Plagiator

˜ber wissenschaftliche Redlichkeit
von Bernd Radtke
Wenn Bµcher und Themen islamischer, orientalischer und
orientalistischer
Literatur
einem
breiteren
Publikum
nahegebracht werden, dann ist das vorbehaltlos zu begrµssen.1
Ein mögliches Urteil darµber wird sich, wenn µberhaupt nötig
und sachdienlich, auf das wie, nicht jedoch auf das dass
beziehen mµssen.
Hellmut Ritters Meer der Seele darf durchaus als epochales
Werk deutschsprachiger orientalistischer Literatur des 20. Jh.s
bezeichnet werden.2 Merkwµrdig quer dazu steht die geringe
Rezeption des Buches, selbst im deutschen Sprachraum, ganz
abgesehen vom ausserdeutschen. Die vor einigen Jahren
erschienene englische ˜bersetzung3 mag hierin etwas Abhilfe
schaffen.4
1
Das
gilt
selbstverständlich
auch
fµr
die
Veröffentlichungen Annemarie Schimmels! Zu anderen
Aspekten ihres Wirkens siehe Verf.: “Von des Chisers Händeln
und schmutzigen Tricks”, Der Islam 81 (2001), 96-114, und
id.: Neue kritische Gänge. Zu Stand und Aufgaben der
Sufikforschung (Utrecht 2005), 1. Kapitel (im folgenden: NkG).
2
Dazu Lawrence Conrad, Der Islam 82 (2005), 373
(Besprechung von The Ocean of the Soul).
3
Hellmut Ritter, The Ocean of the Soul. Translated by John
O’Kane, with Editorial Assistance of Bernd Radtke. Leiden
2003
4
Dazu auch Conrad, a.a.o. 375.
2
BERND RADTKE
Daher ist das jµngst veröffentlichte Buch von Navid Kermani,
Der Schrecken Gottes. Attar, Hiob und die metaphysische
Revolte warm zu begrµssen.5 Es wird im folgenden als
Schrecken zitiert. Schon der Titel, der den persischen Dichter
fiA††r und den biblischen Hiob nennt, macht es fµr den Leser
von Meer der Seele deutlich, dass es darin um eines der Themen
von Meer der Seele gehen wird, nämlich um das hadern mit
Gott, weiter die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes, um die
Theodizee.
So ist es in der Tat. Kermani (im folgenden K.) gliedert seine
Arbeit in fµnf Kapitel (s. Inhaltsverzeichnis 7-8): 1. Hiobs
Frage (10-50); 2. Das Buch des Leidens (52-103): 3.
Rechtfertigung und Schrecken Gottes (106-148); 4. Der
Aufstand gegen Gott (150-217); 5. Geschichte einer GegenTheologie (220-282); dann ein Anhang mit Anmerkungen,
Bibliografie, Indices etc.
Wir wollen uns vornehmlich auf fiA††r konzentrieren. Als
Textgrundlage dient K. das Mußıbat-nma fiA††rs. Er nennt es
Buch der Leiden, Ritter hatte im Meer der Seele (im folgenden
Meer) den Titel mit Buch der Plage wiedergegeben (Meer 2),
5
Mµnchen 2005. — Besprechungen in deutschen,
nichtwissenschaftlichen,
Media,
sind
geradezu
µberschwenglich. Dazu gehören: Die Welt, Sµddeutsche
Zeitung, Herder Korrespondenz, Deutschlandfunk, Frankfurter
Rundschau, Tagesspiegel, Literaturen, Chrismon, Kölner
Illustrierte. Ich verdanke den Hinweis auf diese Publikationen
Hans de Bruijn (Leiden).
WISSENSCHAFTLICHE REDLICHKEIT
3
was mir besser zu sein scheint. Eine Inhaltsangabe gibt Ritter in
Meer 18-30. Die anderen Epen fiA††rs werden von K. nur
sporadisch erwähnt.
