Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Germanistisches Seminar & Institut für Psychologie Institutskolloquium Freitag, den 24. Juni 2016, 10 Uhr c.t. Leibnizstraße 1, Raum 204 Grammatische Freiheiten, stilistische Zwänge und die gesellschaftliche Definition sprachlicher Richtigkeit Prof. Dr. Claudia Wich-Reif Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Die Aufforderung, Texte zu korrigieren, wird normalerweise dahingehend interpretiert, dass es um sprachliche Richtigkeit geht: um die Norm in der Rechtschreibung, aber auch in der Grammatik. Die Testergebnisse einer Befragung zu Genitivobjekten haben gezeigt, dass es Studierenden nicht schwer zu fallen scheint, den Gebrauch des Genitivs als richtig oder falsch zu beurteilen. Gleichermaßen hat sich aber ergeben, dass die Antworten keineswegs eindeutig waren: Offenbar sind individuell unterschiedliche Grade von Richtigkeit wirksam, die von den gesellschaftlichen Kodierungssystemen (Duden, Tests, Deutsch in der Schule) nicht abgebildet werden können. Auf der Basis des genannten Tests soll aufgezeigt werden, dass es häufig gar nicht um grammatische, sondern um stilistische Zwänge geht, nicht nur, wenn Genitivobjekte in Verwendungs- oder Belegbeispielen von Rezipienten beurteilt, sondern auch, wenn Produzenten aus mehreren Möglichkeiten (Genitiv- oder Präpositionalobjekt: „er erinnert sich des Vorfalls“ vs. „er erinnert sich an den Vorfall“, Genitiv- oder Dativobjekt: „sie gedenken der Toten“ vs. „sie gedenken den Toten“), also grammatischen Freiheiten, für spezifische Zwecke Genitivobjekte auswählen. Alle interessierten Mitarbeiter, Studierenden und Gäste sind herzlich willkommen!
© Copyright 2024 ExpyDoc