IL Programm Kammerwahl 2016

Programm der IL: Integrative Liste PP/KJP
Liste 6
zur Wahl der Delegiertenversammlung der LPPKJP im Juni 2016
Zukunft gestalten – Vielfalt erhalten – Integrieren statt reduzieren!
Die IL ist die Liste des Berufsverbands der Vertragspsychotherapeuten (bvvp)
Hessen, Mitglied im Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp). Der bvvp
ist verfahrens- und berufsübergreifend aktiv für PP, KJP, PiA und ÄP. Kammerarbeit
ist großenteils nicht eine Frage des Verfahrens, sondern kann nur von allen
Kammeraktiven gemeinsam geleistet werden und auch unabhängig davon, ob sie
niedergelassen oder angestellt sind.
Die IL ist DIE LISTE, die für eben diese Notwendigkeit steht und die entsprechenden
Kandidatinnen und Kandidaten auf ihrer Wahlliste vereint: Wir vertreten nicht EIN
Verfahren, EINE Berufsgruppe oder EINEN Tätigkeitsschwerpunkt, sondern wir
vertreten die Psychotherapie insgesamt, denn nur gemeinsam können wir dem
Berufsstand Ansehen und Gehör verschaffen.
Miteinander statt gegeneinander!
Ausbildungsreform für Verfahrensvielfalt!
Es muss Schluss sein mit der Lesart von PiA als „Psychotherapeuten in Ausbeutung“. Wer
einen Diplom- oder Master-Abschluss hat, muss angemessen bezahlt werden. Außerdem
muss gesetzlich geregelt werden, dass für den akademischen Heilberuf des
Psychotherapeuten ein Diplom- oder Masterabschluss nötig ist und ein Bachelor-Abschluss
nicht ausreicht.
Wir wollen, dass in einem künftigen Hochschulstudium „alle vier Grundorientierungen der
Psychotherapie (verhaltenstherapeutisch, psychodynamisch, systemisch und humanistisch)“
mit Strukturqualität vermittelt werden. So lautet der Beschluss des 25. Deutschen
Psychotherapeutentages. Nur so kann die Vielfalt der praktizierten psychotherapeutischen
Ansätze auf hohem wissenschaftlichem Niveau in der Patientenversorgung erhalten bleiben.
Deshalb sind wir gegen eine “Verfahrens-Monokultur“ wie an den psychologischen
Fachbereichen der Universitäten, wo derzeit fast ausschließlich universitäre
Verhaltenstherapie vermittelt wird. Eine Reform bietet die Chance, die für die Versorgung
nötige Verfahrensvielfalt im Studium kennenzulernen. Wir fordern sowohl für die Versorgung
als auch für die Ausbildung und für die wissenschaftliche Weiterentwicklung der
Psychotherapie, dass auch noch nicht sozialrechtlich anerkannte Verfahren gefördert
werden. Denn wir sind gegen eine „closed shop-Politik“ nach dem Motto: „Wir sind drin und
ihr bleibt draußen!“
Neue Versorgungskonzepte entwickeln!
Psychotherapie muss sich am Bedarf der Patienten orientieren. Das erfordert eine
Veränderung der Bedarfsplanung durch den G-BA, für die wir uns seit Jahren einsetzen und
ohne die Hunderte von KV-Sitzen in Hessen wegzufallen drohen. Neue Leistungen wie
Sprechstunden, Frühzeitige Diagnostische Abklärung und Erhaltungstherapie haben auch
wir gefordert und gefördert. Wir wollen uns aber nicht von den Krankenkassen an die
Kandare nehmen lassen und in unserer Freiberuflichkeit eingeschränkt werden. So muss die
Sprechstunde eine freiwillig angebotene Leistung sein und darf für Patienten in Praxen, die
keine Sprechstunden anbieten, nicht zu Einschränkungen führen. Neue Leistungen müssen
selbstverständlich im EBM angemessen bewertet und vergütet werden.