Zuerst muss ich zugeben, dass mich nicht so sehr der Inhalt
des Buches interessiert hat, sondern die Arbeitsweise K.s. Um
zu sehen, wie sich sein Buch zum Meer der Seele stellt, habe ich
vor allem die ˜bersetzungen, die K. aus dem Mußıbat-nma
bringt, betrachtet. Ich gliederte die Untersuchung in:
(a) Angabe der Stelle bei K. und im Mußıbat-nma. Er zitiert,
wie Ritter (im folgenden R.), Kapitel und Unterkapitel, also
X/X, fµgt jedoch die Seitenzahl hinzu, die sich auf die Edition
von Nürnı-Wißl, Teheran 1338, bezieht. (b) Der persische
Text in Umschrift. (c) K.s ˜bersetzung. (d) Wenn vorhanden,
Ritters ˜bersetzung. (e) Gegebenenfalls meine ˜bersetzung. (f)
Wenn nötig, ein Kommentar zu den ˜bersetzungen oder zu
Inhaltlichem.6
Das Ergebnis meiner Untersuchung lautet: Fast das gesamte
Material aus dem Musıbat-nma und anderer Literatur, das K.
fµr seine Darstellung verwendet, findet sich in Ritters Meer der
Seele. Das wird jedoch in keinem Fall angegeben. K.s
˜bersetzungen folgen fast immer dem Ritterschen Wortlaut,
manchmal gibt es sogar wörtliche Entsprechungen. K. bringt
zudem fast gar nichts, was µber die texte von Meer der Seele
hinausgeht. Zugegeben: K. hatte die persischen Texte selbst vor
augen, denn er zitiert zumeist korrekt die Seitenzahlen der
6
Eine ausfµhrliche Darstellung wird man in der ZDMG
finden.
4
BERND RADTKE
neueren Textedition, die Ritter noch nicht benutzen konnte. Ich
möchte vermuten, dass K. sich am Text Ritters orientiert und
dann die Stellen im Mußıbat-nma aufgesucht hat. Ritters
Zitierweise macht das zu einem Kinderspiel, wie ich selbst
feststellen konnte. — Auch alle andere arabische und persische
Literatur wird aufgrund von Sekundärliteratur zitiert, suggeriert
wird jedoch die Lektµre der Quellen selbst.
˜bersetzt K. Texte aus dem Mußıbat-nma, die sich nicht im
Meer der Seele finden, bzw. von mir darin nicht gefunden
werden konnten, so ist die ˜bersetzung fast immer ungeschickt,
oft fraglich, an vielen Stellen auch unrichtig.
Das urteil µber diese Arbeitsweise sei dem Leser µberlassen!
Wir wollen einige Einzelheiten des Inhalts kommentieren.
S. 30 Im arabischen Origenal lautet der berµhmte Satz
‰azzlıs: laysa fı l-imkn aßlan a˛sanu minhu wa-l atammu
wa-l akmal mimm kn, vgl. I˛y 4, 258; µbersetzt bei
Ormsby, Theodicy 397 und Gramlich, Stufen8 549 f./E 73.
Weder Ormsbys noch Gramlichs ˜bersetzung werden von K.
genannt, obwohl er beide Bµcher in seiner Bibliografie anfµhrt.
— S. 32 Wie an vielen anderen Stellen ergeht sich K. hier in
einem extensiven name-dropping, so treten Stendhal, Nietzsche
und Bµchner auf wenigen Zeilen auf. Weitere Beispiele: 56
Pascal, Nietzsche, Schopenhauer; 71 Kafka, Pessoa, Adorno,
7
Eric Ormsby, Theodicy in Islamic Thought. Princeton
1984.
8
Richard Gramlich, Mu˛ammad al-‰azzlıs Lehre von
den Stufen der Gottesliebe. Wiesbaden 1983.
WISSENSCHAFTLICHE REDLICHKEIT
5
Benjamin, Horkheimer, Hedayat; 72 Adorno, Mahler,
Beethoven, Mohammed; 97 Hesiod, Theognis, Herodot,
Euripides, Sokrates, Seneca, Shakespeare, Voltaire, Byron, dazu
Altes und Neues Testament, Chayyam, Mafiarrı, Ibn Abı dDuny; 98 Mohammed, Gryphius, Nietzsche, Schopenhauer,
Heine, Hölderlin, Bahnsen,9 Bµchner, Cioran, Freud; 109
Epikur, Bayle, Hume, de Sade, ‰azzlı, Mafiarrı; 114
Maimonides, Hermann Cohen; 115 Augustin, Leibniz, Kant;
122 Schelling, Baudelaire, Schopenhauer, Nietzsche,
Zarathustra, Mani; 123 Platon, Plotin, Marcion, Augustin, O.
