Mr. Maskottchen Felix Schumacher ist Deutschlands einziges hauptberufliches Maskottchen. Was mit zwölf Jahren als Hobby begann, ist für den 23-Jährigen heute Berufsalltag. Seine Unterhaltungskünste sind gefragt wie nie. Leblos liegt ‚Felix’ im großen Kofferraum des silbernen Transporters. Kopf, Körper und Füße sind schlampig in einen klobigen, roten Stoffsack gestopft. Mit einem kräftigen Ruck öffnet Felix Schumacher die Autotür. Nach dem schlaksigen 23Jährigen ist das Maskottchen von Basketball- Bundesligist Phoenix Hagen benannt, das er sich jetzt greift und über die Schulter schwingt. Seit elf Saisons haucht er dem Feuervogel bei Heimspielen Leben ein. So auch heute gegen Bayreuth. „Das hat sich damals einfach so aus Zufall ergeben“, erklärt er, während er sich zielstrebig seinen Weg durch die grauen Gänge der Ischelandhalle bahnt. Tief versteckt, im Bauch der Arena liegt seine eigene, kleine Umkleide. Eineinhalb Stunden vor dem Sprungball legt der Hagener ein orangenes Federkleid an, knöpft sich imposante, ausgestopfte Flügel aus dicker Wolle um die Arme. Auch ein übergroßes, gelbes Trikot darf nicht fehlen, „Felix“ prangt in blauen Lettern auf der Rückseite. Routiniert schlüpft er in eine orangene Strumpfhose. Darin wirken seine langen Beine noch storchenartiger. Enge Handschuhe und rote Krallen aus Pappmaschee runden sein Kostüm ab. Bis zu 40 Grad und mehr erwarten ihn gleich unter den vielen Schichten. „Ich bin das gewohnt“, zwinkert Schumacher. Das Phoenix- Maskottchen ist beileibe nicht mehr seine einzige Rolle. Nach und nach kamen immer mehr Firmen aus dem Umkreis auf ihn zu, beeindruckt von seinem Engagement und Wirken beim Basketball. „Einen Tag nach meinem 18. Geburts- tag habe ich mich selbstständig gemacht“, erinnert er sich. „Ich habe gemerkt, dass ich gefragt und geschätzt bin. Dann kann ich auch anfangen Geld damit zu verdienen.“ Doch dabei blieb es nicht: Schumacher überrollten immer mehr Anfragen. Mittlerweile schlüpft er pro Jahr mehr als 50 Mal in die unterschiedlichsten Kostüme. Zusätzlich vermittelt er als Deutschlands einziges MaskottchenUnternehmen noch 14 freie Mitarbeiter an Firmen und Vereine im kompletten Bundesgebiet. 15 Euro locken pro Stunde. In seinem privaten Fundus finden sich mittlerweile 35 unterschiedliche Kostüme. „Da habe ich wirklich eine Marktlücke entdeckt“, schmunzelt er. Langsam aber stetig strömen Zuschauer in die stimmungsvolle Halle. Vom Spielfeld draußen schallt laute Musik in die stickige Umkleide. Schumacher nippt ein letztes Mal an seiner Wasserflasche. Dann stülpt er sich vorsichtig den sperrigen Maskottchen-Kopf über. Ein riesiger, gelber Schnabel ragt dominant hervor. Grimmige, große Vogelaugen blicken jeden Betrachter herausfordernd an. Dem 23Jährigen dienen sie als Guckloch, das Sichtfeld ist beschränkt. Zeit die dunklen Katakomben zu verlassen. Am Spielfeldrand ist der Feuervogel jetzt voll in seinem Element. Mit übertriebenen, ausladenden Gesten verbreitet er gute Laune. Rhythmisch tanzt das Maskottchen zur Musik. Besonders Kinder sind von dem quirligen Federvieh angetan. Aber selbst dem ernsten Sicherheitsdienst ringt ‚Felix’ ein Lächeln ab. Kurz vor Spielbeginn flitzt er mit den Cheerleadern auf das Parkett, animiert die Zu- schauer zum Aufstehen. Während die Athleten von Korb zu Korb sprinten, gönnt sich auch ‚Felix’ auf den Rängen keine Pause. Er dirigiert die über 3000 lautstarken Fans, zeigt Kunststücke und Posen. „Ich weiß, ich habe einen Schuss im Kopf, aber deshalb liebe ich diesen Job“, lacht Schumacher, als er zur Halbzeit flink in seiner Kabine verschwindet. Durchatmen, trinken, weiter geht’s. Die Partie läuft für Hagen. Am Ende holen sich die Westfalen einen haushohen Sieg. Minutenlang feiern die Anhänger ihr Team mit stehenden Ovationen. ‚Felix’ macht sich bereit für sein wöchentliches Ritual: Gekonnt hangelt sich das Maskottchen den Korb hoch. Oben angekommen bringt es mit wildem Klatschen nicht nur den Ring, sondern auch die Halle zum Beben. Wenig später kniet Schumacher auf dem staubigen Boden seiner Umkleide. Schweißgeruch liegt in der Luft. Den Vogelkopf hat er mittlerweile abgenommen, die Handschuhe wirft er hastig beiseite. Mit schmerzverzerrtem Gesicht und roten Backen ringt der 23-Jährige um Luft. Die letzten Minuten haben ihn nochmal viel Kraft gekostet. „Duschen und Schlafen, auf mehr habe ich heute keinen Bock mehr“, brummt er, während er Kopf, Körper und Füße des Feuervogels wieder im Stoffsack verstaut. Schon morgen wartet ein anderes Kostüm auf ihn. Florian Kornprobst I 2016
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