NS-Raubkunst AKG-IMAGES Spur zu Bacchus Feuerbach-Bild „Windgötter, dem Bacchus-Knaben Trauben stehlend“, 1848 Islam „Sexistische Auslegung“ Sineb El Masrar, 34, wurde als Tochter marokkanischer Einwanderer in Hannover geboren, sie ist Autorin und war Mitglied der Deutschen Islam Konferenz. Anfang April erließ das Landgericht München eine einstweilige Verfügung gegen einen Satz aus ihrem Buch „Emanzipation im Islam“ (Herder-Verlag). Beantragt wurde die Streichung von der islamischen Gemeinschaft Milli Görüş e. V. SPIEGEL: Worum geht es in Ihrem Buch? El Masrar: Ich wollte aufzeigen, dass Emanzipation im Islam möglich ist und auf welche theologischen Quellen man 114 DER SPIEGEL 17 / 2016 sich dabei beziehen kann. Gleichzeitig war es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass es durchaus Frauen gibt, die der islamistischen Seite nahestehen und einen offenen Dialog über Frauen im Islam zu verhindern suchen. SPIEGEL: Gab es im Zusammenhang mit dem Erscheinen des Buchs Konflikte? El Masrar: Natürlich sind einzelne Personen und Verbände, die von mir genannt werden, weil sie die patriarchalischen und sexistischen Auslegungen des Islam unterstützen, nicht unbedingt froh über das Buch. Manche sind auch beleidigt. Aber es gab keine offenen Konflikte. SPIEGEL: Was besagte der Satz, der nun geschwärzt werden muss? In Fachkreisen ahnte man offenbar längst, dass sich in einem städtischen Wormser Museum Raubkunst befindet. Am 12. April erhielt dann der Oberbürgermeister der Stadt, SPD-Politiker Michael Kissel, einen Hinweis von Provenienzforschern. Die in Amerika ansässigen Erben hatte man da noch nicht in Kenntnis gesetzt. Bei ihnen handelt es sich um die Urenkelin des legendären Berliner Verlegers Rudolf Mosse sowie um zwei von der Familie bedachte institutionelle Erben: um eine Stiftung und eine Universität. Es ist durchaus bekannt, dass dieser Erbenkreis intensiv nach Werken aus der früheren Familiensammlung der Mosses fahndet (SPIEGEL 16/2016). Die Nazis hatten die Tochter Mosses ihrer jüdischen Religion wegen verfolgt, ihr den riesigen Kunstbesitz entzogen und vieles daraus 1934 in Versteigerungen anbieten lassen. Einige Bilder wurden aufgespürt und zurückgegeben, anderes befindet sich noch in Museen, zum Beispiel in Wiesbaden, wo man von einer baldigen Restitution ausgeht. Das Werk in Worms ist ein Ölbild des Malers Anselm Feuerbach aus dem Jahr 1848, es trägt den opulenten Titel: „Windgötter, dem Bacchus-Knaben Trauben stehlend“. Ein Herr aus Freiburg hatte es der Stadt 1967 vererbt. Im Fall von Worms und seinem bedeutenden jüdischen Erbe sei es „besonders geboten“, die Herkunft der Werke zu untersuchen, sagt Kissel. Besser spät als nie, das gilt auch in anderer Hinsicht: Das Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg und die Kulturstiftung der Länder wollen ein Forschungsprojekt zu Mosse in die Wege leiten. uk El Masrar: Es ging um Vor- würfe gegen Milli Görüş, die über Monate hinweg in den Medien präsent waren. Mehr kann ich leider nicht sagen. SPIEGEL: Einigen früheren Spitzenfunktionären von Milli Görüş wird Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Das Verfahren läuft noch. El Masrar War der gestrichene Satz aus Ihrer Sicht essenziell? El Masrar: Nein, ich bin da ganz entspannt, meine wesentlichen Thesen sind von dieser Schwärzung nicht betroffen. Ich finde es eher interessant, dass dieser Verein so viel Mühe aufwendet, um mit einem Anwalt und einem Gericht einen einzelnen Satz aus der Welt zu schaffen beziehungsweise ihn schwärzen zu lassen. Auf der anderen Seite unternimmt Milli Görüş anscheinend nichts dagegen, dass der Verein mit Antisemitismus in Verbindung gebracht wird, mit Extremismus oder Islamismus. Ich habe davon zumindest bisher nichts mitbekommen. Es ist schon interessant, wo hier die Prioritäten liegen. clv
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