Marquard; 164 f. Mechthild von Magdeburg, Eckhart,
Kierkegaard, Kant. — Ist alles das verarbeitet und “verdaut”?
fragt man sich etwas erstaunt. — S. 33 Ibn ar-Rwandı, wird
von K. Atheist genannt. Das war er nicht, sondern nur,
zumindest in den Augen seiner Gegner, ein “Ketzer”. In der
Anm. 26 vermisst man einen hinweis auf van Essens
grundlegende darstellung in ThG10 4, 295 ff., obwohl das Buch
in der Bibliografie genannt wird. S. 39 Zu Sanı gibt es das
grundlegende buch von de Bruijn, Of Piety and Poetry11 ,
zudem war Sanı kaum “der erste bleibende Lyriker der
neugeborenen neupersischen Literatur”. Das war, wenn man
solche Bezeichnungen µberhaupt verwenden will, Rüdakı, der
9
Gest. 1881. Ein heute kaum noch bekannter Anhänger
Schopenhauers. Was soll dieser Name hier?
10 Josef van Ess, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3.
Jahrhundert Hidschra. 1-6. Berlin 1991-1997.
11 J.T.P de Bruijn, Of Piety and Poetry. Leiden 1983.
6
BERND RADTKE
zweihundert Jahre vor Sanı lebte (gest. ca. 940). Die
Bezeichnung “Sandscharen-Dynastie” ist mir nicht geläufig.
Zum Todesdatum fiA††rs vgl. auch Ocean of the Soul 832.
Diese englische ˜bersetzung von Meer, obwohl bereits im
Frµhjahr 2003 erschienen, ist von K. nicht zur Kenntnis
genommen worden. S. 40 Da es Orden im 6./12. jh. nicht gab,
konnte fiA††r kaum Mitglied eines solchen gewesen sein, K.s
Frage ist also unsinnig. Was bedeutet “erleuchtet”? S. 41 ˜ber
Abü Safiıd gibt es das grundlegende Buch von Fritz Meier12 ,
das K. nicht nennt. Abü Safiıd gehört nur beschränkt nach
Naysbür. Dazu Meier, Abü Safiid 52 ff.; 422 ff.. S. 45 Zu den
˜bersetzungen der Titel der Epen fiA††rs: S¯ ar˛ al-qalb ist kaum
Die Erklärung des Herzens (was soll das sein?), sondern nach
dem koranischen ¸sar˛ aß-ßadr (Öffnung der Brust) gebildet.
Ilhı-nma ist nicht Das Buch Gottes, das ist bekanntlich der
Koran, sondern, wie bei Ritter Gottesbuch. Zur ˜bersetzung
von Mußıbat-nma siehe hier .
K.s Ausfµhrungen zu den
Formen der persischen Dichtung sind kaum zutreffend. Weder
ist das azal die klassische Form des persischen Gedichts, noch
ist dieses durch den Vierzeiler charakterisiert. Zudem stammen
die Formen der persischen Dichtung aus dem arabischen. Das
gilt auch fµr das ma±nawı. Dazu zuletzt auch Meier,
Segenssprechung 1, 143 ff.13 S. 49 Hellmut Ritter ist nicht vor
12
Fritz Meier, Abü Safiıd-i Abü l-ayr. Leiden 1976.
13 Fritz Meier, Bemerkungen zur Mohammedverehrung. Teil
II: Die taßliya in ßüfischen Zusammenhängen. Leiden 2005.
WISSENSCHAFTLICHE REDLICHKEIT
7
den Nazis geflohen, sondern befand sich schon jahre vor 1933
in der Tµrkei.