Delegierte der IL engagieren sich schon lange für die Entbürokratisierung des
Gutachterverfahrens (GAV). Die Bewilligungsschritte müssen erweitert werden, so ist
beispielsweise das Verfassen eines Berichts für 15 Sitzungen für Verhaltenstherapeuten
eine Zumutung. Eine Abschaffung des GAV muss aber verhindert werden, denn nur über
das GAV sind unsere Honorare durch die von uns erkämpfte Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts gesichert. Wir sind für die Einführung von zeitnaher Akutversorgung
ohne Wartezeit als zusätzliches Versorgungsangebot für Patienten, die vergleichbar zur
genehmigungspflichtigen Psychotherapie vergütet werden muss. Für diese zusätzlichen
Leistungen müssen entsprechende Strukturen und Rahmenbedingungen geschaffen
werden.
Neue Befugnisse mit Verstand!
Wir unterstützen die Forderungen nach Aufhebung der Befugniseinschränkung bezüglich der
Verordnung
von
Soziotherapie,
Krankentransport,
Krankenhauseinweisung,
Krankschreibung und psychotherapeutischer Rehabilitation. Auch die Verordnung von
Ergotherapie soll möglich sein. Wir lehnen aber Verordnungsbefugnisse für Medikamente ab.
Die Verordnung von ggf. notwendigen Medikamenten soll Aufgabe der ärztlichen
KollegInnen
bleiben.
Wir
behandeln
auf
der
Basis
psychologischer,
erziehungswissenschaftlicher sowie sozialpädagogischer Kompetenzen und der darauf
aufbauenden Ausbildung zum Psychotherapeuten. Auch wenn Psychiater in Kliniken leider
mittlerweile Mangelware sind und PP und KJP über Erfahrungen mit Indikation, Wirkweise
und Nebenwirkungen von Psychopharmaka verfügen: Wir sind keine „Psychiater light“.
Für angemessene Honorare und Eingruppierung!
„Honorargerechtigkeit jetzt!“ war 2015 das Motto der bundesweiten Demonstrationen mit
unseren IL-Aktiven an vorderster Front. Der Beschluss des Bewertungsausschusses hat
keine Honorargerechtigkeit hergestellt. Deshalb wehren wir uns weiterhin und setzen uns für
angemessene Honorare ein. IL-Delegierte sind in der KV auf Landes- und Bundesebene in
diversen Gremien und Ausschüssen aktiv und können ihr Wissen in die Kammerarbeit
einbringen. Wir sehen die Aufgaben der Kammer primär im Berufsrecht. Aber zu
sozialrechtlichen Fragen, die wie die Honorare den Berufsstand grundsätzlich betreffen, hat
die Kammer Position zu beziehen.
Wir werden auch die Forderung nach einer leistungsgerechten Eingruppierung von
angestellten PP und KJP in Entgeltgruppe 15 nachdrücklich verfolgen. Die jetzt erzielte
Einigung der Tarifpartner (ver.di und Vereinigung Kommunaler Arbeitgeberverbände) auf E
14 ab 1.1.2017 wird der Qualifikation von PP und KJP nicht gerecht!
Versorgung für Kinder und Jugendliche sichern!
Der Erhalt der Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist uns ein großes Anliegen. Dazu
gehört, dass zukünftige KJP mit derselben hohen Qualität wie derzeit ausgebildet werden.
Nicht nur psychologisches Wissen, sondern auch eingehende Kenntnisse aus den
Erziehungswissenschaften und der Sozialarbeit sind für die Behandlung von Kindern und
Jugendlichen erforderlich. Vernetzung im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen ist eine
der Besonderheiten der Tätigkeit von KJP. Diese Arbeit ist für KJP in der Praxis angemessen
zu honorieren!
Angestellte KJP sind gemäß der Einigung der Tarifpartner wie PP in E 14 einzugruppieren.
Wir sehen es als Aufgabe der Kammer, KJP bei der Umsetzung des Tarifabschlusses zu
unterstützen und Argumentationshilfe gegenüber den Arbeitgebern anzubieten, die derzeit
noch nach Grundberuf bezahlen. Es darf nicht sein, dass KJP in Kliniken, Beratungsstellen
und anderen Institutionen schlechter bezahlt werden als PP. Gleiches Geld für gleiche
Arbeit!
Fair für PiA!
