noch immer als ungelöst. Das zuständige
Bauordnungsamt fordert Nachbesserungen. Denn die
Entrauchung des Bahnhof und der Verteilerebene funktionieren
nicht unabhängig voneinander. Wenn es beispielsweise im
Bahnhof brennt und ein Zug einfährt, kann der Rauch über die
Treppen in die Verteilerebene gedrückt werden. Es müssen
Zuluftschächte her. Das war übrigens schon 2007 klar, wie eine
Aktennotiz des damaligen Planers belegt.
Problem Nummer drei. Der Flughafen ist viel zu klein.
O-Ton Dieter Faulenbach da Costa, Flughafenplaner :
Man hat einen disfunktionalen Flughafen gebaut. Da ist alles
zu klein, was für die Passagierabfertigung notwendig ist.
Ein Terminal für 22 Millionen Passagiere jährlich, das war
ursprünglich der Plan. Inzwischen war schon ein Anbau nötig.
Denn bis 2025 wird mit 43 Millionen Passagieren gerechnet also fast doppelt so vielen.
Der Eingang im Hauptterminal - ein Nadelöhr. Neuste Notlösung:
Der alte Flughafen Schönefeld bleibt und ein zusätzliches
Terminal soll helfen, doch dafür fehlt die Baugenehmigung.
Der Zeitplan ist wieder mal nicht zu halten, die Rückstände auf
der Baustelle werden immer größer. Stillstandkosten: Monat für
Monat etwa 34 Millionen Euro.
O-Ton Dieter Faulenbach da Costa, Flughafenplaner:
Ich habe mal 2012, relativ früh, gesagt, dass da so eine
Chaosbaustelle entstanden ist und Chaos auf der Baustelle
herrscht, dass eine Stange Dynamit unter dem Terminal für
mehr Ordnung sorgen würde, als der Versuch, das jetzt zu
reparieren. Und wenn man jetzt vier Jahre später sieht, was
die in der Zwischenzeit geschafft haben, nämlich praktisch
nichts, wäre die Stange Dynamit wirklich besser gewesen.
Baufehler, immer weitere Steuer-Milliarden und keine Eröffnung in
Sicht. Vielleicht 2018. Vielleicht auch nicht.
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