Ich kann nicht finden, dass, wie K. behauptet, das Mußıbatnma im Meer der Seele “zwangsläufig” untergeht. Das zeigt
schon die sehr ausfµhrliche Inhaltsangabe (Meer 18-30). Wenn
K. dann weiter schreibt, “Hellmut Ritter hat Attar im Kontext
der islamischen Geistesgeschichte vorgestellt. Zu entdecken
bleibt, dass Attar nicht nur zwischen Sanai und Rumi, sondern
ausserdem zwischen Sophokles (gest. ca. 404 v. Chr.) und
Schopenhauer… steht, verwandt ist mit Abu Afila al-Mafiarri…
und Omar Chayyam, aber auch mit Bµchner und Beckett”, dann
finde ich das, gelinde gesagt, etwas dreist. Um mit Mafiarrı zu
beginnen: Zum einen fµhrt Ritter Mafiarrı durchaus an (u.a.
Meer 161 f.), zum anderen µbernimmt K. dieses zitat von Ritter,
ohne es anzugeben. Weiter stellte Ritter fiA††r durchaus in
grössere, auch nichtislamische Zusammenhänge, wie dem
aufmerksamen Leser nicht entgehen wird.14 Wie schon bei den
fehlenden Angaben zu den Zitaten aus dem Meer der Seele wird
man auch hier von dem Gefµhl beschlichen, dass K. sich auf
Kosten Ritters zu profilieren versucht.
S. 53 slik-i fikrat ist kaum “Wanderer des Denkens”. Ritter
(Meer 18) µbersetzt gedanke der meditierenden seele als ein
wanderer personifiziert. Ob es sich bei dem mifir Abü
14
Conrad, a.a.o. 374.
8
BERND RADTKE
Yazıds um Seelenreisen handelte, wäre µberhaupt zu fragen.15
Ein prinzipielles Problem sind, wie schon gesagt, K.s
vergleiche, so wird hier fiA††r mit Pascal verglichen. Es mµsste
an
jedem
Beispiel
geprµft
werden,
ob
diese
Zusammenbringungen sinnvoll sind. Ich habe starke Zweifel. S.
54 K.: “In der «Zunge des Zustandes» jedoch, in der mystischpoetischen Rede, werde wahr, was in der normalen Rede Lµge
sei”. Die Zunge des Zustandes ist die berµhmte zabn-i ˛l, bei
Ritter (Meer 21) sprache des zustandes. Was das eigentlich ist,
scheint K. nicht deutlich zu sein, wie auch seine ˜bersetzungen
zeigen (hier ), kaum
jedoch ist das mystisch-poetische Rede,
was ist zudem eine mystische Rede? S. 59 K.: … “dass die
mystische Erfahrung ihrer Natur nach den Kanon religiöser
Anschauungen durchbricht, sich sogar gegen diesen Kanon
wenden kann…” Die erste Aussage möchte ich entschieden
bezweifeln, wofµr ich die Schriften zur klassichen Sufik als
Zeuge anfµhren kann; dazu mein “Warum ist der Sufi
orthodox”?16 Was ist zudem µberhaupt die Natur der
mystischen Erfahrung? Auch die Notwendigkeit des Scheichs
(pirs) wird in der Sufik differenzierter gesehen als K. angibt;
dazu Meier, “ursn und das ende der klassischen ßüfik”.17
15
Bernd Radtke, “The Ascent to God and the Return from
Him in Islamic Mysticism”, Journal of the Ibn al-fiArabı Society
(forthcoming).