Wir unterstützen AusbildungskandidatInnen in ihrer Ausbildung und bei der anschließenden
beruflichen Tätigkeit. Wir setzten uns für gute Ausbildungsbedingungen und für
Generationsgerechtigkeit zwischen den PiA und PP/KJP ein. Hierzu gehört neben der
Stärkung von Rechten der PiA in der Kammer und auf dem Deutschen
Psychotherapeutentag auch die Unterstützung bei der angemessenen Bezahlung der
Praktischen Tätigkeit. Nach der tariflichen Gleichstellung von angestellten PP und KJP
setzen wir uns dafür ein, das auch in der Praktischen Tätigkeit nicht länger nach Grundberuf
vergütet wird. KJPiA und PPiA sind hier gleichzustellen. Bei Praxisübernahmen setzen wir
uns für faire Modelle zur Berechnung des Praxiswerts ein und werben um Verständnis bei
Praxisabgebern.
Kein Etikettenschwindel mit Psychotherapie!
Wir stehen für angemessene und für den jeweiligen Menschen und seine Erkrankung
erforderliche Behandlungen. Lange Therapien sind nicht schon deshalb besser, weil sie lang
dauern. Gleiches gilt für kurze Therapien, die den Kostenträgern am liebsten sind, weil sie
vordergründig Einsparungen verheißen. Keinesfalls sind wir dafür, mit psychisch kranken
Menschen „kurzen Prozess“ zu machen. Das ist weder in der Juristerei noch in der
Psychotherapie ethisch vertretbar. Deshalb sind wir dagegen, einzelne Interventionen zu
„Psychotherapien“ zu erklären. Sowohl online- wie live Interventionen müssen in einen
therapeutischen Prozess eingebettet sein. Eben mal ein Wochenende Familienaufstellung
oder 10 Stunden Narrative Expositionstherapie, 12 Wochen Deprexis, 15 Stunden
Interpersonelle Therapie oder Selbsthilfeprogramme im Internet sind noch lange keine
Psychotherapie. Effizienz ist notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die
Anwendung von Psychotherapie. Hier sind zum Schutz der Patienten immer auch
datenschutzrechtliche, ethische und grundsätzliche Sorgfaltspflichten zu beachten.
Gesellschaftliche Verpflichtung der Kammer!
Die Kammer muss sich mit gesundheitsbezogenen gesellschaftspolitischen Fragen
auseinander setzen und hierzu Stellung beziehen. Wir haben das 2005 verabschiedete
Grundsatzpapier der hessischen Psychotherapeutenkammer, das „Geisenheimer Manifest“,
mit erarbeitet. Es basiert auf dem Gesundheitsbegriff der Ottawa-Charta, wonach
Gesundheit ein „Zustand umfassenden körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens
und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen ist“.
Eine Aufgabe der Kammer sehen wir darin, „auf gesellschaftliche Entwicklungen
aufmerksam zu machen, die die psychische Entwicklung behindern, psychisches Leid mit
hervorbringen und psychische Krankheit befördern.“ (Zitat aus dem Grundsatzpapier)
Deshalb verstehen wir Psychotherapie nicht als „Reparaturbetrieb“, dessen Aufgabe es ist,
Arbeitsfähigkeit möglichst schnell und ohne Reibungsverluste wiederherzustellen. Wir halten
die Frage nach Sinn und Funktion von psychischen Erkrankungen für bedeutsam und
therapeutisch wirksam.
So wie die Verfahrensvielfalt für die Behandlung psychisch kranker Menschen erforderlich
ist, brauchen wir für die Weiterentwicklung der Psychotherapie eine „Kultur des Diskurses“,
in dem auf Augenhöhe argumentiert wird. Es geht nicht um „bessere“ oder „schlechtere“
Psychotherapieverfahren oder um „richtige“ oder „falsche“ Menschenbilder, sondern um die
Förderung des Dialogs. Dies schließt auch den Dialog unterschiedlicher
Wissenschaftsverständnisse ein: Wir brauchen empirische Forschung mit quantitativen und
qualitativen Methoden genauso wie die Reflexion der gesellschaftlichen Bedingungen, in
denen Forschung stattfindet. Psychotherapie schöpft aus vielen Quellen, die geistes- und
sozialwissenschaftlichen wie auch naturwissenschaftlichen Ursprungs sind. Diese Quellen
wollen wir erhalten, für die Weiterentwicklung der Psychotherapie nutzen und letztlich den
Patienten in der Versorgung zugutekommen lassen.