16 Der Islam 71 (1994), 302-307.
17 “ursn und das ende der klassischen ßüfik”. Atti del
convegno internazionale sul tema: La Persia nel Medioevo
WISSENSCHAFTLICHE REDLICHKEIT
9
Das ˘all zugeschriebene an l-˛aqq mit “Ich bin der
Wahrhafte” wiederzugeben, scheint mir anfechtbar, ˛aqq ist
wahr, Wahrheit, aber nicht wahrhaftig. S. 63, 64, 65, 66: In
“Die älteste islamische Kosmografie” (s. 286 und Anm. 108)18
hatte ich darauf hingewiesen, dass das Strukturgerµst des
Mußıbat-nma womöglich auf eine Kosmografie zurµckgeht,
zumindest auf eine Erweiterung des ˛adı± a¸s-¸saffia. Davon bei
K. nichts. Literatur zum mifir ist gesammelt in Verfasser.
Neue kritische Gänge (NkG) 28; 41 f., erschienen im Sommer
2005. Aber schon vor NkG wusste man sehr viel mehr darµber
als K. angibt. Wo sind (s. 65) “die vielen Ähnlichkeiten”
zwischen der “Göttlichen Komödie” und dem Mußıbat-nma?;
weiter zwischen Mafiarrıs Rislat al-ufrn und Dante? Wenn
denn diese Ähnlichkeiten bestehen, dann doch noch eher
zwischen den Schriften Ibn al-fiArabıs und Dante (dazu NkG
122). S. 67 K.s Ausfµhrungen µber die Technik der
Rahmenerzählung in der persischen Literatur sind aus Ritter,
Meer 2, µbernommen, ohne dass das angegeben wird. S. 73
Welche Verhältnisse werden von
Ulrich Holbein
“zurechtgerµckt”? S. 79 Die Themen Armut, behördliche
Willkµr, Herrscher sind sämtlich von Ritter µbernommen, der
ihnen einzelne Kapitel widmet: Not, leid und bedrµckung (3.
kapitel, 54 ff.), Die weltmenschen (6. kapitel, 89 ff.), Die
(Roma, 31 marzo - 5 aprile 1970), Accademia Nazionale dei
Lincei. Rome 1971, 545-70/Bausteine 1, 131-56/Essays 189218.
18 Der Islam 64 (1987) 279-288.
10
BERND RADTKE
machthaber (7. kapitel, 104 ff.). Darµber kein Wort bei K.
Auch das Verhältnis fiA††rs zu den Hofdichtern spricht Ritter
an (Meer 156 f.), auch davon kein Wort bei K. S. 81 ˜ber den
angeblichen “grossen” Sufi fiAkkf ist nur wenig bekannt. S. 82
Ob tafiaßßub mit religiöser Dogmatismus richtig µbersetzt ist,
möchte ich bezweifeln. Eine nähere Untersuchung wäre
notwendig. S. 83 Begriffe wie “Mullahs” und “Iraner” sind in
diesem Kontext anachronismen. S. 87 Zum “Humanismus” vgl.
den Aufsatz von Marco Schöler.19 — S. 88 Zur stellung des
12. (christlichen) Jahrhunderts vgl. vor allem Curtius,
Europäische Literatur20 , index, s.v. Renaissance des 12. Jh.s.
S. 93 Der Vergleich zwischen den Zuständen in Ostiran zur
Lebenszeit fiA††rs und denen des Dreissigjährigen Krieges
scheint mir völlig verfehlt zu sein, das tertium comparationis
sind allein die Grausamkeiten. S. 97 Zur von K. aus Meer 132
zitierten Stelle steht eine Verbesserung in Ocean 136. S. 106
Die Frage der Theodizee ist durchaus nicht bis vor kurzem in
westlicher Literatur µbersehen und erst durch Eric Ormsbys
Buch Theodicy in Islamic Thought zum Bewusstsein gebracht
worden, wie K. behauptet, wobei nichts gegen die Arbeit
Ormsbys gesagt sei. Dazu auch van Ess, Vorwort Fehltritt21 5
19
“Zum Begriff des “islamischen Humanismus””, ZDMG
151 (2001), 275-320.
20 Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und
lateinisches Mittelalter. Bern 1954.
21 Josef van Ess, Der Fehltritt des Gelehrten. Die “Pest von
Emmaus” und ihre theologischen Nachspiele. Heidelberg 2001.
WISSENSCHAFTLICHE REDLICHKEIT
11
ff. S. 107 “Die jµdische und die islamische Mystik innerhalb
des arabisch geprägten Kulturraums haben in ihren
Strukturen… weit mehr gemein als die islamische Mystik mit
der islamischen Philosophie”. Warum sollte die islamische
Mystik denn etwas mit der Filosofie gemein haben? S. 108 Die
Aussagen µber Mufitaziliten und A¸sfiariten sind anachronistisch.
Ein Buch Nietzsches mit dem Titel Der Wille zur Macht gibt es
bekanntlich nicht, bzw. es war eine Fälschung seiner Schwester.
S. 132 Zu Ibn ar-Rwandı hier .
S. 133 Was “iranische”
Liebesmystik ist, weiss ich nicht. Gemeint ist “persische”
Liebesmystik; hier .
Die erste systematische Darstellung
µber istidr steht, soweit ich weiss, bei ˘akım Tirmiı.22 S.
140 Lies Abü Dharr. — S. 168 f. Alles aus Meer µbernommen!
Der Bericht µber ahm b. afwn steht in Meer 168; µber
Yünus Emre Meer 180. S. 171, 174 Hadern mit Gott: Ritters
10. kapitel, nicht mitgeteilt! S. 175 mysterium tremendum,
mysterium fascinans: aml-all-Problematik; dazu Meier,
Kubr23 80 f. S. 184 Das Thema “Narren” verdankt K., ohne
es mitzuteilen, Meer, 10. kapitel. S. 193 Das ‰azzlı-Zitat aus
Matthäus steht Meer 321, nicht von K. vermeldet. S. 196 Jesus
und der tote Hund: ˜bernommen aus Meer 241, nicht
vermeldet; wichtige Ergänzung Ocean 252. S. 255 Zu Ernst
22
Bernd Radtke, Drei Schriften des Theosophen von
Tirmi. Zweiter Teil: ˜bersetzung und Kommentar. Bibliotheca
Islamica 35 b. Beirut-Stuttgart 1996, 103 ff.
23 Fritz Meier, Die Fawi˛ al-aml wa-fawti˛ al-all
des Nam ad-dın al-Kubr. Wiesbaden 1957.
12
BERND RADTKE
Blochs unmöglichem Buch µber Ibn Sın24 vgl. Radtke,
Safına.25 Blochs Produkt geistesgeschichtlichen Dilettantismus
µber Curtius und Auerbach zu stellen, ist wahrlich “starker
tobak”.
***
Gewiss: Man kann einen grossen Entwurf, geistreich
geschrieben und voller vielleicht µberraschender Erkenntnisse,
durch kleinliche, geistlose Auflistung von Fehlern und
Versehen “kaputtmachen”. Ohne Zweifel: Kermani kann
glänzend formulieren und schreibt keinen Unsinn. Auch sein
Ausgangspunkt persönlicher Erlebnisse ist fµr mich akzeptabel,
der Versuch, fiA††ar zu aktualisieren, zu begrµssen.
Gegen das Buch spricht die Arbeitsweise, die ich nur als
unsauber bezeichnen kann. Welche Entschuldigungen man auch
immer ersinnen mag, es ist das Vorgehen Kermanis, vieles, ja
fast alles Material aus dem Meer der Seele zu µbernehmen, ohne
das anzugeben, nicht zu tolerieren. Eine kurze Notiz hätte ja
genµgt, aber man findet sie leider nicht (vgl. z.B. s. 289).
Unangenehm auf mich wirkt auch K.s Vielwisserei, die
Anmassung, µber alles urteilen und schreiben zu können —
Beispiele (s. 253 f.): das Urteil µber Ernst R. Curtius und Ernst
Auerbach, das name-dropping, die geradezu hemmungslosen
Vergleiche — , ohne wirklich, wie es scheint, solide Kenntnisse
24
Ernst Bloch, Avicenna und die Aristotelische Linke.
Frankfurt 1963.
25 Bernd Radtke, “Die mystischen schriften der Safına-i
Tabrız”. In Vorbereitung.
WISSENSCHAFTLICHE REDLICHKEIT
13
und Reflexion zu besitzen. Hier fehlt wohl auch die
erforderliche Selbstkritik. Schade! möchte man bei dieser
intellektuellen Kompetenz sagen.
Welche Sachkenntnis hat eigentlich die Schreiber der
hymnischen Besprechungen zu ihren Äusserungen berechtigt?